Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.06.2018, Az. 3 StR 171/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7929

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Gegenstand

(Persönlicher Schadenseinschlag bei der Bestimmung des Vermögensschadens)


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2016 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und der Angeklagte   [X.] die der [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zu den [X.] bemerkt der [X.]:

1. Soweit die Angeklagten [X.]     und   [X.] mit einer Vielzahl von Verfahrensbeanstandungen ([X.], Aufklärungs- und Inbegriffsrügen, siehe etwa Verfahrensrügen A. 2., 3., 5., 7. und 8. der Revisionsbegründung für den Angeklagten [X.]     , Verfahrensrügen II. 5., 6., 7., 12. und 13. der Revisionsbegründung für den Angeklagten   [X.]) geltend gemacht haben, das [X.] habe in verfahrensfehlerhafter Weise die Angeklagten entlastende Umstände nicht aufgeklärt bzw. nicht "zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht", namentlich, dass die Anlegergelder tatsächlich in das Projekt "[X.]" geflossen seien, dass es objektiv möglich gewesen wäre, die versprochenen Pachtzinsen langfristig zu erwirtschaften, dass die Familie des Angeklagten   [X.] in erheblichem Umfang in die [X.] investiert habe und dass die Insolvenz der Gesellschaften nicht durch das Ausbleiben der Anlegergelder neuer Kunden zur Bezahlung der fälligen Pachtzinsen verursacht worden sei, bleibt all diesen [X.] auch deshalb der Erfolg versagt, weil die Tatbestandsverwirklichung nicht davon abhängig ist, ob und in welchem Umfang mit den vorhandenen - von wem auch immer zur Verfügung gestellten - Mitteln Photovoltaikanlagen errichtet und betrieben wurden oder werden konnten. Entscheidend ist, dass nach den rechtsfehlerfrei getroffenen, auch auf den Einlassungen der Angeklagten beruhenden Feststellungen das Anlagekonzept nur hätte funktionieren können, wenn die aus den überhöhten Kaufpreisen, die die Anleger zu zahlen hatten, stammenden Mittel zum Kauf weiterer Module und zur Errichtung sog. [X.] verwendet worden wären. Dies taten die Angeklagten indes nicht und nahmen bei Begehung der Taten billigend in Kauf, dass sie es auch in Zukunft nicht tun würden, weshalb es im konkreten Fall gerade nicht möglich war, die versprochenen Pachtzinsen zu erwirtschaften.

2. Zu der [X.] 10. der Revisionsbegründung für den Angeklagten   [X.]gilt, dass der geltend gemachte Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht besteht, weil die [X.] beide Gesellschafterbeschlüsse in die Hauptverhandlung eingeführt hat; dass sie nicht die von der Verteidigung gewünschten Schlüsse daraus gezogen hat, verletzt die Aufklärungspflicht nicht. Ein Verstoß gegen § 261 StPO liegt nicht vor, weil mit Blick auf die Einlassung des Angeklagten   [X.], die Anlage R.        sei an die O.     verkauft worden, eine Erörterungspflicht im Urteil nicht bestand.

3. Die mit der [X.] 11. der Revisionsbegründung für den Angeklagten   [X.] geltend gemachte Verletzung des Beweisantragsrechts liegt nicht vor, weil das [X.] die unter Beweis gestellten ([X.] in Übereinstimmung mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO für schon erwiesen erachtet hat; dass es die von der Verteidigung gewünschten Schlüsse nicht daraus gezogen hat, stellt keinen Verstoß gegen das Beweisantragsrecht dar. Soweit die Revision beanstandet, die [X.] habe diese Tatsachen entgegen § 261 StPO nicht der Urteilsfindung zugrunde gelegt, weil sie in den Feststellungen davon ausgegangen ist, dass lediglich vier der in den Anlagen 23 und 24 des Urteils genannten 17 Personen die Umsatzsteuer nicht gezahlt hätten, obwohl es nach der von der Verteidigung vorgelegten Liste, zu der der benannte Zeuge befragt werden sollte, neun Personen gewesen wären, dringt sie damit nicht durch: Die von der Verteidigung vorgelegte [X.] hat als Stichtag den 1. November 2011. Auch nach den Feststellungen des [X.]s (Seite 66.32 der Urteilsgründe) hatten zu diesem Zeitpunkt acht der genannten Kunden die Umsatzsteuer auf den [X.] noch nicht entrichtet; vier der Kunden zahlten sie aber zwischen dem 2. November und dem 30. Dezember 2011, so dass insoweit ein Widerspruch nicht besteht. Eine Abweichung lässt sich damit lediglich mit Blick auf die von den Eheleuten [X.]geschuldete Umsatzsteuer in Höhe von 9.500 € konstatieren, die in der [X.] zum 1. November 2011 noch als ausstehend aufgeführt wird, nach der Auflistung der [X.] aber bereits am 16. September 2011 gezahlt worden sein soll. Unabhängig von der Frage, worauf diese Abweichung konkret beruht, kann der [X.] angesichts des über 10 Mio. € liegenden Gesamtschadens jedenfalls ausschließen, dass sie Auswirkungen auf den Schuld- oder Strafausspruch gehabt hat.

4. Es beschwert die Angeklagten nicht, dass das [X.] bei der Schadensberechnung die geleisteten Pachtzinsen von den gezahlten Kaufpreisen abgezogen hat:

Die durch Täuschung erreichte [X.] Vermögensverfügung der Geschädigten, die bei den von den Angeklagten kontrollierten Gesellschaften zu der beabsichtigten Vermögensmehrung führte, lag in der Zahlung der (überhöhten) Kaufpreise für die Photovoltaikmodule und Zubehörteile; insoweit ist im Sinne einer bereits bei den Anlegern eingetretenen Vermögensminderung ein Schaden entstanden. Selbst wenn diese - was die [X.] offen gelassen hat - Eigentum an den Gegenständen erlangt hätten, wäre deren Wert nicht mit den Kaufpreiszahlungen zu saldieren gewesen: Bei der zur Bestimmung des Vermögensschadens stets gebotenen Gesamtsaldierung ist auch der subjektive Wert des [X.] für den Verletzten zu berücksichtigen. Ist nach dem Urteil eines objektiven Dritten eine (möglicherweise objektiv werthaltige) Gegenleistung des [X.] bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung Aufgewandten (sog. persönlicher Schadenseinschlag, st. Rspr. seit [X.], Beschluss vom 16. August 1961 - 4 StR 166/61, [X.]St 16, 321; vgl. auch [X.], Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10, [X.], 335, 338; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 178 mwN). Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Geschädigten anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann ([X.], Beschluss vom 16. August 1961 - 4 StR 166/61, [X.]St 16, 321, 326; Urteil vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05, [X.]St 51, 10, 15 mwN). So verhielt es sich hier: Vertraglich vorgesehener Zweck des Eigentumserwerbs an den Photovoltaikmodulen war es, diese im Rahmen eines langfristig den versprochenen Ertrag bringenden Pachtvertrages zu verpachten; dazu kam es nicht, weil die Angeklagten die dafür erforderlichen Bedingungen (siehe oben: [X.]) nicht geschaffen hatten und auch nicht schafften. Eine anderweitige zumutbare Verwendung der Module kam nicht in Betracht. Die Anleger konnten schon mangels vertraglicher Beziehungen zu den Eigentümern der Grundstücke die hierauf installierten Anlagen nach der Insolvenz der von den Angeklagten kontrollierten Gesellschaften nicht weiterbetreiben. Nach dem Aufbau der Anlagen und [X.] der Geräte waren diese nach den Feststellungen der [X.] auch nur noch mit erheblichen Verlusten zu veräußern.

Die Pachtzinsen stellten angesichts dessen lediglich im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigende Kompensationen des eingetretenen Schadens dar, ohne dass es noch darauf ankommt, dass diese zur Ermittlung der Schadenshöhe im Rahmen des Schuldspruchs auch deshalb nicht berücksichtigt werden mussten, weil sie als wirtschaftlich wertlos anzusehen waren. Denn die Möglichkeit der Zahlung der Pachtzinsen einschließlich der letztlich für die Geldanlage versprochenen Rendite hing ausschließlich von der zukünftigen Einnahme weiterer betrügerisch erlangter Gelder durch die Angeklagten ab (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 2. März 2016 - 1 [X.], [X.], 409, 410 mwN).

5. Die Strafzumessung betreffend den Angeklagten [X.]Z.     begegnet zwar insoweit Bedenken, als das [X.] bei der Prüfung des minder schweren Falls nach § 263 Abs. 5 Alternative 2 StGB den vertypten [X.] der Beihilfe (§§ 27, 49 Abs. 1 StGB) nicht berücksichtigt hat. Der [X.] kann aber mit Blick darauf, dass die Untergrenze des angenommenen, nach § 49 Abs. 1 gemilderten Strafrahmens des § 263 Abs. 5 Alternative 1 StGB (drei Monate Freiheitsstrafe) unter derjenigen des minder schweren Falls (sechs Monate Freiheitsstrafe) liegt und sich die [X.] am unteren Ende des Strafrahmens orientiert hat, ausschließen, dass die verhängte Strafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe darauf beruht.

VRi[X.] Becker
ist wegen Urlaubs
gehindert zu
unterschreiben.

        

Gericke     

        

Spaniol

Gericke

                                   
        

     Berg     

        

Leplow     

        

Meta

3 StR 171/17

12.06.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 19. Mai 2016, Az: 2 KLs 1/14

§ 27 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 263 Abs 1 StGB, § 263 Abs 5 Alt 2 StGB, § 244 Abs 2 StPO, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.06.2018, Az. 3 StR 171/17 (REWIS RS 2018, 7929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7929

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Untreue: Rechtsfigur des persönlichen Schadenseinschlags


Referenzen
Wird zitiert von

V ZR 38/18

3 StR 171/17

VI ZR 5/20

VI ZR 5/20

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