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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]
Verkün[X.]et am:
10. März 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkun[X.]sbeamter
[X.]er Geschäftsstelle
in [X.]em Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
[X.]: ja _____________________
ZPO § 256 Abs. 1; BGB §§ 2333 ff.
Einer schon zu Lebzeiten [X.]es Erblassers gegen ihn erhobenen Klage [X.]es [X.] auf Feststellung, [X.]aß [X.]ie in einer letztwilligen Verfügung [X.]es [X.] unter Bezug auf bestimmte Vorfälle angeor[X.]nete Entziehung [X.]es Pflichtteils unwirksam sei, fehlt [X.]as rechtliche Interesse an alsbal[X.]iger Feststellung nicht (Wei-terführung von [X.] 109, 306, 309).
[X.], Urteil vom 10. März 2004 - [X.] - OLG München
LG Traunstein
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[X.] hat [X.]urch [X.]en [X.], [X.], [X.], [X.] un[X.] [X.] auf [X.]ie mün[X.]liche Verhan[X.]lung vom 10. März 2004
für Recht erkannt:
Auf [X.]ie Revision [X.]es [X.] wir[X.] [X.]as Urteil [X.]es 3. Zivilsenats [X.]es [X.] vom 16. April 2003 aufgehoben.
Die Sache wir[X.] zur neuen Verhan[X.]lung un[X.] Entschei-[X.]ung, auch über [X.]ie Kosten [X.]es Revisionsverfahrens,
an [X.]as Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestan[X.]:
Der Kläger, [X.] [X.]es Beklagten, begehrt [X.]ie Feststellung, [X.]aß sein Vater nicht berechtigt sei, wegen [X.]er in [X.]essen notariellen Testa-menten im einzelnen, nach Ansicht [X.]es [X.] aber unzutreffen[X.] [X.]ar-gestellten Sachverhalte [X.]em Kläger [X.]en Pflichtteil zu entziehen. Bei[X.]e Vorinstanzen haben [X.]ie Klage als unzulässig abgewiesen, weil [X.]em Klä-ger zu Lebzeiten [X.]es Beklagten ein rechtlich geschütztes Interesse an [X.]er beantragten Feststellung fehle.
Dagegen wen[X.]et sich [X.]er Kläger mit [X.]er Revision. - 3 -
Entschei[X.]ungsgrün[X.]e:
Das Rechtsmittel hat Erfolg; es führt zur Aufhebung [X.]es Beru-fungsurteils un[X.] zur Zurückverweisung [X.]er Sache an [X.]as Berufungsge-richt.
1. Nach Ansicht [X.]er Vorinstanzen kann [X.]ie Frage, ob Grun[X.] zur Entziehung [X.]es Pflichtteils besteht, zwar vom (zukünftigen) Erblasser, grun[X.]sätzlich aber nicht auch vom Pflichtteilsberechtigten zum Gegen-stan[X.] einer Feststellungsklage gemacht wer[X.]en. Das Berufungsgericht meint, [X.]er Pflichtteilsberechtigte habe vor [X.]em Erbfall keine Möglichkeit, über sein Pflichtteilsrecht irgen[X.] welche rechtlich erheblichen Verfügun-gen zu treffen. Er habe auch keinen Einfluß [X.]arauf, ob beim Erbfall überhaupt eine Erbmasse vorhan[X.]en sei un[X.] ein Pflichtteilsanspruch [X.]urchgesetzt wer[X.]en könne. Die Unge[X.]ul[X.] naher Angehöriger im [X.] auf Feststellungen, [X.]ie für sie erst nach [X.]em Erbfall fühlbare recht-liche Folgen haben könnten, reiche nicht aus.
Der vorliegen[X.]e Fall weise auch keine Beson[X.]erheiten auf, [X.]ie ein Feststellungsinteresse ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Daß [X.]ie [X.]en zerstritten seien, sei in Fällen [X.]ieser Art nichts Beson[X.]eres. Auch wenn [X.]er Kläger [X.]en Erblasser überlebe un[X.] möglicherweise we-gen Grun[X.]stücksübertragungen [X.]es Beklagten Auskunfts- un[X.] [X.] gegen seine Schwester gelten[X.] machen [X.], genüge [X.]ies we[X.]er für sich genommen noch unter Berücksichtigung von [X.] infolge [X.]ablaufs. Denn für [X.]as Bestehen eines [X.] sei nicht [X.]er Kläger als [X.] 4 -
berechtigter beweispflichtig, son[X.]ern gemäß § 2336 Abs. 3 BGB [X.]erjeni-ge, [X.]er [X.]ie Entziehung gelten[X.] mache.
2. Dem folgt [X.]er [X.] nicht.
a) In [X.]er Rechtsprechung [X.]es [X.] anerkannt ist zunächst, [X.]aß [X.]as Pflichtteilsrecht [X.]er Abkömmlinge, [X.]es Ehegatten un[X.] [X.]er Eltern eines Erblassers (als Quelle, aus [X.]er mit [X.]em Erbfall ein Pflichtteilsanspruch entstehen kann,) ein Rechtsverhältnis ist, [X.]as schon zu Lebzeiten [X.]es Erblassers besteht, rechtliche Wirkungen äußert un[X.] gerichtlich festgestellt wer[X.]en kann. Aus [X.]iesem Rechtsverhältnis er-wächst unter [X.]en in §§ 2333 ff. BGB angeführten Voraussetzungen [X.]ie Befugnis [X.]es Erblassers, [X.]en Pflichtteil zu entziehen. Dieses in § 2337 Satz 1 BGB aus[X.]rücklich als Recht zur Entziehung [X.]es Pflichtteils be-zeichnete Recht ist ein gegenwärtiges un[X.] nicht etwa ein vom To[X.] [X.]es Erblassers abhängiges zukünftiges Recht. Mit [X.]er Klage auf Feststellung [X.]es Bestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO) kann nicht nur [X.]ie Feststellung [X.]es Bestehens [X.]es Rechtsverhältnisses im ganzen, son[X.]ern auch [X.]ie Feststellung einzelner, aus [X.]em umfassen[X.]en Rechts-verhältnis hervorgehen[X.]er Berechtigungen verlangt wer[X.]en wie [X.]es Rechts, [X.]en Pflichtteil zu entziehen. Nichts an[X.]eres gilt für eine Klage auf Feststellung [X.]es Nichtbestehens eines Pflichtteilsentziehungsrechts, wie sie hier vorliegt (vgl. [X.] 28, 177, 178; [X.], Urteil vom 1. März 1974 - [X.] - NJW 1974, 1085 unter 1; [X.] 109, 306, 308 f.; [X.], Urteil vom 20. Januar 1993 - [X.] - NJW-RR 1993, 391 unter 4).
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b) Für [X.]ie Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO weiterhin ein rechtliches Interesse [X.]es [X.] an als-bal[X.]iger Feststellung erfor[X.]erlich (vgl. [X.]surteil vom 11. Oktober 1989 - [X.] - NJW-RR 1990, 130 f.). Für [X.]ie positive Feststel-lungsklage eines [X.] gegen einen Pflichtteilsberechtigten auf Fest-stellung eines Rechts zur Entziehung [X.]es Pflichtteils hat [X.]er [X.] ein solches Feststellungsinteresse bejaht, weil [X.]ie Klärung [X.]er Grenzen [X.]er Testierfreiheit im allgemeinen keinen größeren Aufschub vertrage (Urteil vom 1. März 1974 aaO, [X.] 109, 306, 309). Für [X.]ie Klage eines Pflichtteilsberechtigten auf Feststellung [X.]es Nichtbestehens eines Pflichtteilsentziehungsrechts hat [X.]er [X.] [X.]as Bestehen eines Interes-ses an alsbal[X.]iger Feststellung [X.]agegen grun[X.]sätzlich offengelassen, weil [X.]em Interesse unge[X.]ul[X.]iger Angehöriger an [X.]er Feststellung einer Rechtsstellung, [X.]ie erst nach [X.]em Erbfall für sie fühlbare rechtliche Fol-gen habe, nicht [X.]as gleiche Gewicht zukomme wie [X.]em Interesse [X.]es Erblassers an [X.]er Klärung [X.]er Grenzen seiner Testierfreiheit. Wenn aber in [X.]emselben Verfahren [X.]as Bestehen eines von [X.]em vorverstorbenen Elternteil entzogenen Pflichtteilsrechts zu klären sei, rechtfertige [X.]er Ge-sichtspunkt [X.]er [X.] auch [X.]ie gegenüber [X.]em am Verfahren beteiligten überleben[X.]en Elternteil un[X.] zukünftigen Erblasser beantragte Feststellung, [X.]aß [X.]erselbe tatsächliche Vorgang kein Recht zur Pflicht-teilsentziehung begrün[X.]et habe ([X.] 109, 306, 309 f.; kritisch [X.]azu [X.], [X.] 1990, 700).
c) Das Fortbestehen eines Pflichtteilsrechts trotz einer Entziehung [X.]es Erblassers ist für [X.]en Pflichtteilsberechtigten je[X.]och nicht nur für [X.]ie [X.] nach [X.]em Erbfall von Be[X.]eutung: Der Pflichtteilsberechtigte kann schon vor [X.]em Erbfall einen Vertrag mit an[X.]eren gesetzlichen Erben - 6 -
über seinen Pflichtteil abschließen (§ 311b Abs. 5 BGB). Er kann ferner [X.]urch Vertrag mit [X.]em Erblasser, [X.]er meist zu Gegenleistungen bereit ist, auf sein Pflichtteilsrecht verzichten (§ 2346 Abs. 2 BGB). Dies gilt, obwohl vor Eintritt [X.]es [X.] nicht ausgeschlossen wer[X.]en kann, [X.]aß etwa wegen Überschul[X.]ung [X.]es Nachlasses kein Pflichtteilsanspruch entsteht. Auch wenn [X.]ie Feststellungsklage im Einzelfall nicht [X.]er Vorbe-reitung einer [X.]erartigen Verfügung über [X.]as Pflichtteilsrecht [X.]ient, be-steht ein rechtliches Interesse an einer alsbal[X.]igen Feststellung, [X.]aß [X.]ieses Recht nicht [X.]urch letztwillige Verfügung [X.]es Erblassers wirksam entzogen sei. Erst nach einer solchen Feststellung hat [X.]er [X.] wie[X.]er konkrete Chancen, seine schon vor [X.]em Erbfall beste-hen[X.]en [X.] zu nutzen. Für [X.]as Interesse [X.]es Pflichtteilsberechtigten kann hier nichts an[X.]eres gelten als sonst bei [X.] gegenwärtigen Gefahr o[X.]er Ungewißheit für [X.]ie Rechtsposition eines [X.], etwa [X.]urch [X.]eren Verletzung o[X.]er auch nur [X.]eren ernstliches Bestreiten ([X.], Urteil vom 7. Februar 1986 - [X.] - NJW 1986, 2507 unter II 1; Urteil vom 10. Oktober 1991 - [X.] - NJW 1992, 436 unter 1; Urteil vom 22. März 1995 - [X.] - NJW 1995, 2032 unter 3 a). Darauf weist [X.]ie Revision mit Recht hin. Im vorliegen[X.]en Fall hat [X.]er Beklagte [X.]as [X.] bereits in seinen notariellen [X.] ausgeübt. Je[X.]enfalls bei einer solchen Sachlage kann [X.]as Feststellungsinteresse [X.]es Pflichtteilsberechtigten nicht zweifelhaft sein.
[X.]) Demgegenüber überzeugt [X.]as Argument nicht, [X.]er Erblasser müsse zu seinen Lebzeiten vor einer Auseinan[X.]ersetzung über seinen Nachlaß geschützt wer[X.]en (so etwa AnwK-BGB/[X.], § 2333 R[X.]n. 27). Das mag wünschenswert un[X.] [X.]em Pflichtteilsberechtigten etwa [X.]ann zu empfehlen sein, wenn zu hoffen ist, [X.]aß [X.]er Erblasser [X.]ie Vor-- 7 -
fälle, [X.]ie er zum Anlaß einer Pflichtteilsentziehung genommen hat, nach Ablauf einer gewissen [X.] gelassener beurteilen wir[X.]. An[X.]ererseits greift [X.]er Erblasser [X.]urch [X.]ie Pflichtteilsentziehung in eine schon zu sei-nen Lebzeiten bestehen[X.]e Rechtsstellung [X.]es Pflichtteilsberechtigten ein. Dessen Abwehr muß [X.]er Erblasser hinnehmen. Er ist zur Vertei[X.]i-gung seines Stan[X.]punkts aufgrun[X.] seiner Sachkenntnis oft besser in [X.]er Lage als [X.]er Erbe nach Eintritt [X.]es [X.].
Daß [X.]er Pflichtteilsberechtigte nicht [X.]ie Beweislast für [X.]as Vorlie-gen von Entziehungsgrün[X.]en trägt (§ 2336 Abs. 3 BGB), än[X.]ert grun[X.]-sätzlich nichts an [X.]er Gefahr, [X.]aß ihm günstige Gegenbeweismittel [X.]urch [X.]ablauf verloren gehen o[X.]er entwertet wer[X.]en können. Soweit [X.]ie persönliche Glaubwür[X.]igkeit von Zeugen eine Rolle spielt o[X.]er eine [X.] in Betracht kommt, können später verwertbare Feststel-lungen selbst in einem Beweissicherungsverfahren nicht getroffen wer-[X.]en. Hier hat sich [X.]er Kläger für seine Gegen[X.]arstellung [X.]er Vorgänge, [X.]ie [X.]er Pflichtteilsentziehung zugrun[X.]e liegen, unter an[X.]erem auf [X.]as Zeugnis seiner Lebensgefährtin un[X.] seiner Schwester sowie auf eine Vernehmung [X.]es Beklagten als [X.] bezogen. Die infolge [X.]es [X.]ab-laufs bis zum Erbfall möglicherweise [X.]rohen[X.]en [X.] rechtfertigen ebenfalls [X.]as Interesse an alsbal[X.]iger Feststellung ([X.], Urteil vom 9. März 1961 - [X.] - NJW 1961, 1165 unter [X.]).
e) Danach ist [X.]as rechtliche Interesse auch [X.]es [X.] an einer alsbal[X.]igen negativen Feststellung noch zu Lebzeiten [X.]es Erblassers, [X.]aß ein Recht zur Pflichtteilsentziehung nicht bestehe, in al-ler Regel zu bejahen (so auch [X.] NJW 1986, 1182; Lan-- 8 -
ge/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 37 III 1 b S. 871 f.; MünchKomm/ [X.], [X.]. § 1922 R[X.]n. 80; MünchKomm/[X.], aaO § 2333 R[X.]n. 2a; Palan[X.]t/E[X.]enhofer, [X.]. § 2336 R[X.]n. 1; [X.]/ [X.], ZPO 24. Aufl. § 256 R[X.]n. 11; [X.], [X.] 1996, 56, 57; a.[X.]/[X.], BGB [1998] vor § 2333 R[X.]n. 19; Soergel/Dieck-mann, [X.]. vor § 2333 R[X.]n. 4). Auch [X.]em Kläger [X.]es vorlie-gen[X.]en Verfahrens kommt ein berechtigtes Interesse an [X.]er begehrten Feststellung zu.
Terno [X.] [X.]
[X.]
[X.]
Meta
10.03.2004
Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2004, Az. IV ZR 123/03 (REWIS RS 2004, 4185)
Papierfundstellen: REWIS RS 2004, 4185
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Keine Verwirkung eines Pflichtteilsrechts
9 U 15/01 (Oberlandesgericht Köln)
7 U 134/18 (Oberlandesgericht Düsseldorf)
IV ZR 204/09 (Bundesgerichtshof)
Gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings bei Enterbung des näheren Abkömmlings; Pflichtteilsberechtigung des entfernteren Abkömmlings
24 O 394/19 (Landgericht Köln)
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