Bundessozialgericht, Urteil vom 13.02.2014, Az. B 4 AS 19/13 R

4. Senat | REWIS RS 2014, 7918

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Überprüfungsantrag - Rücknahme rechtswidriger nicht begünstigender Aufhebungs- und Erstattungsbescheide - Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht beglichenen Erstattungsforderung - keine Begrenzung durch die Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB 10 - Leistungsklage - Verzinsung)


Leitsatz

Die für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts geltende Verfallfrist schränkt die Überprüfung länger zurückliegender Aufhebungsbescheide auch dann nicht ein, wenn der Leistungsberechtigte die ursprüngliche Erstattungsforderung beglichen hatte (Fortführung von BSG vom 12.12.1996 - 11 RAr 31/96 = SozR 3-1300 § 44 Nr 19).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2013 teilweise aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19,75 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision wegen des Zinsanspruches zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung eines [X.].

2

Die Klägerin lebte mit ihrem damaligen Lebensgefährten und ihren beiden minderjährigen Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhielten im Zeitraum vom 1.6.2008 bis 30.11.2008 Leistungen nach dem [X.]B II.

3

Mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.10.2008 wurde die Leistungsbewilligung für die Klägerin in Höhe von 19,75 Euro aufgehoben und die Erstattung des Betrages verlangt. Nach einer Mahnung durch das Hauptzollamt erstattete der Lebensgefährte der Klägerin den geforderten Betrag im Zeitraum vor dem 5.8.2009.

4

Am 17.10.2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 23.10.2008. Daraufhin hob der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mit dem Bescheid vom 13.12.2011 auf. Eine Rückzahlung des fraglichen Betrages erfolgte nicht.

5

Die Klägerin hat beim [X.] Klage auf Rückzahlung des [X.] erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei als sog echte Leistungsklage zulässig. Der Umstand, dass der Lebensgefährte der Klägerin der Rückzahlungspflicht nachgekommen sei, berühre das Leistungsverhältnis zwischen den Beteiligten nicht. Vielmehr bleibe die Klägerin gegenüber dem Beklagten aktiv legitimiert. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dem Klagebegehren stehe § 40 Abs 1 [X.]B II in der seit 1.4.2011 geltenden Fassung iVm § 44 Abs 4 [X.]B X entgegen. Mit Rücksicht auf die Stellung des Antrages am 17.10.2011 gelte die kürzere Jahresfrist des § 40 Abs 1 S 2 [X.]B II. Danach habe der Beklagte den Überprüfungsantrag bereits wegen Verfristung ablehnen müssen. Aus dem Umstand, dass der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13.12.2011 aufgehoben habe, ergebe sich ein Anspruch ebenfalls nicht. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin könne - nachdem der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufgehoben worden sei - nur der letzte Bewilligungsbescheid sein. Für die Nachzahlung von Sozialleistungen gelte die Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 [X.]B X ohne Weiteres. Habe der Leistungsberechtigte bereits erhaltene Sozialleistungen erstattet und werde der Rückforderungsbescheid aufgehoben, begehre er erneut die Auszahlung von Sozialleistungen. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht als Herstellungsanspruch oder öffentlich-rechtlicher Bereicherungsanspruch begründet.

6

Die Klägerin hat die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Auffassung, sie habe aus den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs einen Anspruch auf die Zahlung. § 44 Abs 4 [X.]B X schränke allenfalls die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen ein. Bei der Rückabwicklung rechtsgrundloser Zahlungen handele es sich schon nicht um Sozialleistungen. Des Weiteren erbringe der Grundsicherungsträger die Leistungen nicht nachträglich.

7

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des [X.] vom 15. Februar 2013 zu verurteilen, an die Klägerin 19,75 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Sprungrevision (§ 161 [X.]G) der Klägerin ist im Wesentlichen begründet.

Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Klägerin ihr Begehren auf Rückzahlung des [X.] mit der echten Leistungsklage verfolgen kann (§ 54 Abs 5 [X.]G). Zwar ist richtige Klageart im Rahmen eines [X.] bei der Überprüfung einer rechtswidrigen Leistungsablehnung grundsätzlich die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (B[X.] [X.] 4-1300 § 44 Rd[X.] 9; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 4/12 R - NZS 2013, 518, jeweils mwN). Hier war jedoch die Besonderheit zu beachten, dass der [X.] auf den Antrag der Klägerin nach § 44 [X.]B X mit dem Bescheid vom 13.12.2011 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.10.2008 bereits aufgehoben hat und damit dem Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren der Klägerin insoweit nachgekommen ist. Dieser Bescheid enthielt jedoch keine Regelung zur Frage der Rückgewähr des [X.]. Einer zusätzlichen Anfechtung des Ablehnungsbescheides und eines auf die Rücknahme der belastenden Entscheidung gerichteten [X.] sowie einer Nachholung des [X.] bedurfte es daher ausnahmsweise nicht.

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf (Rück-)Zahlung von 19,75 Euro ist § 44 [X.]B X. Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift für die Vergangenheit stehen im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende - wie der erkennende Senat bereits ausdrücklich entschieden hat - keine über die gesetzlich normierten Einschränkungen hinausgehenden Besonderheiten des [X.]B II entgegen (B[X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.]).

1. Die Klägerin war zur Geltendmachung des Rückzahlungsbetrages materiell berechtigt. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass nach den Feststellungen des [X.] der damalige Lebensgefährte der Klägerin den von dem [X.]n auf der Grundlage des § 50 [X.]B X geforderten Erstattungsbetrag an diesen überwiesen hatte. Die Zahlung erfolgte allein mit Rücksicht auf das zwischen der Klägerin und dem [X.]n bestehende Sozialrechtsverhältnis und ist deshalb allein in diesem Verhältnis rückabzuwickeln. Eine andere Beurteilung könnte sich nur ergeben, wenn die Klägerin den hier streitigen Rückzahlungsanspruch wirksam an ihren früheren Lebensgefährten abgetreten hätte.

2. Nach dem Wortlaut des § 44 Abs 1 S 1 [X.]B X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder - hier nicht von Interesse - Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Zutreffend ist der [X.] zunächst davon ausgegangen, dass diese Regelung entsprechende Anwendung findet, soweit mit einem Aufhebungsbescheid eine Leistungsbewilligung zurückgenommen worden ist. Die entsprechende Anwendung folgt - wie der 11. Senat des B[X.] überzeugend ausgeführt hat (B[X.] [X.] 3-1300 § 44 [X.] 19; ebenso B[X.] [X.] 3-1300 § 44 [X.] 21 und 24; BVerwGE 97, 103, 107) - aus dem Regelungszweck der Vorschrift, die nicht nur Fälle erfasst, in denen den Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zwar Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch zurückgenommen worden ist. Dieser Rechtsprechung, der die Literatur überwiegend gefolgt ist (Baumeister in jurisPK-[X.]B X, 2013, § 44 Rd[X.] 65; Schütze in von [X.]/Schütze, 8. Aufl 2014, § 44 Rd[X.] 16 f; [X.] in LPK-[X.]B X, 3. Aufl 2011, § 44 Rd[X.] 22; [X.] in [X.], § 44 Rd[X.] 42, Stand September 2013), schließt sich der Senat an.

Der Senat geht davon aus, dass der Anspruch auf Rückzahlung des Betrages in Höhe von 19,75 Euro allein daraus folgt, dass der [X.] den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zurückgenommen und damit die Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen des [X.] beseitigt hat. Ob der [X.] den ursprünglichen - auf § 45 [X.]B X gestützten - Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.10.2008 zu Recht wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zurückgenommen hat, weil die Voraussetzungen des § 44 [X.]B X erfüllt waren, brauchte vom Senat im Übrigen nicht geprüft zu werden, weil der [X.] den fraglichen Bescheid bereits aufgehoben hat.

Zu der Aufhebung wäre der [X.] zwar ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, die rückwirkende Gewährung des Betrages sei nach § 44 Abs 4 [X.]B X iVm § 40 Abs 1 S 2 [X.]B II ausgeschlossen, nicht verpflichtet gewesen. Denn das B[X.] hat die Regelung des § 44 Abs 4 S 1 [X.]B X über ihren engen Wortlaut hinaus dahin ausgelegt, dass bereits die Rücknahme des belastenden Verwaltungsaktes bei Eingreifen der "[X.]" des § 44 Abs 4 [X.]B X "schlechthin" ausgeschlossen ist (B[X.] [X.] 3-1300 § 44 [X.] 1; B[X.] [X.] 3-6610 Art 5 [X.] 1). Die Verwaltung hat dementsprechend schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs 1 [X.]B X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für eine [X.] betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist liegen. Die zwingend anzuwendende Vollzugsregelung des § 44 Abs 4 [X.]B X steht folglich für länger zurückliegende [X.]en bereits dem Erlass eines Rücknahme- und [X.] entgegen. In anderem Falle darf die Verwaltung einen den Anspruch nach § 44 [X.]B X vollziehenden Verwaltungsakt nicht erlassen (B[X.] [X.] 3-1300 § 44 [X.] 1 [X.]), denn bereits die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs 4 [X.]B X noch zu erbringen sind (so etwa B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 4/12 R - Rd[X.] 10).

Aus dieser Begrenzung der Rücknahmeverpflichtung dürfte andererseits im Umkehrschluss folgen, dass die Verwaltung zur Anwendung der zwingend anzuwendenden Vollzugsregelung des § 44 Abs 4 [X.]B X verpflichtet bleibt, wenn sie den beanstandeten Verwaltungsakt ungeachtet einer etwaig eingreifenden Verfallfrist zurückgenommen hat. Hierbei ist hinsichtlich des [X.] nicht auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid zurückzugreifen. Denn der Anspruch auf die durch Verwaltungsakt zugesprochenen [X.]B II-Leistungen war von dem [X.]n durch Zahlung erfüllt (§ 362 BGB). Der bereits erfüllte [X.] lebt durch die Rücknahme der Aufhebungsentscheidung nicht wieder auf.

Hat die Verwaltung einen rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt zurückgenommen, so ergibt sich der Rückzahlungsanspruch unmittelbar aus § 44 Abs 4 S 1 [X.]B X. Diese Vorschrift ist vom B[X.] - soweit nicht eine länger zurückliegende [X.] betroffen ist - als zwingend anzuwendende Vollzugsregelung angesehen worden (B[X.] [X.] 3-1300 § 44 [X.] 1 [X.] mwN). Die genannte Regelung verpflichtet die zuständige Behörde nach der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zur Erbringung der bisher vorenthaltenen Leistungen. Sie folgt der dem [X.]B X zugrundeliegenden Unterscheidung von der Korrektur des [X.] von Verwaltungsakten einerseits (§§ 44 bis 49 [X.]B X) und dem Vollzug der Korrektur in finanzieller Hinsicht andererseits (§ 44 Abs 4, § 50 [X.]B X; vgl zu dieser Unterscheidung B[X.]E 61, 134, 156 f = [X.] 1300 § 48 [X.] 32). Diesem systematischen Konzept entspricht es, die Korrektur des [X.] jeweils unmittelbar mit dem finanziellen Ausgleich zu verkoppeln und eine nochmalige Prüfung der Aufhebungsvoraussetzungen bei der finanziellen Korrektur auszuschließen (so zum Verhältnis von § 48 Abs 1 [X.]B X und § 50 [X.]B X: B[X.] 1300 [X.] § 50 [X.] 16).

3. Der Senat kann dies aber im Ergebnis dahinstehen lassen, denn die Verpflichtung des [X.]n zur Rücknahme des [X.] und zur Erstattung des Rückzahlbetrages war ohnehin nicht durch die [X.] § 44 Abs 4 [X.]B X iVm § 40 Abs 1 S 2 [X.]B II ausgeschlossen. Nach § 44 Abs 4 S 1 [X.]B X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des [X.]B längstens für einen [X.]raum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme eines Verwaltungsaktes erbracht, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Der [X.]raum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Abs 4 S 2). Für die Berechnung tritt nach [X.] an die Stelle der Rücknahme der Antrag, wenn dieser zur Rücknahme führt. Diese Regelungen werden durch § 40 Abs 1 S 2 [X.]B II in der Weise modifiziert, dass anstelle des [X.]raums von vier Jahren ein [X.]raum von einem Jahr tritt. § 40 Abs 1 S 2 [X.]B II ist nach der Übergangsregelung in § 77 Abs 13 [X.]B II - hier mit Rücksicht auf den am 17.10.2011 gestellten Antrag nicht einschlägig - nicht anwendbar auf Anträge nach § 44 [X.]B X, die vor dem 1.4.2011 gestellt worden sind (zu den Gründen für die Übergangsregelung Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, § 77 Rd[X.] 30, Stand 10/11; [X.][X.] in Eicher, [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 77 Rd[X.] 27).

Eine entsprechende Anwendung des § 44 Abs 4 [X.]B X iVm § 40 Abs 1 S 2 [X.]B II auf die vorliegende Gestaltung scheidet allerdings aus, denn Voraussetzung für die Anwendbarkeit der genannten Regelung ist stets, dass infolge der unrichtigen Entscheidung Sozialleistungen nicht erbracht worden sind (B[X.] [X.] 3-1300 § 44 [X.] 19; vgl auch schon B[X.]E 68, 180 = [X.] 3-1300 § 44 [X.] 1). Der Senat folgt auch insoweit der überzeugenden Entscheidung des 11. Senats des B[X.] ([X.] 3-1300 § 44 [X.] 19), der eine Anwendung des § 44 Abs 4 [X.]B X ausgeschlossen hat, soweit eine Erstattungsforderung des Leistungsträgers gegen einen Leistungsbezieher über eine bestimmte Geldsumme streitig ist. Danach rechtfertigt es insbesondere der Zweck der Vorschrift nicht, sie auch auf Fälle auszudehnen, in denen es nicht um rückwirkend zu erbringende Sozialleistungen geht. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift lediglich die materiell-rechtliche Begrenzung rückwirkender Leistungsansprüche prinzipiell für [X.] (BT-Drucks 8/2034 [X.]4). Die analoge Übertragung der Regelung auf die Rücknahme von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden scheitert deshalb daran, dass ein dem geregelten nicht vergleichbarer Sachverhalt zu beurteilen ist. Denn die Klägerin fordert nicht die rückwirkende Gewährung von Sozialleistungen, sondern die Rückzahlung eines zu Unrecht geleisteten [X.].

Die vom 11. Senat des B[X.] entwickelten Grundsätze sind auf die vorliegende Gestaltung übertragbar. Zwar unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall - worauf das [X.] zu Recht hingewiesen hat - von demjenigen Sachverhalt, der der Entscheidung des 11. Senats zugrunde lag, dadurch, dass die Verwaltung den Leistungsberechtigten wegen einer Geldforderung aus dem ursprünglichen Rücknahmebescheid noch aktuell in Anspruch genommen hatte. Hingegen war der im vorliegenden Verfahren streitige Erstattungsbetrag in Höhe von 19,75 Euro an den [X.]n bereits gezahlt worden, sodass es um die Rückgewähr dieses Geldbetrages geht. Hieraus folgt jedoch keine anderweitige Bewertung der Interessenlage. Vielmehr geht es auch in der vorliegenden Gestaltung um das rechtliche Schicksal einer von der Behörde rechtswidrig geltend gemachten Erstattungsforderung. Ausschlaggebend ist insoweit, dass derjenige rechtstreue Leistungsberechtigte, der eine von der Behörde geltend gemachte rechtswidrige Erstattungsforderung beglichen hat, im Ergebnis nicht schlechter stehen kann, als wenn diese Zahlung unterblieben wäre. Zudem greift unabhängig von der Frage der auf der Grundlage des § 50 [X.]B X durch den Leistungsberechtigten erfolgten Erstattung in beiden Konstellationen die Grundüberlegung für die Beschränkung des § 44 Abs 4 [X.]B X, dass laufende Sozialleistungen wegen ihres [X.] nicht für einen längeren [X.]raum nachgezahlt werden sollen (BT-Drucks 8/2034 [X.]4; vgl auch Schütze in von [X.]/Schütze, [X.]B X, 8. Aufl 2014, § 44 Rd[X.] 28; aA Baumeister in jurisPK-[X.]B X, 2013, § 44 Rd[X.] 113, der auf die Schaffung von Rechtssicherheit abstellt), nicht ein. Die Nachzahlung von rechtswidrig vorenthaltenen Sozialleistungen kann dem Einbehalten von rechtswidrig erlangten Erstattungsbeträgen wertungsmäßig nicht gleichgestellt werden.

4. Die Revision ist jedoch hinsichtlich der begehrten Verurteilung des [X.]n zur Zahlung von Zinsen seit Rechtshängigkeit unbegründet; insoweit erfolgte die Klageabweisung zu Recht. Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr des ursprünglich an den [X.]n gezahlten [X.] handelt es sich nicht um eine Geldleistung iS des § 44 Abs 1 [X.]B I. Unter Geldleistung im Sinne der Regelung über die Verzinsung von Ansprüchen im [X.]B sind grundsätzlich nur Sozialleistungen zu verstehen (vgl nur [X.] in [X.], 3. Aufl 2013, § 44 Rd[X.] 2; Wagner, jurisPK-[X.]B I, 2. Aufl 2012, § 44 Rd[X.] 14 jeweils mwN). Nicht ausreichend ist insoweit, dass der Rückzahlung des [X.] ursprünglich die Gewährung von Sozialleistungen zugrunde lag. Der Klägerin kann auch kein Anspruch auf [X.] (§ 288 BGB) oder Prozesszinsen (§ 291 BGB) zugebilligt werden. Ein derartiger Anspruch kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn der [X.] nicht nach § 44 [X.]B I zu verzinsen ist (vgl nur B[X.]E 71, 72 = [X.] 3-7610 § 291 [X.] 1 zu einem Anspruch auf Rückerstattung von vom Arbeitgeber zu Unrecht erstattetem Arbeitslosengeld).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 19/13 R

13.02.2014

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Cottbus, 15. Februar 2013, Az: S 31 AS 727/12, Urteil

§ 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 44 Abs 4 S 1 SGB 10, § 44 Abs 4 S 2 SGB 10, § 44 Abs 4 S 3 SGB 10, § 50 Abs 1 SGB 10, § 54 Abs 4 SGG, § 54 Abs 5 SGG, § 40 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.03.2011, § 77 Abs 13 SGB 2, § 44 Abs 1 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.02.2014, Az. B 4 AS 19/13 R (REWIS RS 2014, 7918)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7918

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