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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Vergabeverfahren: Bindung der Vergabestelle an die von ihr aufgestellten Wertungskriterien; Berufung des Bieters auf Referenzen des Rechtsvorgängers
Die VSt muss sich bei der Wertung an ihre eigenen aufgestellten Kriterien halten. Von der aufgestellten Forderung kann sie nicht im Nachhinein abweichen. (Rn. 58)
2.Auch wenn eine Vergabestelle Referenzen in Form von Büroreferenzen fordert, sind Referenzen in erster Linie Personen gebunden. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, sich auf die Referenzen zu berufen, die für einen früheren Arbeitgeber erbracht wurden. Dies hat im Besonderen für die Vergabe von Architekten- und Ingenieureleistungen zu gelten, bei denen die Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen. Entscheidend ist immer, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen der Erarbeitung einer Referenz erbracht hat und welche Phasen des entsprechenden Projekts dieser begleitet hat. Ein Bieter, der durch die Neugründung aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, die gleichen Personen beschäftigt, über das bisher vorhandene Knowhow verfügt und mit im Wesentlichen denselben Anlagen und Werkzeugen arbeitet, kann auf Nachfrage des Auftraggebers auch auf Arbeiten als Referenz verweisen, die dieselben Mitarbeiter in der früheren Firma erbracht haben. (Rn. 67)
1. Es wird festgestellt, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Der Vergabestelle wird aufgegeben, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin trägt die Vergabestelle.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
4. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.
5. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x….,- €.
Die Vergabestelle ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
1. Die Vergabestelle veröffentlichte am xx.xx…. im EU-Supplement Ingenieurleistungen zur Generalsanierung und Erweiterung der …kliniken …, hier die Projektsteuerung gemäß HAV-KOM im Verhandlungsverfahren. Die Dienstleistung soll am xx.xx.2018 begonnen werden.
Es ist laut Bekanntmachung beabsichtigt, folgende Leistungen stufenweise zu beauftragen: Projektsteuerungsleistung gemäß HAV-KOM, Projektstufen 1-2 teilweise (die Leistungen bis zum Antrag auf Vorwegfestlegung wurde bereits erbracht), Projektstufen 3-5 und Besondere Leistungen für die Erweiterung und Sanierung der …klinik … 1.Bauabschnitt. Die Projektstufen werden jeweils stufenweise beauftragt. Als optionale Auftragserweiterung sind die weiteren Bauabschnitte (voraussichtlich BA 2-5) möglich.
2. Unter III.1.2) wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bekanntmachung gibt die Vergabestelle folgendes bekannt:
Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien:
1.) Erklärung über den Gesamtumsatz netto des Bewerbers in den letzten 3 Geschäftsjahren (§ 45 Abs. 1 Nummer 1 VgV). Die maximale Punktzahl wird bei einem durchschnittlichen Umsatz ≥ 1.500.000 € pro Jahr erzielt.-(Wichtung 5%).
2.) Angaben der Beschäftigten der letzten 3 Geschäftsjahren für das gesamte Büro des Bewerbers und der im Themenbereich der ausgeschriebenen Planungsleistung arbeitenden Beschäftigten, aufgeteilt in Berufsgruppen (Führungskräfte, Diplom-Ing., sonstige Mitarbeiter) (§ 46 Abs. 3 Nummer 8 VgV). Die maximale Punktzahl wird bei einer durchschnittlichen Gesamtmitarbeiterzahl ≥ 15 Personen erzielt.-(Wichtung 5%).
3.) …
Unter III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bekanntmachung gibt die Vergabestelle folgendes bekannt:
„Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien:
1.) Darstellung von maximal 5 Referenzprojekten aus den letzten 5 Geschäftsjahren (ab 2012 bis zum Zeitpunkt des Schlusstermins für den Eingang der Teilnahmeanträge gemäß IV.2.2 diese Bekanntmachung), aus der die Erfahrung des Bewerbers bei Projekten mit vergleichbaren Anforderungen hervorgeht (§ 46 Abs. 3 Nummer 1 VgV).-(Wichtung 90%).
Referenzprojekte die vor 2012 in Betrieb genommen wurden, werden bei der Wichtung nicht berücksichtigt.
Für die maximale Bewertung sollten durch die Referenzprojekte folgende Anforderungen erfüllt sein:
…
Die bestmögliche Bewertung zu Ziffer III.1.3) wird nur erreicht, wenn fünf Referenzen die oben genannten Kriterien vollumfänglich erfüllen. Die teilweise Erfüllung der oben genannten Kriterien führt nicht zum Ausschluss, sondern zu einer entsprechend geringeren Bewertung.
2.) Benennung der technischen Fachkräfte, die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung eingesetzt werden sollen.
3.) Vorbehalten wird die Vorlage von Bescheinigungen öffentlicher oder privater Auftraggeber über die Ausführung der angegebenen Referenzprojekte.
3. Die Antragstellerin und die Beigeladene sowie weitere Bewerber haben jeweils einen Teilnahmeantrag abgegeben. Die Beigeladene reichte mit dem Angebot fünf Referenzprojekte ein und benennt für die Jahre 2014, 2015 und 2016 jeweils Umsatzzahlen und Mitarbeiterzahlen. Weiterhin teilte sie ihre Entstehungsgeschichte aus den jeweiligen Vorgängerbüros und die Übernahme der damaligen Mitarbeiter mit. Zu den Referenzprojekten teilt die Antragstellerin jeweils mit, wer Projektleiter, wer stellvertretender Projektleiter, wer Projektassistent und wer für die Kosten des Projekts verantwortlich gewesen ist.
Am 11.1.2018 fanden die Verhandlungsgespräche in der …klinik … im Konferenzraum der Verwaltung statt.
Die Beigeladene reichte ein Schreiben eines Steuerberaters vom 1.2.2018 nach. Das Schreiben stellt dar, dass die ursprüngliche X im Rahmen einer Anwachsung im Jahr 2013 auf die Y angewachsen ist. Die Y habe das Geschäft mit sämtlichen Arbeitnehmern und vorhandenen Projekten in den gleichen Räumlichkeiten fortgeführt. Im Jahr 2015 sei die Y mit der Z mit Sitz in … verschmolzen worden. Die bisherige Belegschaft habe ihre Tätigkeit der Projektsteuerung unverändert fortgeführt. Im Oktober 2016 sei die nunmehrige Beigeladene aus der Z ausgeschieden. Die Beigeladene beschäftige derzeit 15 Personen. Der überwiegende Anteil dieser 15 Personen sei bereits mindestens seit 2013 für das Büro in … tätig. Aus diesem Grund sei es auch möglich für die Beigeladene Umsatzanteile für 2014, 2015 und 2016 darzulegen.
4. Mit Informationsschreiben gemäß § 62 VgV vom 21.2.2018 teilte die Vergabestelle mit, dass sie beabsichtige, der Beigeladenen den Auftrag zu erteilen, weil diese im Verhandlungsgespräch eine höhere Punktzahl erreicht habe.
5. Mit Schreiben vom 27.2.2018 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene. Diese habe weder beim Umsatz, noch bei den Mitarbeiterzahlen, noch bei den Referenzprojekten Eignungsnachweise vorgelegt. Es handle sich um eine Neugründung, so dass eine Zulassung zum Verhandlungsverfahren nicht gerechtfertigt sei.
6. Mit Schreiben vom 12.3.2018 teilte die Vergabestelle mit, der Rüge nicht abhelfen zu wollen. Die Beigeladene habe die Eignung in ausreichendem Maße nachgewiesen.. Da mehr als 5 Bewerber die maximale Punktzahl erreicht haben, sei die Bieterauswahl über Losverfahren erfolgt.
7. Mit Telefax vom 16.3.2018 stellte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag und beantragte:
1.ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 ff GWB für die Ausschreibung des Antragsgegners zur Vergabe des Dienstleistungsauftrags
„Erweiterung und Sanierung …klinik … - Projektsteuerung gemäß HAV-KOM.“
einzuleiten und diesen Nachprüfungsantrag gemäß § 163 Abs. 2 Satz 3 dem Antragsgegner zu übermitteln,
2.dem Antragsgegner aufzugeben, bis zur Entscheidung der Vergabekammer im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag nicht der Beigeladenen zu erteilen,
3.dem Antragsgegner aufzugeben, die Eignungsprüfung zu wiederholen und die Beigeladene im Verhandlungsverfahren nicht zu berücksichtigen,
4.der Antragstellerin gemäß § 165 GWB Einsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren,
5.dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen, und
6.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Der Antrag sei zulässig und begründet.
Die Beigeladene könne im Rahmen der Eignungsprüfung nicht die Maximalpunktzahl erreicht haben. Sie verfüge nicht über die erforderlichen Referenzen. Die Referenzen eines Vorgängerbüros seien nur dann wertbar, wenn eine Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren, und den Mitarbeitern in den neu gegründeten Unternehmen festgestellt werden kann. Dazu genügt nicht lediglich eine Identität des Projektleiters und des stellvertretenden Projektleiters. Erforderlich ist vielmehr, dass auch beim sonstigen Projektteam eine weitgehende Identität zwischen den Personen besteht. Diese Voraussetzung erfüllt die Beigeladene nicht.
Die Beigeladene hätte nicht zum Verhandlungsverfahren zugelassen werden dürfen. Darüber hinaus stelle das Aufeinandertreffen der Bieter im Rahmen der Verhandlungsgespräche einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs dar.
Schließlich habe der Auftraggeber gemäß § 41 Abs. 1 VgV in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen uneingeschränkt und vollständig abgerufen werden können. An der direkten Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen fehle es hier. Über den Link seien die Vergabeunterlagen erst durch die Eingabe eines Suchwortes zu finden gewesen.
8. Der Nachprüfungsantrag ist der Vergabestelle am 19.3.2018 übersandt worden mit der Aufforderung, die Vergabeunterlagen zu übersenden.
9. Mit Schreiben vom 26.03.2018 teilte die Vergabestelle mit, dass die Prüfung der Referenzen der Beigeladenen die Befähigung der Mitarbeiter der Beigeladenen für das Projekt bestätigt. Die gewählten Referenzen seien alle durch das Team ausgeführt worden, welches auch beim jetzigen Bauvorhaben tätig wird. Die Beigeladene habe ihre Bürogeschichte und den Werdegang ihrer Mitarbeiter in den vergangenen Jahren offengelegt. Die Referenzen zeigten, dass der Mitarbeiterstamm über Jahre bereits Projekte in dieser Größenordnung sowohl in finanzieller als auch fachlicher Sicht erfolgreich bestritten hat.
Auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei nachgewiesen. Der Umsatz, welcher durch den Mitarbeiterstamm im verlangten Zeitraum erarbeitet wurde, könne bei den Vorfirmierungen herausgerechnet werden und sei durch einen Wirtschaftsprüfer bestätigt worden.
10. Mit Schreiben vom 27.03.2018 wurde die Fa. … zum Verfahren beigeladen.
11. Mit Schreiben vom 3.4.2018 teilte die Antragstellerin mit, dass die Bewerbung der Beigeladenen nicht berücksichtigt werden darf. Die Kriterien Referenzen, Gesamtmitarbeiterzahl und Gesamtumsatz stellten auf den Bewerber und nicht auf etwa dahinter stehende Personen ab. Die Beigeladene sei erst im Jahr 2016 neu gegründet worden und könne daher im Rahmen der Eignungsprüfung nicht die maximale Punktzahl erreicht haben.
Die Beigeladene bestehe aus vier Ingenieuren und erreiche daher nicht die durchschnittliche Gesamtmitarbeiterzahl von mehr als 15 Personen.
Eine Zurechnung von Referenzen könne nur dann erfolgen, wenn nicht lediglich bei dem Projektleiter und dem stellvertretenden Projektleiter, sondern auch beim sonstigen Projektteam weitgehende Identität zwischen den Personen vorliege.
Die Beigeladene habe nicht den durchschnittlichen Umsatz von 1,5 Millionen € in den Jahren 2014-2016 erreicht. Die Hinzurechnung der Umsätze dritter Unternehmen sei nicht zulässig. Defizite eines Bewerbers in diesem Teilbereich könnten auch nicht durch persönliche berufsspezifische Erfahrungen eines Mitarbeiters ausgeglichen werden.
Auch ein Herausrechnen der Umsätze aus den Vorgängerfirmen sei nicht zulässig.
Diese Umsätze seien auch bereits von einem anderen Bewerber, der aus der Vorgängerfirma hervorgegangen ist, angegeben.
Das Aufeinandertreffen der Bieter sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs.
Es fehle zudem an der direkten Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen mit einer Verlinkung auf den Speicherort des konkreten Vergabeverfahrens.
12. Mit Schreiben vom 4.4.2018 teilte die Beigeladene mit, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei.
Das Angebot der Beigeladenen habe rechtmäßig die Höchstpunktzahl erzielt. Sie habe ihre Eignung nachgewiesen. Die Beigeladene habe ihre Bürogeschichte und den Werdegang ihrer Mitarbeiter in den letzten drei Geschäftsjahren offengelegt und lückenlos nachgewiesen. Sie habe alle Anforderungen an das „sich zu eigen machen“ von Referenzen von Vorgängerunternehmen eingehalten. Insbesondere habe die Beigeladene das komplette Team, das seinerzeit bei den Vorgängerbüros die Projektsteuerung und das Projektmanagement erbracht hat und dafür verantwortlich war, übernommen.
Jede Referenz sei mit einem Abgleich der aktuellen Beschäftigungssituation versehen. Bei allen vorgelegten Referenzprojekten sei das ausführende Team des ursprünglich beauftragten Unternehmens identisch mit dem sich nun bewerbenden Unternehmen. Der ausgeschriebene Auftrag werde weitestgehend mit eben dem Personal ausgeführt, mit dem die Referenzprojekte erfolgreich bearbeitet wurden.
13. Auf das Schreiben der Antragstellerin vom 9. April 2018 wird verwiesen.
14. Soweit kein Geheimschutz gegeben war, wurden der Antragstellerin am 10.04.2018 Auszüge aus der Vergabeakte übermittelt.
15. Mit Schreiben vom 11.04.2018 teilte die BGl mit, dass mit der Gründung der BGl das komplette Team der Vorgängerbüros, das seinerzeit die Projektsteuerungs- und managementleistung erbracht hat, übernommen wurde.
Deshalb dürfe sich das Büro die Referenzen der Vorgängerbüros vollständig zu eigen machen. In entsprechender Anwendung der Rechtsprechung der VK Südbayern vom 13.03.2015 (Az. Z3-3-3194-1-56-12/14) dürfe sich die BGl auch auf die Umsätze dieses einheitlich gewechselten Teams berufen. Eine Zurechnung von Umsätzen dritter Unternehmen finde hier nicht statt.
In entsprechender Anwendung dieser Rechtsprechung seien auch die durchschnittlichen jährlichen Beschäftigungszahlen für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 angegeben worden. Hierbei handle es sich jeweils um die Summe der Mitarbeiter, die im Jahre 2016 als komplettes Team zur Beigeladenen gewechselt sind.
16. Mit Schreiben vom 18.04.2018 hat die Vergabekammer die Frist gemäß § 167 Absatz ein Satz 2 GWB aufgrund besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten bis einschließlich 27.04.2018 verlängert
17. Auf das Schreiben der ASt vom 16.04.2018 wird verwiesen.
18. In der mündlichen Verhandlung am 19.04.2018 hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern. Auf das diesbezügliche Protokoll wird verwiesen.
Die ASt bekräftigt ihre Anträge aus den Schriftsätzen vom 16.03.2018.
Die VSt beantragt die Abweisung der Anträge.
Die BGl stellt keine Anträge.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei dem ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag (Generalsanierung und Erweiterung der …kliniken …, Projektsteuerung gemäß HAV-KOM) handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB.
e) Die ASt ist antragsbefugt. Sie hat i.S.d. § 160 Abs. 2 GWB vorgetragen, dass sie ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat, und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Sie hat geltend gemacht, dass ihr durch die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene ein Schaden zu entstehen droht. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft.
f) Der Verfahrensbevollmächtigte der ASt hat mit Schreiben vom 27.02.2018 rechtzeitig nach Erhalt des Informationsschreibens gemäß § 62 VgV vom 21.2.2018 den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen gerügt.
g) Zum Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrags am 16.03.2018 war auch die 15-Tages-Frist gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB nicht abgelaufen, die der ASt nach der Rügezurückweisung vom 12.03.2018 zur Verfügung steht.
h) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
Die Durchführung des Vergabeverfahrens verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB. Die Wertung des Teilnahmeantrags der Beigeladenen durch die Vergabestelle ist nicht vergaberechtskonform.
Die Wertung der Angebote ist zu wiederholen.
a) Die Bewerbung der Beigeladenen hat bei der Bewertung des durchschnittlichen Gesamtumsatzes zu Unrecht die maximale Punktzahl erhalten.
Unter Ziff. III.1.2) wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bekanntmachung hat die Vergabestelle folgendes bekannt gegeben:
Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien:
1.) Erklärung über den Gesamtumsatz netto des Bewerbers in den letzten 3 Geschäftsjahren (§ 45 Abs. 1 Nummer 1 VgV). Die maximale Punktzahl wird bei einem durchschnittlichen Umsatz ≥ 1.500.000 € pro Jahr erzielt.-(Wichtung 5%).
Die Bewerbung der Beigeladenen enthält jeweils eine Angabe zum Gesamtumsatz für die Jahre 2014, 2015 und 2016.
Zu diesem Zeitpunkt hat es die Beigeladene in der jetzigen Form jedoch noch nicht gegeben. Zwar ist der Beigeladenen insoweit zuzugestehen, dass die Geschäftsführer und die aus den Vorgängerbüros übernommenen Mitarbeiter den angegebenen und vom Steuerberater bestätigten Umsatz erwirtschaftet haben. Insoweit ist die Rechtsprechung des OLG München vom 15.3.2012 - Verg 2/12 nicht vergleichbar, weil sie aufgrund eines anderen Sachverhaltes ergangen ist.
Jedoch muss sich die Vergabestelle bei der Wertung an ihre eigenen aufgestellten Kriterien halten. Die Vergabestelle fordert ausdrücklich eine Erklärung über den Gesamtumsatz „des Bewerbers“. Die Beigeladene jedoch beruft sich auf einen Umsatz, den die Geschäftsführer und die Mitarbeiter für die Vorgängerbüros erbracht haben.
Während ein Bewerber sich nach der Rechtsprechung (vgl. VK Südbayern, 17.3.2015-Z3-3-3194-1-56-12/14; Weyand, ibronline Kommentar Vergaberecht, Stand 15.2.2015, § 97 GWB N. 900 3ff) auf Mitarbeiterreferenzen berufen kann, die für einen anderen Arbeitgeber erbracht worden sind, ist dies hier nicht ausweitbar auf die reinen Umsatzangaben.
Der „Gesamtumsatz des Bewerbers“ ist keine Angabe, die sich auf die einzelnen Mitarbeiter bezieht, sondern eine unternehmensbezogene, betriebswirtschaftliche Größe.
Eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung zu den Mitarbeiterreferenzen scheidet vorliegend aus. Von der aufgestellten Forderung kann die VSt nicht im Nachhinein abweichen.
b) Auch bei der Bewertung der durchschnittlichen Mitarbeiterzahlen hat die Bewerbung der BGl zu Unrecht die maximale Punktzahl erhalten.
Hinsichtlich der Mitarbeiteranzahl hat die Vergabestelle in der Bekanntmachung unter Ziff. III.1.2) folgendes gefordert:
2.) Angaben der Beschäftigten der letzten 3 Geschäftsjahren für das gesamte Büro des Bewerbers und der im Themenbereich der ausgeschriebenen Planungsleistung arbeitenden Beschäftigten, aufgeteilt in Berufsgruppen (Führungskräfte, Diplom-Ing., sonstige Mitarbeiter) (§ 46 Abs. 3 Nummer 8 VgV). Die maximale Punktzahl wird bei einer durchschnittlichen Gesamtmitarbeiterzahl ≥ 15 Personen erzielt.-(Wichtung 5%).
Auch hier hat die Beigeladene Angaben zu Geschäftsjahren gemacht, die vor ihrer Gründung liegen.
Die abgefragten Beschäftigungszahlen beziehen sich auf „das gesamte Büro des Bewerbers“. Es kann vorliegend nach dem objektiven Empfängerhorizont eins verständigen Bieters nicht davon ausgegangen werden, dass die Vergabestelle mit ihrer Vorgabe auch Vorgängerbüros des jeweiligen Bewerbers einschließen wollte.
Eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung zu den Mitarbeiterreferenzen scheidet auch diesbezüglich aus. Die Abfrage der Beschäftigtenzahlen ist ebenfalls eine unternehmensbezogene Größe. Auch von dieser Forderung kann die Vergabestelle nicht im Nachhinein abweichen.
c) Die Wertung der Referenzen der Beigeladenen vor der Anwachsung zur Y im Juni 2013, vor der Verschmelzung zur Z im Juni 2015 und vor dem Ausscheiden aus der Z im Oktober 2016, ist rechtmäßig erfolgt.
Auch wenn eine Vergabestelle Referenzen in Form von Büroreferenzen fordert, sind Referenzen in erster Linie Personen gebunden. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, sich auf die Referenzen zu berufen, die für einen früheren Arbeitgeber erbracht wurden. Dies hat im Besonderen für die Vergabe von Architekten- und Ingenieureleistungen (§ 73 ff VgV) zu gelten, bei dem die Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen. Entscheidend ist immer, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen der Erarbeitung einer Referenz erbracht hat und welche Phasen des entsprechenden Projekts dieser begleitet hat. Ein Bieter, der durch die Neugründung aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, die gleichen Personen beschäftigt, über das bisher vorhandene Knowhow verfügt und mit im Wesentlichen denselben Anlagen und Werkzeugen arbeitet, kann auf Nachfrage des Auftraggebers auch auf Arbeiten als Referenz verweisen, die dieselben Mitarbeiter in der früheren Firma erbracht haben (vgl. VK Südbayern, 17.3.2015-Z3-3-3194-1-56-12/14; Weyand, ibronline Kommentar Vergaberecht, Stand 15.2.2015, § 97 GWB N. 900 3ff).
Der Bearbeitungszeitraum der fünf von der Beigeladenen eingereichten Referenzen liegt zumindest größtenteils vor der Gründung der Beigeladenen im Oktober 2016.
Büroreferenzen des bisherigen Unternehmens können nur berücksichtigt werden, soweit eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren, und den Mitarbeitern in den neu gegründeten Unternehmen festgestellt werden kann (vgl. VK Südbayern, 17.3.2015-Z3-3-3194-1-56-12/14).
Entscheidend ist immer, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen der Erarbeitung einer Referenz erbracht hat und welche Phase des entsprechenden Projekts dieser begleitet hat. Grundsätzlich wird die Fachkunde eines Unternehmens durch die personelle Ausstattung geprägt und beruht auf den Erfahrungen und Kenntnissen der Mitarbeiter (VK Sachsen, 5.5.2014-1/SVK/010-14).
Die Beigeladene hat in ihrer Bewerbung angegeben, dass die Referenzen von den Vorgängerbüros stammen. Weiterhin hat sie ausführlich dargelegt, welche ihrer jetzigen Mitarbeiter bei den jeweiligen Referenzenprojekten mitgewirkt haben. Die Bestätigung des Steuerberaters stellt die Mitarbeitersituation ausführlich dar. Die Referenzen sind somit der Beigeladenen zurechenbar.
d) Das Treffen der Mitbewerber auf dem Parkplatz hatte vorliegend keine konkreten wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen. Insoweit hat die ASt keine konkrete Rechtsverletzung vorgetragen.
e) Auch hinsichtlich der Abrufbarkeit der Vergabeunterlagen mit einer Verlinkung auf den Speicherort des konkreten Vergabeverfahrens liegt eine konkrete Rechtsverletzung der ASt nicht vor. Die ASt hat nicht vorgetragen, welche konkreten Nachteile sie hieraus erfahren haben soll.
a) Die VSt trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der ASt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die ASt notwendig (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der Antragstellerin nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
d) Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst. Sie hat keine Sachanträge gestellt und damit kein Kostenrisiko auf sich genommen. Eine Kostenerstattung durch andere Beteiligte kommt daher im Umkehrschluss ebenfalls nicht in Betracht.
Der geleistete Kostenvorschuss von 2.500,- € wird nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die Antragstellerin zurücküberwiesen.
Die Vergabestelle ist gem. § 182 Abs. 1 GWB i.V.m § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG in der am 14.08.2013 geltenden Fassung von der Zahlung der Gebühr befreit.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
19.04.2018
Vergabekammer Ansbach
Entscheidung
Zitiervorschlag: Vergabekammer Ansbach, Entscheidung vom 19.04.2018, Az. RMF-SG21-3194-3-6 (REWIS RS 2018, 10431)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 10431
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Vergabeverfahren: Jahresumsatz als Auswahlkriterium; Auswirkung von Vergaberechtsverstößen im Teilnahmewettbewerb auf das weitere Verfahren
RMF-SG21-3194-02-17 (Vergabekammer Ansbach)
Vergabeverfahren: Keine Bindung an die Eigenerklärung des Bieters bei besserer Erkenntnis der Vergabestelle
RMF - SG 21-3194-4-5 (Vergabekammer Ansbach)
Prüfung der Auskömmlichkeit der angebotenen Preise im Vergabeverfahren
RMF-SG21-3194-2-8 (Vergabekammer Ansbach)
Ausschreibung der technischen Planungsleistungen
RMF-SG21-3194-4-3 (Vergabekammer Ansbach)
Bewertung eines Personaleinsatzkonzeptes im Nachprüfungsverfahren
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