Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2019, Az. 5 StR 325/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3682

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:120919U5STR325.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5
StR
325/19

vom
12. September
2019
in der Strafsache
gegen

wegen
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

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Der 5.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom
12. Septem-ber
2019, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.] [X.],

Richterin
am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
Köhler

als beisitzende Richter,

Staatsanwalt beim [X.]

als Vertreter
des [X.]s,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des [X.] vom 18. Januar 2019 im Strafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels,
an eine andere [X.] zurückverwiesen.

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Von Rechts wegen
-

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und [X.] getroffen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wird, hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg.
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I.
1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt:
Der in [X.] bislang nicht vorbestrafte Angeklagte ist niederländi-scher Staatsangehöriger und lebt in [X.]. Dort war er seit Mitte 2016 arbeitslos und hatte Schulden. Im Juli 2017 lernte er in einer von Marok-.

lemen des Angeklagten erfahren hatte und ihn darauf ansprach, ob er für ihn Drogen transportieren könne. Der Angeklagte erklärte sich dazu bereit und transportierte im März 2018 für einen Kurierlohn von 1.500 Euro per Flugzeug von [X.] nach [X.] einen Koffer, in dem sich Drogen

mutmaß-lich MDMA

befanden.
Nach dieser nicht verfahrensgegenständlichen Tat bat

.

klagten im Juli 2018,
Drogen mit einem Lieferwagen nach [X.] zu transportieren. Der Angeklagte erklärte sich für einen Lohn von 2.000 bis 3.000 Euro dazu bereit. Am 16. Juli 2018 kam es in [X.] zur Übergabe eines
Iveco Kleintransporters, der Angeklagte erhielt
800 Euro für die Fahrt und .

halten. Zudem waren im Wagen ein Navigationsgerät mit der eingespeicherten Adresse eines [X.]er Hotels und

vom Angeklagten unbemerkt

ein GPS-Sender
eingebaut.
Der von der Fahrerkabine getrennte Frachtraum war leer, wie der Ange-klagte bei einer Kontrolle sah. Er ging davon aus, dass im Fahrzeug Betäu-.

schisch handelte, ging der Angeklagte
davon aus, dieses zu transportieren; bil-2
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ligend in Kauf nahm er eine Menge von ca. 15 kg, wobei er sich über die Quali-tät keine Gedanken machte. Tatsächlich befanden sich in einem zwischen [X.] und Frachtraum professionell verbauten Hohlraum 15 Pakete [X.] mit einem Nettogewicht von über 350 kg (3.718 Platten) und Wirkstoff-gehalten zwischen 28 und fast 34 Prozent ([X.] über 108 kg Tetrahydrocannabinol). Bei einer Kontrolle auf der Autobahn zwischen [X.] und [X.] entdeckten Zollbeamte das Rauschgift.
2. Unter Verbrauch des vertypten [X.] (§ 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG) hat das [X.] einen minder schweren Fall der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen. Bei der [X.] und der Strafzumessung im Einzelnen ist die [X.] von der Vorstellung des Angeklagten ausgegangen, höchstens 15 kg Haschisch einzuführen. Hinsichtlich der nicht vom Vorsatz umfassten größeren Menge treffe ihn aufgrund des nur schwer erkennbaren Hohlraums und der
mangels
Werkzeugs nicht gegebenen Möglichkeit der Kontrolle der mitgeführ-ten Betäubungsmittelmenge auch nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit, so dass dies keine strafschärfende Berücksichtigung finden könne.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Straf-ausspruchs.
1. Die Revision ist ausweislich ihrer Begründung wirksam auf den Straf-ausspruch beschränkt, denn die Staatsanwaltschaft bemängelt weder Schuld-spruch noch Einziehungsentscheidung, sondern lediglich, dass bei der Straf-6
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rahmenwahl und der Strafzumessung im Einzelnen von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen sei.
2. In diesem Umfang hat das Rechtsmittel
überwiegend
Erfolg.
a) Zwar ist die Beweiswürdigung zu der Frage, welche Betäubungsmit-telmenge vom Vorsatz des Angeklagten erfasst war, eingedenk des [X.] (vgl. zum bedingten Vorsatz bezüglich derartiger [X.]n [X.], Urteile vom 5. Juli 2017

2 [X.], und
vom 21. April 2004

1 [X.]; Beschluss vom 31. März 1999

2 [X.], [X.], 467) noch nicht zu beanstanden. Denn das [X.] hat die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten nicht ungeprüft übernommen, sondern auf das professionelle und vom Angeklagten nicht er-kennbare Versteck, die Möglichkeit weniger voluminöser Verstecke im Fahr-zeug, das Fehlen von Finger-
und Handflächenspuren des Angeklagten an den Drogenpaketen
und die Einschätzung der als Zeugen vernommenen Zollbeam-ten abgestellt, sie hätten bei der Fahrzeugkontrolle allenfalls mit einer [X.] von 10 bis 15 kg gerechnet.
Damit hat die [X.] alle nach den Feststellungen wesentlichen Umstände des Falls erwogen und Zwei-fel an der billigenden Inkaufnahme des Transports einer [X.] nicht aus-zuräumen vermocht. Diese dem Tatgericht obliegende Würdigung, die weder Würdigungslücken noch sonstige Rechtsfehler enthält, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
b) Keinen Rechtsfehler enthält auch die Berücksichtigung des vertypten [X.] der Beihilfe, denn die [X.] hat diese Erwägung zutreffend lediglich im Rahmen
der Prüfung verwendet, ob auch ein minder 9
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schwerer Fall des Handelstreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 2 BtMG anzunehmen ist.
c) Rechtsfehlerhaft hat die [X.] allerdings einen Fahrlässigkeits-vorwurf des Angeklagten bezüglich der vom Vorsatz nicht erfassten Mehrmen-ge verneint
und ist deshalb für die Strafzumessung von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen.
aa) Führt der Täter eine Rauschgiftmenge ein, die tatsächlich größer ist, als er sich vorstellt, darf die von seinem Vorsatz nicht erfasste [X.] nur dann als tatschulderhöhend gewertet und mithin als strafschärfend berücksich-tigt
werden, wenn ihn insoweit der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft (vgl. [X.],
aaO und Urteil vom 6. September 1995

2 [X.], [X.], 90).
Bei de-ren Prüfung hat die [X.] einen verkürzten rechtlichen Maßstab ange-legt, indem sie darauf abgestellt
hat, der Angeklagte habe das professionelle [X.] nicht erkennen und mangels Werkzeugs nicht kontrollieren können.
bb) Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konn-te, wenn gerade diese Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeiführt
(st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 20. September 2017

1 [X.], [X.]St 63, 11 mwN).
Ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, bestimmt sich nach den
vom Täter in der konkreten Lebenssituation zu erbringenden Sorgfaltsanforderungen.
Vorhersehbar ist, was der Täter nach seinen persönli-chen Kenntnissen und Fähigkeiten in der konkreten Tatsituation als möglich hätte vorhersehen können, sofern sich die eingetretenen
Folgen
innerhalb der Lebenserfahrung bewegen; sie müssen nicht in allen Einzelheiten vorhersehbar 12
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sein ([X.], Urteil vom 4. September 2014

4 StR 473/13, [X.] NJW 2015, 96). Vielmehr kann einem Täter auch zur Last gelegt werden, dass er in einer [X.] gehandelt hat, obwohl die möglichen Folgen für ihn
ungewiss und nicht vo-raussehbar
waren
(vgl. [X.]/[X.] in
Schönke/[X.], 30. Aufl., §
15 Rn. 200 f. mwN). In diesem Zusammenhang ist besonders von [X.], inwieweit der Täter Veranlassung hatte anzunehmen, sein Verhalten sei in Hinblick auf das geschützte Rechtsgut riskant ([X.]/[X.], aaO,
Rn. 201 mwN).
cc) Nach diesen Maßstäben ist dem Angeklagten auf der Grundlage der [X.] Feststellungen der [X.] in Hinblick auf die von sei-nem Vorsatz nicht umfasste [X.] ein [X.] zu machen. Er hat ein
sehr großes
Fahrzeug (Transporter) über die Grenze gefahren, in dem eine ihm völlig unbekannte Menge Rauschgift
so verbaut war, dass man sie nicht sehen konnte. Die bewusste Übernahme des [X.] war objektiv und subjektiv pflichtwidrig. Weil ihm gegenüber keinerlei Angaben zu den transportierten Rauschgiftmengen gemacht worden waren, er das [X.] nicht kannte und ihm zudem ein großes Lieferfahrzeug übergeben wurde,
bei
dem

anders als bei einem Kleinwagen

auch ganz erhebliche Drogenmengen verborgen werden können, lag es innerhalb des objektiv wie subjektiv Vorhersehbaren, dass der Transport auch mehrere hundert Kilo Rauschgift umfassen konnte. Dass der Angeklagte das Rauschgiftversteck nicht selbst untersuchen und prüfen konnte, ist ohne Relevanz
(vgl. demgegen-über

nicht tragend

[X.], Urteil vom 6. September 1995

2 [X.], [X.], 90). Denn ihm ist insoweit vorzuwerfen, dass er die für das Rechtsgut der Volksgesundheit riskante
Einfuhrfahrt angetreten hat, ohne die Menge der transportierten Drogen überhaupt prüfen zu können.
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3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte [X.] auf die [X.] und die Strafzumessung im Einzelnen ausgewirkt hat. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen [X.] bestehen bleiben, weil es sich um einen bloßen Wertungsfehler des Land-gerichts handelt (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); insoweit bleibt die Revision der Staatsanwaltschaft erfolglos.
Die Feststellungen
können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
4. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (vgl. § 301 StPO) hat die Überprüfung des Urteils im angefochtenen Umfang nicht ergeben.
Mutzbauer
[X.]

[X.]

[X.]

Köhler

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Meta

5 StR 325/19

12.09.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2019, Az. 5 StR 325/19 (REWIS RS 2019, 3682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3682

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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