Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2015, Az. X ZR 34/14

X. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13945

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR
34/14
Verkündet am:
17.
März
2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] Art. 2 Buchst. f, g und j, Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, Art. 4, Art. 7 Abs. 1
a)
Ein Luftverkehrsunternehmen ist grundsätzlich auch dann zu einer Aus-gleichszahlung wegen Nichtbeförderung verpflichtet, wenn es dem Fluggast, der über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügt, die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert, bevor sich der Fluggast zur vorgesehenen [X.] zur Abfertigung für den gebuchten Flug einfinden kann.
b)
Ist die Luftbeförderung Bestandteil einer Reise, kann sich die bestätigte [X.] auch aus einem von dem Reiseveranstalter hierüber ausgestellten Be-leg ergeben.
c)
Eine vorweggenommene [X.] kann darin liegen, dass der Fluggast ohne seine Zustimmung von dem geplanten und tatsächlich durchgeführten auf einen anderen Flug umgebucht und von dem Luftver-kehrsunternehmen oder durch eine diesem zuzurechnende Mitteilung des Reiseveranstalters entsprechend unterrichtet wird.
[X.], Urteil vom 17. März 2015 -
X [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 17.
März
2015 durch [X.], die Richter [X.], Dr.
Bacher und Dr.
Deichfuß sowie die Richterin Dr.
Kober-Dehm
für
Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das am 21.
Februar
2014 [X.] Urteil der 22.
Zivilkammer des [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger
verlangen

der Kläger zu 1 auch aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau
die Leistung von Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 1.600

7 Abs.
1 Satz
1 Buchst.
b, Art.
4 Abs.
3 der Verordnung ([X.]) Nr.
261/2004 des [X.] und des Rates vom 11.
Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleich und Unterstützungsleis-tungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) 1
-
3
-
Nr.
295/01 ([X.].
[X.] L
46 vom 17.
Februar
2004, S.
1; nachfolgend: Fluggast-rechteverordnung).
Die Ehefrau des [X.] zu 1 buchte bei dem Reiseveranstalter T.

GmbH für sich und die Kläger eine Flugpauschalreise in die [X.]. Der
Hinflug von [X.] nach [X.], den das von der [X.] betriebene Luftverkehrsunternehmen [X.].

durchführen sollte, war für den
28.
Oktober
2011 um 9.00 Uhr mit dem Flug [X.].
1

vorgesehen. Am
14.
Oktober
2011 um 20.16 Uhr ging im [X.] der Reisenden die Mit-teilung der T.

GmbH ein, dass sie auf einen anderen Hinflug umge-
bucht worden seien. Die Reisenden wurden dieser Mitteilung entsprechend am 28.
Oktober
2011 um 15.30 Uhr mit dem von der [X.] planmäßig durchge-führten Flug [X.].
0

nach [X.] befördert. Die Kläger sind der Auffassung,
dass hierin eine nach der Fluggastrechteverordnung zur Zahlung von [X.] verpflichtende Nichtbeförderung auf dem ursprünglich ge-buchten, von der [X.] ebenfalls planmäßig durchgeführten
Flug liege.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die
vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Wieder-herstellung des erstinstanzlichen Urteils erstreben. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision führt
zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
2
3
4
-
4
-
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägern stehe kein An-spruch auf die begehrte Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zu. Es sei zwar davon auszugehen, dass die Reisenden über eine bestätigte Buchung über den früheren Flug verfügten, was auch von der [X.] nicht in Abrede gestellt werde. Eine Nichtbeförderung im Sinne der Verordnung könne jedoch nicht angenommen werden, weil dies voraussetze, dass sich die Flug-gäste rechtzeitig zur Abfertigung für den ursprünglich gebuchten Flug am [X.] der [X.] eingefunden hätten. Selbst wenn es diesen nicht zuzumuten gewesen wäre, sich trotz der mitgeteilten Umbuchung zum früheren Flug am [X.] einzufinden, weil sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen durften, nicht auf diesem Flug befördert zu werden, wäre der geltend gemachte Ausgleichsanspruch zu verneinen. Denn jedenfalls fehle es an der weiteren Voraussetzung einer Weigerung der [X.], die Fluggäste zu befördern. Zwar könne aus Sicht des Fluggastes eine Umbuchung, der er nicht zugestimmt habe, einer Weigerung, ihn auf dem ursprünglich vorgesehe-nen
Flug zu befördern, gleichkommen. Nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs könne aber auch bei einer vorzeitigen, vor Eintreffen des [X.] am Flugsteig stattfindenden Ablehnung der Beförderung eine Weigerung, den Fluggast zu befördern,
nur angenommen werden, wenn sie diesem gegen-über zum Ausdruck gebracht werde. Daran fehle es im Streitfall. Die Fluggäste hätten ihren Willen, an dem ursprünglich gebuchten Flug teilzunehmen, der [X.] nicht kundgetan. Es obliege dem Fluggast, nach der Buchung nochmals aktiv zu werden und seinen Teilnahmewunsch am Flug zu äußern, was in der Regel dadurch erfolge, dass sich der Fluggast am Flugsteig einfinde, um das Flugzeug zu besteigen. Dies sei auch nicht entbehrlich gewesen, weil dem übli-cherweise am Abflugtag zu äußernden Teilnahmebegehren durch die Mitteilung über die Umbuchung vierzehn Tage vor Abflug im Wege einer antizipierten Be-förderungsverweigerung vorgegriffen worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass 5
-
5
-
die Fluggäste die Umbuchung nicht akzeptiert und auf einer Beförderung mit dem ursprünglichen Flug bestanden hätten.
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des geltend gemachten Ausgleichs-anspruchs wegen Nichtbeförderung nach Art.
7,
Art.
4 Abs.
3 [X.] in einem entscheidenden Punkt unzutreffend beurteilt. Dem Berufungsgericht kann
nicht darin gefolgt werden, dass ein Anspruch wegen Nichtbeförderung stets voraussetzt, dass sich der Fluggast rechtzeitig zur Abfertigung für den ge-buchten Flug eingefunden hat.
1.
Zwar legen diese Voraussetzung grundsätzlich sowohl der Gerichts-hof der [X.] (Urteile vom 4.
Oktober 2012
[X.]-321/11,
[X.] [X.], [X.], [X.] 2012, 942 Rn.
19, und [X.]/11, [X.]/[X.], [X.] 2012, 945 Rn. 25, 29) als auch der [X.] zugrunde (Urteil vom 30.
April 2009

Xa
ZR
78/08, [X.], 2740 Rn.
7, 9-14 = [X.], 239; Urteil vom 28.
August 2012 -
X
ZR
128/11, NJW
2013, 378 Rn.
12, 15 = [X.]
2012, 285; Beschluss vom 9.
Dezember 2010
Xa ZR 80/10, [X.] 2011, 84
Rn.
11).
2.
Das Berufungsgericht hat aber aus dem Wortlaut des Art.
2 Buchst.
j [X.], wonach unter "Nichtbeförderung"
die Weigerung zu [X.] ist, Fluggäste zu befördern, die sich unter den in Art.
3 Abs.
2 [X.] genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, zu Un-recht gefolgert, dass das rechtzeitige Erscheinen des Fluggastes zur Abferti-gung auch bei einer vorzeitigen, vor dem Eintreffen des
Reisenden am [X.] zum Ausdruck gebrachten [X.] stets erforderlich ist.
6
7
8
-
6
-
a)
Bei der Formulierung der Voraussetzungen für den Ausgleichsan-spruch geht
der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Flug-gast sich nur dann gemäß Art.
3 Abs.
2 Buchst.
a [X.] zur ange-gebenen [X.] oder mangels einer solchen 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung ("check-in") eingefunden haben muss, wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme verweigert worden ist (s. nur
[X.], [X.], 2740 Rn.
7 = [X.], 239; NJW
2013, 378 Rn.
12 = [X.]
2012, 285). Da diese Entscheidungen keine Fälle einer vorzeitigen [X.]
betra-fen, war allerdings nur die Erwägung tragend, dass sich der Fluggast jedenfalls dann zur Abfertigung einfinden muss, wenn ihm bis dahin die Beförderung noch nicht verweigert worden ist.
Im Vorlagebeschluss vom 7.
Oktober
2008 (X
ZR
96/06, NJW
2009, 285
= [X.]
2009, 89) hat es der Senat für möglich ge-halten, dass die [X.] bei
einer "Umbuchung"
keine Zu-rückweisung der Fluggäste am Flugsteig voraussetzt ([X.], [X.]
2009, 89 Rn.
7). Er
musste die Frage aber aufgrund der außergerichtlichen Einigung der Parteien nicht abschließend entscheiden.
b)
Dass es weder auf das Erscheinen zur Abfertigung noch auf das Er-scheinen am Ausgang ankommt, wenn das Luftverkehrsunternehmen bereits zuvor unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dem Fluggast die Beförderung auf dem gebuchten Flug zu verweigern, ergibt sich
unmittelbar
aus dem Sinn und Zweck des Ausgleichsanspruchs wegen Nichtbeförderung und der [X.] der Fluggastrechteverordnung.
Die Verordnung nimmt zwar den Fall, dass dem Fluggast die Beförde-rung bereits verweigert wird, bevor er sich am Flugsteig eingefunden hat, nicht ausdrücklich in den Blick. Vielmehr wird die [X.] in Art.
2 Buchst.
j [X.] gerade als die Zurückweisung des einsteigewilligen Fluggastes am Flugsteig definiert. Angesichts des von der Fluggastrechtever-9
10
11
-
7
-
ordnung angestrebten hohen Schutzniveaus kann das Erscheinen am Ausgang dennoch
nicht in allen Fällen als Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch gefordert werden.
Der Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung nach Art.
4 Abs.
3 [X.] besteht

auch wenn er nicht hierauf beschränkt ist (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Oktober
2012

[X.]/11, [X.]/[X.], [X.] 2012, 945 Rn.
21-24)

vor allem bei einer Verweigerung des Einstiegs in den in den Absätzen
1 und 2 der Vorschrift angesprochenen Überbuchungsfällen. In diesem Fall muss das Luftverkehrsunternehmen nach Art.
4 Abs.
1 [X.] zunächst versuchen, am Flugsteig erschienene Fluggäste gegen eine entsprechende
-
zu vereinbarende
-
Gegenleistung zum freiwilligen Verzicht auf ihre Buchung zu bewegen. Finden sich nicht genügend Freiwillige, kann das Luftverkehrsunternehmen nach Art.
4 Abs.
2 [X.] zwar weiteren Fluggästen die Beförderung verweigern. Es
ist dann aber diesen gegenüber zu einer Ausgleichszahlung nach Art.
7 [X.]
verpflichtet.
Ist für das Luftverkehrsunternehmen dagegen schon im Vorfeld und nicht erst bei Erscheinen der Fluggäste am Flugsteig absehbar, dass nicht alle auf den betreffenden Flug gebuchten Fluggäste befördert werden können, und er-klärt es dementsprechend Fluggästen schon zu einem früheren [X.]punkt, ohne die nach Art.
4 Abs.
1 [X.] vorgeschriebene Vorgehensweise [X.], sie nicht mit dem gebuchten Flug befördern zu wollen, würde es dem von der Fluggastrechteverordnung angestrebten Schutz der Fluggäste zuwider-laufen, wenn
der Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung auch bei dieser Konstellation vom Erscheinen des Fluggastes am Flugsteig abhängig gemacht würde.
In diesem Fall
wäre bereits das Erscheinen zur Abfertigung eine sinnlo-se, unter Umständen -
etwa bei längerer Anreise zum [X.]
-
mit beträcht-lichem Aufwand verbundene Handlung des Fluggastes. Selbst wenn der Flug-12
13
-
8
-
gast sie gleichwohl auf sich nähme, könnte er indessen die weitere Vorausset-zung nicht erfüllen, sich bis zum Abschluss des [X.] am Flugsteig einzufinden, da er ohne Abfertigung durch das Luftverkehrsunternehmen nicht zum Flugsteig gelangen kann.
Könnte aber das Luftverkehrsunternehmen sich dem Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung dadurch entziehen, dass es bereits die Abfertigung verweigert, wäre der Schutz des Fluggastes ausgehöhlt. Wenn daher das Luftverkehrsunternehmen bereits zuvor unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, den Fluggast nicht abfertigen zu wollen, kann der [X.] nach Art.
4 Abs.
3
i.V.m. Art.
7 [X.] nicht vom Erscheinen des Fluggastes zur Abfertigung abhängig gemacht werden.
Aus der Sicht des Fluggastes ist die Situation bei einer vorzeitigen Zu-rückweisung mit der Annullierung eines Fluges vergleichbar. In beiden Fällen wird er nicht auf dem von ihm gebuchten Flug befördert. Für den Fall der [X.] setzt die Fluggastrechteverordnung für einen Ausgleichsanspruch aber ausdrücklich nicht das persönliche Erscheinen des Fluggastes zur Abfertigung voraus. Im Fall
einer vorzeitig mitgeteilten [X.] kann nichts anderes gelten.
c)
Etwas anderes lässt sich entgegen der Annahme des Berufungsge-richts auch nicht dem Beschluss des [X.] vom 16.
April
2013 (X
ZR
83/12, NJW-RR
2013, 1462 = [X.]
2013, 282) entnehmen. In dieser Ent-scheidung hat der [X.] einen Ausgleichsanspruch wegen Nicht-beförderung verneint, weil es in dem zugrunde liegenden Fall an einer Erklä-rung des Luftfahrtunternehmens gefehlt hat, der eine Beförderungsverweige-rung hätte entnommen werden können. Der Kläger dieses Verfahrens, der bis zur Beendigung des [X.] nicht am Flugsteig erschienen war, war weder am Flugsteig oder bei der Abfertigung zurückgewiesen worden, noch konnte er ein Verhalten oder eine Äußerung des beklagten Luftfahrtunterneh-14
15
-
9
-
mens dartun, mit dem eine vorzeitige Zurückweisung zum Ausdruck gebracht worden wäre.
3.
Das Berufungsurteil wird auch nicht durch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts getragen, die Fluggäste hätten der "Umbuchung"
zumindest widersprechen müssen.
a)
Eine Pflicht zur Ausgleichszahlung entsteht allerdings nicht schon dann, wenn Fluggäste nicht mit dem gebuchten Flug befördert worden sind. Vielmehr muss ihnen der Einstieg in das Flugzeug gegen ihren Willen (contre leur volonté;
against their will)
verweigert worden sein (Art.
4 Abs.
3 [X.]).
b)
Diese Voraussetzung ist jedoch im Streitfall gleichfalls erfüllt. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bringt der Fluggast in der Regel seinen Willen, das Flugzeug zu besteigen, bereits dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er sich zu eben diesem Zweck vor Beendigung des Einsteige-vorgangs am Ausgang einfindet. Der Verzicht auf eine Buchung, zu dem das ausführende Luftverkehrsunternehmen
bei einem überbuchten Flug
Fluggäste

gegen eine zu vereinbarende Gegenleistung

zu bewegen
suchen muss, be-deutet, wenn die Fluggäste

wie regelmäßig

grundsätzlich an ihrem Beförde-rungswunsch festhalten, in der Sache die Zustimmung zu einer Umbuchung. Da
das ausführende Luftverkehrsunternehmen nur dann Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigern
darf, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden, erfolgt
die [X.] gegenüber all denjenigen Flug-gästen gegen ihren Willen, die sich auch angesichts der angebotenen Gegen-leistung nicht bereit erklärt haben, einer Umbuchung zuzustimmen oder auf die Beförderung insgesamt
zu verzichten. Wenn das Luftverkehrsunternehmen, das absehen kann, dass Fluggästen die Beförderung zu verweigern ist, gar nicht 16
17
18
-
10
-
erst abfragt, ob Fluggäste freiwillig auf die Beförderung mit dem gebuchten Flug verzichten,
und ihnen auch keine Gegenleistung anbietet, sondern schon im Vorfeld unmittelbar mitteilt, dass sie nicht mit dem gebuchten Flug befördert werden
können, enthält es den Fluggästen die in der Verordnung vorgesehene Möglichkeit zur Äußerung ihres Willens vor. Angesichts dessen kann eine Be-förderungsverweigerung gegen deren Willen nicht deshalb verneint werden, weil die Fluggäste der Umbuchung nicht ausdrücklich widersprochen haben.
c)
Ob das Luftverkehrsunternehmen bei einer Umbuchung, die nach diesen Grundsätzen eine vorzeitige Verweigerung der Beförderung mit dem ursprünglich gebuchten Flug darstellt, in entsprechender Anwendung von Art.
5 Abs.
1 Buchst.
c [X.] von einer Ausgleichszahlung befreit ist, wenn es dem Fluggast die Umbuchung auf einen anderen Flug unter den in dieser Vorschrift genannten Bedingungen rechtzeitig mitteilt, kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Da die Reisenden ihr Reiseziel mit dem späteren Hinflug erst über sechs Stunden später erreichen konnten, hätten sie entsprechend Art.
5 Abs.
1 Buchst.
c
Unterabs.
i [X.] mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Änderung unterrichtet werden müssen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Da die E-Mail des [X.] am 14.
Oktober
2011 erst um 20.16 Uhr und damit außerhalb der übli-chen Geschäftszeiten im [X.] der Reisenden eingegangen ist, kann eine Kenntnisnahme durch die Reisenden erst für den folgenden Tag ange-nommen werden. Zu diesem [X.]punkt betrug die Frist bis zum ursprünglich geplanten Hinflug weniger als zwei Wochen.
III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Die Feststellun-gen des Berufungsgerichts erlauben keine Entscheidung, ob in der Umbu-chungsmitteilung des Reiseveranstalters die der [X.] zumindest zuzu-19
20
-
11
-
rechnende Erklärung zum Ausdruck gekommen ist, den Reisenden die Beförde-rung auf einem gebuchten und bestätigten Flug zu verweigern.
1.
Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob die Kläger über eine bestätigte Buchung für den früheren Flug verfügten.
a)
Die Buchung ist in Art.
2 Buchst.
g [X.] als der [X.] definiert, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftverkehrsun-ternehmen oder dem Reiseunternehmen, d.h. gemäß Art.
2 Buchst.
d [X.]
dem Reiseveranstalter, akzeptiert und registriert wurde. Flugschein ist dabei nach
Art.
2 Buchst.
f [X.] ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder ein gleichwertiger
pa-pierloser, auch elektronisch ausgestellter
Berechtigungsnachweis, der
von dem Luftverkehrsunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde. Die Fluggastrechteverordnung definiert dagegen nicht, was unter einem "anderen Beleg", aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Reiseveranstalter "akzeptiert und registriert"
wurde, zu verstehen ist.
Der Abschluss eines eine Luftbeförderung umfassenden Reisevertrags kann
nicht ohne weiteres als ein solcher Beleg angesehen werden. Dem steht schon entgegen, dass der Reisevertrag nicht notwendigerweise die Festlegung auf einen bestimmten Flug im Sinne der Fluggastrechteverordnung enthalten muss. Da
die Regelung in
Art.
2 Buchst.
g [X.] ausdrücklich auch eine von dem Reiseveranstalter akzeptierte und registrierte Buchung erfasst, kann aber auch nicht angenommen werden, dass der Buchungsbeleg
stets vom Luftverkehrsunternehmen stammen noch auch nur gegenüber dem Reisenden und Fluggast notwendig den Anschein erwecken muss, vom [X.] zu stammen. Im Hinblick auf
das in Art.
3 Abs.
2 Buchst.
a Fluggast-21
22
23
-
12
-
rechteVO enthaltene zusätzliche Erfordernis der Bestätigung der Buchung wird es vielmehr genügen, dass dem Fluggast vom Reiseveranstalter ein
Beleg überlassen worden ist, aus dem sich verbindlich die vorgesehene Luftbeförde-rung mit einem bestimmten, typischerweise durch Flugnummer und Uhrzeit in-dividualisierten,
Flug ergibt.
b)
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die seine Annahme tragen könnten, die Fluggäste hätten entsprechend der ersten Vor-aussetzung für den geltend gemachten Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeför-derung über die erforderlichen bestätigten Buchungen für den Flug [X.].
1

von [X.] nach [X.] am 28.
Oktober
2011 um 9.00 Uhr verfügt. Es führt in diesem Zusammenhang lediglich aus, es sei "davon auszugehen", dass die Kläger und die mitreisende Ehefrau über eine bestätigte Buchung für den früheren Flug verfügten, und die Beklagte habe dies auch "nicht in Abrede ge-stellt". Diese Ausführungen lassen schon nicht eindeutig erkennen, ob es sich bei der angenommenen bestätigten Buchung für den Flug [X.].
1

um ein
durch einen Flugschein oder in anderer Weise belegtes verbindliches Verspre-chen der Beförderung mit dem Flug [X.].
1

gehandelt hat. Aus dem im Beru-
fungsurteil wiedergegebenen Vortrag der [X.], sie habe selbst erst einen Tag vor Abflug die
Passagierlisten von der T.

GmbH erhalten und von
einer Umbuchung der Fluggäste keine Kenntnis gehabt, ergibt sich, dass die Beklagte behauptet hat, Flugscheine für den Flug [X.].
1

nicht ausgestellt zu
haben. Da auch diese Behauptung Teil des Tatbestands ist, kann der revisions-rechtlichen Prüfung jedenfalls nicht zugrunde gelegt werden, dass die Beklagte für die Fluggäste Flugscheine ausgestellt habe. Für einen anderen Beleg und dessen Inhalt ist dem Berufungsurteil aber auch nichts Zureichendes zu [X.]. Dazu ergibt sich auch nichts aus der Klageschrift, in der es hierzu le-diglich heißt, Gegenstand der Reise sei auch ein Flug mit dem Flugunterneh-men der [X.] gewesen und nachfolgend würden "die geplanten und die 24
-
13
-
tatsächlichen Flugdaten"
zusammengestellt, die sodann mit Flugnummer und Uhrzeit gegenüber gestellt werden. Dies lässt offen, welcher Quelle die [X.] zu entnehmen waren, und lässt auch nicht klar erkennen, ob sie als verbindliche Angaben zum Luftbeförderungsvorgang bestätigt worden sind.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob in der Umbuchungsmitteilung die Erklärung zum Ausdruck gekommen ist, den Reisenden die Beförderung auf dem früheren Hinflug zu verweigern.
Da
sich die Buchung auch aus einem von dem Reiseveranstalter ausge-stellten Beleg ergeben kann, mit dem die Luftbeförderung mit einem bestimm-ten Flug bestätigt wird, ist nicht ausgeschlossen, dass das [X.] auch die Verweigerung der Erfüllung der Beförderungsverpflichtung durch den Reiseveranstalter
gegen sich gelten lassen muss, zumal die [X.], wie der Senat ausgeführt hat, nur in einigen, aber nicht in allen [X.] ausdrücklich eine Weigerung durch das Luftverkehrsunternehmen verlangt
(Beschluss vom 7.
Oktober
2008 -
X
ZR
96/06, NJW
2009, 285
= [X.]
2009, 89 Rn.
9).
Es könnte indessen
vom Inhalt der Umbuchungsmitteilung abhängen, so wie sie von einem verständigen Reisenden verstanden werden muss, ob darin eine antizipierte [X.] zum Ausdruck kommt oder ob der Reiseveranstalter lediglich von einer (bestehenden oder vermeintlichen) reise-rechtlichen Befugnis Gebrauch macht, den [X.]punkt der Hin-
oder Rückreise des Reisenden zu verändern.
Ob der
[X.] über das Vorliegen einer Beförderungsver-weigerung entscheiden könnte oder ob es zuvor einer Vorlage an den Gerichts-hof der [X.] zur zutreffenden Auslegung der Fluggastrechte-verordnung in Bezug auf die Anforderungen an eine [X.] 25
26
27
28
-
14
-
bei Beteiligung eines Reiseveranstalters bedarf, kann dahinstehen. Ein [X.] ist jedenfalls nicht angezeigt, solange der Inhalt der Umbuchungsmitteilung und die Frage,
ob die Reisenden tatsächlich über eine bestätigte Buchung für den ursprünglich vorgesehenen Hinflug verfügt haben, nicht geklärt sind.
-
15
-
Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben, und die Sache ist zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückzuverweisen, das die fehlenden Feststellungen zur [X.]sbestätigung und zum genauen Inhalt der Umbuchungsmitteilung [X.] haben wird.
Meier-Beck
[X.]
Bacher

Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 01.10.2013 -
35 [X.] 12027/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 21.02.2014 -
22 [X.] -

29

Meta

X ZR 34/14

17.03.2015

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2015, Az. X ZR 34/14 (REWIS RS 2015, 13945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13945

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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