Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2020, Az. 6 StR 48/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1796

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Gegenstand

Adhäsionsverfahren bei einem Tötungsdelikt: Voraussetzung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2019

a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass die Angeklagten im Fall [X.]. des Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig sind,

b) aufgehoben, soweit das [X.] getroffen hat. Von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge wird abgesehen.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den [X.] hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch das Adhäsionsverfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten des Mordes schuldig gesprochen, den Angeklagten [X.]    darüber hinaus der zweifachen Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung. Gegen den Angeklagten M.     hat es eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Den - in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkten - Angeklagten [X.]    hat es zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Daneben hat es [X.] getroffen. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben im Wesentlichen erfolglos. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

2

1. Entsprechend dem Antrag des [X.] war in der Urteilsformel klarzustellen (§ 354 Abs. 1 StPO analog), dass die Angeklagten tateinheitlich zwei Menschen ermordet haben. Dies entspricht ausweislich der Urteilsgründe ([X.]) der von der [X.] vorgenommenen konkurrenzrechtlichen Bewertung.

3

2. Die [X.] halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

4

Der vom [X.] dem Grunde nach als gerechtfertigt erachtete Anspruch auf [X.] setzt gemäß § 844 Abs. 3 Satz 1 [X.] voraus, dass der Hinterbliebene zur [X.] in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis gestanden hat. Dieses Erfordernis gilt auch für die in § 844 Abs. 3 Satz 2 [X.] genannten nahen Angehörigen. Die Anspruchsberechtigung für das [X.] knüpft nämlich nicht an eine formelle (familienrechtliche) Beziehung des Hinterbliebenen zum Getöteten, sondern an deren tatsächliche [X.] Beziehung zueinander an (vgl. BT-Drucks. 18/11397 S. 12 f.; [X.]/Eichelberger, [X.], Stand 1.2.2020, § 844 Rn. 207). Bei § 844 Abs. 3 Satz 2 [X.] handelt es sich nicht um eine Fiktion des besonderen persönlichen [X.], sondern lediglich um eine gesetzliche Vermutung im Sinne von § 292 ZPO (vgl. [X.]/Eichelberger, aaO, § 844 Rn. 206; s. auch [X.], 626).

5

Die Vermutung des § 844 Abs. 3 Satz 2 [X.] hat das [X.] „im Ergebnis der Beweisaufnahme“ hinsichtlich aller Adhäsionskläger als widerlegt angesehen, weil sich deren Beziehung zu den Mordopfern „gerade in den Jahren vor deren Tod als schwierig und nicht eng im Sinne eines regelmäßig gelebten persönlichen Kontakts und besonderen persönlichen [X.] gestaltet“ habe ([X.]). Damit fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen. Allein Trauer über den Tod des entgegen der Vermutung des § 844 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht in einem besonderen Näheverhältnis zum Hinterbliebenen stehenden nahen Angehörigen genügt den gesetzlichen Vorgaben nicht.

6

Mithin sind die [X.] insgesamt aufzuheben. Eine Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung allein wegen ihres zivilrechtlichen Teils kommt nicht in Betracht; vielmehr ist nach § 406 Abs. 3 Satz 3 und 4 StPO insoweit von einer Entscheidung abzusehen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 23. April 2019 - 2 StR 79/19 Rn. 11; vom 19. Juni 2019 - 5 StR 249/19 Rn. 4).

7

3. Es beschwert die Angeklagten nicht, dass das [X.] das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln nicht geprüft und eine tateinheitlich mit dem Mord zusammentreffende (versuchte) schwere Brandstiftung verneint hat. Entsprechendes gilt, soweit die Kammer betreffend den Angeklagten [X.]    für die Tat vom 10. Januar 2018 die Voraussetzungen § 177 Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB nicht erkennbar geprüft hat.

8

4. [X.] beruht auf § 473 Abs. 1, § 472a StPO.

Sander     

        

König     

        

Feilcke

        

Tiemann     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 48/20

18.05.2020

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 18. Mai 2020, Az: 6 StR 48/20, Beschluss

§ 844 Abs 3 S 1 BGB, § 844 Abs 3 S 2 BGB, § 292 ZPO, § 403 StPO, § 211 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2020, Az. 6 StR 48/20 (REWIS RS 2020, 1796)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1796


Verfahrensgang

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Az. 6 StR 48/20

Bundesgerichtshof, 6 StR 48/20, 18.05.2020.


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24 U 5354/20

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