Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. IX ZR 249/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8125

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 249/09

Verkündet am:

15. März 2012

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] §§ 21, 22

a)
Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter im Wege des besonderen Verfügungsverbots ermächtigen, eine Forderung des Schuldners im eigenen Namen einzuziehen.

b)
Der vorläufige Insolvenzverwalter darf nur dann ermächtigt werden, außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs des Schuldners dessen Forderungen einzu-ziehen, wenn deren Verjährung oder Uneinbringlichkeit droht.

c)
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist kraft des auf eine Schuldnerforderung be-zogenen besonderen Verfügungsverbots zur Entgegennahme aller Erklärungen befugt, welche die von ihm einzuziehende Forderung betreffen.

[X.] § 96 Abs. 1 Nr. 3

Das aus der Anfechtbarkeit der Aufrechnungslage folgende Aufrechnungsverbot wirkt nicht im Eröffnungsverfahren.

[X.], Urteil vom 15. März 2012 -
IX ZR 249/09 -
LG [X.]

KG [X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012 durch [X.] [X.], die
Richter
Raebel und [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr. Pape

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 19. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 13. August 2009 im Kosten-punkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.] erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist mit Beschluss vom 13.
Oktober
2006
zum
vorläufigen
In-solvenzverwalter über das Vermögen der W.

GmbH &
Co. KG (fortan: Schuldnerin)
bestellt worden. Im Beschluss ist angeordnet worden, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Die Schuldnerin hatte aufgrund eines Distri-butionsvertrages
vom 12.
Januar 2006
Software an die Beklagte geliefert, [X.] diese unter eigenem Namen weiter verkaufen sollte. Im Vertrag heißt es:

1
-
3
-
"Bei Defekten und Retouren erfolgt Gutschrift. Der Distributor
[=
die Beklagte]
hat beim Publisher
[= die Schuldnerin]
Retouren-recht ab einer Minimum Garantie von 1000 Stücken."

Am 7. Dezember 2006 erließ das zuständige Insolvenzgericht folgenden Beschluss:

"Der vorläufige Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. A.

R.

wird ermächtigt, im Wege des besonderen [X.] zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung gegenüber der [Firma der [X.]].

Gründe

Die Anordnung ist erforderlich, um bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens
eine den Gläubigern nachteilige Verän-derung in der Vermögenslage der Schuldnerin zu verhüten (§
21 Abs.
1 [X.])."

Auf der Grundlage dieses Beschlusses hat
der Kläger
von der
[X.] Kaufpreiszahlungen
in Höhe von insgesamt 130.407,10

r-langt. Die Beklagte hat sich auf das
Retourenrecht
berufen
und
hilfsweise
die Aufrechnung mit Ansprüchen aus der Ausübung dieses Rechts
erklärt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen.
Im [X.] hat die Beklagte die Hilfsaufrechnung fallen gelassen, nachdem das Berufungsgericht den [X.] erteilt hatte, das Retourenrecht sei als einseitiges Rückgabe-
und [X.] zur Reduzierung der Rechnungsbeträge zu verstehen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht
die Beklagte zur Zahlung von 112.543,70

Mit ihrer vom Senat zugelassenen
Revisi-on
will die Beklagte
die Wiederherstellung des
landgerichtlichen
Urteils errei-chen.

2
3
4
-
4
-
Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe eine Kaufpreis-forderung in Höhe von 112.543,70

gen über den
vom Kläger berücksichtigten Betrag von 58.904,90

hinaus
habe die Beklagte nicht konkret dargelegt. Retouren habe es insoweit nicht gegeben. Die Voraus-setzungen einer Verrechnung des Anspruchs mit Erstattungsansprüchen aus Retouren hinsichtlich anderer Lieferungen habe die Beklagte nicht dargelegt. Die Beklagte sei zwar berechtigt gewesen, Lieferungen der Schuldnerin ohne Angabe von Gründen zurückzusenden und Erstattung des bereits gezahlten Kaufpreises zu verlangen. Dieses Recht habe sie jedoch nicht gegenüber der Schuldnerin als der richtigen Erklärungsempfängerin ausgeübt. Der [X.] den Zugang einer entsprechenden Erklärung bei der Schuldnerin zulässig mit Nichtwissen bestritten. Erklärungen im Rahmen des vorliegenden [X.] reichten nicht aus, weil der Kläger als vorläufiger
Insolvenzverwalter
nicht empfangszuständig gewesen sei. Der Kläger sei lediglich zur klageweisen Gel-tendmachung der [X.] ermächtigt worden. [X.] Willenserklärungen seien hiervon nicht erfasst. Ein allgemeines Verfügungsver-bot sei nicht angeordnet worden.
Selbst wenn der Kläger das Schreiben der [X.], welches die Retouren betreffe, an die Schuldnerin weitergeleitet ha-be, was nicht bewiesen sei, reiche dies nicht aus, weil eine empfangsbedürftige Willenserklärung zielgerichtet abgegeben werden müsse. Die Voraussetzungen 5
6
-
5
-
einer treuwidrigen Vereitelung des Zugangs durch die Schuldnerin seien nicht hinreichend dargetan.

II.

Die Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung
in wesentlichen Punkten
nicht stand.

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist prozessführungsbefugt.

a) Nach §
21 Abs.
1 Satz
1 [X.] hat das Insolvenzgericht alle Maßnah-men zu treffen, um bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Es kann insbesondere dem Schuldner ein allgemeines Verfügungs-verbot auferlegen
oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind

21 Abs.
2 Nr.
2
[X.]). Der nur mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht prozessführungsbefugt. Das Insolvenzgericht kann ihn jedoch ermächtigen, zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens Prozesse zu führen. Eine solche Anordnung kann nicht allgemein, sondern nur im Wege der Einzelanordnung

22 Abs.
2 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 18.
Juli 2002 -
IX
ZR 195/01, [X.]Z 151, 353, 366
f; vom 5.
Mai 2011 -
IX
ZR 144/10, [X.], 602 Rn.
54, [X.] in [X.]Z 189, 299) mit oder nach Erlass eines be-sonderen Verfügungsverbots bezüglich des hiervon betroffenen [X.] ergehen (HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
22 Rn.
63; [X.]/[X.], [X.], §
22 Rn.
144; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
22 Rn.
195;
7
8
9
-
6
-
HmbKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
22 Rn.
175; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
14 Rn.
114).

Der Beschluss vom 7.
Dezember 2006, welcher den Kläger "im Wege des besonderen Verfügungsverbots zur
gerichtlichen
Geltendmachung"
der streitgegenständlichen [X.] ermächtigte, ist dahingehend aus-zulegen, dass er
neben der Übertragung der Prozessführungsbefugnis die
materiellrechtliche Einziehungsermächtigung (vgl. hierzu [X.],
[X.], 2450, 2451) sowie
ein Verfügungsverbot hinsichtlich dieser Forderungen um-fasste.
Ohne die Einziehungsermächtigung hätte der Kläger auf Zahlung an die Schuldnerin antragen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Februar 1994 -
VII
ZR 34/93, [X.]Z 125, 196, 204 unter
d); ohne das Verfügungsverbot wäre die Schuldnerin nicht daran gehindert gewesen, ihrerseits die gerichtliche Durch-setzung der [X.] zu betreiben. Beides war im Zweifel nicht gewollt.

b) Entgegen §
21 Abs.
1 Satz
1 [X.] und trotz des gegenteiligen Wort-lauts des Beschlusses vom 7. Dezember 2006 dient die dem Kläger erteilte [X.] zur Einziehung der [X.] allerdings nicht dazu, ei-ne den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des [X.] zu verhüten. Die von der [X.] bestrittenen Forderungen stellen die einzigen Vermögensgegenstände der Schuldnerin dar. Der Kläger will sie
sei-ner eigenen Darstellung nach
einziehen, um so Masse zur Deckung der [X.] zu schaffen. Dies ist in der [X.] nicht vorgesehen.
Der vorläufige Verwalter hat nicht die Aufgabe, das Schuldnervermögen zu ver-werten ([X.], Beschluss vom 14.
Dezember 2000 -
IX
ZB 105/00, [X.]Z 146, 165, 176 unter
d; vom 13.
Juli 2006 -
IX
ZB 104/05, [X.]Z 168, 321 Rn.
22; HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
22 Rn.
14, 16).
Fällige Forderungen des Schuld-10
11
-
7
-
ners gegen Drittschuldner darf er außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs, den es im vorliegenden Fall nicht gab, nur einziehen, um drohender Verjährung oder Uneinbringlichkeit vorzubeugen, nicht jedoch allein zur Masseanreiche-rung ([X.], Beschluss vom 18.
Dezember 2003 -
IX
ZB 28/03, [X.], 381, 382;
[X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
22 Rn.
35a).

Die Frage der [X.] ist in §
26 [X.] geregelt. Das Verfahren ist zu eröffnen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken, oder wenn ein aus-reichender Vorschuss geleistet wird. Ist dies nicht der Fall, ist der Eröffnungsan-trag abzuweisen.
Auf den Sonderfall
des §
26 Abs.
3, 4 [X.] braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen
zu werden. Wenn die streitgegenständli-chen Forderungen also eine ausreichende Grundlage für die Eröffnung des [X.] boten, hätte das Verfahren eröffnet werden müssen; war dies aus Rechtsgründen oder wegen Uneinbringlichkeit nicht der Fall, hätte der Eröff-nungsantrag abgewiesen werden müssen.

c) Eine Anordnung, welche eine Behörde innerhalb des ihr zugewiese-nen Geschäftskreises trifft, darf aus Gründen der Rechtssicherheit in ihrer Wirk-samkeit
jedoch
nicht allein deshalb in Frage gestellt werden, weil sie mit dem Verfahrensrecht nicht im Einklang steht
([X.], Urteil vom 10.
Dezember 2009
-
IX
ZR 206/08, [X.], 99 Rn.
13).
Nichtig und ohne jede rechtliche Wirkung ist die Anordnung nur dann, wenn sie offensichtlich jeder gesetzlichen Grundla-ge entbehrt ([X.], Urteil
vom 17.
Dezember 1992 -
IX
ZR 226/91, [X.]Z 121, 98, 101;
vom 24.
Mai 2007 -
IX
ZR 97/04, [X.]Z 172, 278 Rn.
15; vom 20.
März 2008
-
IX
ZR 2/07, [X.], 838 Rn.
8; vom 10.
Dezember 2009, aaO). Das ist hier nicht der Fall, weil ein Verfügungsverbot hinsichtlich der streitgegen-ständlichen Kaufpreisansprüche und die Ermächtigung, diese Ansprüche ge-12
13
-
8
-
richtlich geltend zu machen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des §
21 Abs.
1 Satz
1 [X.] rechtlich zulässig
gewesen wäre.

2.
Die Schuldnerin
hat
der [X.] von dieser bestellte Waren geliefert und mit insgesamt 189.312

des vertraglich vereinbarten Einbehalts
für künftige Retouren sowie
einer Zahlung von 58.904,90

ergibt sich der zugesprochene Betrag von 112.543,70

Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt stehen der [X.] [X.] weitere Gegenrechte
aus Retouren
zu.

a) Die Vertragsparteien hatten ein voraussetzungsloses
und unbefriste-tes
Retourenrecht vereinbart. Feststellungen dazu, ob dieses durch Erklärung auszuüben war oder ob
zusätzlich
die retournierte Ware
zurückgesandt werden musste, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Beklagte hat hierzu
unwi-dersprochen und
unter Beweisantritt vorgetragen, eine Rücksendung der Wa-ren sei nicht erforderlich
gewesen, weil die Schuldnerin kein eigenes Lager vor-gehalten habe.
Hiervon ist im Folgenden auszugehen. Auf den
weiteren Vortrag der [X.], das Geschäftslokal der Schuldnerin sei geschlossen, und der Kläger habe trotz mehrfacher Nachfragen abgelehnt, eine Lieferanschrift für die Rücksendung der Waren anzugeben, kommt es angesichts dessen nicht an.

b) Das Berufungsgericht hat gemeint, den Zugang der Belastungsanzei-ge vom 28.
Juni 2007 bei der Schuldnerin nicht feststellen zu können, weil der Kläger ihn zulässig mit Nichtwissen bestritten habe (§
138 Abs.
4 ZPO). Ein
Bestreiten mit Nichtwissen war jedoch unzulässig. Der Insolvenzverwalter muss die Geschäftsunterlagen des Schuldners sichten und erforderlichenfalls den Schuldner
(hier: den Geschäftsführer der Schuldnerin)
befragen. Erst wenn sei-ne Erkundigungen keinen Aufschluss erbracht haben, darf sich der Insolvenz-14
15
16
-
9
-
verwalter unter nachvollziehbarer Darlegung der von ihm unternommenen Be-mühungen pauschal mit Nichtwissen
erklären (vgl. [X.], Urteil vom 1.
Dezem-ber 2005 -
IX
ZR 95/04, [X.], 192, 194). Für den vorläufigen Insolvenzver-walter gilt nichts anderes.
Seine Möglichkeiten, Informationen einzuholen, ent-sprechen denjenigen eines Insolvenzverwalters.
Gemäß §
22 Abs.
3 Satz
2
[X.] hat der Schuldner dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen [X.] zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; die Vorschriften
der §§
97, 98 und 101 Abs.
1 Satz
1
und
2, Abs.
2 [X.] gelten ent-sprechend.

c) Ob die Belastungsanzeige bei der Schuldnerin eingegangen ist oder nicht, ist überdies aus Rechtsgründen nicht von Bedeutung. Entgegen der An-sicht des Berufungsgerichts
reicht der Zugang der Erklärung bei den vorinstanz-lichen Prozessbevollmächtigten des [X.] aus.

aa) Der Kläger
ist
kraft der ihm erteilten [X.] zur Entge-gennahme aller Erklärungen befugt, welche die von ihm einzuziehenden
Forde-rungen
betreffen.
Wie gezeigt, umfasst die Ermächtigung die Prozessführungs-befugnis, die Einziehungsermächtigung und die Verwaltungs-
und Verfügungs-befugnis hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderungen. Jede einzelne Befugnis begründet schon für sich genommen die Empfangszuständigkeit des [X.]
für Rückgabe-
und Verrechnungserklärungen
der [X.] entspre-chend §
388 [X.]. Wird eine Forderung im Wege der Prozessstandschaft gel-tend gemacht, kann der Prozessgegner im Verfahren mit Forderungen gegen den [X.] aufrechnen ([X.]/Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., Vor §
50 Rn.
57; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., Vor §
50 Rn.
96); denn die gewählte Art der Prozessführung darf den Prozessgegner nicht unbillig be-17
18
-
10
-
nachteiligen. Liegt eine materiellrechtliche Einziehungsermächtigung vor, wird die Rechtsstellung des Schuldners nicht dadurch beeinträchtigt, dass ihm statt des Gläubigers der [X.] gegenübertritt. Rechtshandlungen zwischen ihm und dem [X.]n muss der Ermächtigende ebenso gegen sich gelten lassen, als wenn er sie selbst oder durch einen Bevollmächtigten mit dem Schuldner vorgenommen hätte ([X.] 73,
306, 309; RGRK/[X.], [X.], 12.
Aufl., §
398 Rn.
165; vgl. zu §
166 Abs.
2 [X.] [X.], Beschluss vom 24.
März 2009 -
IX
ZR 112/08, [X.], 814 Rn.
4). Der Schuldner kann dem [X.]n alle Einwendungen entgegenhalten, die ihm dem Gläubiger ge-genüber zustehen ([X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., §
398 Rn.
35; [X.]/
[X.], [X.], 13.
Aufl., §
398 Rn.
39).
Im Falle einer Aufrechnung

hat der Schuldner den [X.]n als Adressaten seiner Aufrechnungserklä-rung zu betrachten, während sich die Gegenseitigkeit nach der Person des Er-mächtigenden bemisst, der Inhaber der Forderung geblieben ist (Nörr/
[X.], [X.], 1.
Aufl., §
11 IV
d (S.
192); [X.]/[X.], [X.] [2011], §
387 Rn.
23; §
388 Rn.
7; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
398 Rn.
49).
Wer verfügungsbefugt ist, ist gemäß §
388 Satz
1 [X.] Adressat der Aufrechnungserklärung ([X.] 56, 362, 364). Das gilt für den (endgültigen) Insolvenzverwalter ([X.], Urteil vom 12.
Oktober 1983 -
VIII
ZR 19/82, NJW 1984, 357, 358 unter [X.]; [X.]/[X.], [X.] [2011], §
388 Rn.
7)
ebenso wie für den "starken"
vorläufigen Verwalter (§
21 Abs.
2 Nr.
2 Fall
1, §
22 Abs.
1 Satz
1 [X.]) sowie den vorläufigen Verwalter, dem eine [X.] erteilt worden ist, in Bezug auf den hiervon betroffenen Vermögensgegenstand.

[X.]) Die anwaltliche Prozessvollmacht berechtigt regelmäßig zur Abgabe und Entgegennahme aller
Erklärungen, die zum Angriff und zur Verteidigung erforderlich sind, auch wenn sie zugleich materiellrechtliche Wirkung haben
(vgl. [X.] 50, 426, 427; 53, 148; 53, 212, 213; 63, 411, 413;
[X.], Urteil vom 19
-
11
-
12.
Oktober 1983 -
VIII ZR 19/82, NJW 1984, 357, 358 unter
[X.];
[X.]/
Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., §
81 Rn.
10; [X.]/[X.], aaO, §
145 Rn.
11; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
388 Rn.
2; Soergel/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
388 Rn.
2; jeweils zu Aufrechnungserklärungen).

III.

Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als rich-tig

561 ZPO).

1.
Die Revisionserwiderung meint, die [X.], welche das Berufungsgericht angenommen hat, sei durch die Anordnung einer Verfü-gungsbeschränkung im Beschluss vom 13.
Oktober 2006 unwirksam geworden; gleiches gelte für etwaige Vorausverfügungen der Schuldnerin im Distributions-vertrag. Sie verweist hierzu auf die Rechtsprechung des [X.] zur [X.].
Danach hat die Anordnung von [X.] im Eröffnungsverfahren keinen Einfluss auf die (schuldrechtliche)
Kon-tokorrentabrede. Diese
erlischt
vielmehr
gemäß §§
115, 116 [X.] erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ([X.], Urteil vom 25.
Juni 2009 -
IX
ZR 98/08, [X.]Z 181, 362 Rn.
10). [X.] wirken sich jedoch auf die im [X.] enthaltenen antizipierten Verrechnungsvereinba-rungen aus
(grundlegend [X.], Urteil vom 4.
Mai 1979 -
I
ZR 127/77, [X.]Z 74, 253, 254
f). Ist ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden, kann die konto-führende Bank
weiterhin Überweisungsverträge mit dem Schuldner schließen. Ohne die Zustimmung des vorläufigen Verwalters kann sie den
Überweisungs-betrag
jedoch
nicht
mehr
in das Kontokorrent einstellen ([X.], Urteil vom 5.
Februar 2009 -
IX
ZR 78/07, [X.], 307 Rn.
21; [X.]/[X.], [X.], 20
21
-
12
-
§
24 Rn.
6; HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
24 Rn.
5 a.E.).
Die
im Kontokorrentver-trag enthaltenen Verfügungsvereinbarungen besagen, dass künftige Forderun-gen lediglich zur Verrechnung zu stellen sind mit der Folge, dass sie nicht mehr selbständig geltend gemacht oder abgetreten werden können und als gestundet zu geltend haben; der antizipierte [X.] sieht vor, dass sich die Verrechnung am Ende einer Rechnungsperiode automatisch vollzieht ([X.], Urteil vom 4.
Mai 1979, aaO). Beides ist nicht mehr möglich, wenn der Schuld-ner nicht mehr uneingeschränkt verfügungsbefugt ist.

2.
Ein Kontokorrentverhältnis war
zwischen der Schuldnerin und der [X.] jedoch nicht vereinbart worden. In §
3 Abs.
1 des
Distributionsvertrags
war für die einzelnen Warenlieferungen ein Zahlungsziel von 30 Tagen vorge-sehen.
Die einzelnen Ansprüche aus § 433 Abs. 2 [X.], die der Kläger im vor-liegenden Verfahren geltend macht, sollten ihre rechtliche Selbständigkeit [X.] gerade nicht verlieren.
Auch Rechnungsabschlüsse waren nicht vorgese-hen.
Das Retourenrecht hat das
Berufungsgericht nachvollziehbar und von [X.] beanstandet dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte gelieferte Waren ohne Angabe von Gründen an die Schuldnerin zurückgeben durfte. Sie sollte
dafür eine Gutschrift
erhalten, in deren Höhe sie die von ihr zu leistenden Zahlungen kürzen durfte. Es handelte sich damit um eine rein schuldrechtliche Vereinbarung, die von der Anordnung der Verfügungsbeschränkung gemäß §
21 Abs.
2 Nr.
2 Fall
2 [X.] unberührt blieb.

3.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung steht die Vorschrift des §
96 Abs.
1 Nr.
3 [X.] der von der [X.] vorgenommenen Verrechnung nicht entgegen.

22
23
-
13
-

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass §
96 Abs.
1
Nr.
1 [X.] auf eine im Eröffnungsverfahren begründete Aufrechnungslage auch dann keine Anwendung findet, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzver-walter bestimmt
und Sicherungsmaßnahmen nach §
21 Abs.
2 [X.] getroffen hat ([X.], Urteil vom 29.
Juni 2004 -
IX
ZR 195/03, [X.]Z 159, 388, 390
ff; vgl.
auch [X.], Beschluss vom 4.
Juni 1998 -
IX
ZR 165/97, [X.], 1319 zu §
55 Nr.
1 KO).

b) Die Vorschrift des §
96 Abs.
1 Nr.
3 [X.], auf welche die Revision verweist, scheidet von vornherein aus, weil das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet worden ist. Die §§ 94 bis 96 [X.] stehen im Ersten Abschnitt des [X.] Teils der [X.], welcher die allgemeinen Wirkungen der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens behandelt. Im Eröffnungsverfahren
sind
sie nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Aufrechnungserklärungen von Gläubi-gern, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgläubiger wä-ren, sind bis zur Eröffnung gemäß den
allgemeinen Vorschriften der §§
387
ff [X.] auch dann
uneingeschränkt zulässig und wirksam, wenn ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet worden ist ([X.]/[X.], [X.], §
21 Rn.
67
ff; HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
24 Rn.
10;
HmbKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
24 Rn.
10;
FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
24 Rn.
12;
[X.] in [X.] zur [X.], 2.
Aufl., S.
193
ff Rn.
11; aA wohl Uhlen-bruck, [X.], 13.
Aufl.,
§
24 Rn.
7; unklar auch Graf-Schlicker/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
24 Rn.
6). Da der Anfechtungsanspruch erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht ([X.]
30, 71, 74; [X.], Urteil vom 3.
Dezember 1954 -
V
ZR 96/53, [X.]Z 15, 333, 337; vom 9.
Juli 1987 -
IX
ZR 167/86, [X.]Z 101, 286, 288; Beschluss vom 29.
April 2004 -
IX
ZB 225/03, [X.], 1390; vom 18.
Dezember 2008 -
IX
ZB 46/08,
Z[X.] 2009, 495 Rn.
10; vom 23.
Sep-tember 2010 -
IX
ZB 204/09, [X.], 73 Rn.
11) und die Vorschriften der 24
25
-
14
-
§§
129
ff [X.] erst von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an anwendbar sind (BT-Drucks. 12/2443, S.
156), kann das auf die Anfechtbarkeit der
Entste-hung der Aufrechnungslage gestützte
Aufrechnungsverbot
des §
96 Abs.
1 Nr.
3 [X.]
erst mit dem Eröffnungsbeschluss in [X.] treten.

IV.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben; die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Beru-fungsgericht zurückzuverweisen

563 Abs.
1 ZPO).
Dieses wird sich mit den Voraussetzungen und dem
Umfang des
von der [X.] eingewandten Re-tourenrechts
zu befassen haben.

Kayser

Raebel

[X.]

[X.]
Pape
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 22.12.2008 -
5 O 53/07 -

KG [X.], Entscheidung vom [X.] -
19 [X.] -

26

Meta

IX ZR 249/09

15.03.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. IX ZR 249/09 (REWIS RS 2012, 8125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8125

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 249/09

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