Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. 9 C 12/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 402

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Gegenstand

Eigene beitragsfähige Aufwendungen der Gemeinde dürfen nicht auf vertraglicher Grundlage als Folgekosten abgewälzt werden


Leitsatz

1. Für die Wirksamkeit eines von abgabenrechtlichen Vorschriften abweichenden Vertrages bedarf es einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.

2. Der Erschließungsvertrag (§ 124 BauGB) ist eine besondere Form des städtebaulichen Vertrages (§ 11 BauGB). Neben dem Beitrag und dem Erschließungsvertrag eröffnet die Regelung über den Folgekostenvertrag in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB der Gemeinde keinen dritten Weg zur Refinanzierung beitragsfähiger Erschließungskosten (im Anschluss an Urteil vom 1. Dezember 2010 - BVerwG 9 C 8.09 -).

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Beteiligung an den Kosten einer Erschließungsmaßnahme.

2

Mit [X.] vom 20. Dezember 1999 übertrug die Klägerin die Erschließung einschließlich der Herstellung der Schmutzwasserkanalisation in drei Neubaugebieten (Bebauungspläne Nr. 77, 78 und 80) auf die damaligen Eigentümer der Grundstücksflächen. Am selben Tag schlossen die Vertragsparteien städtebauliche Folgekostenverträge über die Finanzierung eines für die geplante Bebauung notwendigen [X.], der außerhalb der Plangebiete durch den [X.] zur Kläranlage verlaufen sollte. Die Vertragspartner der Klägerin verpflichteten sich, insgesamt 78 % der dafür erforderlichen Planungs- und Baukosten zu übernehmen. Die restlichen 22 % entfielen auf die Eigentümer von Grundstücken in zwei anderen Neubaugebieten; sie sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

3

Nachdem die Beklagte die Grundstücke im Gebiet der eingangs genannten Bebauungspläne von den [X.] erworben hatte, schloss sie mit der Klägerin am 18. Oktober 2004 einen städtebaulichen Vertrag, mit dem sie hinsichtlich der Kostenbeteiligung am [X.] in die Zahlungsverpflichtung aus den mit den [X.] geschlossenen [X.] eintrat. Die Vertragsparteien gingen davon aus, dass es sich - bei geschätzten Gesamtkosten von rund 200 000 € - um einen Betrag von ca. 160 000 € handele. Eventuell vom Investor zu zahlende [X.] sollten auf die Kostenbeteiligung angerechnet werden.

4

In der Folgezeit kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über Grund und Höhe der von der Beklagten geschuldeten Kostenbeteiligung. Am 9. Oktober 2008 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Zahlungsklage erhoben. Nach Fertigstellung des [X.] und eines zugehörigen Pumpwerkes hat sie die Klageforderung auf 184 466,93 €, das sind 78 % des ihr entstandenen [X.], nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit beziffert.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat ihr stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs sei der zwischen den Beteiligten geschlossene [X.] (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB), gegen dessen Wirksamkeit keine Bedenken bestünden. Es könne offen bleiben, ob die Erhebung von [X.] durch einen städtebaulichen Vertrag ersetzt werden könne; denn die Beitragserhebung bleibe von den vertraglichen Vereinbarungen unberührt. Unbeschadet des Rechts und der Pflicht der Klägerin, [X.] festzusetzen, hätten die Beteiligten wirksam vereinbaren können, dass die Beklagte - unter Anrechnung anfallender [X.] - den strittigen Teil des [X.] für den [X.] trage. Der [X.] ergänze die mit den [X.] geschlossenen Erschließungsverträge. Vertragspartnerin sei die Beklagte nicht in ihrer Eigenschaft als Beitragspflichtige, sondern als an der Erschließung interessierte Bauwillige. Ebenso wie im Rahmen eines Erschließungsvertrages eine über die [X.] hinausgehende Belastung der zu erschließenden Grundstücke möglich sei, könne durch städtebaulichen Vertrag die Verpflichtung zur Übernahme zusätzlicher Lasten übernommen werden, die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens seien. An der erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen den Aufwendungen und der städtebaulichen Maßnahme fehle es so wenig wie an der Angemessenheit der vereinbarten Leistung.

6

Die Beklagte führt zur Begründung der - vom Senat zugelassenen - Revision aus: Der zwischen den Beteiligten geschlossene Vertrag sei unwirksam. Denn nach der unterschiedlichen Systematik des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB einerseits und des § 124 BauGB andererseits wie auch nach dem Willen des Gesetzgebers und dem bundesstaatlichen Kompetenzgefüge dürften Aufwendungen für außerhalb eines Erschließungsgebietes gelegene leitungsgebundene Anlagen nicht zum Gegenstand eines städtebaulichen [X.]es gemacht werden. Folgekosten als Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages könnten nur solche Aufwendungen sein, die den Gemeinden jenseits der beitragsfähigen Erschließung als Folge neuer Ansiedlungen für Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs entständen. Das [X.] und der Gleichheitsgrundsatz geböten, das Abgabenrecht einer strikten Gesetzesbindung zu unterwerfen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2011 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 21. April 2010 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angegriffene Urteil des [X.].

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hätte die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] zurückweisen müssen.

1. Ohne Verstoß gegen [X.]recht ist allerdings das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für den wirksamen Abschluss des [X.] vom 18. Oktober 2004 eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich war. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass öffentliche Abgaben grundsätzlich nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden dürfen. Diese strikte Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 [X.]) schließt aus, dass [X.] und Abgabenschuldner von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen treffen, sofern nicht das Gesetz dies gestattet. Der Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen erfolgen darf, ist für den Rechtsstaat so fundamental, dass seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist, welches die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hat (Urteile vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <363 f.> und vom 30. Mai 2012 - BVerwG 9 C 5.11 - juris Rn. 33).

Nach diesen Grundsätzen bedarf es einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung auch für die Wirksamkeit des hier umstrittenen [X.]. Dem Vertrag zufolge hat die Beklagte 78 % der Planungs- und Baukosten für den Düker zu tragen. Da die Beiträge für die Entwässerungseinrichtung der Klägerin "global" kalkuliert werden (vgl. [X.], in: [X.]/Arndt, [X.], § 8 Rn. 439 f., 513 f.), sind die der Klägerin entstandenen Aufwendungen zwar, wie vom Oberverwaltungsgericht ausgeführt, für sich genommen nicht beitragsfähig; sie haben aber in die fortzuschreibende Kalkulation des [X.] für die Herstellung der Einrichtung einzufließen. Dementsprechend sind "eventuell vom Investor zu zahlende [X.]" laut Vertrag auf die Kostenbeteiligung anzurechnen. Nach der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht, die - vorbehaltlich hier nicht ersichtlicher Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder gesetzliche Auslegungsregeln - das Revisionsgericht bindet (vgl. Urteil vom 30. Mai 2012 a.a.[X.] Rn. 30 m.w.N.), stellt der Vertrag einen selbständigen, von den normativen Voraussetzungen und Beschränkungen des [X.] unabhängigen Rechtsgrund für den Ersatz der der Klägerin durch den Dükerbau entstandenen Aufwendungen dar. Das zeigt sich nicht nur daran, dass der vertragliche Aufwendungsersatz nach der Auslegung des [X.] die "Übernahme weiterer Lasten" einschließt, also dem Umfang nach über den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststehenden Beitrag gegebenenfalls hinausgehen soll. Die Inkongruenz des Vertrages mit dem gesetzlichen und satzungsmäßigen Abgabenrecht wird vielmehr auch daran deutlich, dass die Kostenbeteiligung auch dann nicht entfällt, wenn die (lediglich) "eventuell" von der Beklagten zu zahlenden [X.] wegen zwischenzeitlich eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden können. Damit kompensiert der vertragliche Zahlungsanspruch - seine Wirksamkeit unterstellt - auch das Versäumnis der Klägerin, Beitragsbescheide in nicht verjährter Frist zu erlassen. Eine solche vertragliche Regelung ist im Sinne der oben erwähnten Rechtsprechung des [X.] eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarung zwischen [X.] und Abgabenschuldner, die eine gesetzliche Legitimation erfordert.

2. Im Einklang mit [X.]recht hat das Oberverwaltungsgericht § 124 [X.] nicht als Rechtsgrundlage für den [X.] gezogen. Gemäß § 124 Abs. 1 [X.] kann die [X.] die Erschließung durch Vertrag auf einen [X.] übertragen. Der Dritte kann sich nach § 124 Abs. 2 Satz 2 [X.] gegenüber der [X.] verpflichten, Erschließungskosten - unabhängig davon, ob die Erschließungsanlagen nach [X.]- oder Landesrecht beitragsfähig sind - ganz oder teilweise zu tragen. Die Konstellation des § 124 [X.] erfordert damit stets einen außerhalb der [X.] stehenden "dritten" Erschließungsunternehmer als Investor. Demgegenüber ermöglicht § 124 [X.] es der [X.] nicht, die Erschließung selbst durchzuführen und die Kosten ganz oder teilweise auf vertraglicher Grundlage umzulegen (Urteil vom 1. Dezember 2010 - BVerwG 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 Rn. 35 ff., 48 = [X.] 406.11 § 124 [X.] Nr. 10).

3. Die Annahme des [X.], die umstrittene vertragliche Regelung könne auf § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] gestützt werden, verletzt [X.]recht. Nach dieser Rechtsvorschrift kann Gegenstand eines [X.] u.a. die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der [X.] für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Darunter fallen die hier umstrittenen Aufwendungen nicht. Beitragsfähige Aufwendungen der [X.] sind keine Folgekosten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.]; das gilt auch dann, wenn sie - wie hier - der Schaffung leitungsgebundener Anlagen außerhalb eines [X.] dienen.

a) Der [X.] lässt offen, ob - mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenz des [X.] - schon die verfassungskonforme Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] es ausschließt, ihm die erforderliche Ermächtigungsgrundlage zum Abschluss eines Vertrages der hier vorliegenden Art zu entnehmen. In Betracht kommt insoweit nur die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das "Bodenrecht" (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 [X.]). Zu dieser Materie gehören solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, insbesondere das Städtebaurecht. Darin eingeschlossen ist das Erschließungsrecht, dessen Vollzug die Realisierung städtebaulicher Planungen überhaupt erst ermöglicht ([X.], Beschluss vom 8. November 1972 - 1 BvL 15/68 u.a. - [X.]E 34, 139 <144 f.>; Oeter, in: v. Mangoldt/[X.], [X.], 6. Auflage 2010, Art. 74 Rn. 129); ausgenommen von der Gesetzgebungszuständigkeit des [X.] für das Bodenrecht ist neben dem Kommunalabgabenrecht allerdings - seit 1994 - das Recht der Erschließungsbeiträge.

Der [X.] hat bereits entschieden, dass der [X.] trotz der die Erschließungsbeiträge erfassenden Kompetenzbeschränkung weiterhin befugt ist, unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Erschließungsrechts zu vertraglichen Regelungen über "Erschließungskosten" (§ 124 Abs. 2 [X.]) zu ermächtigen. Diese Gesetzgebungskompetenz besteht unabhängig davon, ob die den Gegenstand des Vertrages bildenden Erschließungsanlagen nach [X.]- oder Landesrecht beitragsfähig sind oder nicht (Urteil vom 10. August 2011 - BVerwG 9 [X.] - BVerwGE 140, 209 Rn. 21 f.). In Bezug auf die Erschließungskosten des § 124 Abs. 2 [X.] erlaubt das Gesetz die Überbürdung auch solcher Aufwendungen, die die [X.] im [X.] nicht hätte abrechnen können (Urteil vom 10. August 2011 a.a.[X.] Rn. 29). Dies mag dafür sprechen, dass der [X.]gesetzgeber auch im Zusammenhang mit einem [X.] die [X.]n ermächtigen kann, Kosten jenseits des beitragsfähigen Aufwandes, soweit sie Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind, vertraglich abzuwälzen. Auch unter dieser Prämisse ist aber fraglich, ob die Regelungskompetenz des [X.] eine Vertragsgestaltung abdeckt, die - im Falle einer nach Landesrecht beitragsfähigen Erschließungsanlage - den Beitragsanspruch nicht lediglich dadurch ergänzt, dass der durch den Beitrag nicht gedeckte Aufwand ("Kostenspitzen") vertraglich abgewälzt wird, sondern die - wie hier - einen vertraglichen Zahlungsanspruch neben den nach Landesrecht entstandenen Beitragsanspruch stellt. Indem der zwischen den Beteiligten geschlossene Vertrag der Klägerin ein Wahlrecht einräumt, anstelle der Beitragsfestsetzung den vertraglichen Zahlungsanspruch zu verfolgen, dürfte er das Sachgebiet des Bodenrechts verlassen und das Kommunalabgabenrecht berühren, welches der Gesetzgebungskompetenz des [X.] verschlossen ist.

b) Unabhängig davon, wie die kompetenzrechtliche Frage zu beantworten ist, führt aber die Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] jedenfalls unter entstehungsgeschichtlichen und systematischen Gesichtspunkten zu dem Ergebnis, dass eigene beitragsfähige Aufwendungen der [X.] nicht auf vertraglicher Grundlage als Folgekosten abgewälzt werden können. In diesem Sinne hat der [X.] entschieden, dass § 124 [X.] gegenüber § 11 [X.] die speziellere Norm ist (Urteil vom 1. Dezember 2010 a.a.[X.] Rn. 33 f.). Danach

"... ist der [X.] i.S.v. § 124 Abs. 1 [X.] eine besondere Form des [X.], und zwar auch gegenüber dem [X.] (...). Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs des Bau- und [X.] 1998 sollte mit § 11 [X.] die Vorgängerregelung des § 6 des [X.]- Maßnahmengesetzes lediglich redaktionell verkürzt, inhaltlich aber weitgehend unverändert übernommen werden (vgl. BTDrucks 13/6392 S. 50 l.Sp.); namentlich mit der Regelung des [X.] sollte lediglich eine von der Rechtsprechung seit langen Jahren gebilligte Vertragspraxis aufgegriffen werden (a.a.[X.] r.Sp.). Das Erschließungsbeitragsrecht und insbesondere das Verhältnis des [X.] zu § 124 [X.] wird dagegen in den Gesetzesmaterialien mit keinem Wort erwähnt. Hätte der Gesetzgeber das System des Erschließungsrechts durch § 11 [X.] aufweiten wollen, hätte es nahe gelegen, § 124 [X.] bei Erlass des Bau- und [X.] 1998 zu streichen oder in § 11 [X.] aufzunehmen. Da der Gesetzgeber dies nicht getan und auch im Übrigen sich nicht zum Verhältnis des § 11 zu § 124 [X.] geäußert hat, fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass er den [X.]n durch § 11 [X.] - neben dem Beitragsrecht (§§ 127 ff. [X.]) und dem [X.] (§ 124 Abs. 1 [X.]) - einen dritten Weg zur Finanzierung von Erschließungsmaßnahmen eröffnen wollte."

Daraus hat der [X.] geschlossen, dass es der [X.] verboten ist, die Erschließung selbst durchzuführen und die entstehenden beitragsfähigen Kosten sodann auf vertraglicher Grundlage auf die Grundstückseigentümer umzulegen. Sie muss dann vielmehr den Weg des Beitragsrechts gehen; der Weg der vertraglichen Refinanzierung ist nur einem [X.] nach Übertragung der Erschließung auf ihn eröffnet (Urteil vom 1. Dezember 2010 a.a.[X.] Rn. 48).

An diesen Überlegungen wird - auch unter Berücksichtigung abweichender Ansichten im Schrifttum ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 11 Rn. 160; Bank, in: [X.], [X.], § 11 Rn. 77; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Auflage 2009, § 11 Rn. 19 f.) - nach erneuter Überprüfung festgehalten. Sie gelten unabhängig davon, dass § 124 Abs. 2 [X.] den [X.] nur für Erschließungsanlagen in einem bestimmten Erschließungsgebiet vorsieht, während der vorliegende Fall Aufwendungen für leitungsgebundene Anlagen außerhalb des [X.] betrifft. Unter der Prämisse, dass § 124 [X.] die Möglichkeit einer vertraglichen Refinanzierung von Erschließungskosten abschließend regelt, kann die [X.] beitragsfähige Aufwendungen nur unter den dort genannten gesetzlichen Voraussetzungen, d.h. unter Einschaltung eines [X.] für Erschließungsanlagen innerhalb des [X.], durch einen städtebaulichen Vertrag abwälzen. Einen weiteren Weg der vertraglichen Refinanzierung eröffnet § 11 [X.] auch und gerade dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 124 [X.] nicht vorliegen.

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

a) Die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zum Vertragsschluss folgt nicht aus der allgemeinen Regelung über die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Austauschverträge (§ 121 Satz 2 i.V.m. § 123 LVwG SH). Soweit diese Vorschriften auf Kommunalabgaben überhaupt Anwendung finden (vgl. § 11 Abs. 1 [X.]), enthalten sie allgemeine Vorgaben, die unabhängig vom jeweiligen Sachgebiet der vertraglichen Vereinbarung gelten, aber sachgebietsspezifische gesetzliche Verbote weder ausschließen noch zur Abweichung von solchen Verboten ermächtigen. Eine gesetzliche Ermächtigung, von dem Verbot gesetzesinkongruenter Abgabenverträge abzuweichen, kann sich nicht aus diesen allgemeinen Regeln, sondern nur aus den besonderen Vorschriften des einschlägigen Fachrechts ergeben (Urteil vom 30. Mai 2012, juris Rn. 34). Das Kommunalabgabengesetz des [X.] enthält zwar eine Regelung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau und die Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen (§ 8 Abs. 1) sowie über die vertragliche Ablösung von Beiträgen (§ 8 Abs. 6). Ihm lässt sich aber keine Ermächtigung zum Abschluss eines von den beitragsrechtlichen Bestimmungen abweichenden Vertrages der hier vorliegenden Art entnehmen.

b) Die Beklagte ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die Unwirksamkeit des [X.] zu berufen. Zwar mag einem Erstattungsanspruch des Investors gegen die [X.] unter Umständen der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen, wenn er die Kosten, deren Rückerstattung er begehrt, seinerseits bereits auf die Käufer der Baugrundstücke abgewälzt hat und die Leistung der [X.] nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85 Rn. 17 = [X.] 406.11 § 11 [X.] Nr. 11). Dieser Rechtsgedanke ist aber, wie schon vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, auf den [X.] der [X.] nicht übertragbar. In dieser Konstellation muss vielmehr die [X.] das Risiko der Nichtigkeit des einer gesetzlichen Ermächtigung bedürftigen, von einer solchen Ermächtigung aber nicht gedeckten Vertrages grundsätzlich selbst tragen; andernfalls liefe der Schutzzweck des Gesetzesvorbehaltes leer.

Meta

9 C 12/11

12.12.2012

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 13. Januar 2011, Az: 2 LB 17/10, Urteil

§ 11 Abs 1 S 2 Nr 3 BauGB, § 124 BauGB, § 8 KAG SH, § 11 KAG SH, Art 20 Abs 3 GG, Art 74 Abs 1 Nr 18 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. 9 C 12/11 (REWIS RS 2012, 402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 402

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