Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.08.2021, Az. 6 StR 84/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 3379

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Gegenstand

Zeugnisverweigerungsrecht: Gestattung der Verwertung eines früheren polizeilichen Zeugenaussage


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. August 2020 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen stach der Angeklagte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit mit einem Küchenmesser achtzehnmal auf den [X.]     ein, um ihn zu töten. Den ersten Stich setzte er im Verlauf einer Unterhaltung, die nach anfänglicher, vom Angeklagten ausgehender Aggression einen ruhigen und friedlichen Fortgang genommen hatte. Der Angeklagte nutzte hierzu einen Moment aus, in dem sich der Geschädigte keines Angriffs versah. Er ging beim letzten Stich in den Rücken des fliehenden Geschädigten davon aus, alles für dessen Tod Erforderliche getan zu haben. Dieser konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden.

3

2. [X.] Erörterung bedarf lediglich die Rüge der Verletzung von § 252 [X.]. Ihr liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

4

Die Mutter des Angeklagten machte in der Hauptverhandlung nach Belehrung „gemäß § 52 [X.]“ von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Auf Nachfrage erklärte sie, dass „ihre Angaben im Ermittlungsverfahren eingeführt und verwendet werden können“. Hierauf führte das [X.] die Angaben der Mutter durch Zeugnis des Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung ein. Gegenstand der Aussagen waren unter anderem ihre Aussagen betreffend den Werdegang ihres [X.] und eine von diesem in der [X.] an sie geschriebene [X.].

5

a) [X.] wendet sich ausdrücklich nur gegen die Verwertung der mütterlichen Angaben für die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen. Ein darüberhinausgehender Angriff – etwa zu der vom [X.] zum Beleg des Tötungsvorsatzes und des Rücktrittshorizonts verwerteten [X.] – ist der Revisionsbegründung auch nicht sinngemäß zu entnehmen. An diese Disposition des Revisionsführers ist der [X.] gebunden (vgl. [X.], Urteile vom 3. Mai 2018 – 3 StR 390/17, [X.], 227; vom 6. Januar 2021 – 5 [X.], [X.], 287; Beschluss vom 7. April 2020 – 6 StR 52/20, [X.]St 64, 301; Cirener, NStZ-RR 2012, 65 mwN).

6

b) Die so in ihrer Stoßrichtung eingeschränkte Rüge ist zulässig. Die Revision teilt die Angaben der Mutter zur persönlichen Entwicklung des Angeklagten mit. Der [X.] kann deshalb offenlassen, ob bei einem Angriff auch gegen die Feststellungen zur Sache die dahingehenden Aussagen vorzubringen gewesen wären (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Juli 2007 – 1 StR 296/07, [X.], 712; vom 20. Mai 2015 − 1 [X.], [X.], 656; [X.]/[X.], [X.], 27. Aufl. 2019, § 252 Rn. 52).

7

c) [X.] dringt nicht durch.

8

aa) Allerdings durfte das Tatgericht die Aussage des Vernehmungsbeamten über die Angaben der Mutter des Angeklagten nicht heranziehen. Denn die Vorschrift des § 252 [X.] schließt jede Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage aus. Zwar kann der sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufende Zeuge die Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren gestatten; dies setzt aber eine qualifizierte Belehrung über die Folgen dieser Freigabe voraus (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, [X.]St 45, 203, 207; Beschlüsse vom 10. Februar 2015 – 1 StR 20/15, [X.], 232; vom 25. August 2020 – 2 [X.], [X.], 58 mwN). Das insoweit schweigende Sitzungsprotokoll beweist (§ 274 [X.]; vgl. [X.], Beschluss vom 26. September 2006 – 4 [X.], [X.], 352), dass die Mutter des Angeklagten nicht entsprechend belehrt worden ist.

9

bb) Der [X.] kann jedoch ausschließen, dass der Rechtsfolgenausspruch auf diesem Verfahrensfehler beruht. Denn das [X.] hat die hierfür maßgeblichen Erkenntnisse über Werdegang und persönliche Verhältnisse des Angeklagten im Wesentlichen auf die Angaben des Sachverständigen – dem gegenüber sich der Angeklagte insoweit geäußert hatte – gestützt.

[X.]     

      

[X.]     

      

König 

      

Feilcke     

      

Tiemann     

      

Meta

6 StR 84/21

11.08.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Cottbus, 31. August 2020, Az: 21 Ks 1/20

§ 52 Abs 1 Nr 3 StPO, § 252 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.08.2021, Az. 6 StR 84/21 (REWIS RS 2021, 3379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3379

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