Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2002, Az. I-6 U 154/00

6. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 3917

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Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Mai 2000 verkündete Teilaner-kenntnis- und Schlussurteil der 14a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 57.883,32 EUR nebst 4 % Zin-sen aus 15.338,76 EUR vom 25. Januar 1996 bis zum 3. April 1996 und aus 26.075,89 EUR seit dem 4. April 1996 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Entscheidungsgründe

T a t b e s t a n d

Der Kläger war früher als Unternehmer im Bereich der Bergbauzulieferung tätig. Nachdem er sein Unternehmen veräußert hatte, schloss er etwa Anfang 1995 einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der Z. GmbH. Diese wickelte die ihr erteilten Aufträge u. a. über die Beklagte ab und hatte mit dieser eine Vereinbarung über Provisionsvergütungen für Wertpapier- und DTB-Geschäfte ihrer Kunden getroffen, die die Beklagte am 13. Oktober 1994 schriftlich bestätigte. Danach erhielt die Z. GmbH eine nach der Art der Geschäfte gestaffelte Beteiligung an den von den Kunden gezahlten Provisionen, die sich bei Rentengeschäften auf 5 %, bei Aktiengeschäften auf 10 % und bei Optionsgeschäften auf 15 % des Provisionsbetrages belief. Für DAX- und Rentenfuturegeschäfte bekam die Z. GmbH 15,00 DM je gehandelten Kontrakt. Die entsprechenden Provisionsanteile wurden quartalsmäßig abgerechnet und einem Konto der Gesellschaft bei der Beklagten gutgeschrieben.

Am 14. Februar 1995 eröffnete der Kläger auf Empfehlung der Z. GmbH bei der Beklagten ein Kontokorrentkonto, ein Variation-Margin-Konto und ein Depot. Er unterzeichnete eine Rahmenvereinbarung über die Abwicklung von Börsentermingeschäften, eine Vereinbarung über die Bestellung von Sicherheiten für Börsentermingeschäfte und das Formblatt "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" und wurde ergänzend von einem Mitarbeiter der Beklagten auf die Risiken solcher Geschäfte und die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen. Am 2. März 1995 zahlte er 300.000,00 DM und am 5. September 1995 weitere 50.000,00 DM auf das Kontokorrentkonto ein. Darüber hinaus überwies die Z. GmbH am 25. Januar 1996 30.000,00 DM und am 4. April 1996 weitere 21.000,00 DM. Sämtliche Beträge setzte sie in Vollmacht des Klägers u. a. für DAX-Futuregeschäfte an der Deutschen Terminbörse in Frankfurt am Main (DTB) ein. Nachdem diese Geschäfte zu hohen Verlusten geführt hatten, beendete der Kläger sein Engagement. Am 4. März 1997 wurde ihm das verbliebene Guthaben von 3.899,78 DM ausgezahlt.

Mit der Klage nimmt der Kläger, der mit Anwaltsschreiben vom 16. Dezember 1998 und 25. Januar 1999 sämtliche gegenüber der Z. GmbH und der Beklagten abgegebenen Willenserklärungen, Verfügungen und Realakte wegen arglistiger Täuschung angefochten und widerrufen hat, die Beklagte auf Erstattung seiner Verluste nebst entgangenen Anlagezinsen in Anspruch. Er hat vorgetragen, er sei mit risikobehafteten Geldanlagen nicht vertraut gewesen und hierüber weder von der Z. GmbH noch von der Beklagten, die diese Aufgabe durch eine Absprache mit dieser Gesellschaft übernommen gehabt habe, hinreichend aufgeklärt worden. Aufgrund des Vermögensverwaltungsvertrages, der als Gegenleistung für die Dienste der Z. GmbH eine halbjährliche Verwaltungsgebühr von 0,2 % des Nettodepotwertes und eine ebenfalls halbjährliche Gewinnbeteiligung von 15 % des den bisherigen Höchststand übersteigenden Nettowertzuwachses vorgesehen habe, habe er angenommen, dass seine Vertragspartnerin nur bei einer positiven Entwicklung seines Depots eine nennenswerte Vergütung erhalte und die Vermögensverwaltung deshalb in seinem Interesse betreiben werde. Tatsächlich habe sie wegen der Gebührenteilungsvereinbarung gerade von den Geschäftsvorfällen profitiert, die zu seinen Verlusten geführt hätten. Die Kenntnis dieser Vereinbarung habe die Beklagte ihm und den anderen Kunden der Z. GmbH in Absprache mit dieser bewusst vorenthalten. Bei Offenlegung des durch die Abrede begründeten Interessengegensatzes wäre er die Geschäftsbeziehung zur Z. GmbH und folglich auch zur Beklagten nicht eingegangen.

Aufgrund des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten und der Z. GmbH seien alle mit diesen geschlossenen Vereinbarungen gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig, so dass die Beklagte die ursprünglichen Einlagen nebst gezogenen bzw. entgangenen Zinserträgen, Ausschüttungen etc. herauszugeben oder zu ersetzen habe. Darüber hinaus hafte sie aufgrund der pflichtwidrigen Gebührenteilungsvereinbarung und wegen der unterbliebenen bzw. unzureichenden Aufklärung über diese Abrede und die Risiken der durchgeführten Geschäfte in gleicher Höhe aus culpa in contrahendo und unerlaubter Handlung. Schließlich habe die Rückwirkung der erklärten Anfechtung zur Folge, dass die Z. GmbH bei der Abwicklung der Geschäfte als Vertreterin ohne Vertretungsmacht und damit auch die Beklagte unautorisiert gehandelt hätten und die ihr gegenüber herbeigeführte Börsentermingeschäftsfähigkeit von Anfang an entfallen sei. Die verlustreichen Anlagegeschäfte könnten ihm - dem Kläger - deshalb nicht entgegengehalten werden. Der Anspruch umfasse neben seinen eigenen Einzahlungen auch die Überweisungen der Z. GmbH, die für ihn und nicht zur Entlastung der Beklagten bestimmt gewesen seien. Darüber hinaus seien gemäß §§ 252, 849 BGB die geltend gemachten Zinsen zu erstatten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 397.100,22 DM nebst 4 % Zinsen p. a. aus 300.000,00 DM seit dem 2. März 1995, aus 50.000,00 DM seit dem 5. September 1995, aus 30.000,00 DM seit dem 25. Januar 1996, aus 21.000,00 DM seit dem 4. April 1996 bis jeweils zum 4. März 1997 und aus 397.100,22 DM ab dem 5. März 1997 zu bezahlen.

Die Beklagte hat die Forderungen des Klägers in Höhe von 4.712,22 DM anerkannt und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe bei dem Informations- und Beratungsgespräch zu Beginn der Kundenbeziehung klare Vorstellungen von den beabsichtigten Geschäften gezeigt und auf umfangreiche Erfahrungen mit Börsenspekulationen verwiesen. Sie sei deshalb nicht zu einer Anlageberatung verpflichtet gewesen, zumal er von der Z. GmbH als externer Vermögensverwalterin betreut worden sei. Gleichwohl habe sie ihm durch einen Mitarbeiter die "Basisinformation über Börsentermingeschäfte" ausgehändigt und ihn - wie bereits die Z. GmbH - nochmals eingehend über die Verlustrisiken bis hin zum Totalverlust aufgeklärt. Damit habe sie einer etwaigen allgemeinen Aufklärungspflicht genügt. Einer Aufklärung über die damals nicht unübliche Provisionsvereinbarung mit der Z. GmbH habe es nicht bedurft, weil der Kläger die Provisionssätze gekannt und gebilligt habe und es für ihn ohne Bedeutung gewesen sei, dass sie die Z. GmbH an diesen Einnahmen beteiligt habe. Im Übrigen hätten sich die Provisionsrückvergütungen in seinem Fall nur auf 4.712,22 DM belaufen und die Anlagestrategie der Z. GmbH nicht beeinflusst. Der Kläger hätte deshalb auch in Kenntnis der Gebührenteilungsvereinbarung mit der Gesellschaft zusammengearbeitet und die Börsentermingeschäfte durchgeführt, um die damit verbundenen Gewinnchancen zu nutzen.

Bei dieser Sachlage sei eine etwa pflichtwidrig unterbliebene, gegebenenfalls von der Z. GmbH geschuldete Aufklärung über die Provisionsabrede weder für den geltend gemachten Schaden ursächlich noch habe sich das aufklärungspflichtige Risiko in ihm verwirklicht. Der Vermögensverlust sei vielmehr allein durch die falsche Anlagestrategie der Z. GmbH entstanden, so dass es auch am erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehle. Allenfalls hätte der Kläger in Kenntnis der Provisionsabrede auf einer Auskehrung der Rückvergütungen an ihn bestanden. Im Hinblick darauf hat die Beklagte die Klageforderung in Höhe von 4.712,22 DM anerkannt. Weiter gehende Ansprüche stünden dem Kläger dagegen nicht zu. Insbesondere könne er für die Beträge von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM, die ihm die Z. GmbH als Verlustausgleich gezahlt habe, keinen Ersatz verlangen.

Das Landgericht hat die Beklagte durch das angefochtene Teilanerkenntnis- und Schlussurteil unter Abweisung der weiter gehenden Klage verurteilt, an den Kläger 346.100,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. September 1999 zu zahlen. Es hat ausgeführt, die Provisionsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Z. GmbH habe aufgrund der nach dem Grad des Risikos gestaffelten Provisionssätze zu einem Konflikt zwischen dem Interesse des Klägers an einer sachgerechten und gewinnorientierten Vermögensanlage und dem Interesse der Z. GmbH an den vereinbarten Rückvergütungen führen können. Hierauf habe die Beklagte pflichtwidrig nicht hingewiesen. Nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei davon auszugehen, dass der Kläger der Z. GmbH bei ordnungsgemäßer Unterrichtung die Verwaltung seines Vermögens nicht übertragen und die durch die Börsentermingeschäfte entstandenen Verluste nicht erlitten hätte. Der daraus resultierende Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo erstrecke sich allerdings nur auf die eigenen Einlagen des Klägers in Höhe von 350.000,00 DM abzüglich des zurückgezahlten Restguthabens von 3.899,78 DM. Die von der Z. GmbH überwiesenen Beträge von insgesamt 51.000,00 DM seien dagegen nicht zu ersetzen, weil sie dem Kläger ohne Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages und Durchführung der Spekulationsgeschäfte nicht zugeflossen wären. Der Zinsanspruch sei erst ab Rechtshängigkeit begründet. Einen früheren Anspruch habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger die im ersten Rechtszug abgewiesenen Teilforderungen weiter. Er trägt vor, die Z. GmbH habe ihn mit dem Versprechen, etwaige Kursverluste auszugleichen, veranlasst, in einem anderen Depot verwaltete Aktien entgegen seiner ursprünglichen Absicht weiter zu halten. Da sich die Kurse tatsächlich negativ entwickelt hätten, habe sie die Verluste durch die Zahlungen von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM erstattet und diese Beträge auf seine Anweisung unmittelbar auf das bei der Beklagten geführte Kontokorrentkonto überwiesen. Es handele sich mithin um ihm zustehende, von den Verlusten aus den Börsentermingeschäften unabhängige Vermögenswerte, die die Beklagte nicht entlasten könnten. Der Zinsanspruch für die Zeit bis zum 17. September 1999, der sich kapitalisiert auf 62.209,94 DM belaufe, ergebe sich u. a. aus §§ 826, 849 BGB und aus § 288 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte vorsätzlich die Provisionsvereinbarung verschwiegen habe und sie zudem mangels Bereitschaft zur Ersatzleistung ohne Mahnung mit dem Eingang der jeweiligen Teilbeträge in Verzug geraten sei. Im Übrigen sei die Zinsforderung auch als erstrangiger Teilbetrag des entgangenen Anlagezinses bei einer anderweitigen Geldanlage gerechtfertigt. Ergänzend wiederholt der Kläger seinen Vortrag des ersten Rechtszuges.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn weitere 113.209,94 DM nebst 4 % Zinsen aus 30.000,00 DM seit dem 25. Januar 1996 und aus 21.000,00 DM seit dem 4. April 1996 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen und verbleibt dabei, dass die Z. GmbH die Zahlungen von insgesamt 51.000,00 DM wie auch bei anderen Kunden als Verlustausgleich für die Börsentermingeschäfte geleistet habe. Da die Beträge dem Kläger ohne die Verluste nicht zugeflossen wären, seien sie bei der Schadensberechnung nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen tritt die Beklagte den Zinsforderungen des Klägers entgegen.

Der Senat hat den Zeugen Z. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. Januar 2002 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge und die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den nachfolgenden Entscheidungsgründen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist dem Kläger aus culpa in contrahendo auch zum Ersatz der von der Z. GmbH auf sein Kontokorrentkonto geleisteten Zahlungen von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM, der mit 62.209,94 DM kapitalisierten entgangenen Anlagezinsen und der im Tenor bezeichneten fortlaufenden Zinsen verpflichtet.

1.

Die Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über die Provisionsvereinbarung mit der Z. GmbH zu unterrichten. Durch diese Vereinbarung setzte sie für die Z. GmbH einen Anreiz, sowohl bei der Auswahl der Bankverbindung als auch hinsichtlich Anzahl und Umfang der für die Kunden abzuwickelnden Geschäfte nicht allein deren Interessen, sondern auch das eigene Interesse an möglichst hohen Vergütungen zu berücksichtigen. Über diese von ihr geschaffene Gefährdung der Kundeninteressen hätte die Beklagte den Kläger noch vor Vertragsabschluss aufklären müssen. Da sie dies schuldhaft versäumte, kann der Kläger sie unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo auf Ersatz der Schäden in Anspruch nehmen, die er infolge der unterbliebenen Aufklärung erlitten hat (vgl. BGH ZIP 2001, 230, 231).

Dieser Ersatzanspruch erstreckt sich auf sämtliche Nachteile, die dem Kläger daraus erwachsen sind, dass er an dem Vermögensverwaltungsvertrag mit der Z. GmbH festgehalten und auf deren Empfehlung über die Beklagte Börsentermingeschäfte abgewickelt hat. Die Pflicht zur Aufklärung über die Provisionsbeteiligungsvereinbarung hatte nicht nur den Zweck, den Kläger in die Lage zu versetzen, geeignete Schritte hinsichtlich der rückvergüteten Provisionsanteile zu unternehmen und der Gefahr der Spesenreiterei entgegenzuwirken. Ihr kam vielmehr auch die Funktion zu, ihm wichtige Informationen über die Vertrauenswürdigkeit seiner Geschäftspartner zu vermitteln. Unter diesem Gesichtspunkt war es von entscheidender Bedeutung, dass die Z. GmbH sich hinter dem Rücken des Klägers von der Beklagten eine Beteiligung an deren Provisionen hatte versprechen lassen. Ein solches Verhalten enthält eine schwerwiegende Treuwidrigkeit und lässt die Grundlage für das im besonders sensiblen Bereich der Vermögensverwaltung unabdingbare Vertrauen in die Seriosität des Verwalters entfallen (vgl. BGH ZIP 2001, 230, 231 f.). Als Reaktion auf diesen Vertrauensbruch kam bei verständiger Beurteilung nur die Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages in Betracht. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. Plandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 282 BGB Rdnr. 15 m.w.N.) spricht deshalb dafür, dass auch der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Provisionsvereinbarung eine weitere Zusammenarbeit mit der Z. GmbH abgelehnt hätte. Die aus dieser Geschäftsbeziehung entstandenen Schäden sind deshalb durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursacht worden und zugleich vom Schutzzweck der unterlassenen Aufklärung gedeckt.

Gegen diese Würdigung hat die Beklagte im zweiten Rechtszug keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Sie hat weder ihre vom Landgericht zu Recht als substanzlos gekennzeichneten Zweifel an der Unkenntnis des Klägers von der Provisionsabrede konkretisiert noch schlüssig dargetan, dass er auch bei pflichtgemäßer Aufklärung am Vermögensverwaltungsvertrag festgehalten und die Empfehlungen der Z. GmbH befolgt oder dass er die verlustreichen Börsentermingeschäfte mit gleichem Ergebnis anderweitig durchgeführt hätte. Die erstinstanzlich zutreffend festgestellte Schadensersatzpflicht der Beklagten steht damit letztlich außer Streit.

2.

Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die von der Z. GmbH überwiesenen Beträge von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM und auf die mit der Berufung geltend gemachten Zinsen.

a)

Der Zeuge Z. hat bestätigt, dass die zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelte - frühere - Z. GmbH (im Folgenden weiterhin als solche bezeichnet) ein weiteres Depot des Klägers beim Bankhaus B. verwaltet und der Kläger sich ungehalten über die Kursverluste der dort auf Empfehlung der Z. GmbH geführten Aktien-Nebenwerte gezeigt habe. Um ihn zu veranlassen, die Aktien nicht sofort zu veräußern, habe er - der Zeuge - für die Z. GmbH am 6. November 1995 zugesichert, etwaige weitere Kursverluste zu übernehmen. In der Folge hätten sich die Kurse tatsächlich negativ entwickelt. So sei es etwa ab Dezember 1995/Januar 1996 zu erheblichen Einbrüchen bei den Aktien der Norddeutschen Steingutfabrik gekommen. Die Verluste, die sich für das gesamte Depot auf etwa 100.000,00 DM summiert hätten, seien von der Z. GmbH deshalb vereinbarungsgemäß durch die beiden Überweisungen von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM und im Übrigen durch Wertpapierlieferungen kompensiert worden.

Diese Angaben erscheinen nachvollziehbar und überzeugend. Der Zeuge Z. hat sie durch Vorlage von Ablichtungen des gemeinsamen Bestätigungsschreibens des Klägers und des Kunden C. vom 17. November 1995 sowie eines Schreibens der Z. GmbH vom 19. Dezember 1995 hinsichtlich der Kursgarantie belegt. An der Authentizität dieser Schreiben, die die Beklagte nicht angegriffen hat, bestehen keine begründeten Zweifel. Die Übernahme der Kursgarantie durch die Z. GmbH erscheint zudem plausibel. Wie dem Senat aus Parallelverfahren bekannt ist, hatte die Gesellschaft dieselben Nebenwerte kleiner Aktiengesellschaften auch anderen Kunden empfohlen und für diese erworben. Die Veräußerung größerer Aktienpakete hätte die ohnehin rückläufigen Kurse zusätzlich belastet und die Z. GmbH weiteren Vorwürfen ihrer Kunden ausgesetzt. In dieser Situation entschloss sie sich ersichtlich, zur Entlastung der Kursentwicklung gegenüber verkaufswilligen Anlegern das Verlustrisiko zu übernehmen. Schließlich wird die Überzeugungskraft der Aussage auch nicht durch den früheren substanzlosen und zum Teil zumindest missverständlichen Vortrag des Klägers erschüttert. Dass er den vom Zeugen bestätigten eindeutigen und jedenfalls in den Grundzügen urkundlich belegbaren Sachverhalt nicht sofort in den Rechtsstreit einführte, mag auf einer gewissen Nachlässigkeit, fehlendem Überblick über seine umfangreichen Anlageaktivitäten und dem Vertrauen auf die Beweislast der Beklagten beruhen. Begründete Zweifel an der in sich schlüssigen, detaillierten und überzeugenden Aussage des Zeugen Z. lassen sich daraus nicht herleiten.

Die Überweisungen von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM dienten danach dem Ausgleich anderweitiger Verluste, die der Kläger durch die Tätigkeit der Z. GmbH erlitten hatte. Hätte er die Geschäftsbeziehung zu dieser Gesellschaft aufgrund pflichtgemäßer Aufklärung durch die Beklagte beendet, wäre es zwar nicht zu den Ausgleichszahlungen, allerdings auch nicht zu den dadurch abgedeckten Verlusten gekommen. Die Zahlungen stehen damit in keinem Zusammenhang mit den Verlusten aus den Börsentermingeschäften. Es handelt sich vielmehr um zusätzliche Vermögenswerte des Klägers, die nur zur Abkürzung des Überweisungsweges unmittelbar auf das bei der Beklagten geführte Kontokorrentkonto geleitet wurden und von dem zu ersetzenden negativen Interesse umfasst sind.

b)

Darüber hinaus kann der Kläger die geltend gemachten Zinsen als entgangene Anlageerträge verlangen.

Wird ein Kapitalanleger durch schuldhaft fehlerhafte oder unterlassene Aufklärung zu einer nachteiligen Anlageentscheidung bewogen, ist ihm nicht nur seine Einlage, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass Eigenkapital in beträchtlicher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt bleibt (vgl. BGH NJW 1992, 1223, 1224). Der entgangene Anlagegewinn (§ 252 BGB) stellt eine selbständige Schadensposition dar und ist unmittelbar aus der den Gesamtanspruch tragenden Anspruchsgrundlage, vorliegend aus culpa in contrahendo, zu ersetzen. Seine Höhe richtet sich nach dem im maßgeblichen Zeitraum allgemein üblichen Zinssatz, zu dem das Kapital nach der Lebenserfahrung angelegt worden wäre (vgl. BGH WM 1974, 128, 129; WM 1980, 85; NJW 1992, 1223, 1224).

Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Einzahlungen von 300.000,00 DM und 50.000,00 DM wie auch die von der Z. GmbH als Ausgleich für die Kursverluste bei den Aktien-Nebenwerten erstatteten Beträge von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM seit dem jeweiligen Einzahlungszeitpunkt anderweitig Gewinn bringend angelegt hätte, wenn er aufgrund pflichtgemäßer Aufklärung die Geschäftsbeziehung zur Z. GmbH beendet hätte und es demgemäß nicht auf deren Empfehlung zu den Börsentermingeschäften gekommen wäre. Insbesondere bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er die entsprechenden Mittel auf anderem Wege in risikobehaftete Spekulationsgeschäfte investiert und dabei ebenfalls Verluste erwirtschaftet hätte. Einer solchen Annahme steht bereits der Inhalt des von ihm und Herrn C. unterzeichneten Schreibens an die Z. GmbH vom 17. November 1995 entgegen, mit dem er eine Wiederanlage der Veräußerungserlöse in Aktien und Renten von Emittenten einwandfreier Bonität und zum kleineren Teil in Wertpapiere der mittleren Risikostufe verlangte. Die Spekulationsgeschäfte waren demgegenüber von seinem Vertrauen in die Z. GmbH, das durch eine sachgerechte Aufklärung entscheidend erschüttert worden wäre, getragen und sind damit ebenso wie die angeblich in allgemeiner Form behaupteten Erfahrungen mit Börsenspekulationen nicht geeignet, die Vermutung einer Gewinn bringenden Anlage zu einem üblichen Zinssatz auszuräumen. Den zu ersetzenden Zinsverlust schätzt der Senat unter Berücksichtigung des allgemeinen Zinsniveaus und der üblichen Renditen am Aktienmarkt für den hier maßgeblichen Zeitraum von März 1995 bis September 1999 auf durchschnittlich mindestens 4 % (§ 287 Abs. 1 ZPO), so dass der vom Kläger begehrte Zinssatz abgedeckt ist. Der Zinsschaden vom jeweiligen Einzahlungszeitpunkt bis zum 17. September 1999 errechnet sich danach unter Berücksichtigung der Rückzahlung vom 4. März 1997 in Höhe von 3.899,78 DM wie folgt:

4 % Zinsen aus 300.000,00 DM vom 2. März 1995 bis zum 4. März 1997 24.100,00 DM
4 % Zinsen aus 50.000,00 DM vom 5. September 1995 bis zum 4. März 1997 3.000,00 DM
4 % Zinsen aus 346.100,22 DM (300.000,00 DM + 50.000,00 DM ./. 3.899,78 DM) vom 5. März 1997 bis zum 17. September 1999 35.109,94 DM
62.209,94 DM

Die Zinsen aus dem Betrag von 346.100,22 DM für die Zeit seit dem 18. September 1999 sind bereits im angefochtenen Urteil tituliert. Für die Beträge von 30.000,00 DM (= 15.338,76 EUR) und 21.000,00 DM (= 10.737,13 EUR), insgesamt von 51.000,00 DM (= 26.075,89 EUR), hat der Kläger sie als Nebenforderungen geltend gemacht. Insoweit stehen sie ihm ebenfalls als entgangene Anlageerträge aus culpa in contrahendo bzw. - seit dem 18. September 1999 - schon als Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.) zu und sind im Tenor gesondert ausgewiesen.

c)

Insgesamt kann der Kläger danach weitere 113.209,94 DM (51.000,00 DM + 62.209,94 DM) und die als Nebenforderung beanspruchten Zinsen verlangen, so dass sich seine Berufung in vollem Umfang als begründet erweist. Die genannte Summe entspricht dem im Tenor bezeichneten Betrag von 57.883,32 EUR.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug und die Beschwer der Beklagten werden auf 57.883,32 EUR (= 113.209,94 DM) festgesetzt.

Meta

I-6 U 154/00

21.03.2002

Oberlandesgericht Düsseldorf 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2002, Az. I-6 U 154/00 (REWIS RS 2002, 3917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 3917

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