Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2002, Az. 1 StR 405/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 54

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Nachschlagewerk: ja[X.]St: jaVeröffentlichung: ja____________________StGB § 46a Nr. 1 und 2Bei Gewaltdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist füreinen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des [X.] Folge der Strafmilderung nach § 46a [X.]. § 49 Abs. 1 StGB regel-mäßig ein Geständnis zu verlangen.[X.], [X.]. vom 19. Dezember 2002 - 1 [X.] - [X.] -BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL1 [X.]- 2 -vom19. Dezember 2002in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung- 3 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom18. Dezember 2002 in der Sitzung am 19. Dezember 2002, an denen teilge-nommen haben:[X.] am [X.] [X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],[X.]in am [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt- in der Verhandlung - als Verteidiger,Justizangestellte ,Justizangestellte als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 4 -Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.]eil des [X.] vom 15. Mai 2002 im Strafausspruch mit denzugehörigen Feststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, aneine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:[X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einerFreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafehat es zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagteneingelegten, wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revision greift [X.] mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde die Be-messung der Freiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung an. [X.] sich insbesondere gegen die mit einem Täter-Opfer-Ausgleich nach§ 46a Nr. 1 StGB begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und [X.] Geschädigte in einer Diskothek kennen. Sie tauschten dort einver-nehmlich Zärtlichkeiten aus. Sie verließen gemeinsam die Diskothek und [X.] über einen Parkplatz zu einer nahegelegenen Autowaschanlage. In [X.] 5 -Waschbox hielt der Angeklagte plötzlich mit einer Hand das Handgelenk derGeschädigten fest und drückte sie gegen die Wand. Gegen ihren erkennbarenWillen küßte er sie heftig, faßte unter ihr Oberteil und knetete fest ihre Brüste.Er zog ihre Hose bis zu den Knien herunter und führte zwei oder drei Fingerseiner anderen Hand in ihre Scheide ein. Anschließend versuchte er mit sei-nem Penis von hinten in die Scheide einzudringen, was ihm nicht gelang; dafürführte er an ihr den Oralverkehr durch. Er fügte dem [X.] aufgrund dieserBehandlung Kratzwunden sowie erhebliche Schmerzen zu.Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die von ihm an der [X.] vorgenommenen sexuellen Handlungen in der Waschbox einge-räumt. Er hat aber bestritten, [X.] angewandt zu haben; alle sexu-ellen Handlungen seien [X.] erfolgt. Die Kammer hat sich [X.] der glaubhaften Aussage der Geschädigten von der Schuld des [X.] überzeugt.2. Zur Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB hat die [X.] folgendesausgeführt: Nach der Vernehmung des [X.] in der Hauptverhandlung seider zunächst bestreitende Angeklagte mit einem gerichtlichen Hinweis gemäߧ 155a StPO auf die Möglichkeiten des [X.]. Er sei daraufhin von seiner ursprünglichen Einlassung insoweit abge-wichen, als er ein —Mißverständnis bzw. ein Verschulden einräumte". Der An-geklagte habe sich bei dem [X.] [X.] nach Auffassung der Kammer ernsthaft[X.] entschuldigt. Er habe kein volles Geständnis abgelegt, was in Anbetracht derin der Hauptverhandlung anwesenden Familienangehörigen und Freunde [X.] sowie seiner Verlobten nachvollziehbar sei. Er habe in der [X.] ernsthaft angeboten, sich durch Vermittlung eines [X.] 6 -peuten mit dem [X.] an einen Tisch zu setzen und ihr durch ein Gesprächdabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten. Ferner habe er sich bereiterklärt, zum Ausgleich des immateriellen Schadens ein Schmerzensgeld von3.500 Euro zu bezahlen. Seine Familie habe diesen Betrag in der [X.] zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt, "die die-sen Betrag durch ihren Beistand als gewissen Ausgleich akzeptiert" habe ([X.]. 7). Zur weiteren Begründung hat die [X.] ausgeführt, ein Täter-Opfer-Ausgleich könne in jeder Lage des Verfahrens erfolgen. Der Angeklagtehabe erst durch den gerichtlichen Hinweis von der Möglichkeit eines [X.] erfahren. Er habe zwar dem [X.] eine peinliche [X.] nicht erspart, habe sich aber am Ende der Beweisaufnahme darum [X.], einen kommunikativen Prozeß mit der Geschädigten in die Wege zu [X.]. Er habe auch seiner in der Hauptverhandlung anwesenden Familie zuge-sagt, den Betrag von 3.500 Euro durch Arbeitsleistungen zurückzuerstatten.Die Kammer habe - auch unter Beobachtung des in Haftsachen besonders zuberücksichtigenden [X.]eunigungsgrundsatzes - davon abgesehen, [X.] zur Ermöglichung einer weiteren Kommunikation zwischendem Angeklagten und der Geschädigten [X.] Die Beschwerdeführerin trägt - insoweit enthält die Revisionsbegrün-dung eine noch zulässige Verfahrensrüge nach § 261 StPO - vor, der Ange-klagte habe im Ermittlungsverfahren Zeugen benannt, die bekunden sollten,die Geschädigte biete sich vor der Diskothek gegen Geld an. Nachdem [X.] als falsch herausgestellt habe, sei dem Angeklagten, dem im gesamtenErmittlungs- und Hauptverfahren ein Verteidiger zur Seite gestanden habe, [X.] ein Hinweis nach § 155a StPO auf einen Ausgleich gege-ben worden. Dessen ungeachtet habe seine Verteidigung über zwei Verhand-- 7 -lungstage auf einen Freispruch abgezielt. Dies habe in einem Antrag auf Ein-holung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gegipfelt,die Geschädigte habe die Unwahrheit gesagt. Das darin zum Ausdruck ge-kommene weitere Bestreiten des Angeklagten hätte nicht mit dem erneutenrechtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO unterlaufen werden dürfen. Auch nachdem Hinweis habe sich der Angeklagte nur dahin eingelassen, es handele sichum ein Mißverständnis und es tue ihm leid. Er habe damit die vorsätzliche Miß-achtung der sexuellen Selbstbestimmung relativiert und die Tat weiter in [X.] gestellt. Dies komme auch darin zum Ausdruck, daß der Verteidiger [X.] Freispruch beantragt habe. Nach dem gerichtlichen Hinweishätten sich mehrere im Gerichtssaal anwesende Familienmitglieder entferntund 2.500 Euro beigebracht. Erst nach den [X.] habe der [X.] Angeklagten dem Vertreter der Nebenklage 2.500 Euro in Anwesenheitdes [X.] übergeben. Der Vater habe zugesichert, im Laufe des [X.] Euro zu übergeben und habe auf Drängen des [X.] zugesagt, die Kosten des [X.] und die bis dahin [X.] Gebühren zu übernehmen. Aufgrund dieser Umstände seien we-sentliche Voraussetzungen des [X.] nicht erfüllt. Der Ange-klagte habe seine schädigende Handlung niemals eingeräumt.II.Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung derVoraussetzungen des [X.] gemäß § 46a StGB durch [X.] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.1. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Übernahme des im [X.] angewandten [X.] (§ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, §- 8 -45 Abs. 2 Satz 2 [X.]) in das allgemeine Strafrecht die Absicht, auch im [X.] die Belange des Opfers von Straftaten stärker in [X.] des Interesses zu rücken. Gleichzeitig kann der Täter auf [X.] besser als mit bloßer Bestrafung zur Einsicht in die Verwerflichkeit sei-nes Tuns und zur Übernahme von Verantwortung für die Folgen seiner Straftatveranlaßt werden ([X.]. 12/6853 [X.]). § 46a StGB will einen Anreiz [X.] seitens des [X.] schaffen, dem Opfer durch seinpersönliches Einstehen für die Folgen der Tat, durch immaterielle [X.] auch durch materielle Schadensersatzleistungen Genugtuung zu [X.]. Allerdings will die Norm mit den Anforderungen an einen friedens-stiftenden Ausgleich auch in dem aus [X.] Sicht erforderlichenUmfang sicherstellen, daß nicht jede Form des Schadensausgleichs aus-nahmslos und ohne Rücksicht auf den Einzelfall dem Täter zugute kommt([X.]. aaO [X.]). Der Gesetzgeber hat zwar mit § 46a StGB - ähnlich mit§ 31 BtMG für aufklärungsbereite Betäubungsmittelstraftäter - für um [X.] Wiedergutmachung bemühte Beschuldigte den Anreiz eines Strafmilde-rungsgrundes geschaffen; die Vorschrift soll aber kein Instrument zur einseiti-gen Privilegierung [X.] Täter sein ([X.], 50 Jahre [X.],Festgabe aus der Wissenschaft S. 309, 323; zur Gefahr, daß die Vorschriftentgegen den gesetzgeberischen Intentionen doch zu einem Freikauf durchden Täter führen kann, vgl. [X.] [X.]. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR554/99 - , [X.], 129).2. § 46a Nr. 1 StGB macht das Angebot an den Täter und das Opfer, mitHilfe eines Vermittlers oder einer sonstigen auf Ausgleich ausgerichtetenKommunikation eine von allen Beteiligten [X.] getragene [X.] finden, die geeignet ist, Konflikte beizulegen, die zu der Straftat geführt ha-ben oder durch sie verursacht wurden. Ergeben die [X.] -daß die Wiedergutmachung ganz oder zum überwiegenden Teil aus materiel-len Leistungen in Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen,so verlangt § 46a [X.] StGB, daß der Täter diese tatsächlich erbracht [X.] erhebliche persönliche Anstrengungen unternommen und Verzicht gelei-stet hat. Beide Alternativen des § 46a StGB beschreiben selbständige Voraus-setzungen, die übereinstimmend einen Schadensausgleich bezwecken. [X.] kann die Strafmilderung für den Täter nach den Umständen des [X.] auf jede der beiden Alternativen stützen; liegen jedoch die Vorausset-zungen für beide Alternativen vor, können sie nebeneinander festgestellt wer-den ([X.]/[X.] StGB 24. Aufl. § 46a [X.]. 4a). Der Unterschied zwischenNr. 1 und [X.] besteht darin, daß [X.] für die materiellen Wiedergutma-chungsleistungen den Eintritt des Erfolges (d.h. die geleistete Zahlung) [X.], während sich Nr. 1 unter Umständen mit den mit dem erstrebten Erfolgverbundenen Ausgleichsbemühungen (hinsichtlich der materiellen Leistungenderen Zusage) begnügt ([X.] aaO S. 309 ff., 319, 323, 335).a) Der Gesetzgeber hat sich in § 46a Nr. 1 StGB inhaltlich an der im [X.] geltenden Konfliktregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 [X.] und dendort zur Verfügung stehenden jugendspezifischen Modellen des formalisierten[X.] orientiert. Bei der Übernahme des [X.] in das allgemeine Strafrecht hat er sich wegen der Vielfalt der nachLandesrecht geregelten Verfahren und wegen der nur bedingt möglichenÜbertragbarkeit auf kein formalisiertes Verfahren festgelegt. Bei dieser Kon-zeption ist er auch anläßlich der Einführung der verfahrensrechtlichen Grund-normen der § 155a und § 155b StPO geblieben ([X.]; BGBl. I S. 2491), mit denen er den in das materielle Strafrecht einge-stellten Täter-Opfer-Ausgleich verfahrensrechtlich verankern und stärken wollte([X.]. 14/1928 S. 8).- 10 -Der 1. Strafsenat hat schon kurz nach Inkrafttreten die Vorschrift des§ 46a StGB dahin ausgelegt, daß dessen Wortlaut - entgegen der Entwurfsbe-gründung - offen läßt, ob die Lösung des der Tat zugrundeliegenden Gesamt-konflikts "stets" unter Anleitung eines [X.] anzustreben ist oder ob dies nur"tunlichst" geschehen soll. Dafür hat der [X.] aber in ständiger Rechtspre-chung zumindest einen "kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer"verlangt, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachtenFolgen gerichtet sein muß. Er hat damit gegenüber dem in [X.]-Verfahren von fachkundigen Personen vermittelten "Gespräch [X.] parteiautonomer Konfliktregulierung" ([X.], Täter-Opfer-Ausgleich, Zwischenbilanz und Perspektiven, [X.] Symposium, 1991,S. 127) einen offeneren Kommunikationsbegriff gewählt, um auch anderenKommunikationsformen zur Schadenswiedergutmachung Raum zu lassen. [X.] ein Verfahren nicht offensichtlich für einen Täter-Opfer-Ausgleich unge-eignet ist, sollen Staatsanwaltschaft und Gericht nach § 155a StPO grundsätz-lich in die Prüfung eintreten, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem [X.] erreicht werden kann. Dies gilt nach § 155a Satz 1 und 2 StPOausdrücklich für jedes Stadium des Verfahrens ([X.]. aaO S. 8). Schwer-punkt der durch Dritte vermittelten Ausgleichsbemühungen wird nach dem [X.] Willen aber das Ermittlungsverfahren mit der dazu neu ge-schaffenen Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a Abs. 1 Nr.5 StPO sein. In der Hauptverhandlung kann der Tatrichter ebenfalls noch aufden Täter-Opfer-Ausgleich hinwirken, jedoch wird das in diesem [X.] bei einem bestreitenden oder schweigenden Angeklagten nur einge-schränkt möglich und angezeigt sein.b) Die Eignung eines Verfahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich und dasMaß des zu verlangenden kommunikativen Prozesses sind abhängig von dem- 11 -zugrundeliegenden Delikt, vom Umfang der beim [X.] eingetretenen Schä-digungen und damit von dem Grad der persönlichen Betroffenheit des Opfers.Schwere - auf einzelne Opfer bezogene - Gewaltdelikte, insbesondere Deliktegegen die sexuelle Selbstbestimmung (etwa Vergewaltigung, sexuelle Nöti-gung, sexueller Mißbrauch von Kindern) sind nicht prinzipiell vom Täter-Opfer-Ausgleich ausgeschlossen. Allerdings wird in diesen Fällen der [X.] seltener durch ein persönliches Gespräch zwischen Täter und [X.] sein. Für den erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich wird eher eine überAngehörige, den Verteidiger und den [X.] oder den [X.] Kommunikation ausreichen. Um der Gefahr zu begegnen, daß [X.] die Vergünstigung des § 46a [X.]. § 49 Abs. 1 StGB durch "ein routiniertvorgetragenes Lippenbekenntnis" oder einen Anwaltsschriftsatz erlangt, oderdas Opfer während der Kommunikation Pressionen aussetzt und dem Tatrich-ter bei Sexualstraftaten oder Körperverletzungsdelikten "ein versöhntes Opfer"präsentiert, hat der Tatrichter seine Feststellungen zum erfolgreichen odernicht erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich in den [X.]eilsgründen darzulegen.Dabei wird er insbesondere den Willen des Opfers zur Versöhnung und dieFrage einer erzielten Genugtuung zu berücksichtigen haben (vgl. König, [X.].zum [X.]. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - [X.], 251, 253).aa) Nach dem Wortlaut des § 46a StGB ist ein bestimmtes Prozeßver-halten des Beschuldigten nicht ausdrücklich gefordert. Da es aber beim Täter-Opfer-Ausgleich um eine strafrechtliche [X.] geht, muß der Be-schuldigte prinzipiell - im Einzelfall in Abwägung zwischen dem Ziel [X.] und dem nemo-tenetur-Prinzip - akzeptieren, daß er für dasam Opfer begangene Unrecht einzustehen hat; dazu gehört auch, daß er [X.] respektiert. Der rechtliche Konflikt über die Rollenverteilung [X.] und Opfer kann nicht jedesmal von den Beteiligten neu und [X.] -festgelegt werden ([X.], [X.] Symposium aaO [X.]0, 217). Das be-deutet, daß ein explizit bestreitender Beschuldigter von einer Überweisung aneine nach landesrechtlichen Vorschriften für den Täter-Opfer-Ausgleich zu-ständige geeignete Stelle oder von einer durch Dritte vermittelten friedensstif-tenden Kommunikation ausgeschlossen bleiben muß. Dagegen kann nebendem geständigen Täter auch der schweigende Täter in die Kommunikation ein-bezogen werden (vgl. [X.], Staatsanwaltschaft und Täter-Opfer-Ausgleich, 1998, [X.]) Dem entspricht, daß der [X.] für den [X.] verlangt, daß das Verhalten des [X.] im Verfahren "Ausdruck [X.] von Verantwortung" ist, um die friedensstiftende Wirkung [X.] zu entfalten ([X.], [X.]. vom 25. Juli 1995 -1 [X.] -, NStZ 1995, 492, 493; [X.], [X.]. vom 20. Februar 2001 -4 [X.] , [X.], 346; [X.], [X.]. vom 25. Oktober 2000 - 5 [X.]/00 - , NStZ 2001, 200; kritisch zu dieser Wortwahl [X.] aaO S. 326;König, [X.]. zu [X.], [X.]. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, [X.], 251, 252).Hieran hält der [X.] fest. Im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung kann nurdem Täter die Strafmilderung nach § 46a [X.]. § 49 Abs. 1 StGB zuteil wer-den, der gegenüber seinem Opfer eine konstruktive Leistung erbringt, die [X.] verschafft.Jedenfalls für Gewaltdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbe-stimmung, die sich gegen einzelne Opfer gerichtet haben, wird für einen erfolg-reichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten wirkendenFolge der Strafmilderung nach § 46a [X.]. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig [X.] zu verlangen sein. Oftmals wird dem Opfer gerade ein Bekennendes [X.] zu seiner Tat im Strafverfahren besonders wichtig sein, so daß oh-- 13 -ne ein Geständnis die angestrebte Wiedergutmachung kaum denkbar sein wird([X.], [X.]. vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02 -, [X.], 649). [X.] dem Tatrichter, unter Beachtung dieses Maßstabs nach den [X.] Einzelfalls in wertender Betrachtung festzustellen, inwieweit der Täter frei-willig Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Dies wird namentlich der [X.], wenn er die Haltung des Opfers zu respektieren lernt und diese zu sei-nem eigenen Verhalten in Bezug setzt ([X.], Streit 1999 S. 110). Eine sol-che Einzelfallprüfung ist erforderlich, um der in der tatrichterlichen Rechtspre-chung zu beobachtenden Entwicklung des [X.] zu einemFreikauf von der Verantwortung zu Lasten der Opfer entgegenzuwirken.cc) Die Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB läßt bei einem Täter, demes erkennbar auf die Aussöhnung ankommt und dessen persönliche Leistun-gen sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweisen, im Ein-zelfall auch schon das "Bemühen um umfassenden Ausgleich" ausreichen. [X.] eines materiellen Ausgleichs steht der Annahme ausreichender Bemühun-gen nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen [X.] seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat odersich dazu verpflichtet hat, zu dem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in [X.] genommen hat ([X.], [X.]. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99,[X.], 129; [X.], [X.]. vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98; [X.], 89).dd) Aus der Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation un-abdingbar, daß der Verletzte in den Dialog mit dem Täter über die zur Wieder-gutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein erfolgreicher Tä-ter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus,daß das Opfer die Leistungen des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich [X.] ([X.], [X.]. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). [X.] 14 -ergibt sich schon daraus, daß überhaupt nur angemessene und nachhaltigeLeistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuungfür das Opfer führen können (ebenso [X.], Streit 2000 S. 99, 110). [X.] das [X.] - etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der [X.] ihm einen Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Pro-zeß nicht ein, so ist - wie es der 1999 eingeführte § 155a Satz 3 StPO aus-drücklich klargestellt - das Verfahren für die Durchführung eines [X.] nicht geeignet (vgl. [X.]. 14/1928 S. 8).Grundsätzlich kann nichts anderes gelten für die in § 46a Nr. 1 [X.] "Bemühungen" des [X.], die im Einzelfall ausreichen können, umzu einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich zu gelangen. Verweigert derVerletzte auch insoweit seine Zustimmung, so hat dies der Täter trotz der [X.] Anforderungen an einen erfolgreichen Ausgleich hinzunehmen,denn ohne Zustimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für sein Bemühen(offengelassen für den Fall des nicht festgestellten entgegenstehenden [X.] Bankangestellten als Opfer eines Banküberfalls, denen der Täter Schmer-zensgeld angeboten und Schadensersatz an die Banken geleistet hatte, von[X.], [X.]. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - , NStZ 2002, 364 mit [X.].[X.]/[X.], 363; Dölling/[X.] NStZ 2002, 366 und König [X.] aaOS. 252). Allein auf die Sicht "eines vernünftigen [X.]" kann es nicht ankom-men ([X.] aaO S. 322; [X.] aaO S. 107; a.A. Kilchling NStZ 1996, [X.], 314 unter Berufung auf [X.] § 46a [X.]. 3). Dem Tatrichter wird viel-mehr auferlegt, unter Berücksichtigung der Interessen des Opfers und des [X.] in wertender Betrachtung zu entscheiden, "wie sich das [X.] etwa indem Fall zu den Bemühungen des Angeklagten stellt und welche Folgen [X.] für den Angeklagten hat, aber auch wie sicher- 15 -deren Erfüllung ist" ([X.], [X.]. vom 22. August 2001 - 1 [X.] - , [X.], 29).ee) Kommt es nach diesem Maßstab zu einer Kommunikation zwischenTäter und Opfer, ist der Täter-Opfer-Ausgleich gelungen, wenn das [X.] indie Kommunikation einbezogen ist und dieses die erbrachten Leistungen [X.] als Wiedergutmachung akzeptiert hat([X.], [X.]. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Als Fälle einesfehlgeschlagenen Ausgleichs sind solche Ergebnisse einer Kommunikationanzusehen, bei denen eine Einigung wegen unterschiedlicher Vorstellungenüber die immateriellen oder materiellen Leistungen nicht zustande gekommenoder deren Vereinbarungen nicht eingehalten worden [X.]) Eine Ausgleichsvereinbarung ist schon dann nicht erfolgreich, wennder Täter die ideelle Komponente seiner Wiedergutmachung nicht erfüllt, [X.] eine Entschuldigung nur formal abgibt und das [X.] diese deshalbnicht annimmt. Gleiches gilt für Arbeitsleistungen, die der Täter zu Gunsten des[X.] persönlich oder gegenüber gemeinnützigen Einrichtungen anbietet.Ein vollwertiger Täter-Opfer-Ausgleich liegt auch nicht vor, wenn ein vom [X.] getragener Aussöhnungsversuch zwischen Verwandten, Freunden oderden beauftragten Anwälten nicht zustande [X.]) Für die materielle Wiedergutmachung genügt allein die Erfüllung vondem [X.] nach dem Zivilrecht ohnehin zustehenden [X.] nicht ([X.], [X.]. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 -, NStZ 2002, 364).Der Täter muß einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehen-den Beitrag erbringen ([X.], [X.]. vom 18. November 1999 - 4 [X.] - ,[X.], 205). Andererseits kann aber im Einzelfall ein Ausgleich erfolgreichsein, wenn der Täter sein gesamtes Vermögen zur [X.] 16 -chung zur Verfügung stellt und so persönlichen Verzicht leistet und den [X.] zum überwiegenden Teil entschädigt ([X.], [X.]. vom 19. Okto-ber 1999 - 1 StR 515/99 - , [X.], 83).(3) Die Vereinbarung und die Zahlung von Schmerzensgeld müssen sichan den zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüchen messen lassen. Eine [X.] über ein Schmerzensgeld, das in einem Mißverhältnis zu den zivil-rechtlich zu realisierenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldleistungensteht, kann nicht zu einem erfolgreichen Ausgleich führen ([X.] aaO S.110). Akzeptiert etwa das [X.] einer Vergewaltigung unter dem Druck [X.] eine von dem Verteidiger des Angeklagten und dem Nebenklä-gervertreter vereinbarte schriftliche Abrede, weil sie befürchtet, ansonsten [X.] Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, reicht dies nicht aus([X.], [X.]. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646).(4) Findet eine an den dargestellten Maßstäben zu messende Kommuni-kation statt, äußert sich das [X.] aber nicht zu dem vereinbarten Ausgleichoder den Bemühungen des [X.], so kann daraus nicht in jedem Fall auf eineausdrückliche Ablehnung der Verletzten mit der Konsequenz eines nicht erfolg-reichen Ausgleichs geschlossen werden. In diesem Fall müssen sich die Ur-teilsgründe dazu verhalten, ob darin der verständliche Wunsch nach "Nichtbe-fassung" im Sinne einer Ablehnung zu sehen ist. Mit der Ausgestaltung [X.] als "vertyptem Strafmilderungsgrund" wollte der Gesetzgeber einennachhaltigen Anreiz für Ausgleichsbemühungen im Strafrecht schaffen. [X.] nach Auffassung des [X.]s in diesen Fällen ein allzu enges Ver-ständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommuni-kativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vor-nehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher- 17 -Beziehungen zu gelten haben ([X.], [X.]. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02-, [X.], 654).c) Nach der als prozessuale Grundnorm anzusehenden Vorschrift des§ 155a Satz 1 StPO "sollen" die Staatsanwaltschaft und das Gericht in jedemStadium des Verfahrens prüfen, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem [X.] erreichbar ist (vgl. [X.]. 14/1928 S. 8). In der Hauptverhand-lung ist es dem Tatrichter je nach den Umständen des Einzelfalles nicht ver-wehrt, zur Anbahnung oder Durchführung des [X.] [X.] zu unterbrechen. Allerdings ergibt die [X.] § 155a StPO (vgl. auch den unverändert gebliebenen § 265 Abs. 3 StPO)keinen Anspruch des Angeklagten auf Unterbrechung oder Aussetzung [X.]) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat der Tatrichter die wesentli-chen Einzelheiten über den erfolgreichen oder den nicht erfolgreichen Aus-gleich einschließlich der Frage der Zustimmung oder der Verweigerung des[X.] in den [X.]eilsgründen in dem Umfang darzulegen, daß sie die revisi-onsgerichtliche Überprüfung - insbesondere unter Beachtung der Opferinteres-sen - ermöglichen. Die [X.]eilsgründe müssen die "wertende Betrachtung" unddie Ausübung tatrichterlichen Ermessens erkennen lassen, ob der [X.] Voraussetzungen des [X.] annimmt und danach von [X.] eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht.3. Das [X.] hat diese Maßstäbe nicht ausreichend beachtet. Die[X.]eilsgründe belegen die Voraussetzungen eines erfolgreichen [X.] [X.] 18 -a) Ein ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten gerichtetesBemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1 StGB ist den [X.]eilsgründen nichtzu entnehmen. Nach den bisherigen Feststellungen hat die [X.] in [X.] mit ihrem wiederholten Hinweis nach § 155a StPO nachdurchgeführter Beweisaufnahme einschließlich der Einvernahme des [X.]auf den Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dies ist zwar nach dessen Satz 1StPO rechtlich zulässig. Allerdings hätte die [X.] bei dieser Sachlagenäher darlegen müssen, woher sie die Überzeugung nimmt, es sei dem Ange-klagten zu diesem späten Zeitpunkt um eine friedensstiftende Kommunikationgegangen. Dazu bestand Anlaß, weil sich bereits aus dem wesentlichen Er-gebnis der Ermittlungen ergab, daß der Angeklagte versucht hat, das [X.]herabzuwürdigen. Auch nachdem sich diese Behauptung als nachweislichfalsch herausgestellt hatte und ihm im [X.] ein Hinweis auf denTäter-Opfer-Ausgleich gegeben worden war, hat er in der [X.] Geschädigte der falschen Aussage bezichtigt. Er hat ihr auch die Verneh-mung in der Hauptverhandlung nicht erspart. Er hat sogar noch den [X.] gestellt, ein Sachverständiger werde zu dem Ergebnis gelangen, sie habein ihrer Vernehmung die Unwahrheit gesagt. Erst danach hat der [X.] gegen den Willen der Geschädigten durchgeführten sexuellen Handlungenals "Mißverständnis" bezeichnet und sich entschuldigt. Seine Bereitschaft, sichdurch Vermittlung eines Therapeuten mit der Geschädigten an einen Tisch zusetzen, um "ihr dabei durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache [X.] verarbeiten", zeigt nicht ohne weiteres auf, daß das Verhalten des Ange-klagten sich als Übernahme von Verantwortung für seine Tat erweist. [X.] letztlich auch, daß sein Verteidiger im [X.] hat. Angesichts dieser Umstände liegt eine Strafmilderung nach § 46aStGB [X.]. § 49 Abs. 1 StGB eher [X.] 19 -b) Nach den [X.]eilsgründen genügt auch die Zahlung des [X.] von 3.500 Euro den Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die[X.]eilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte müsse einen Betrag von3.500 Euro an seine Familie zurückzahlen, die diesen Betrag als Schmerzens-geld zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt habe. [X.] sprechen die von der Revision mitgeteilten tatsächlichen Umständezur Sammlung, der Übergabe und dem Vorzählen des Geldes in Gegenwartder Geschädigten eher dafür, daß die Familie den Angeklagten "freigekauft"hat. Die [X.] räumt nicht aus, daß diese Form des [X.] eine einseitig dem Täter günstige Strafmilderung bewirkt hat, damitaber die Genugtuungsfunktion des [X.] auf seiten des [X.]s nicht erfüllt wurde.c) Aus den [X.]eilsgründen ergibt sich schließlich kein Anhalt dafür, daßdie Geschädigte den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft mitgetragen" und diesenals friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hat. Die [X.]eils-gründe teilen dazu vielmehr mit, die Geschädigte habe "diesen Betrag durchihren Beistand auch als gewissen Ausgleich akzeptiert".Nack [X.] [X.] [X.] Elf

Meta

1 StR 405/02

19.12.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2002, Az. 1 StR 405/02 (REWIS RS 2002, 54)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 54

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 139/20 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Entschuldigung über Verteidiger bei Täter-Opfer-Ausgleich


3 StR 233/17 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung: Voraussetzungen für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs


4 RVs 62/20 (Oberlandesgericht Hamm)


1 StR 204/02 (Bundesgerichtshof)


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