Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2012, Az. V ZR 231/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4403

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Gegenstand

Wohnungseigentumsverfahren: Passivlegitimation bei Beschlussanfechtungsklage bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen Beschlüsse einer Untergemeinschaft; Voraussetzungen einer Aufhebung eines Berufungsurteils und Zurückverweisung


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - Zivilkammer 18 - vom 14. September 2011 wird auf Kosten des [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.]. [X.] vom 9. März 2010 in der Weise zurückgewiesen bleibt, dass die Klage hinsichtlich [X.] 3 und [X.] 6 der Eigentümerversammlung vom 29. April 2009 als unzulässig abgewiesen wird, soweit nicht zugunsten des [X.] entschieden worden ist.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die nach der Gemeinschaftsordnung in drei [X.] gegliedert ist. Am 29. April 2009 wurden auf der Jahresversammlung der [X.], der der Kläger angehört, unter anderen die Jahresabrechnung der [X.] ([X.] 3), der [X.] und die Einzelwirtschaftspläne für das [X.] ([X.] 6) sowie die Verteilung der das Teileigentum betreffenden Verwaltergebühr in diesem Wirtschaftsplan ([X.] 7) beschlossen.

2

Der Kläger hat am 25. Mai 2009 eine Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer der [X.] bei dem Amtsgericht eingereicht, mit der er beantragt hat, die zu [X.] 3, 6 und 7 gefassten Beschlüsse für unwirksam zu erklären. Die Klageschrift ist - nach Zahlung des am 30. Juni 2009 angeforderten Kostenvorschusses am 22. August 2009 - den Beklagten am 31. August 2009 zugestellt worden.

3

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat festgestellt, dass die zu [X.] 3 und zu [X.] 6 gefassten Beschlüsse teilweise, nämlich hinsichtlich der das Grundstück und alle Wohnungseigentümer betreffenden Kostenpositionen (Gehwegreinigung, Versicherungen und Verwaltungsgebühren), und der Beschluss zu [X.] 7 insgesamt nichtig sind; im Übrigen hat es die Klageabweisung bestätigt. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Antrag weiter, insgesamt die Nichtigkeit der zu [X.] 3 und zu [X.] 6 gefassten Beschlüsse festzustellen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht (dessen Urteil in [X.], 123 ff. veröffentlicht ist) meint, dass die angefochtenen Beschlüsse zu [X.] 3 und 6 teilweise nichtig seien. Zwar weise die Gemeinschaftsordnung den [X.] eine eigene Beschlusskompetenz auch für die aufzustellenden Wirtschaftspläne und die Jahresabrechnungen zu. Diese sei jedoch auf die allein sie betreffenden Kostenpositionen beschränkt und schließe nicht die Befugnis zur Beschlussfassung über die auf alle Wohnungseigentümer zu verteilenden Lasten ein. Insoweit habe die Klage mit dem Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit teilweise Erfolg, weil in der Jahresabrechnung für 2008 und dem Wirtschaftsplan für 2010 auch solche Positionen enthalten seien. Im Übrigen sei die Klage auch mit dem Hilfsantrag, die Beschlüsse für ungültig zu erklären, unbegründet, da der Kläger die Anfechtungsfrist von einem Monat nach § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht gewahrt habe.

II.

5

Die Revision bleibt ohne Erfolg, weil die Klage zwar nicht als unbegründet, aber als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen. Der [X.] hat - allerdings erst nach Erlass des angefochtenen Urteils - entschieden, dass eine Klage, mit der ein Beschluss einer Untergemeinschaft der Wohnungseigentümer angefochten oder für nichtig erklärt werden soll (Beschlussmängelklage), gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] stets gegen alle übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als notwendige Streitgenossen zu richten ist. Die nur gegen einen Teil der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Klage ist deshalb unzulässig ([X.]surteile vom 11. November 2011 - [X.], [X.], 1224, 1225 Rn. 10 ff., vom 10. Februar 2012 - [X.], juris Rn. 5 und vom 2. März 2012 - [X.], juris Rn. 6).

III.

6

Eine Aufhebung des Berufungsurteil (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) mit dem Ziel der Behebung des [X.] durch eine Klageerweiterung auf die anderen Wohnungseigentümer ist auch in diesem Fall nicht veranlasst.

7

1. Richtig ist allerdings, dass ein solches Verfahren grundsätzlich dann geboten ist, wenn der Umstand, dass die Klage nur gegen einen Teil der Streitgenossen erhoben wurde, auf Fehler oder Versäumnisse des Gerichts zurückzuführen ist und der Zulässigkeitsmangel nicht auf einem Verschulden des Klägers beruht (vgl. [X.]surteil vom 2. März 2012 - [X.], juris Rn. 7). Es entspricht dann dem Grundsatz fairer Verfahrensführung, der es den Gerichten insbesondere verwehrt, aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen [X.] für die Beteiligten abzuleiten ([X.] 75, 183, 190; 110, 339, 342 und NJW 1996, 1811), dem Kläger Gelegenheit zur Behebung des [X.] zu geben. Ob ein solcher Fehler des Gerichts vorliegt, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.

8

2. Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt nämlich nicht in Betracht, wenn sie nicht zu einem Erfolg der Klage führen kann. So ist es hier.

9

a) Die angegriffenen Beschlüsse sind nicht deshalb nichtig, weil - wie der Kläger meint - einem Teil der Wohnungseigentümer (der jeweiligen Untergemeinschaft) die Kompetenz fehle, nach § 28 Abs. 5 [X.] über den Wirtschaftsplan und die Jahresrechnung zu beschließen.

aa) Das trifft nicht zu, weil die Bestimmung in § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.], nach der die Wohnungseigentümer auch von den [X.] abweichende Vereinbarungen treffen können, es ermöglicht, in einer Gemeinschaftsordnung im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander [X.] mit eigener Verwaltungszuständigkeit und selbständiger Beschlussfassungskompetenz ihrer Mitglieder zu errichten (vgl. Klein in Bärmann, [X.], 11. Aufl., § 10 Rn. 85; Hügel, [X.], 8, 13; [X.], [X.], 311, 314; [X.]/Then, [X.], 2. Aufl., § 23 Rn. 5). Zulässig sind danach von § 21 Abs. 1 und Abs. 3, § 23 Abs. 1, § 28 Abs. 5 [X.] abweichende Stimmrechtsregelungen für die Beschlüsse über Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse, nach der allein die Mitglieder der Untergemeinschaft anstelle aller Wohnungseigentümer über die auf das jeweilige Haus entfallenden Kostenpositionen zu entscheiden haben (vgl. Hügel, aaO, 13, 14; Vandenhouten in [X.]/Bassenge, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 4 Rn. 103). Ist in der Gemeinschaftsordnung - wie hier - ausdrücklich bestimmt, dass die Kosten und Lasten für die [X.] nicht nur getrennt zu ermitteln und abzurechnen sind, sondern für jede Untergemeinschaft - soweit rechtlich zulässig - selbständig verwaltet werden sollen, hat der Verwalter hausbezogene Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen und den [X.] zur Beschlussfassung vorzulegen (BayObLG, [X.] 2001, 269, 270; [X.] 2004, 636, 641); die gegen diese Beschlüsse erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sind nach § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] allerdings gegen alle übrigen Wohnungseigentümer zu richten.

bb) Richtig ist jedoch, dass den Mitgliedern einer Untergemeinschaft nicht die Kompetenz zusteht, auch über die Kostenpositionen zu entscheiden, die das Grundstück, mehrere Gebäude oder gemeinschaftliche Anlagen betreffen ([X.], [X.], 550). Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen enthalten indes notwendigerweise auch solche Kosten, weshalb - auch wenn es sich um eine Mehrhausanlage handelt - alle Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung über diese berufen sind (BayObLG, [X.] 1994, 98, 101; [X.], 771 = [X.] 2001, 269; [X.], [X.] 2003, 121, 122; [X.], [X.], 751, 752).

Daraus folgt jedoch nicht, dass die von einer Untergemeinschaft beschlossenen Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen insgesamt nichtig sind, wenn in ihnen auch die auf die Mitglieder der Untergemeinschaft entfallenden anteiligen Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach einem in der Gemeinschaftsordnung bestimmten Schlüssel ausgewiesen und in den Einzelabrechnungen auf die Mitglieder verteilt worden sind. Sollen - wie hier - nach der Gemeinschaftsordnung die [X.] in eigener Zuständigkeit, wie wenn sie selbständige Eigentümergemeinschaften wären, über die Lasten und Kosten entscheiden, wird die Grenze ihrer Beschlusszuständigkeit nicht bereits mit der Aufnahme der anteiligen Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums in die Wirtschaftspläne und Abrechnungen, sondern erst dann überschritten, wenn sie dadurch einen in der Gemeinschaftsordnung bestimmten oder den auf einer Gesamteigentümerversammlung beschlossenen Verteilungsschlüssel ändern (vgl. BayObLG, NJW-RR 2001, 1020 und [X.], 212, 213 = BayObLGR 2004, 98 ([X.])). Die Annahme einer Gesamtnichtigkeit der Beschlüsse steht zudem der Grundsatz entgegen, dass die Unwirksamkeit einzelner Positionen in einem Wirtschaftsplan oder einer Jahresabrechnung deren Wirksamkeit im Übrigen grundsätzlich nicht berührt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2012 - [X.], Rn. 13, juris).

Dem Kläger dürfte insoweit ein Anspruch auf Ergänzung der unvollständigen Abrechnungen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1992, 1169; [X.], [X.], 923, 924; [X.], [X.], 665, 667) durch einen Beschluss aller Wohnungseigentümer zustehen. Dieser Anspruch ist aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits und daher auch kein Grund für eine Aufhebung des Berufungsurteils.

b) Ob die Beschlüsse der Untergemeinschaft für unwirksam zu erklären sind, weil sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, ist nicht mehr zu prüfen, da der Kläger die Frist für eine Anfechtungsklage (§ 46 Abs. 1 Satz 2 [X.]) versäumt hat. Wiedereinsetzung nach § 46 Abs. 1 Satz 3 [X.] i.V.m. § 233 ZPO kann ihm nicht gewährt werden. Die Versäumung der Frist ist schon deshalb nicht als unverschuldet anzusehen, weil der Kläger den von dem Amtsgericht angeforderten Kostenvorschuss zunächst nicht gezahlt hat. Das sich aus der Vorschrift in § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG ergebende Hindernis, nach der die Klage erst nach Zahlung der Verfahrensgebühr zugestellt werden soll, hat der Kläger daher zu vertreten. Die Revision greift das Berufungsurteil insoweit auch nicht an.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                           [X.]                                           Czub  

                        Brückner                                              Weinland

Meta

V ZR 231/11

20.07.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 14. September 2011, Az: 318 S 77/10, Urteil

§ 10 WoEigG, § 28 WoEigG, § 46 Abs 1 S 1 WoEigG, § 562 Abs 1 ZPO, § 563 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2012, Az. V ZR 231/11 (REWIS RS 2012, 4403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4403

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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