Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.09.2014, Az. 2 BvE 13/12

2. Senat | REWIS RS 2014, 2950

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Gegenstand

A-limine-Abweisung eines Antrags im Organstreitverfahren: Mangelnde Antragsbefugnis einer Partei bzgl der Zustimmung des Bundestages zu Finanzhilfen für Spanien sowie bzgl der Unterlassung einer Volksabstimmung


Gründe

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zustimmung des [X.], dem [X.] Finanzhilfe zu gewähren, sowie das Unterlassen einer Volksabstimmung zu diesem Beschluss und weiteren Punkten aus ihrem Parteiprogramm.

2

1. Am 16. Juli 2012 beantragte das [X.] beim [X.] (BTDrucks 17/10320):

"Der [X.] wolle beschließen:

Das [X.] beantragt mit diesem Schreiben die Zustimmung des [X.] gemäß § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 2 Nummer 1 [X.] zum Abschluss einer Vereinbarung über die Gewährung einer Notmaßnahme der [X.] ([X.]) zugunsten [X.] in Form von Darlehen zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanzinstitutionen bis zu einer Gesamthöhe von 100 Mrd. Euro.

Mit dieser Zustimmung des [X.] ist das [X.] ermächtigt, gemäß § 1 Absatz 1 [X.] die für die Finanzierungsgeschäfte der [X.] notwendigen Gewährleistungen zu übernehmen."

3

Zur Begründung führte das [X.] aus (vgl. BTDrucks 17/10320, [X.] f.), die Voraussetzungen des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines [X.] Stabilisierungsmechanismus ([X.]; [X.]; siehe hierzu auch [X.] 130, 318 <320 ff.>) für die Übernahme von Gewährleistungen seien erfüllt. Das [X.] habe mit Schreiben vom 24. Juni 2012 einen Antrag auf Finanzhilfe gestellt (vgl. BTDrucks 17/10320, [X.]. 1). Die Ergebnisse der vorläufigen externen Prüfung des [X.] Bankensektors im Auftrag der [X.] Behörden hätten den zusätzlichen Kapitalbedarf des [X.] Bankensektors mit 51 bis 62 Milliarden Euro veranschlagt. Die [X.], die [X.], die [X.] und der [X.] hätten bestätigt, dass das [X.] in Anbetracht der aktuellen Rezession, der angespannten Situation an den Finanzmärkten und der bereits erfolgten eigenen Bemühungen, die Bilanzen der Banken von Altlasten zu befreien, nicht länger in der Lage sei, dieses Problem allein zu bewältigen. In ihrer Erklärung vom 27. Juni 2012 habe die [X.] festgestellt, dass die Bereitstellung von Hilfe an das [X.] notwendig sei, um die Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet zu gewährleisten (vgl. BTDrucks 17/10320, [X.]. 2). Die [X.], die [X.], die [X.] und der [X.] kämen in ihrer Bewertung vom 26. Juni 2012, ob [X.] zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten für einen Kredit der [X.] in Frage komme, zu dem Ergebnis, dass die Situation im [X.] Bankensektor potentielle Gefahren auch für andere Länder der [X.] und insbesondere der [X.] berge, falls die Schwächen nicht angemessen und zügig behoben würden. Sektor- und bankspezifische Maßnahmen seien im Memorandum of Understanding festgelegt worden (vgl. BTDrucks 17/10320, [X.]. 3). Hinsichtlich der Strukturreformen seien die [X.] Behörden verpflichtet, länderspezifische Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters umzusetzen. Diese seien von der [X.], der [X.], der [X.] und dem [X.] mit dem [X.] ausgehandelt worden. Die [X.] habe am 9. Juli 2012 ein gemeinsames politisches Verständnis zu den Inhalten und dem weiteren Vorgehen erzielt (vgl. BTDrucks 17/10320, [X.]. 4).

4

2. Der Deutsche [X.] stimmte dem Antrag des [X.] am 19. Juli 2012 zu. Von 583 anwesenden [X.] stimmten 473 mit Ja, 97 mit Nein und 13 enthielten sich der Stimme (vgl. [X.] 17/189, [X.] ).

5

3. Der Europäische Stabilitätsmechanismus gewährte dem [X.] daraufhin im Dezember 2012 Finanzhilfen in Höhe von 39,468 Milliarden Euro und im Februar 2013 weitere Finanzhilfen in Höhe von 1,865 Milliarden Euro. Die Darlehen mit einer Laufzeit von 12,5 Jahren wurden dem [X.] ([X.]) zur Verfügung gestellt, der sie an die betroffenen Finanzinstitute weiterleitete. Am 31. Dezember 2013 lief das Hilfsprogramm aus.

6

Die Antragstellerin ist eine politische Partei. In ihrer Antragsschrift beantragt sie wörtlich:

1. durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Bundespräsidenten zu untersagen, den Beschluss zu unterzeichnen,

2. den Beschluss für rechts- und verfassungswidrig zu erklären und damit für nichtig zu erklären,

3. dem Beschwerdegegner/Beklagten zu 2 aufzugeben, dafür zu sorgen, dass in allen [X.]n mit den Banken wie in [X.] umgegangen wird, siehe [X.]age 4:

"Global Elites [X.]: [X.] Corrupt [X.] All [X.]/[X.]" -

"Globale Finanzelite aus [X.] rausgeschmissen: [X.] setzt Korrupte Regierung ab und verhaftet alle [X.]/Rothschild Bankster"

4. zu dem Beschluss eine bundesweite Volksabstimmung durchzuführen (Art. 20 (2) GG). Der Beschwerdegegner/Beklagte zu 2 hat mit einfacher Mehrheit für die Durchführung ein Gesetz zu erlassen.

5. Deutschland und alle [X.] erschaffen sich das benötigte Geld zu 0 % Zinsen selber, statt es von Privatbanken gegen Zinsen zu leihen (Art. 73 Nr. 4 GG Währungshoheit). Schluss mit den Subventionen an Privatbanken. Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin/ Klägerin fordert bundesweite Volksabstimmungen über:

- Gebt uns unsere D-Mark zurück! Rückkehr zur nationalen Währung in den 17 Euroländern und Einbindung in ein europäisches Wechselkursbündnis (Professor Dr. [X.] u.a.),

- Geld für 0 %, zinsloses Geld, für alle öffentlichen Haushalte durch eine öffentlich-rechtliche Bank (Art. 14(2), 15 und 73 Nr. 4 GG: Währungshoheit), Art. 123 [X.] ändern, damit [X.] Kredite direkt an Regierungen ihrer Mitgliedsländer vergeben kann (Ellen Brown),

- keine staatlichen Zinszahlungen aus Steuergeldern an Privatbanken,

- keine Staatsverschuldung bei privaten Banken,

- Einstellung sämtlicher Zins- und Tilgungsleistungen an Privatbanken,

- Stornierung aller Staatsschulden bei Privatbanken,

- Stornierung aller Banken-Rettungsschirme ([X.], [X.], …),

- sofortige strengste Gewaltentrennung zwischen Staat und Privatbanken durch Einstellung sämtlicher Zins- und Tilgungsleistungen an die Privatbanken - keine Staatsverschuldung bei privaten Banken.

7

Zur Begründung trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass nach Art. 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) weder die [X.] noch ihre Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten hafteten. Dies habe insbesondere die [X.] bei den Verhandlungen zum [X.] durchgesetzt. Diesen Vertrag habe das [X.] gebilligt und dabei die Konzeption der [X.] als Stabilitätsgemeinschaft besonders betont. Mit dem Zustimmungsbeschluss des [X.] vom 19. Juli 2012 würden diese Vertragsgrundlagen verlassen. Der Beschluss sei demnach rechts- und verfassungswidrig. Es sei davon auszugehen, dass die [X.] Banken die 100 Milliarden Euro - und damit den Anteil der [X.] in Höhe von 29 Milliarden Euro - voll in Anspruch nehmen würden. Dieses Geld fehle dann in den [X.]n, etwa zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Der Beschluss erfülle "deshalb die Straftatbestände von Hochverrat und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 81 und § 83 StGB), Untreue, arglistige Täuschung, Betrug u.a.". Die Zustimmung des [X.] verstoße zudem gegen Art. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG. Die Antragstellerin nehme im vorliegenden Verfahren nicht ihre persönlichen Interessen wahr, sondern die Interessen der großen und absoluten Mehrheit der Wählerinnen und Wähler des Volkes in der [X.]. Es gehe um die Verletzung der verfassungsmäßig garantierten Rechte des Volkes.

8

Der Antrag ist unzulässig. Bei verständiger Würdigung der Anträge und des Antragsvorbringens (vgl. [X.] 24, 300 <330>) erstrebt die Antragstellerin die Feststellung, durch die Zustimmung des [X.] zur Finanzhilfe für das [X.] vom 19. Juli 2012 und durch das Unterlassen einer Volksabstimmung zu diesem Beschluss und weiteren Punkten in ihren Rechten verletzt zu sein. Für diese Anträge ist sie jedoch nicht antragsbefugt (§ 64 BVerfGG).

9

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 24 Satz 2 BVerfGG abgesehen. Die Antragstellerin ist durch den Berichterstatter mit Schreiben vom 30. April 2014 auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit ihres Antrags hingewiesen worden. Hierauf hat sie nicht reagiert.

Mit der Verwerfung des Antrags erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. [X.] 71, 299 <300, 305>; 74, 96 <97>; 133, 273 <275>).

Meta

2 BvE 13/12

16.09.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

§ 24 S 1 BVerfGG, § 24 S 2 BVerfGG, § 64 Abs 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.09.2014, Az. 2 BvE 13/12 (REWIS RS 2014, 2950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2950 BVerfGE 137, 103-108 REWIS RS 2014, 2950

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2 BvE 13/12

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