Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2006, Az. IV ZR 316/04

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2936

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 316/04 Verkündet am:

28. Juni 2006

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ [X.] § 3 Nr. 1; [X.] Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk Der Versicherungsschutz einer Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahr-zeug-Handel und -Handwerk erstreckt sich nicht auf Fahrzeuge, die von einem [X.] Dritten ohne Wissen und Wollen des Versicherungsnehmers mit roten Kennzeichen versehen worden sind, die die Zulassungsstelle dem Versicherungs-nehmer zugeteilt hat. [X.], Urteil vom 28. Juni 2006 - [X.] ZR 316/04 - [X.] - 2 -

[X.] hat durch den [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2006 für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivil-kammer des [X.] vom 19. März 2004 wird auf Kosten der Streithelferin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Geschädigte eines Verkehrsunfalls Scha-densersatzansprüche in Höhe von noch 868,17 • gegen den ihrer [X.] nach leistungsverpflichteten Haftpflichtversicherer des gegneri-schen Fahrzeuges geltend. 1 Die Beklagte gewährte ihrem Versicherungsnehmer, einem Auto-händler, Pflichtversicherungsschutz für dessen Kraftfahrzeuge. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrt-versicherung ([X.]) sowie die "Sonderbedingungen zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk" [X.]. Darin ist unter "[X.] Gegenstand der Versicherung" bestimmt: 2 - 3 -

"Die Versicherung bezieht sich bei einheitlicher Art und einheitlichem Umfang, vorbehaltlich der Ausschlüsse in den Abschnitten [X.] und [X.], auf alle 1. Fahrzeuge, wenn und solange sie mit einem dem [X.] von der Zulassungsstelle zugeteilten [X.] abgestempelten roten Kennzeichen oder mit einem [X.] Versicherungskennzeichen nach § 29g StVZO versehen sind; –"
Am Morgen des 13. Oktober 2001 verkaufte der Versicherungs-nehmer der Beklagten dem späteren Unfallverursacher [X.]einen ge-brauchten [X.]. Um dem Käufer die Überführung des Fahrzeugs zu seiner Wohnung zu ermöglichen, versah es der Autohändler mit ihm von der Zulassungsstelle zugeteilten roten Kennzeichen. Im weiteren Verlauf des Tages entfernte [X.]

diese Kennzeichen von dem [X.] und brachte sie stattdessen abredewidrig und ohne Wissen und Wollen des Versicherungsnehmers an einem nicht zugelassenen, in sei-nem Besitz befindlichen alten [X.] an. 3 Am späten Abend des 13. Oktober 2001 befuhr [X.] mit dem [X.] bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,47 Promille die autobahn-ähnlich ausgebaute [X.] Richtung [X.], wobei er die Gegenfahrbahn als so genannter Geisterfahrer benutzte. Zwischen [X.]und [X.] kam es zur Kollision mit einem mit vier Personen besetzten Pkw, dem durch die Wucht des Aufpralls das Heck abgerissen wurde. Ein auf dem Rücksitz sitzendes 15-jähriges Mädchen wurde dabei getötet. Die anderen drei Insassen, darunter die Klägerin, wurden ver-letzt. 4 - 4 -

Die Beklagte, die vorgerichtlich 1.000 DM an die Klägerin gezahlt hat, hält sich für nicht leistungspflichtig und hat deshalb weitere Scha-densersatzzahlungen abgelehnt. Sie meint, der Versicherungsschutz ha-be sich nicht auf das Fahrzeug des Unfallverursachers erstreckt. Dessen Kennzeichenmissbrauch begründe für sie keine Leistungspflicht. Diese treffe im Rahmen der so genannten Nachhaftung allein die Streithelferin der Klägerin als letzten Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer des [X.]. 5 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Streithelferin den Klag-antrag weiter. 6 Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. 7 [X.] Das Berufungsgericht hat einen Direktanspruch der Klägerin aus § 3 Nr. 1 [X.] gegen die Beklagte verneint, weil der Versicherungs-schutz aus der mit dem Autohändler abgeschlossenen Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk sich nicht auf das Unfallfahrzeug erstreckt habe. Ungeachtet des Wortlauts der [X.] in [X.] der Sonderbedingungen habe sich die Versicherung nur auf solche Fahrzeuge bezogen, die mit dem Betrieb des Versicherungsnehmers in irgendeiner Beziehung gestanden hätten. Das ergebe sich aus dem Vertragszweck, der nicht darauf gerichtet ge-8 - 5 -

wesen sei, betriebsfremde Risiken abzudecken, und zeige sich im Übri-gen auch daran, dass in den weiteren Klauseln der Sonderbedingungen nur Regelungen hinsichtlich eigener und fremder Fahrzeuge des [X.]s enthalten seien, soweit sie mit dessen Betrieb in [X.]. Diese Auslegung werde schließlich auch dem Wesen der Versicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk gerecht, bei der die Gesamtheit der im [X.] beim Versicherungsneh-mer hereinkommenden und hinausgehenden Fahrzeuge in der Weise versichert werde, dass der Versicherungsschutz für das einzelne Fahr-zeug schon mit dem Ausscheiden aus dem Bestand des [X.] automatisch ende. Zu diesem Bestand habe das Unfallfahrzeug nie gehört.
Auf § 3 Nr. 4 [X.] könne sich die Klägerin nicht stützen, weil sich die Beklagte nicht auf Leistungsfreiheit im Rahmen eines an sich beste-henden Versicherungsverhältnisses berufe, sondern darauf, die Gefahr für das Unfallfahrzeug von vorn herein nicht übernommen zu haben. 9 I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. 10 1. Der von der Klägerin geltend gemachte Direktanspruch gegen die Beklagte aus § 3 Nr. 1 [X.] setzt eine Leistungspflicht des [X.] aus dem Versicherungsverhältnis voraus; das ist hier die zwi-schen der Beklagten und dem Autohändler abgeschlossene Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk. Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus den zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen. 11 - 6 -

a) Zweck des Versicherungsvertrages ist es wie bei jeder Kraft-fahrzeughaftpflichtversicherung, dem Versicherungsnehmer Schutz vor unberechtigten und die Freistellung von berechtigten [X.] zu gewähren, die aus dem Gebrauch von Fahrzeugen entstehen können. Dabei hat die Vertragsgestaltung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass den Versicherungsnehmer die Verantwortung für eine Viel-zahl von Fahrzeugen trifft, die meist nur kurzzeitig in seiner Obhut ste-hen. Die Versicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk ist [X.] als [X.] ausgestaltet, die auf den ständigen kurz-fristigen Durchlauf von Kraftfahrzeugen beim Versicherungsnehmer zu-geschnitten ist. Demgemäß ist bei ihr nicht jedes Fahrzeug einzeln für sich versichert, sondern die Gesamtheit der im [X.] beim Versicherungsnehmer hereinkommenden und gegebenenfalls auch wieder hinausgehenden Fahrzeuge. Mit dem Ausscheiden eines Fahr-zeugs aus dem versicherten Bestand endet entsprechend § 54 [X.] der Versicherungsschutz für das ausscheidende Fahrzeug automatisch (vgl. dazu [X.]Z 35, 153, 155 f.; [X.], Urteil vom 15. Januar 1997 - [X.] ZR 335/95 - [X.], 443 unter 2 c). 12 b) Vor diesem Hintergrund erschließt sich dem durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten, jedoch um Verständnis der Versicherungs-bedingungen bemühten Versicherungsnehmer (vgl. dazu [X.]Z 123, 83, 85), der bei Verträgen der in Rede stehenden Art regelmäßig mit den Besonderheiten des Kraftfahrzeug-Handels und -Handwerks vertraut sein wird, auch der Regelungsgehalt der in den Sonderbedingungen zur Haft-pflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Hand-werk unter [X.] enthaltenen [X.], nach der die [X.] - 7 -

cherung sich auf "alle Fahrzeuge" bezieht, "wenn und solange sie mit ei-nem dem Versicherungsnehmer von der Zulassungsstelle zugeteilten amtlich abgestempelten roten Kennzeichen oder mit einem roten Versi-cherungskennzeichen nach § 29g StVZO versehen sind; –".
Der Versicherungsnehmer erkennt, dass mit der Klausel einer möglichen Unsicherheit über den maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem ein Fahrzeug aus dem versicherten Bestand ausscheidet, wenn es in den Besitz eines Kunden überführt wird, entgegengetreten werden soll, und zwar losgelöst davon, ob es sich danach noch in der Obhut des [X.]s befindet (vgl. dazu [X.], Urteil vom 11. März 1987 - [X.]a ZR 240/85 - NJW-RR 1987, 856 unter 1). 14 c) Die frühere Rechtsprechung des [X.] ([X.]Z 35, 153, 160) hat vor Einführung der heutigen Fassung der Klausel [X.] der Sonderbedingungen aus dem Sinn und Zweck der Pflichtversiche-rung eine erweiterte Obhut des Händlers für solche Fahrzeuge hergelei-tet, die seinen Bestand unter Verwendung roter Kennzeichen verlassen. Ein Fahrzeug untersteht solange der Obhut des Versicherungsnehmers, wie es sich in seinem Verantwortungsbereich befindet. Diesen [X.] hat der [X.] in Fällen, in denen ein Händ-ler als Kundendienstleistung dem Erwerber eines Kraftfahrzeugs rote Kennzeichen überließ, bis zur Rückgabe der roten Kennzeichen ausge-dehnt und daraus gefolgert, das Fahrzeug bleibe ebenso lange auch im objektiven Gefahrenbereich der nach den Sonderbedingungen abge-schlossenen Haftpflichtversicherung ([X.]Z aaO m.w.N.). Die [X.] müsse sich uneingeschränkt auch auf die Fahr-zeuge erstrecken, die nach ihrer Übergabe an den Erwerber mit der [X.] 8 -

ten Zulassungsnummer gefahren würden ([X.]Z aaO S. 159). Nur bei einer solchen Auslegung des Obhut-Begriffs könne das vom [X.] aufgestellte Erfordernis einer ausreichenden Haftpflicht für die zugelassenen Fahrzeuge erfüllt werden.
Die heutige [X.] in [X.] der Sonderbedingungen bestimmt zwar, dass "alle Fahrzeuge", die mit einem dem Versiche-rungsnehmer erteilten roten Kennzeichen versehen sind, solange versi-chert bleiben, wie sich dieses Kennzeichen an ihnen befindet, unabhän-gig davon, wie es um die Obhut über dieses Fahrzeug bestellt ist. Eines Rückgriffs auf die Erwägungen in der Entscheidung [X.]Z 35, 153 ff. [X.] es also insoweit nicht mehr (vgl. dazu [X.], Urteil vom 11. März 1987 aaO). Dennoch wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Klausel entgegen ihrem weit gefassten Wortlaut dahin verstehen, dass sie sich nicht auf "alle", sondern nur auf all diejenigen Fahrzeuge [X.], die jedenfalls bei Begründung des Versicherungsschutzes zu sei-nem Bestand gehörten und deshalb zunächst seiner Obhut unterstanden. 16 Es erschließt sich ihm nicht, dass der Versicherungsschutz sich [X.] infolge der [X.] auch auf Fahrzeuge erstrecken soll, die nie zu seinem Bestand gehört haben, sondern lediglich infolge des eigenmächtigen Verhaltens eines Dritten, etwa auch eines [X.], mit roten Kennzeichen versehen sind, die die [X.] dem Versicherungsnehmer zugeteilt hat. Eine Erstreckung des Versicherungsschutzes auf solche Fahrzeuge entspricht daher nicht seinem rechtlichen Interesse und auch nicht dem des Versicherers. 17 - 9 -

d) Anders als die Revision meint, liegt insoweit auch keine Fremd-versicherung zugunsten des die roten Kennzeichen abredewidrig nut-zenden Kunden vor. Zwar kann die [X.] sowohl eigene Fahrzeuge des [X.] oder [X.] wie auch fremde Fahrzeuge umfassen, soweit es etwa um in [X.] genommene, bereits an Erwerber übereignete oder lediglich zur Repara-tur gegebene Fahrzeuge handelt. Insoweit liegt regelmäßig eine Fremd-versicherung vor (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 1987 aaO unter 2). Auf Fahrzeuge, die nie zum Bestand des Versicherungsnehmers oder auch nur in irgendeinem Bezug zu ihm oder seinem Betrieb gestanden haben, trifft dies aber regelmäßig nicht zu, weil weder der Haftpflichtversicherer noch der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss ein rechtliches Inte-resse daran haben, Versicherungsschutz auch für solche Fahrzeuge zu schaffen (vgl. dazu auch [X.], 1375). Ob die [X.] dahin auszulegen ist, dass jedenfalls auch dann ei-ne Fremdversicherung vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer selbst betriebsfremde Fahrzeuge mit ihm von der Zulassungsstelle zugeteilten roten Kennzeichen versieht (zu einem solchen Fall verneinend [X.] aaO), braucht hier nicht entschieden zu werden. 18 2. Aus der Entscheidung [X.]Z 35, 153 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der [X.] dort (aaO S. 161) ausgeführt, die weite Obhut des Versicherungsnehmers erfasse auch die sehr häufigen Fälle des Missbrauchs der roten Kennzeichen durch den Erwerber, weshalb die [X.] und [X.] auch die Verantwortung [X.] trügen, dass die Kennzeichen nur zu dem von der Straßenverkehrs-zulassungsordnung vorgesehenen Zweck verwendet würden. Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass damit nur 19 - 10 -

Verstöße gegen die [X.] des damaligen § 2 Abs. 2 lit. a [X.], der der heutigen Fassung des § 2b Abs. 1 lit. a [X.] entspricht, gemeint waren (vgl. [X.]Z aaO S. 161). Das setzt jedoch eine zweckwid-rige Verwendung des versicherten Fahrzeugs (zu anderen als den in § 28 Abs. 1 Satz 1 StVZO genannten Zwecken), nicht des roten Kenn-zeichens, voraus, knüpft also weiterhin an die haftungsrechtliche Ver-antwortlichkeit des Versicherungsnehmers für ein bestimmtes Kraftfahr-zeug, nicht an die Verantwortlichkeit für die Kennzeichen an.
Terno [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.05.2003 - 6 C 846/02 - [X.], Entscheidung vom 19.03.2004 - 11 S 47/03 -

Meta

IV ZR 316/04

28.06.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2006, Az. IV ZR 316/04 (REWIS RS 2006, 2936)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2936

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