Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 07.05.2010, Az. 2 BvR 987/10

2. Senat | REWIS RS 2010, 6836

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) EUROPA- UND VÖLKERRECHT STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT WIRTSCHAFTSKRISE EUROKRISE

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Gegenstand

Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung bzgl der Gewährleistungsübernahme für Kredite zugunsten Griechenlands (Währungsunion-Finanzstabilisierungsgesetz - juris: WFStG) - drohende schwere Nachteile bei Nichtergehen der eA


Gründe

1

Die Beschwerdeführer begehren mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wesentlichen, dass der [X.] untersagt wird, zur Stabilisierung des [X.] an die [X.] zu gewähren.

2

1. Der [X.] [X.] ([X.]) vom 7. Februar 1992 ([X.]; [X.] 1992 [X.]253) sah eine gemeinsame Währungspolitik der Mitgliedstaaten vor, die stufenweise eine [X.] [X.] begründen und schließlich die Währungspolitik in der Hand eines [X.]n Systems der Zentralbanken (ESZB) vergemeinschaften sollte. In der dritten Stufe wurde 2002 der [X.] als einheitliche Währung eingeführt. Um [X.] zur Unterstützung der einheitlichen Geldpolitik zu gewährleisten, trat gleichzeitig der Stabilitäts- und Wachstumspakt (Entschließung des [X.]n Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt [X.], 17. Juni 1997, [X.]) in [X.], der im Interesse der Stabilität des [X.] eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (B[X.]) und einen Schuldenstand von maximal 60 % des B[X.] vorsieht.

3

2. Auch die [X.] ist seit 2001 Mitglied der Gruppe von 16 der 27 Mitgliedstaaten der [X.]n Union (Entscheidung des [X.] vom 19. Juni 2000 gemäß Artikel 122 Absatz 2 des Vertrages über die Einführung der Einheitswährung durch [X.] am 1. Januar 2001, [X.]), deren gemeinsame Währung der [X.] ist ([X.]-Gruppe). Die Angaben zur Größe des [X.] Haushaltsdefizits im Jahr 2009 mussten von 5 % auf knapp 13 % des B[X.] korrigiert werden; für 2010 wird mit einem Anstieg der Staatsverschuldung auf 125 % des B[X.] und damit mehr als das Doppelte des [X.] von 60 % des B[X.] gerechnet (vgl. Pressemitteilung des [X.] <[X.]>, 16. Februar 2010).

4

3. Vor diesem Hintergrund kam der [X.] Rat der Staats- und Regierungschefs am 11. Februar 2010 in [X.] zusammen, um im Interesse der Stabilität des [X.] über mögliche Maßnahmen in Bezug auf [X.] zu beraten. Der [X.] Rat verkündete bei dieser Gelegenheit, dass er, falls nötig, entschlossene und koordinierte Maßnahmen ergreifen werde, um die finanzielle Stabilität der gesamten [X.]zone sicherzustellen (vgl. Statement by the Heads of State or Government of the [X.]pean Union, 11. Februar 2010). Am 16. Februar 2010 verschärfte der [X.] das bereits im April 2009 in Gang gesetzte Defizitverfahren gegen [X.] und verlangte, das Defizit innerhalb eines Jahres um 4 Prozentpunkte abzubauen (von 12,7 % im Jahr 2009 auf 8,7 % im Jahr 2010) und bis 2012 weiter auf höchstens 3 % des B[X.] zurückzuführen (vgl. Pressemitteilung des [X.]es, 16. Februar 2010). Nach steigender Unruhe an den Finanzmärkten erklärten die Staats- und Regierungschefs der [X.]länder am 25. März 2010 ihre Bereitschaft, [X.] zusätzlich zu einer Finanzierung durch den [X.] ([X.]) mit eigenen bilateralen Darlehen beizustehen (vgl. Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des [X.]-Währungsgebiets, 25. März 2010). Auch diese Erklärung konnte die Finanzmärkte nicht nachhaltig überzeugen und wurde als zu unkonkret empfunden. Insbesondere mangelnde Angaben über die Höhe einer Finanzhilfe und den von [X.] zu zahlenden Zins wurden kritisiert. Nachdem die Ratingagentur [X.] am 9. April 2010 ihr Rating für [X.] auf BBB- heruntergestuft hatte und die Risikoaufschläge für [X.] Staatsanleihen auf Rekordhöhen schnellten, sahen sich die [X.]-Finanzminister gezwungen, am 11. April 2010 eine Einigung über die Ausgestaltung der in Form von bilateralen Darlehen von [X.] der [X.]zone zu gewährenden Hilfe für [X.] sowie deren Umfang und die Zinshöhe zu erzielen. Um [X.] Anreize zur Rückkehr zur [X.] zu bieten, wird die Zinsberechnungsformel des [X.] mit gewissen Anpassungen als Bezugsgröße für die Festsetzung der Bedingungen für die bilateralen Kredite herangezogen. Als Grundlage für Kredite mit variablem Zins gilt der 3-Monats-Euribor-Zinssatz, zu dem Banken einander Kredit in [X.] gewähren. [X.] werden auf der Grundlage der [X.] für die jeweiligen Laufzeiten gewährt. Es wird ein Aufschlag von 300 Basispunkten (3 %) erhoben. Dieser Aufschlag erhöht sich auf 400 Basispunkte (4 %), sollte der zurückzuzahlende Betrag über drei Jahre ausstehen. Vom Auszahlungsbetrag wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 0,50 % für die beim Kreditgeber anfallenden Kosten einbehalten (vgl. Statement on the support to [X.] by [X.] area Members States, 11. April 2010). Am 12. April 2010 trat die [X.] in Abstimmung mit der [X.]n Zentralbank ([X.]) mit dem [X.] und [X.] in Verhandlungen ein, in denen die Bedingungen für das [X.] Hilfspaket konkretisiert wurden. Die Unterstützung sollte aktiviert werden in dem Augenblick, in dem sie tatsächlich benötigt wurde. Die teilnehmenden [X.] sollten dann über die Auszahlungen entscheiden (vgl. Statement on the support to [X.] by [X.] area Members States, 11. April 2010).

5

4. Am 23. April 2010 beantragte [X.] Finanzhilfen der [X.] und des [X.] (vgl. Joint statement by [X.]pean Commission, [X.]pean Central Bank and Presidency of the [X.]group on [X.], [X.]/10/446, 23. April 2010). Daraufhin erklärten die [X.] der [X.]-Gruppe am 2. Mai 2010 ihre Bereitschaft, im Zusammenhang mit einem dreijährigen Programm des [X.] mit einem geschätzten Gesamtfinanzierungsbedarf in Höhe von 110 Milliarden [X.] bis zu 80 Milliarden [X.] als Finanzhilfe an [X.] in Form von koordinierten bilateralen Krediten bereitzustellen, davon bis zu 30 Milliarden [X.] im [X.] (vgl. Statement by the [X.]group, 2. Mai 2010). Der Anteil der einzelnen [X.] an den Krediten bemisst sich nach dem jeweiligen Anteil der [X.] des [X.]-Währungsgebietes am Kapital der [X.]. Der Anteil [X.] unter den 15 [X.] der [X.]-Gruppe (ohne die [X.]) beträgt 27,92 % (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.], BTDrucks 17/1544, [X.]). Der [X.] Anteil an den Krediten beläuft sich somit bei Teilnahme aller [X.]-Gruppe-[X.] (außer [X.]) auf rund 22,4 Milliarden [X.], davon bis zu 8,4 Milliarden [X.] im [X.]. Der [X.] übernimmt einen Anteil von 30 Milliarden [X.] (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.], BTDrucks 17/1544, [X.]). Die Finanzhilfe der [X.]-Gruppe wird im Rahmen einer strengen Konditionalität zur Verfügung gestellt, die zwischen dem [X.] und der [X.] (in Abstimmung mit der [X.]) sowie [X.] vereinbart wurde. Die Absprachen der [X.] der [X.]-Gruppe mit [X.] und untereinander umfassen zwei Vereinbarungen. Einerseits den Darlehensvertrag, in dem im Wesentlichen die [X.] und Voraussetzungen der Darlehensgewährung festgelegt werden (vgl. Entwurf des "Loan Facility Agreement" zwischen den [X.] der [X.]zone und der [X.]) und andererseits eine Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten der [X.]zone, in der die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten untereinander bestimmt werden (vgl. Entwurf des "[X.]"). Beide Vereinbarungen beziehen sich hinsichtlich der finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen [X.]s auf das mit [X.] vereinbarte "Memorandum of Understanding" (vgl. [X.]: Memorandum of Understanding on Specific Economic Policy Conditionality, 2. Mai 2010), das die Bedingungen der Kreditvergabe festlegt und insbesondere die Auszahlung der Finanzhilfen an bestimmte, strenge Bedingungen hinsichtlich der Haushaltssanierung knüpft. Die Auszahlung der einzelnen Tranchen ist danach an die Einhaltung quantitativer Leistungskriterien gekoppelt. So sind für jedes Quartal detaillierte Einsparungsziele festgelegt, die durch Maßnahmen wie Steuererhöhungen oder Streichung von Gratifikationen im öffentlichen Dienst erreicht werden müssen (vgl. [X.]: Memorandum of Understanding on Specific Economic Policy Conditionality, 2. Mai 2010, [X.]). In der Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten (Entwurf des "[X.]", S. 3 f.) ist außerdem ein interner Zins- und Zahlungsausgleich für wirtschaftlich angeschlagene Geberländer geregelt. Danach kann ein Kreditgeber, der höhere Refinanzierungskosten hat als der Zins des Kreditnehmers im Rahmen des Darlehensvertrags, verlangen, dass ihm ein Zinsausgleich gewährt wird, der anteilig aus dem Zinsertrag der anderen Geber finanziert wird. Außerdem kann ein Kreditgeber, falls er höhere Refinanzierungskosten haben sollte als der Zins des Kreditnehmers im Rahmen des Darlehensvertrags, beantragen, an der Auszahlung der nächsten Tranche nicht teilzunehmen. Über diesen Antrag entscheiden die anderen Darlehensgeber mit Zweidrittelmehrheit ihrer Kapitalanteile. Sobald dieser Kapitalgeber wieder niedrigere Refinanzierungskosten hat als der Zins des Darlehensnehmers, ist vorgesehen, seinen Kreditanteil wieder an den im Darlehensvertrag vorgesehenen Anteil anzupassen. Kein Kreditgeber ist verantwortlich für die Verpflichtungen eines anderen Kreditgebers.

6

5. Um die erforderlichen Maßnahmen auf [X.] zu treffen, verabschiedete der [X.] am 7. Mai 2010 das angegriffene Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der [X.] erforderlichen Zahlungsfähigkeit der [X.] ([X.]-Finanzstabilitätsgesetz - [X.], [X.]). Die Vorschriften des [X.]-Finanzstabilitätsgesetzes lauten:

7

§ 1

8

Gewährleistungsermächtigung

9

(1) Das [X.] wird ermächtigt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 22,4 Milliarden [X.] für Kredite an die [X.] zu übernehmen, die als Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit der [X.] erforderlich sind, um die Finanzstabilität in der [X.] sicherzustellen. Die Gewährleistung dient der Absicherung von Krediten der [X.] an die [X.], die gemeinsam mit den Krediten der anderen Mitgliedstaaten der [X.]n Union, deren Währung der [X.] ist, und des [X.] ausgezahlt werden sollen. Grundlage bilden die zwischen dem [X.], der [X.]n [X.] im Auftrag der Mitgliedstaaten der [X.]n Union und der [X.] unter Mitwirkung der [X.]n Zentralbank vereinbarten Maßnahmen. Die Kredite der [X.] sollen im [X.] bis zur Höhe von 8,4 Milliarden [X.] ausgezahlt werden.

(2) Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen, in der der [X.] daraus in Anspruch genommen werden kann. Zinsen und Kosten sind auf den [X.] nicht anzurechnen.

(3) Vor Übernahme von Gewährleistungen nach Absatz 1 ist der Haushaltsausschuss des Deutschen [X.]estages zu unterrichten, sofern nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist. Der Haushaltsausschuss des Deutschen [X.]estages ist darüber hinaus vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung zu unterrichten.

§ 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in [X.].

Der auf [X.] entfallende Anteil an den Hilfsmaßnahmen soll von der [X.] ([X.]) ausgereicht werden, die hierfür eine [X.]esgarantie benötigt. § 1 Abs. 1 [X.] ermächtigt das [X.], entsprechende Gewährleistungen zu übernehmen, die die Ausreichung des Kredits durch die [X.] absichern.

6. Für das Gesetzgebungsverfahren war am 7. Mai 2010 folgender Zeitplan vorgesehen: Bis 11:00 Uhr sollte im [X.]estag die zweite und dritte Lesung sowie die namentliche Abstimmung stattfinden und sodann gegen 13:00 Uhr die Zustimmung durch den [X.]esrat erfolgen. Nach Zustimmung durch die [X.]esregierung (Art. 113 Abs. 1 Satz 1 GG) sollte das zustandegekommene Gesetz gegen 14:00 Uhr dem [X.]espräsidenten zur Ausfertigung vorliegen. Im [X.] sollte das [X.]esamt für Justiz bis 20:00 Uhr für die Verkündung des Gesetzes im [X.]esgesetzblatt sorgen, damit das Gesetz nach § 2 [X.] am 8. Mai 2010 in [X.] treten kann.

Tatsächlich wurde das Gesetz vom [X.]estag um 12:00 Uhr verabschiedet. Der [X.]esrat stimmte um 14:30 Uhr zu. Nach Unterzeichnung und Ausfertigung durch den [X.]espräsidenten wurde das Gesetz am selben Tag im [X.]esgesetzblatt verkündet ([X.]).

1. Nach Verabschiedung des Gesetzes durch den [X.]estag und noch vor Zustimmung durch den [X.]esrat haben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erhoben und zugleich beantragt, dem [X.]espräsidenten und der [X.]esregierung die Ausfertigung des Gesetzes sowie der [X.]esregierung den Vollzug des Gesetzes einstweilen zu untersagen. Mit der Verfassungsbeschwerde begehren die Beschwerdeführer die Feststellung, dass die [X.] ihre Grundrechte aus Art. 38 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass sie finanzielle Hilfen für die [X.] mit den anderen Mitgliedern der [X.]-Gruppe vereinbart, finanzielle Hilfen für [X.] gewährt, insbesondere durch das [X.]-Finanzstabilitätsgesetz vom 7. Mai 2010 Kredite der [X.] an die [X.] gewährleistet, und den [X.] veranlasst, [X.] finanziell zu unterstützen. Zudem beantragen sie festzustellen, dass die Vereinbarungen der [X.], insbesondere der [X.]-Gruppe, in welchen finanzielle Hilfen für die [X.] auch durch die [X.] abgesprochen wurden, die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 38 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzen.

2. Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bringen die Beschwerdeführer vor, die drohende Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 38 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG könne nur dadurch abgewendet werden, dass die [X.] nicht durch Finanzhilfen zur Zahlungsfähigkeit der [X.] beitrage. Würde die Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werden, bestünde die Gefahr, dass [X.] an [X.] finanzielle Leistungen erbringe, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, insbesondere weil [X.] wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage sei, die Finanzhilfen zurückzuerstatten. Darüber hinaus werde durch die Finanzhilfen für [X.] ein  fait accompli geschaffen, auf das sich andere Mitgliedstaaten der [X.]-Gruppe, deren Zahlungsfähigkeit ebenfalls zweifelhaft sei, einrichteten. Würde die Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werden, bestünde die Gefahr, dass die Finanzmärkte weitere Finanzhilfen für diese Mitgliedstaaten der [X.]-Gruppe erzwängen.

Der [X.] hat sich zum Verfahren der einstweiligen Anordnung geäußert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedenfalls unbegründet.

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.]esverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.] gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. [X.] 55, 1 <3>; 82, 310 <312>; 94, 166 <216 f.>; 104, 23 <27>; 106, 51 <58>), der noch weiter verschärft wird, sobald eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen betroffen ist (vgl. auch [X.] 83, 162 <171 f.>; 88, 173 <179>; 89, 38 <43>; 108, 34 <41>; 118, 111 <122>).

Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. [X.] 89, 38 <44>; 118, 111 <122>). Das [X.]esverfassungsgericht hat lediglich die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. [X.] 105, 365 <371>; 106, 351 <355>; 108, 238 <246>; stRspr).

2. Der Antrag auf Erlass der begehrten Anordnung bleibt ungeachtet der Frage, ob der Antrag im Hinblick darauf, dass er vor Verkündung des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gesetzes gestellt worden ist, unzulässig sein könnte (vgl [X.] 11, 339 <342>), sowie offener Fragen der Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde jedenfalls aufgrund der gebotenen Folgenabwägung ohne Erfolg.

a) Ergeht die einstweilige Anordnung, erweist sich aber die Übernahme der Gewährleistungen später als verfassungsrechtlich zulässig, drohen der Allgemeinheit schwere Nachteile.

Die [X.] müsste im Fall des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung ihre Mithilfe an den Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit der [X.] gerade dann abbrechen, wenn sie gefordert ist. Dies würde nicht nur durch bisheriges Verhalten genährte Erwartungen der Partner im [X.]-Währungsgebiet enttäuschen. Die [X.] der Maßnahme und das Volumen des dann fehlenden Hilfsanteils würde vor allem die Realisierbarkeit des Rettungspaketes insgesamt in Frage stellen. Damit entstünden nach Auffassung der [X.]esregierung der Allgemeinheit voraussichtlich schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile. Sollte das mit dem [X.]-Finanzstabilitätsgesetz verfolgte Ziel verfehlt werden, mithin eine unmittelbar drohende Zahlungsunfähigkeit [X.]s nicht abgewendet werden können, wäre nach Auffassung der [X.]esregierung die Stabilität der gesamten [X.]n [X.] gefährdet. Das [X.]esverfassungsgericht hat keine hinreichenden Anhaltspunkte, die zu der Annahme zwingen, dass die währungs- und finanzpolitische Einschätzung der [X.]esregierung fehlerhaft ist (vgl. [X.] 26, 259 <264>; 29, 179 <182>; 88, 173 <181>). Unter den Verfassungsorganen ist vor allem die [X.]esregierung dazu berufen, derartige Einschätzungen vorzunehmen, die das [X.]esverfassungsgericht nur eingeschränkt kontrollieren kann (vgl. [X.] 97, 350 <376>).

b) Demgegenüber wiegen die Nachteile weniger schwer, die entstehen, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, die vereinbarte Mitwirkung an den Finanzhilfen sich später aber als unzulässig erweist.

Ein wesentlicher Schaden erwächst dem Gemeinwohl nicht aus der Möglichkeit einer Inanspruchnahme des [X.]es im Eintrittsfall, deren Wahrscheinlichkeit die [X.]esregierung für gering hält. Das potentielle Haftungsrisiko wird nach Einschätzung der [X.]esregierung aufgewogen durch eine Verringerung der aktuellen Risiken für den [X.]eshaushalt, die sich aus der Finanzinstabilität in der [X.]n [X.] ergeben könnten. Insoweit vermiedene Schäden in volkswirtschaftlicher Größenordnung müssen wenigstens saldierend berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführer haben keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass demgegenüber insbesondere ihr Recht aus Art. 14 GG unmittelbar gerade in Folge der gewährleisteten Kreditgewährung schwer und irreversibel beeinträchtigt sein könnte.

Meta

2 BvR 987/10

07.05.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvR

nachgehend BVerfG, 7. September 2011, Az: 2 BvR 987/10, Urteil

Art 14 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 38 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 1 WFStG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 07.05.2010, Az. 2 BvR 987/10 (REWIS RS 2010, 6836)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6836


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 987/10

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 987/10, 14.12.2011.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 987/10, 07.05.2010.


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