Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.08.2021, Az. 5 AZR 121/21

5. Senat | REWIS RS 2021, 3489

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Gegenstand

Unzulässige Revision


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Januar 2021 - 12 Sa 1859/19 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Vergütung von [X.]ahrzeiten für den Weg zwischen der [X.]etriebsstätte der [X.]eklagten in [X.] und wechselnden Einsatzorten des [X.].

2

Der Kläger ist seit dem [X.] bei der [X.]eklagten als Prüftechniker im Außendienst beschäftigt. Nach seinem schriftlichen Arbeitsvertrag bezieht er Vergütung „auf der Grundlage eines Haustarifvertrages, der sich an den Tarifvertrag des Deutschen [X.]auhauptgewerbes anlehnt“. Zuletzt erhielt der Kläger einen Grundlohn iHv. 11,75 Euro brutto je Stunde. In einer „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“ vereinbarten die Parteien eine regelmäßige monatliche Arbeitszeit von 173,33 Stunden. Darüber hinaus geleistete Arbeitszeit solle einem Arbeitszeitkonto zugeführt werden mit der Möglichkeit der Ansammlung eines Guthabens von höchstens 340 [X.]stunden.

3

In einer mit „Handlungsabrede“ überschriebenen Vereinbarung zwischen der [X.]eklagten und dem an ihrem Hauptsitz in [X.] bestehenden [X.]etriebsrat vom 31. März 2008 (i[X.] [X.] 2008) ist unter der Überschrift „[X.]ahrtzeitenregelung“ für Arbeiten in der Prüftechnik mit täglicher Heimfahrt geregelt, dass die Anfahrtszeit zur [X.]austelle ab [X.]irmengelände nach 1,25 Stunden als Arbeitszeit zählt und die [X.] vollständig als Arbeitszeit gilt. Soweit die Arbeitszeit incl. Rückfahrt weniger als acht Stunden beträgt, wird aus der Anfahrzeit die Stundenzahl bis auf acht aufgefüllt.

4

Unter dem 2. März 2018 schloss die [X.]eklagte mit dem [X.]etriebsrat eine „[X.]etriebsvereinbarung über die [X.]ahrtzeitenregelung“ (i[X.] [X.]V 2018). Nach § 2 Abs. 1 [X.]V 2018 beginnt und endet bei [X.] die [X.]ahrzeit am [X.]etriebssitz bzw. an dem vereinbarten Abfahrtsort, wenn dieser nicht weiter vom Wohnort des Arbeitnehmers entfernt liegt als der [X.]etrieb. Nach Abs. 2 der [X.]estimmung zählt die [X.]ahrzeit vom Wohnort zum [X.]etriebssitz nicht als Arbeitszeit und ist daher nicht vergütungspflichtig. Gemäß Abs. 3 haben Arbeitnehmer bei täglicher Heimfahrt ([X.]) Anspruch auf Vergütung der An- und Abfahrtszeit zur [X.]austelle/Arbeitsstelle (Einsatzort), „die die [X.]ahrzeit von 1,25 Stunden übersteigt“. Nach § 4 Abs. 1 [X.]V 2018 wird bei [X.] die [X.]ahrzeit des [X.]ahrers vom [X.]etriebssitz bis dorthin zurück „komplett“ vergütet. Ein [X.]eifahrer erhält für die [X.]ahrzeit bei [X.] Vergütung nach § 2.

5

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage verlangt, [X.]en, die er vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018 für [X.]ahrten von der [X.]etriebsstätte [X.] zum ersten Einsatzort bzw. vom letzten Einsatzort zur [X.]etriebsstätte zurück benötigt hat, im Gesamtumfang von 553,25 Stunden seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, hilfsweise Entgelt in entsprechender Höhe zu zahlen. Er hat gemeint, bei diesen [X.]ahrzeiten handele es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die [X.] 2008 und die [X.]V 2018 änderten daran nichts.

6

Der Kläger hat zuletzt - zusammengefasst - beantragt,

        

1.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den [X.]raum 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018 in der Rubrik „bis Vormonat“ 553,25 Stunden erbrachte Arbeitszeit gutzuschreiben;

        

2.    

hilfsweise für den [X.]all des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. die [X.]eklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.649,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die [X.]eklagte hat zur [X.]egründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, ein Vergütungsanspruch sei nach den mit dem [X.]etriebsrat getroffenen Vereinbarungen ausgeschlossen. Die kollektiv-rechtlichen Regelungen seien wirksam zustande gekommen und auf Arbeitnehmer am Standort [X.] uneingeschränkt anwendbar.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung des [X.] hat das [X.] nach dem Hauptantrag erkannt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die [X.]eklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

9

II. Die Revision der [X.]eklagten ist mangels ausreichender [X.]egründung unzulässig. Sie war daher nach Hinweis des Senats vom 13. Juli 2021 gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO zu verwerfen. Die Entscheidung konnte gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung [X.] durch [X.]eschluss ergehen.

1. Zur ordnungsgemäßen [X.]egründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden.

[X.]ei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des [X.]s so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der [X.] muss darlegen, warum er die [X.]egründung des [X.]erufungsgerichts für unrichtig hält ([X.]AG 15. Juli 2020 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN). Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. b ZPO die genaue [X.]ezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will. Dazu muss auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des [X.]erufungsurteils dargelegt werden ([X.]AG 18. November 2019 - 4 [X.] - Rn. 10 mwN).

Hat das [X.]erufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in [X.]rage zu stellen. Sie hat deshalb für jede der beiden Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., z[X.] [X.]AG 30. Januar 2019 - 5 [X.]/17 - Rn. 20 mwN, [X.]AGE 165, 168).

2. Diesen [X.]egründungsanforderungen ist im Streitfall nicht genügt.

a) Das [X.] hat - kurz zusammengefasst - angenommen, bei den streitgegenständlichen [X.]ahrzeiten handele es sich um Arbeitszeit, die nach § 611 Abs. 1 bzw. (seit dem 1. April 2017) § 611a Abs. 2 [X.]G[X.] iVm. den bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wie die „eigentliche“ Tätigkeit vergütungspflichtig sei. Das Zurücklegen der Wege von der [X.]etriebsstätte zu den jeweiligen Einsatzorten sei durch die Weisung der [X.]eklagten veranlasst, die Arbeit auf den [X.] auszuführen. Die Vergütungspflicht der [X.]ahrzeiten werde durch Regelungen in der [X.] 2008 und der [X.]V 2018 nicht wirksam ausgeschlossen. Soweit danach [X.]ahrzeiten im Umfang von 1,25 Stunden arbeitstäglich nicht zu vergüten seien, seien die Regelungen unverhältnismäßig und deshalb unwirksam. „Zusätzlich“ gingen aufgrund des Günstigkeitsprinzips die zur Vergütungspflicht der [X.]ahrzeiten führenden vertraglichen Abreden mangels wirksamen Vorbehalts zugunsten ggf. verschlechternder [X.]etriebsvereinbarungen (sog. [X.]etriebsvereinbarungsoffenheit) vor.

b) Soweit die Revision die Einordnung der [X.]ahrzeiten als grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeitszeit angreift, indem sie gegenüber den der Würdigung zugrundeliegenden [X.]eststellungen Verfahrensrügen erhebt, sind die [X.] bereits nicht statthaft.

aa) Die [X.]eklagte macht insoweit geltend, das [X.] habe im Tatbestand des [X.]erufungsurteils festgestellt, der Kläger nehme, soweit er auf [X.]austellen mit täglicher Heimfahrt zum Einsatz komme - jedenfalls in der [X.] zwischen Januar 2016 und Dezember 2018 -, seine Arbeit in der [X.]etriebsstätte auf und beende sie dort. Die [X.]eststellung habe es mit der Annahme verbunden, Arbeitsaufnahme und -beendigung am [X.]etriebssitz erfolgten auf Weisung der [X.]eklagten. Damit habe es seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt und Vorbringen des [X.], dem die [X.]eklagte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 4. April 2019 entgegengetreten sei, zu Unrecht als unstreitig behandelt. Hinweise an die [X.]eklagte seien insoweit nicht erfolgt.

bb) Damit wendet sich die [X.]eklagte gegen tatbestandliche [X.]eststellungen des [X.]erufungsgerichts, die auch in den Entscheidungsgründen enthalten sein können. Eine etwaige Unrichtigkeit solcher [X.]eststellungen im [X.]erufungsurteil kann nur im [X.]erichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. b ZPO behoben werden ([X.]AG 25. August 2020 - 9 [X.] - Rn. 36; 19. November 2014 - 5 [X.] - Rn. 12 mwN, [X.]AGE 150, 88). Soweit die Revision nach entsprechendem Hinweis des Senats gemeint hat, eines [X.] bedürfte es nicht, wenn das [X.]erufungsurteil widersprüchliche [X.]eststellungen enthält, ist dies zwar abstrakt zutreffend, im Streitfall indessen nicht relevant, weil ein solcher Widerspruch nicht besteht. Die tatbestandlichen [X.]eststellungen des [X.]s zur Aufnahme und [X.]eendigung der Tätigkeit des [X.] betreffen die tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen die Arbeitsleistung im maßgeblichen Klagezeitraum erbracht wurde. Demgegenüber beziehen sich die von der Revision zum [X.]eleg für die behauptete Widersprüchlichkeit herangezogenen Darstellungen im streitigen [X.] auf die von den tatsächlichen Verhältnissen zu trennende [X.]rage der rechtlichen [X.]ehandlung der [X.]ahrzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit.

c) Die von der Revision geführten Angriffe gegen die Annahme des [X.]erufungsgerichts, die Vergütungspflicht der [X.]ahrzeiten werde nicht durch die Regelungen in der [X.] 2008 oder der [X.]V 2018 ausgeschlossen oder begrenzt, sind nicht geeignet, die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts insgesamt infrage zu stellen. Die Revisionsbegründung setzt sich ausschließlich mit der vom [X.] angenommenen Unverhältnismäßigkeit der vereinbarten Vergütungsfreiheit von [X.]ahrzeiten im Umfang von 1,25 Stunden ab [X.]irmengelände auseinander und legt dar, warum diese Rechtsauffassung aus Sicht der [X.]eklagten unzutreffend sei. Auf die weitere Erwägung des [X.]s, nach der es an einer [X.]etriebsvereinbarungsoffenheit der vertraglichen Vereinbarungen fehle, geht die Revision nicht ein. Dessen hätte es aber bedurft, weil die „zusätzliche“ [X.]egründung die angefochtene Entscheidung selbständig trägt. Gehen die vertraglichen Vereinbarungen den kollektiv-rechtlichen Regelungen - wie das [X.] gemeint hat - aufgrund des Günstigkeitsprinzips vor, kommt es auf die Verhältnismäßigkeit der von den [X.]etriebsparteien zur Vergütung von [X.]ahrzeiten getroffenen Vereinbarungen nicht an.

d) Da es an zulässigen Verfahrensrügen und ausreichenden Sachrügen fehlt, erweist sich die Revision wegen unzureichender [X.]egründung insgesamt als unzulässig.

3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    [X.]    

        

    Volk    

        

    [X.]erger    

        

        

        

             

        

             

                 

Meta

5 AZR 121/21

05.08.2021

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Eberswalde, 18. September 2019, Az: 5 Ca 176/19, Urteil

§ 72 Abs 5 ArbGG, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst b ZPO, § 611a Abs 2 BGB, § 320 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.08.2021, Az. 5 AZR 121/21 (REWIS RS 2021, 3489)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3413 REWIS RS 2021, 3489

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