Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2016, Az. 1 StR 136/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8399

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:120716B1STR136.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 136/16

vom
12. Juli
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Betruges u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 12. Juli
2016
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Oktober 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das Landgericht
hat den Angeklagten wegen Betruges in vier Fällen und wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Ver-fahrensrüge Erfolg.
1. Zwar
verfängt die Rüge eines
Verstoßes gegen § 257c StPO unter

a) Die Revision trägt hierzu vor, dass der in öffentlicher Hauptverhand-lung unterbreitete Verständigungsvorschlag des Gerichts entsprechend dem Ergebnis der Vorgespräche die Wendung enthielt, die Staatsanwaltschaft wirke darauf hin, dass ein gegen den Angeklagten [X.] Berufungsverfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt werde.
b) In diesem Hinweis auf ein geplantes Vorgehen der Staatsanwaltschaft liegt entgegen der Auffassung der Revision kein Rechtsverstoß.
1
2
3
4
-
3
-
Die Verständigung kann sich nach §
257c Abs.
2 Satz 1 StPO nur auf sbezogene Maßnahmen im zugrundebeziehen. Daraus folgt, dass in eine Verständigung nicht Verfahren mit Bin-dungswirkung einbezogen werden können, die außerhalb der Kompetenz des Gerichts liegen (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2013

2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10 und 2 BvR 2155/11, [X.]E 133, 168, 214 Rn.
79: Verbot voe-k-nahme in einem anderen Verfahren von [X.], Beschluss vom 24. November 2015

3 [X.], [X.], 177 m. Anm. [X.]). Die Bindungswirkung der Verständigung kann nur soweit
gehen, wie das Gericht das Verfahren mit-bestimmt. Mitteilungen der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Verständigung, bei einem bestimmten Ergebnis andere Verfahren nach §
154 StPO zu [X.], entfalten also keine Bindungswirkung und lösen auch kein schutzwürdiges Vertrauen aus (vgl. [X.] aaO Rn.
79).
Zusagen der Staatsanwaltschaft zu Einstellungen in anderen Verfahren nach §
154 StPO anlässlich einer Verständigung sind aber nicht etwa verboten (vgl. näher [X.], [X.], 433, 435 f.; [X.], [X.] 2013, 201, 204). In der Gesetzesbegründung zu § 257c StPO, der bei der Auslegung der [X.] besondere Bedeutung zukommt (vgl. [X.] aaO, [X.]E 133,

s-geschlossen ist aber, dass die Staatsanwaltschaft Zusagen im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse zur Sachbehandlung in anderen, bei ihr anhängigen Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten, wie z.B. eine Einstellung nach §
154 StPO, abgibt. Solche Zusagen können aber naturgemäß nicht an der Bindungswirkung teilnehmen, die eine zustande gekommene Verständigung [X.]. 16/12310 S. 13).
5
6
-
4
-
Zulässig ist deshalb, dass die Staatsanwaltschaft anlässlich einer Ver-ständigung nach §
257c StPO ankündigt, andere bei ihr anhängige Ermittlungs-verfahren nach §
154 Abs.
1 StPO im
Hinblick auf die zu erwartende [X.] einzustellen oder auf eine Einstellung bereits anhängiger Verfahren nach §
154 Abs. 2 StPO hinzuwirken, solange nicht der Eindruck erweckt wird, dass es sich dabei um einen von der Bindungswirkung der Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) erfassten Bestandteil handelt. Einem solchen Eindruck kann [X.] werden, indem der Vorsitzende den Angeklagten

wie hier [X.]

darüber belehrt, dass diese Ankündigung keine solche Bindungswir-kung entfaltet (vgl. [X.] aaO).
2. Die Revision rügt hingegen zu Recht, dass der Vorsitzende nicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO über sämtliche außerhalb der Hauptverhandlung ge-führten [X.] berichtet hat.
a) Schon die Mitteilung über das am 20. Oktober 2015
während unter-brochener Hauptverhandlung geführte Gespräch zwischen Gericht, Staatsan-waltschaft und Verteidigung ist defizitär. Denn mitzuteilen ist bei einem solchen, auf eine Verständigung abzielenden Gespräch außerhalb der Hauptverhand-lung der wesentliche Inhalt dieses Gesprächs. Hierzu gehört, welche Stand-punkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von wel-cher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist
([X.] aaO Rn. 85; Senat, Beschluss vom 13. Januar 2016

1 [X.] mwN). Diesen Anforderungen genügt die erfolgte Mitteilung nicht, weil sie sich neben dem Hinweis auf die Erörterung der Sach-
und Rechtslage auf die Wie-dergabe des [X.] hinsichtlich der Auffassungen von [X.] und Verteidigung beschränkt; wesentliche Gesprächsinhalte feh-len.
7
8
9
-
5
-
b)
Zu Recht rügt die Revision als Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO zudem, dass in öffentlicher Hauptverhandlung keine Mitteilung über die anschließenden Telefonate des Vorsitzenden mit der Verteidigerin und der Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Im Rahmen
dieser Gespräche hielt die Staatsan-waltschaft

abweichend vom zuvor geführten (mitgeteilten) [X.]

eine Freiheitsstrafe im Bereich unter vier Jahren für möglich; dem schloss sich das Gericht an. [X.] sind nach § 243 Abs. 4 StPO sämtliche auf eine Verständigung abzielende Gespräche, also auch solche, durch die an-fängliche [X.] inhaltlich später modifiziert werden.
c) Jedenfalls hinsichtlich der telefonisch geführten [X.]e kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß nicht ausschließen. Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein [X.] auf die-sem Verstoß beruht, wenn

wie hier

das wegen Verstoßes
gegen [X.]. Senat, Urteil vom 13. Februar 2014

1 [X.], [X.], 217 und
10
11
-
6
-
Beschluss vom 13. Januar 2016

1 [X.] mwN). Ein Fall, in dem aus-nahmsweise das Beruhen ausgeschlossen werden kann, liegt nicht vor.
Graf Cirener Radtke

[X.] Bär

Meta

1 StR 136/16

12.07.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2016, Az. 1 StR 136/16 (REWIS RS 2016, 8399)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8399

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 136/16 (Bundesgerichtshof)

Verständigung im Strafverfahren: Zulässiger Inhalt und Bindungswirkung der Verständigung


1 StR 630/15 (Bundesgerichtshof)


1 StR 579/14 (Bundesgerichtshof)


3 StR 216/16 (Bundesgerichtshof)


1 StR 422/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Umfang der Mitteilungspflicht bei Verständigungsgespräch außerhalb der Hauptverhandlung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 StR 136/16

2 BvR 2628/10

2 BvR 2883/10

3 StR 312/15

1 StR 423/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.