Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2017, Az. 1 ARs 16/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15259

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210217B1ARS16.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 16/16

vom
21. Februar 2017
in der Strafsache
gegen

1.
2.
3.

wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

hier:
[X.] des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016

2 [X.]

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2
-
Der 1. Strafsenat
des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar
2017
gemäß §
132
Abs.
3
Satz 1
[X.]
beschlossen:

Die beabsichtigte Entscheidung des 2. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 1. Strafsenats, der

unabhängig von der inzwischen eingetretenen Unzulässigkeit der Anfrage

an dieser Rechtsprechung festhält.

Gründe:
I.
1. Der 2. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden,

e-

Er hat daher mit Beschluss vom 1. Juni 2016 (2 [X.]) gemäß §
132 Abs. 3 Satz 1 [X.] bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob an ggfs. entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
2. Allerdings hat eine andere Spruchgruppe des anfragenden [X.]s mit Urteil vom 22. September 2016 (2 StR 27/16) auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung entschieden, von der aber entsprechend des zuvor gefassten [X.]es abgewichen werden sollte.

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II.
Das Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 [X.] soll eine (überflüssige) Vorlage an den [X.] vermeiden, wenn nämlich der Strafsenat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage mit-teilt, an seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht länger festzuhalten. Deshalb ist [X.] für eine Vorlage an die großen [X.]e, dass der [X.], von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, zuvor erklärt hat, an seiner Rechtsauffassung weiterhin festzuhalten (§ 132 Abs. 3 Satz 1 [X.]).

1. Allein aus dem Umstand, dass ein [X.] einen [X.] ge-fasst hat, ergibt sich weder aus § 132 [X.], noch aus Sinn und Zweck des [X.] eine Sperrwirkung für die anderen [X.]e, weiterhin unter Zu-grundelegung der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden ([X.], Beschlüs-se
vom 15. Juni 1994

IV ZR 45/94 = NJW 1994, 2299
und
vom 24. August 2000

1 [X.]; [X.] in [X.], 26. Aufl., § 132 [X.]
Rn. 21).

2. Bindungswirkung entfaltet demgegenüber der Beschluss eines ange-fragten [X.]s, mit dem er einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung [X.] versagt, sofern er nicht vorher seinerseits den [X.] ([X.] in [X.], 26. Aufl., § 132 [X.]
Rn. 21; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 132 [X.]
Rn. 13).

Diese
Wirkungen gelten grundsätzlich auch für den [X.], der den An-fragebeschluss gefasst hat ([X.], Urteil vom
22.
September 2016

2 StR 27/16, [X.], 82

zum Fehlen einer Sperrwirkung). Jedoch wird durch eine zeitlich nach dem [X.] auf der Grundlage der bisherigen Recht-4
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sprechung gefasste Entscheidung die gestellte Anfrage hinfällig und damit [X.], weil der [X.] mit seiner nachfolgenden Entscheidung dokumentiert hat, dass er an seiner Anfrage nicht mehr festhält (Graf
in [X.]/[X.], [X.]. 27, § 132 [X.] Rn. 18). Auch wenn ein [X.] überbesetzt ist und deswegen mehrere Sitzgruppen gebildet hat, kann er (nach außen) nur eine einheitliche Rechtsprechung verfolgen
([X.] [X.], 127, 130). § 132 Abs. 3 Satz
1 [X.] ermächtigt nur den [X.] als solchen zur Anfrage bei anderen Se-naten, nicht einzelne Sitzgruppen eines [X.]s. Die noch anderslautende frühere Regelung von
§ 9 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines [X.] für Handelssachen von 1869, wonach auch eine Rechtsfrage beim Abweichen von einer früheren Entscheidung des(selben) [X.]s vor das [X.] zu bringen war, war im späteren §
137 [X.] aF, ebenso nun in § 132 [X.], nicht mehr enthalten (Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen [X.] Rechtsfortbildung, [X.] 1995, [X.] f.).

3. Soweit der anfragende [X.] darüber hinaus selbst eigene [X.] Rechtsprechung mit dem [X.] aufgegeben hat, trifft ihn die Bindungswirkung des [X.] ebenso wie angefragte [X.]e, d.h.
mit der Aufgabe bisheriger Rechtsprechung ist er grundsätzlich ebenso gehindert, weiter nach der aufgegebenen Rechtsprechung zu entscheiden; im Gegensatz zu einem angefragten [X.] entfällt die Bindungswirkung für ihn jedoch mit einer gegenteiligen Entscheidung, weil damit zugleich seine Anfrage hinfällig geworden ist (Graf in [X.]/[X.], [X.]. 27, § 132 [X.] Rn. 19). Bleibt sie weiter aufrecht erhalten, ist sie unzulässig geworden.

So ist es vorliegend.

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III.
1. Unabhängig von der Zulässigkeit der Anfrage steht der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung des 1. Strafsenats entgegen. Der [X.] hat in zahlreichen Entscheidungen, darunter auch viele unbegründete Beschlüsse nach §
349 Abs. 2 [X.], den Besitz von Betäubungsmitteln den [X.] zugerechnet, u.a. in dem Beschluss vom 25. Februar 1997

1 StR 804/96, als einem Drogendealer durch Täuschung Drogen abgenommen [X.] und danach das Opfer mittels Waffeneinsatz davon abgehalten wurde, die hädigung seines Vermö-

Im Urteil vom 4. September 2001

1 [X.] hat der [X.] in einem Fall, in dem die Angeklagten Drogendealer mit Gewalt dazu bringen wollten, ihnen Drogen ohne Bezahlung auszuhändigen, ausdrücklich formuliert:

i-nem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberischen Erpressung schuldig. Das [X.] hat sich an einer entsprechenden Verurteilung gehindert gesehen, weil der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch
§ 253 StGB
als Vermögen strafrechtlich unter Schutz stehe. Hierbei hat es verkannt, daß die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin [X.] Vermögen nicht kennt (vgl.
[X.]St 8, 254, 256;
[X.] NStZ-RR 1999, 184, 185 f.; [X.]/[X.] 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 m.w.N.). Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung

An den vorgenannten Entscheidungen hält der [X.] fest.
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2. Auch wenn der Anbau von Betäubungsmitteln, deren Herstellung, das Handeltreiben mit ihnen, das Einführen oder Ausführen, die Abgabe, das Veräußern, das sonst in den Verkehr bringen und der
Erwerb grund-sätzlich einer Erlaubnis des [X.] bedürfte (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), ergibt sich daraus nichts für den Besitz von Betäubungsmitteln, welcher gerade nicht erwähnt ist. Ob Besitz daher sogar erlaubnisfrei ist (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 3 Rn. 76; [X.] in [X.], 2. Aufl., BtMG § 3 Rn. 5 f.), kann insoweit dahinstehen. [X.] kann aber mangels fehlender Erwähnung des Besitzes in §
3 BtMG der Besitz von Betäubungsmitteln
und beispielsweise von Schusswaffen und Munition (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 2 [X.]) kaum unterschiedlich behandelt werden.

Außerdem vermag die Argumentation des anfragenden Strafsenats nicht überzeugend zu begründen, weshalb trotz (Weiter)Geltung der Besitz-schutzregeln der §§ 858 ff. BGB dem Besitz von Betäubungsmitteln kein Vermögenswert zukommen soll, insbesondere in solchen Fällen, denen ein erlaubter Drogenbesitz vorangegangen ist (z.B. Betäubungsmittelbestand von Apotheken), oder das Tatopfer Betäubungsmittel straflos im Ausland erworben hat. Bei einem straflosen Erwerb im Ausland kommt hinzu, dass insoweit nach dem Verbringen nach [X.] die Anwendung des [X.] des Besitzes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG deswegen nicht unproblematisch ist, weil in diesem Fall der Käufer gerade keine Er-laubnis nach § 3
BtMG benötigte.

3. Die Hilfserwägungen des anfragenden Strafsenats zur Frage des Eigentums an Betäubungsmitteln, von welchem regelmäßig das Recht zum Besitz abgeleitet ist, helfen ebenfalls nicht weiter. Unklar bleibt, auf welche 13
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Weise es zu einem offr-
n-ng des [X.] Strafsenats offenbar mit einer Einreise nach [X.] verbun-dene Minderung des vorhandenen Eigentums bei einem nicht strafbaren Vorerwerb im Ausland. Allein der Umstand, dass die Einfuhr (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) nach [X.] verboten ist, vermag keine sachen-rechtlichen Wirkungen an der eingeführten Sache herbeizuführen. Weder wird hiervon das Eigentum noch der Besitz betroffen.
Raum Graf

Cirener

Radtke Bär

Meta

1 ARs 16/16

21.02.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2017, Az. 1 ARs 16/16 (REWIS RS 2017, 15259)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15259

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 ARs 16/16

2 StR 335/15

2 StR 27/16

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