Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.10.2011, Az. 30 W (pat) 557/10

30. Senat | REWIS RS 2011, 2433

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "NETBOOM" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 059 269.1

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 13. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet ist

2

NETBOOM

3

für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38, 41, 42 und 45, nämlich für:

4

„mit Programmen versehene, maschinenlesbare Datenträger aller Art; Computerprogramme und Software aller Art; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Telekommunikation; [X.]dienste, nämlich Bereitstellen des Zugriffs auf Daten und Informationen im [X.]; Bereitstellen von interaktiven Kommunikationsdienstleistungen mittels [X.] oder [X.]; Kommunikationsdienstleistungen, nämlich Übertragung von elektronischen Daten und Dokumenten zwischen Nutzern von Computern; Ausbildung; Schulungen, insbesondere auf dem Gebiet von Computerprogrammen und Software sowie im Bereich von elektronischen Daten-, Kommunikations- und Netzwerkanschlüssen sowie das [X.]; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhard- und Software; Installieren von Computerprogrammen; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Vermietung von Websurfern [richtig wohl: Webservern] und Datenverarbeitungsgeräten; [X.]; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (Webhosting); Wartung, insbesondere Fernwartung von Computern und Software; Registrierung von Domainnamen zur Identifizierung von Nutzern eines globalen Computernetzwerks; Vergabe von Domains, Registrierung von Domains, Vermieten und Verleasen von Domains, Pflege von Domains; Beratungsleistung hinsichtlich der Domainnamen“.

5

Die Markenstelle für Klasse 9 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. September 2010 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen, weil dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle; in der Bedeutung von „[X.]aufschwung, [X.]hochkonjunktur“ liege eine leicht verständliche, [X.] gebildete, im Vordergrund stehende Sachaussage dahin vor bzw. weise die Anmeldung einen engen sachlichen Bezug dazu in dem Sinn auf, dass die Waren und Dienstleistungen dazu genutzt werden könnten, am [X.]boom teilzuhaben oder auf einen solchen vorbereitet zu sein; Voreintragungen mit dem [X.] „Boom“ seien nicht geeignet, ein Recht auf Eintragung zu begründen.

6

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Eine Begründung ist im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt. Im Verfahren vor dem Patentamt hat sie im [X.] an den Beanstandungsbescheid das angemeldete Zeichen für schutzfähig erachtet, weil es an einem engen beschreibenden Bezug zu den Waren und Dienstleistungen fehle; sie hat ferner auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil „Boom“ verwiesen.

7

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

8

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Produkte und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; [X.] GRUR 2008, 608 ff.  Rn. 66, 67  [X.]; [X.], 229  Rn. 27 ff.  BioID; GRUR 2004, 674  Rn. 34  [X.]; [X.], 935  Rn. 8  [X.]; [X.], 825, 826  Rn. 13  [X.]; [X.], 952  Rn. 9  [X.]; [X.], 850, 854  Rn. 18  [X.]; [X.], 417, 418  [X.]; [X.], 257  Bürogebäude; [X.], 1050  [X.]; [X.], 1153, 1154  anti [X.]). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der [X.] als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.]/Hacker, [X.], 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 [X.]; vgl. z. B. [X.] [X.], 411, 413  Rn. 24  Matratzen Concord/Hukla).

Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als [X.] versteht ([X.], 1151, 1152  marktfrisch; [X.], 417, 418  [X.]). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen hergestellt wird ([X.], 1504, 1506  Rn. 23  [X.]!; [X.], 949, 951  Rn. 20  My World; [X.], 411  Rn. 9  [X.]; [X.], 850, 854  Rn. 19  [X.]).

NETBOOM für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

net“ als Kurzform des Wortes „[X.]“ (von englisch „interconnected network“) verwendet und ist so in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen (vgl. [X.], Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage, 2011, Seite 1252 sowie die bereits von der Markenstelle genannten Nachweise). Wie allgemein bekannt, ist das [X.] ein weltweiter Verbund von Computersystemen, in dem Daten ausgetauscht, Informationen jeder Art verbreitet und verschiedene Dienste angeboten werden (vgl. [X.], Deutsches Universalwörterbuch a. a. O., Seite 926). Das [X.] hat sich in vielen Lebensbereichen, insbesondere in der Wirtschaftswelt, für das Angebot von Waren und Dienstleistungen etabliert. Der Zugang erfordert in technischer Hinsicht den Einsatz bestimmter Waren (Computer, Software) sowie die Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen, um beispielsweise ein Unternehmen mit seinen Angeboten zu präsentieren und entsprechende Geschäfte abzuwickeln (Domainregistrierung, Webseitenprogrammierung und -gestaltung).

Boom“ ist, wie die Markenstelle weiter zutreffend ausgeführt hat, auch im [X.] eine gebräuchliche Bezeichnung für eine Konjunkturphase im Sinn von „Hochkonjunktur, Wirtschaftsblüte, plötzlich gesteigertes Interesse für eine Sache, die dadurch sehr gefragt ist“ (vgl. [X.], Deutsches Universalwörterbuch a. a. O., Seite 338 sowie die von der Markenstelle dazu bereits angeführten Nachweise).

NETBOOM im Sinn von „[X.]boom“ ([X.]hochkonjunktur) bereitet dem angesprochenen Publikum somit keinerlei Schwierigkeiten. Der [X.]boom wird auf das Zusammenwirken von neuen Technologien, veränderter [X.]nutzung und neuen Angeboten und Geschäftsmodellen zurückgeführt. Die [X.]wirtschaft ist ein Bereich, der wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig großes Wachstum zu verzeichnen hat.

NETBOOM allenfalls die Vorstellung verbinden, dass die Waren und Dienstleistungen angeboten und erbracht werden, um Zugang zum [X.] und Nutzung des Netzes zu ermöglichen, um am dortigen Boom teilzuhaben und in der [X.]wirtschaft erfolgreich zu sein. Wie die Markenstelle bereits ausgeführt hat, bilden die beanspruchten Waren die technologischen und softwarespezifischen Voraussetzungen für die Nutzung elektronischer Netze; die beanspruchten Dienstleistungen können  teils schon nach der Fassung des [X.]  auf Nutzung und [X.]auftritt bezogen sein und die Teilhabe am [X.]boom ermöglichen.

Diese Bezeichnung wird deshalb in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als Sachhinweis bzw. als eine allgemeine Angabe mit beschreibendem Bezug verstanden, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis.

Die Schutzfähigkeit des Zeichens ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Anmelderin angeführten Voreintragungen, die ebenfalls mit dem Wort „Boom“ gebildet sind. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des Europäischen Gerichtshofes geht davon aus, dass die Schutzfähigkeit einer neu angemeldeten Marke bezogen auf den konkreten Einzelfall und ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen ist, die insoweit keinen Ermessensspielraum vorsehen; einer vorgängigen Amtspraxis kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu ([X.], 1093, 1095, Nr. 18  [X.]; [X.] [X.] 2009, 478, 484, Rn. 57  [X.], jeweils [X.]; [X.] 2011, 230,  Rn. 10, 12  [X.]).

Die Marke kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.

Meta

30 W (pat) 557/10

13.10.2011

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.10.2011, Az. 30 W (pat) 557/10 (REWIS RS 2011, 2433)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2433

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 W (pat) 46/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "rheuma-online.de" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


30 W (pat) 14/15 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Sorgenfreiheit inklusive" – keine Unterscheidungskraft


30 W (pat) 521/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "PHARMA-MALL" – Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


30 W (pat) 518/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "CARDIOLOGICUM HAMBURG (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


30 W (pat) 512/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "MICROMASTER" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis -


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.