1. Senat | REWIS RS 2014, 4602
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Hinzurechnung eines sog. negativen Aktiengewinns aus der Rückgabe von Anteilsscheinen an einem Wertpapier-Sondervermögen zum Steuerbilanzgewinn
Der in § 40a Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG vom 23. Oktober 2000 enthaltene Verweis auf § 8b Abs. 2 KStG 2002 umfasst nicht zugleich die Rechtsfolge des § 8b Abs. 3 KStG 2002 als Rechtsgrundlage für die Hinzurechnung eines sog. negativen Aktiengewinns aus der Rückgabe von Anteilsscheinen an einem Wertpapier-Sondervermögen zum Steuerbilanzgewinn.
I. Streitig ist, ob im Zuge einer Rückgabe von Anteilen an inländischen Investmentfonds bei der Gewinnermittlung eines körperschaftsteuerpflichtigen Anteilsscheininhabers eine außerbilanzielle Hinzurechnung wegen eines sog. negativen Aktiengewinns zu berücksichtigen ist (Streitjahr 2002).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein genossenschaftliches Kreditinstitut, hielt alle Anteilsscheine an einem [X.]. Im Streitjahr erzielte sie aus der Rückgabe der Anteilsscheine einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 70.000 €, der einen besitzanteiligen sog. negativen Aktiengewinn in Höhe von 221.145 € enthält. Dabei handelt es sich um einen die Substanz des [X.] betreffenden "[X.]", der sich auf den Rücknahmepreis der Anteilsscheine am [X.] ausgewirkt hat.
Im [X.] an eine Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) den Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr und rechnete den sog. negativen Aktiengewinn dem [X.] hinzu. Dazu verwies er auf § 40a Abs. 1 Satz 2 und § 43 Abs. 18 des [X.] ([X.]) i.d.[X.] zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 ([X.], 2840, [X.], 14) --[X.] n.F.-- i.V.m. § 8b Abs. 3 des [X.] ([X.] 2002). Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) München, [X.], mit Urteil vom 17. März 2009 6 K 3474/06, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2009, 1053, ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr dahingehend zu ändern, dass die Hinzurechnung gemäß § 8b Abs. 3 [X.] 2002 aus dem Verkauf der Anteile an dem [X.] von 221.145 € rückgängig gemacht wird.
Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des [X.] und zur Festsetzung der Körperschaftsteuer 2002 ohne Berücksichtigung einer Hinzurechnung gemäß § 8b Abs. 3 [X.] 2002 aus dem Verkauf der Anteile an dem [X.] von 221.145 €.
1. Nach § 8b Abs. 3 [X.] 2002 sind zwar Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in § 8b Abs. 2 [X.] 2002 genannten Anteil entstehen, bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. Anteil i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 1 [X.] 2002 ist dabei u.a. ein Anteil an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) gehören.
2. Bei der Einkommensermittlung der Klägerin ist aus dem Verkauf der Anteilsscheine eine außerbilanzielle Hinzurechnung gemäß § 8b Abs. 3 [X.] 2002 jedoch nicht vorzunehmen.
a) Eine unmittelbare Anwendung des § 8b Abs. 3 (i.V.m. Abs. 2) [X.] 2002 kommt im Streitfall nicht in Betracht. Denn die von der Klägerin gehaltenen Anteilsscheine an dem [X.] sind dem sachlichen Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 Satz 1 [X.] 2002 nicht zuzurechnen. Sie sind keine Anteile an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, da das [X.] zivilrechtlich eine in der Vertragsform gegründete nichtrechtsfähige Vermögensmasse bildet; den Erträgen aus den [X.] liegt damit kein Gesellschaftsverhältnis zugrunde (vgl. § 6 Abs. 1 [X.]). Das [X.] gilt nach § 38 Abs. 1 Satz 1 [X.] als Zweckvermögen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 [X.] 2002; es ist daher steuerrechtlich als Vermögensmasse anzusehen, an der die [X.] beteiligt sind, wobei die Anteilsscheine an dem [X.] aber zivilrechtlich keine Anteile an einer Vermögensmasse vermitteln, sondern lediglich Miteigentum bzw. Mitgläubigerschaft an den Finanzinstrumenten des Sondervermögens verbriefen (Senatsurteil vom 3. März 2010 I R 109/08, [X.], 351, m.w.[X.]; s.a. Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 I R 92/10, [X.], 106, [X.], 486; [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b [X.] Rz 122).
b) Das Abzugsverbot für sog. negative Aktiengewinne aus der Rückgabe von [X.] an einem [X.] ergibt sich nicht aus dem in § 40a Abs. 1 [X.] in der ursprünglich im Streitjahr geltenden Fassung des [X.] und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz --StSenkG--) vom 23. Oktober 2000 ([X.], 1433, [X.], 1428) enthaltenen Verweis auf § 8b Abs. 2 [X.] 2002.
aa) Gemäß § 40a Abs. 1 [X.] i.V.m. § 8b Abs. 2 [X.] 2002 bleiben Einnahmen aus der Rückgabe oder Veräußerung von [X.] an einem [X.], die zu einem Betriebsvermögen gehören, bei der Ermittlung des Einkommens eines körperschaftsteuerpflichtigen [X.]s außer Ansatz, soweit sie in § 3 Nr. 40 EStG 2002 oder § 8b Abs. 2 [X.] 2002 genannte, dem [X.] noch nicht zugeflossene oder als zugeflossen geltende Einnahmen enthalten oder auf Beteiligungen des [X.]s an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen entfallen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 gehören. Aus dem in § 40a Abs. 1 [X.] enthaltenen Verweis auf § 8b Abs. 2 [X.] 2002 ergibt sich die Steuerfreiheit des (positiven) sog. Aktiengewinns eines körperschaftsteuerpflichtigen [X.]s.
bb) § 40a Abs. 1 [X.] enthält zwar im Hinblick auf die Steuerfreiheit des Aktiengewinns eine Rechtsfolgenverweisung auf § 8b Abs. 2 [X.] 2002. Die Rechtsfolgenverweisung begründet indessen kein Abzugsverbot für sog. negative Aktiengewinne aus einem [X.]. Denn der in § 40a Abs. 1 [X.] enthaltene Verweis auf § 8b Abs. 2 [X.] 2002 schließt nicht die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 3 [X.] 2002 ein. Er führt vielmehr nur zur Anwendung der in § 8b Abs. 2 [X.] 2002 geregelten Steuerfreiheit auf die positiven Aktiengewinne aus den [X.] am [X.].
aaa) Auch wenn die Besteuerung von Erträgen aus Investmentfonds, was für Ausschüttungen insbesondere in § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 [X.] durch die Verweise auf § 8b Abs. 1 und 2 [X.] 2002 zum Ausdruck kommt, im Grundsatz einem sog. Transparenzprinzip folgt (Gleichbehandlung mit einer Direktanlage – z.B. Senatsurteil in [X.], 351; s.a. Senatsurteile vom 11. Oktober 2000 I R 99/96, [X.], 330, [X.] 2001, 22; vom 27. März 2001 I R 120/98, [X.] 2001, 1539; s.a. Beschluss des [X.] vom 17. Dezember 2013 1 BvL 5/08, [X.], 255, Rz 76), wird der Umfang der Geltung dieses Prinzips durch die einzelnen Spezialregelungen bestimmt (s. insbesondere Senatsurteil in [X.], 351; s.a. Urteile des [X.] vom 4. März 1980 VIII R 48/76, [X.], 287, [X.] 1980, 453; vom 7. April 1992 VIII R 79/88, [X.], 111, [X.] 1992, 786). Es liegt daher nur ein sog. eingeschränktes Transparenzprinzip (z.B. Senatsurteil in [X.], 351; BVerfG-Beschluss in [X.], 255, Rz 77) vor, das nicht geeignet ist, als teleologisches Leitprinzip fehlende Besteuerungstatbestände zu ersetzen (s.a. [X.], [X.] --DStR-- 2007, 1992, 1995 f.).
bbb) § 8b Abs. 3 [X.] 2002 knüpft zwar als korrespondierende Regelung zur Steuerfreiheit an die in § 8b Abs. 2 [X.] 2002 genannten Anteile an; für eine Anwendung des Abzugsverbots finden sich jedoch im Wortlaut des § 40a Abs. 1 [X.] keine Anhaltspunkte. Der dortige Verweis auf die Rechtsfolge des § 8b Abs. 2 [X.] 2002 vermittelt auch nicht zugleich einen Dispens von der anteilsbezogenen Tatbestandsvoraussetzung des § 8b Abs. 3 [X.] 2002. Der Gesetzgeber hat das Transparenzprinzip offensichtlich insoweit nur für sog. positive Aktiengewinne umgesetzt (so im Ergebnis auch der dem BVerfG-Beschluss in [X.], 255 zugrunde liegende Vorlagebeschluss des [X.] vom 22. Februar 2008 9 K 5096/07 K, [X.], 983, unter [X.]; s.a. [X.] in [X.]/Scherer, [X.]/[X.], § 40a [X.] Rz 19; Fock, Betriebs-Berater 2003, 1589, 1591; [X.]/[X.], [X.] 2003, 941, 949; [X.], Die Unternehmensbesteuerung 2008, 337, 343; Bacmeister/Reislhuber in [X.] [Hrsg.], Investmentsteuergesetz 2010, § 8 InvStG Rz 38 bis 40; anderer Ansicht z.B. [X.], Urteil vom 28. Februar 2008 7 K 917/07, [X.], 991; [X.], [X.], 1. Aufl., § 8b Rz 52, und 2. Aufl., § 8b Rz 49; [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, a.a.[X.], § 8b [X.] Rz 201). Der Verweis auf § 8b Abs. 2 [X.] in § 40a Abs. 1 [X.] setzt damit den auf das sog. Halbeinkünfteverfahren zurückzuführenden Gedanken der Vermeidung einer ertragsteuerlichen Doppelbelastung im Einnahmenbereich um und ergänzt insoweit für die Situation der Rückgabe oder Veräußerung von [X.] diejenige Freistellung, die in § 40 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 [X.] (insbesondere) für Ausschüttungen angewiesen ist. Dass in einem solchen Zusammenhang die Anwendung von § 8b Abs. 3 [X.] 2002 ausgespart bleiben kann, hat der Senat bereits in seinem Urteil in [X.], 106, [X.], 486 (im Zusammenhang mit § 8 des Investmentsteuergesetzes --InvStG--) festgehalten: Die [X.] zwischen der Steuerfreistellung des § 8b Abs. 2 [X.] 2002 und dem Abzugsausschluss des § 8b Abs. 3 [X.] 2002 (jeweils i.V.m. § 40a Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] n.F. als der Vorgängervorschrift zu § 8 Abs. 1 und 2 InvStG) ist nur eine typisierte, so dass insoweit keine zwingende Übereinstimmung und Spiegelbildlichkeit besteht (s. insoweit auch BVerfG-Beschluss in [X.], 255, Rz 77 f.).
c) § 40a Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F., der die Anwendung des § 8b Abs. 3 [X.] 2002 nunmehr ausdrücklich anweist, rechtfertigt die streitgegenständliche Hinzurechnung ebenfalls nicht.
Zwar führt § 40a Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F. durch den Verweis auf § 8b Abs. 3 [X.] 2002 zu einem Abzugsverbot für alle Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit [X.] an einem [X.] stehen. Hierzu gehören nicht nur Gewinnminderungen infolge von Teilwertabschreibungen auf Anteile an dem [X.], sondern auch sog. negative Aktiengewinne in Verbindung mit einer Rückgabe der Anteilsscheine (Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 I R 27/08, [X.], 73, [X.] 2011, 229; differenzierend zum Gegenstand des Abzugsverbots [X.], [X.], 1992, 1996). Allerdings entfaltet § 43 Abs. 18 [X.] n.F. nach dem BVerfG-Beschluss in [X.], 255 für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 in formaler Hinsicht echte Rückwirkung, soweit die Vorschrift Festsetzungen für diese Veranlagungszeiträume umfasst, die noch nicht bestandskräftig sind. Die --gemäß § 43 Abs. 18 [X.] n.F. rückwirkende-- Einfügung des § 40a Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F. wirkt nach dem soeben zur [X.] gefundenen Ergebnis konstitutiv und ist entgegen der Bewertung in der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 15/1518, S. 17: "redaktionelle(n) Klarstellung") nicht als lediglich klarstellend-deklaratorisch anzusehen. Der Gesetzgeber hatte beabsichtigt, mit der Gesetzesänderung ein Auslegungsproblem rückwirkend zu beseitigen. Da die Rückwirkung des § 43 Abs. 18 [X.] n.F. auf die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 aber nicht gerechtfertigt war (BVerfG-Beschluss in [X.], 255, Rz 61 ff.), steht § 40a Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F. als [X.] nicht zur Verfügung.
3. Die Berechnung der festzusetzenden Körperschaftsteuer wird dem [X.] übertragen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Meta
25.06.2014
Urteil
vorgehend FG München, 17. März 2009, Az: 6 K 3474/06, Urteil
§ 40a Abs 1 KAGG vom 23.10.2000, § 40a Abs 1 S 2 KAGG vom 22.12.2003, § 43 Abs 18 KAGG vom 22.12.2003, § 8b Abs 2 KStG 2002, § 8b Abs 3 KStG 2002, Art 20 Abs 3 GG
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.06.2014, Az. I R 33/09 (REWIS RS 2014, 4602)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 4602
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