Landgericht Bielefeld, Beschluss vom 16.06.1989, Az. StVK H 109/89

15. Strafvollstreckungskammer | REWIS RS 1989, 11

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Tenor

I. Es ist folgende Strafzeitberechnung vorzunehmen:

1. Auf die Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 17.11.1986 sind folgende Haftzeiten anzurechnen:

a)         die Zeit der Untersuchungshaft vom 29.4.1986 TB bis zum 16.11.1986 TE;

b)         die Zeit ab Rechtskraft des o. g. Urteils (17.11.1986) bis zur Aufnahme des Verurteilten im Maßregelvollzug (2.12.1986).

- 2 -

2. Nicht anzurechnen sind:

a)         die Zeiten der "Beurlaubung" des Verurteilten zu Zeugenterminen am 25. und 26.3.1987, am 06. und 7.4.1987 sowie am 27. und 28.4.1987;

b)         die Zeit zwischen Erlaß und Eintritt der Rechtskraft (30.9.1988) des Beschlusses des Landgerichts Paderborn vom 3.8.1988.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 8.5.1989) hat der Verurteilte zu tragen.

Gründe

Gründe

Das Landgericht Paderborn hat in seinem vom Oberlandesgericht Hamm wegen örtlicher Unzuständigkeit aufgehobenen Beschluß vom 20.2.1989 ausgeführt:

"Durch das im Tenor unter Ziffer 1. näher bezeichnete Urteil wurde der Betroffene wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten sowie gem. § 64 StGB zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte er einen Hang zu Heroin und anderen Betäubungsmitteln. Dieses Urteil des LG Bochum ist seit dem 17. November 1986 rechtskräftig.

Die Festnahme des Betroffenen erfolgte am 29.04.1986. Er befand sich sodann ununterbrochen bis zur Rechtskraft des Urteils (17.11.1986) in Untersuchungshaft. Die Aufnahme in den Maßregelvollzug im WZFP Lippstadt-Eickelborn erfolgte am 02.12.1986. Mit Beschluß der Strafvollstreckungskammer des LG Paderborn vom 03. August 1988, auf den zur Vermeidung von

Wiederholungen Bezug genommen wird, wurde schließlich gem. § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB angeordnet, daß.die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen sei, weil sich der Betroffene aus Gründen, die in seiner Persönlichkeit liegen, als therapieresistent erwiesen hatte. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluß hat das OLG Hamm am 30. September 1988 als unbegründet verworfen. Ebenso hat es die später erhobenen Gegenvorstellungen zurückgewiesen.

In der Zwischenzeit hat der Betroffene Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit der er rügt, die Regelung des § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB, wonach die Zeit der Unterbringung entsprechend § 67 d Abs. 5 StGB nicht auf die Strafe angerechnet wird, sei verfassungswidrig.

Den gleichen Einwand macht der Betroffene auch in dem hier gegenständlichen Verfahren der Strafzeitberechnung geltend, denn nach einer Strafzeitberechnung der Vollstreckungsbehörde hätte der Verurteilte die Haftstrafe am 08.09.1992 verbüßt. Er macht nun geltend

-die bereits im Maßregelvollzug verbrachte Zeit sei von der Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer gerichtlichen Entscheidung gem. § 458 StPO auf die zu verbüßende Strafe anzurechnen;

-weiter seien die 16 Tage auf die noch zu verbüßende Strafe anzurechnen, die der Verurteilte zwischen der Rechtskraft des Urteils und der überstellung in das WZFP in einer Haftanstalt verbracht habe;

-weiter sei er 3 x für jeweils 2 Tage zur Wahrnehmung von Zeugenterminen aus dem Maßregelvollzug beurlaubt worden und habe sich in dieser Zeit in Justizvollzugsanstalten befunden.

Darüberhinaus beantragt die Staatsanwaltschaft Bochum am03.02.1989, auch die Zeit zwischen Erlaß des Beschlusses.dieser Kammer vom 03. August 1988 und dem Eintritt dessen

Rechtskraft (30. September 1988) auf die insgesamt zu verbüßende Strafe anzurechnen.

Diesen Anträgen konnte nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang entsprochen werden.

1.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Nichtanrechnung der bisherigen Dauer des Maßregelvollzuges auf die zu vollstreckende Strafe hat die Kammer keine Bedenken. Diese Folge ist ihr bei Erlaß des Beschlusses vom 03. August 1988 durchaus bewußt gewesen und diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers wird von der Kammer auch geteilt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung ergeben sich aus hiesiger Sicht deshalb nicht, weil das Urteil des LG Bocnum ausVücklich eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten ausspricht und daneben als zusätzliche Folge seiner Tat als Maßregel der Sicherung und Besserung die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat. Die Kammer vermag nun kein Verfassungsverbot zu erkennen, wonach solche zusätzlichen Maßnahmen qua Grundgesetz auf die in erster Linie erkannte Strafe anzurechnen wären. Daß das in der Praxis regelmäßig so geschieht, beruht allein auf dem Willen des einfachen Gesetz‑

gebers, der diese Anrechnung in § 67 Abs. 4 StGB so angeordnet hat. Aus dieser Regelung jedoch einen derartigen Verfassungsgrundsatz herzuleiten, wonach dann letztendlich sämtliche Therapiezeiten in Krankenhäusern, Entzugsanstalten und sonstigen Einrichtungen auf eine Strafe anzurechnen wären, vermag die Kammer nicht zu erkennen, so daß der Gesetzgeber nach hiesiger Auffassung durchaus berechtigt war, die Ausnahmeregelung des § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB zu treffen. Im Ergebnis ist also die von dem Betroffenen angegriffene Regelung nicht verfassungswidrig, so daß die Kammer die

Zeiten, die der Betroffene_im Maßregelvollzug verbracht hat, für ihre Strafzeitberechnung außer Ansatz läßt.

Die Zeit zwischen Rechtskraft des Urteils und Aufnahme in den Maßregelvollzug sind auf die zu verbüßende Strafe anzurechnen, denn mit Rechtskraft des Urteils wurde die bis dahin vollzogene Untersuchungshaft gegenstandslos und der Betroffene wurde automatisch Strafgefangener. Er hat daher die Zeit bis zur Aufnahme in den Maßregelvollzug als Strafhaft verbüßt.

Daß dem Betroffenen darüber hinaus die erlittene Untersuchungshaft voll anzurechnen ist, folgt schon aus § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB.

3.)

Eine Anrechnung der von dem Betroffenen so bezeichneten drei "Beurlaubungen" kommt nicht in Betracht, denn in dieser Zeit war der Betroffene nicht aus dem Maßregelvollzug entlassen, um in dessen Unterbrechung Strafhaft zu verbüßen, sondern es handelt sich bei dieser "Beurlaubung" um eine Verschubung oder Ausführung zu den Zeugenterminen, jedenfalls aber nicht um Strafhaft. Er befand sich in dieser Zeit weiterhin formell und materiell im Maßregelvollzug. Demgemäß sind diese Zeiten ‑

auch wenn der Betroffene in Justizvollzugsanstalten übernachtet hat - nicht anrechenbar, weil in dieser Zeit die Maßregel und keine Strafhaft vollstreckt wurde.

4.)

Dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anrechnung der Zeit zwischen Erlaß und Rechtskraft des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer Paderborn vom 3. August 1988 konnte die Kammer nicht entsprechen, denn bis zur Rechtskraft des genannten Beschlusses befand sich der Betroffene im Maßregelvollzug und eben nicht in Strafhaft. Erst mit Rechtskraft dieses Beschlusses konnte er überhaupt aus dem Maßregelvollzug in die Strafhaft überführt werden, so daß es für eine Anrechnung der Zwiscnenzeit keinen Anlaß und erst recht keine gsetzliche Grundlage gibt. Denn § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB gibt keine Handhabe für eine mögliche Teilanrechnung sondern sie bestimmt, daß die (gesamte) Zeit der Maßregel bei Fällen wie

dem vorliegenden nicht auf die Strafe anzurechnen ist. Hier Parallelen zwischen Untersuchungshaft und Maßregelvollzug zu ziehen, geht nicht an, denn Untersuchungshaft und Maßregelvollzug unterscheiden sich nach Sinn und Zweck, aber auch nach der Art der Durchführung (der Maßregelvollzug gibt beispielsweise die Möglichkeit zu teilweise jahrelangen Beurlaubungen) derart gravierend, daß Analogien hier nicht durchgreifen könner-r."

Dem schließt sich die Kammer vollinhaltlich an.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verurteilte zu tragen, da sein Begehren in der Sache letztlich erfolglos geblieben ist, § 473 Abs. 1 StPO.

Vors. Richter am              Richter am              Richter am

Landgericht              Landgericht              Landgericht

Beglaubigt

46

, Justizangestellte als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

des Landgerichts

6/Su.

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Meta

StVK H 109/89

16.06.1989

Landgericht Bielefeld 15. Strafvollstreckungskammer

Beschluss

Sachgebiet: H

Zitier­vorschlag: Landgericht Bielefeld, Beschluss vom 16.06.1989, Az. StVK H 109/89 (REWIS RS 1989, 11)

Papier­fundstellen: REWIS RS 1989, 11

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