Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.09.2016, Az. 6 B 38/16

6. Senat | REWIS RS 2016, 5379

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Gegenstand

Verbot des Waffenhortens; Sportschütze


Leitsatz

Das Verbot des Waffenhortens nach § 8 Nr. 2 WaffG (juris: WaffG 2002) gilt auch für den Besitz von Schusswaffen, die Sportschützen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG ohne vorherige Erlaubnis erwerben dürfen.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die von ihm bezeichneten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliegen.

2

Der Kläger ist Sportschütze. Er besitzt 141 Schusswaffen, die in insgesamt 21 Waffenbesitzkarten eingetragen sind. Die Eintragung zweier weiterer Schusswaffen, die der Kläger bereits gekauft hatte, lehnte die Beklagte ab; die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, das Bedürfnis an dem Besitz einer Waffe setze nach § 8 Nr. 2 [X.] voraus, dass diese für den beantragten Zweck erforderlich sei. Dadurch solle verhindert werden, dass nicht benötigte Waffen gehortet würden. Diese allgemeine Regelung beanspruche auch Geltung für die von § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] erfassten Schusswaffen, zu deren Besitz Sportschützen berechtigt seien, ohne die Zulassung und Erforderlichkeit für eine bestimmte Sportdisziplin ihres [X.] glaubhaft machen zu müssen. Der Gesetzgeber habe durch den Verzicht auf diese spezifische [X.] nicht die Möglichkeit eröffnen wollen, zahlenmäßig unbegrenzt Schusswaffen zu besitzen.

3

Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, ob die Erteilung der Besitzerlaubnis für eine § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] unterfallende Schusswaffe von dem Nachweis des allgemeinen waffenrechtlichen Bedürfnisses nach § 8 Nr. 2 [X.] abhänge. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass Sportschützen diese Schusswaffen erlaubnisfrei, d.h. ohne vorherige Eintragung in die Waffenbesitzkarte, erwerben dürften. Es fehle an einer gesetzlichen Regelung, die die Rückabwicklung eines solchen Kaufvertrags ermögliche. Die Rechtsauffassung des [X.] lasse sich nicht mit dem Beschluss des [X.] vom 13. August 2008 (6 [X.] 29.07) vereinbaren.

4

Rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine allgemeine und im konkreten Fall entscheidungserhebliche Frage des revisiblen Rechts, die auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln nicht eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [[X.]:[X.]:[X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn die vorinstanzliche Entscheidung auf einen allgemeinen Rechtssatz gestützt wird, der einem Rechtssatz des [X.] zu derselben Rechtsvorschrift widerspricht (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26).

5

Die Beschwerdebegründung des [X.] lässt nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen für die Revisionszulassung gegeben sind: Entgegen seinem Vortrag weicht das Berufungsurteil nicht von dem Beschluss des [X.] vom 13. August 2008 (6 [X.] 29.07 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 97) ab. Vielmehr stützen die Ausführungen des [X.] in dieser Entscheidung die Rechtsauffassung des [X.], dass die Erteilung der Erlaubnis zum Besitz einer § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] unterfallenden Schusswaffe den Nachweis des allgemeinen Bedürfnisses an dem Besitz der Waffe nach § 8 Nr. 2 [X.] voraussetzt. Aufgrund dessen sowie aufgrund des eindeutigen Normzwecks der beiden gesetzlichen Regelungen kann die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nach deren Verhältnis als geklärt gelten. Es bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Anspruch von Sportschützen auf die Erteilung der Erlaubnis zum Besitz einer Schusswaffe der in § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] genannten Waffenarten nur besteht, wenn der Besitz dieser Waffe nach § 8 Nr. 2 [X.] für den beabsichtigten Zweck, d.h. für das sportliche Schießen, erforderlich ist.

6

Der Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe ist daran geknüpft, dass der Antragsteller hierfür ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 4 Abs. 1 Nr. 4, § 8 [X.]). Der Nachweis ist erbracht, wenn er einer der in § 8 Nr. 1 [X.] aufgeführten Personengruppen angehört, etwa Sportschütze ist, und nach § 8 Nr. 2 [X.] die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den beantragten Zweck glaubhaft macht. Der Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Begriffs der Erforderlichkeit wird durch den Normzweck des § 8 Nr. 2 [X.] bestimmt; danach soll das übermäßige Horten von Waffen um ihrer selbst willen verhindert werden (BVerwG, Beschluss vom 13. August 2008 - 6 [X.] 29.07 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 97 Rn. 5). Davon ausgehend ist der Besitz einer weiteren Waffe nicht erforderlich, wenn der [X.] ausreicht, um dem gesetzlich anerkannten Interesse des sportlichen Schießens in dem gesetzlich zugelassenen Umfang nach eigenen Vorstellungen nachgehen zu können.

7

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] wird Sportschützen, die dem Schießsport in einem anerkannten Schießsportverband als gemeldetes Mitglied nachgehen, unter Beachtung des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 eine unbefristete Erlaubnis erteilt, die zum Erwerb einer Schusswaffe der gesetzlich aufgeführten Waffenarten berechtigt. Danach ist es Sportschützen, die den Schießsport seit mindestens zwölf Monaten in einem Verein regelmäßig betreiben, gestattet, Schusswaffen der gesetzlich bestimmten Waffenarten ohne vorherige Erlaubnis zu erwerben. Da die Regelung des § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Erlaubnisvoraussetzung des § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht in Bezug nimmt, ist diese nicht zu beachten. Somit dürfen Sportschützen Schusswaffen der gesetzlich genannten Waffenarten auch dann ohne Erlaubnis erwerben, wenn die zu erwerbende Waffe nicht für eine Sportdisziplin nach der Sportordnung ihres [X.] zugelassen und erforderlich ist. Ihnen soll der Erwerb von Schusswaffen ermöglicht werden, die sie zwar für das sportliche Schießen in ihrem Verband nicht benötigen, mit denen sie aber den Schießsport "verbandsfremd" als Gastschütze ausüben können (BVerwG, Beschluss vom 13. August 2008 - 6 [X.] 29.07 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 97 Rn. 5). Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 [X.] dürfen Sportschützen innerhalb von sechs Monaten nur jeweils zwei derartige Schusswaffen erwerben (Erwerbsstreckungsgebot); es besteht jedoch keine zahlenmäßige Obergrenze (BVerwG, Urteil vom 14. November 2007 - 6 [X.] 1.07 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 94 Rn. 25). Der Erwerber hat zwei Wochen Zeit, um die Eintragung einer nach § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] berechtigterweise erworbenen Schusswaffe in die Waffenbesitzkarte zu beantragen (§ 14 Abs. 4 Satz 2 [X.]).

8

Die Freistellung des Erwerbs der § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] unterfallenden Schusswaffen von der spezifischen [X.] nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] ist durch das Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes vom 26. März 2008 ([X.] I S. 426) mit Wirkung vom 1. April 2008 eingeführt worden. Aus den Gesetzesmaterialien geht eindeutig hervor, dass damit kein Verzicht auf die allgemeine [X.] nach § 8 Nr. 2 [X.] verbunden sein soll. Die Bundesregierung hat in der Begründung ihres Gesetzentwurfs zur Neufassung des § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.], der unverändert Gesetz geworden ist, ausgeführt, die Geltung des allgemeinen Bedürfnisprinzips nach § 8 [X.] bleibe unberührt. Ein schlichtes Waffenhorten sei durch die Neuregelung nicht abgedeckt ([X.]. 838/07 S. 4). Diese Gesetzesbegründung hat das [X.] in dem Beschluss vom 13. August 2008 (- 6 [X.] 29.07 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 97) wiedergegeben, um die seit 1. April 2008 geltende Rechtslage darzustellen. Danach kann kein Zweifel daran bestehen, dass § 8 Nr. 2 [X.] auch bei der Erteilung der Erlaubnis zum dauerhaften Besitz einer nach § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] erworbenen Schusswaffe Anwendung findet. Dies stimmt mit den Vorgaben für die Verwaltungspraxis überein (vgl. Nr. 14.4 der [X.] zum Waffengesetz - [X.] -).

9

Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Geltung des § 8 Nr. 2 [X.] auch dem Normzweck des § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] entspricht: Diese Regelung soll es Sportschützen erleichtern, sich mit denjenigen Schusswaffen auszustatten, die erforderlich sind, um das sportliche Schießen in dem gesetzlich zugelassenen Umfang unabhängig von den Vorgaben des eigenen [X.] betreiben zu können. Diesem Gesetzesweck ist genügt, wenn der Sportschütze im Besitz des hierfür notwendigen Waffenbestandes ist. Ein darüber hinausgehender Besitz weiterer Schusswaffen dient diesem Zweck nicht mehr; er stellt ein nach § 8 Nr. 2 [X.] verbotenes Waffenhorten dar. Aufgrund dieser Gesetzeslage ist es jedenfalls für Sportschützen, die wie der Kläger bereits im Besitz einer Vielzahl von Schusswaffen für das sportliche Schießen sind, ratsam, sich vor dem Erwerb weiterer Waffen bei der zuständigen Waffenbehörde zu erkundigen, ob der Erteilung einer Besitzerlaubnis das Verbot des Waffenhortens nach § 8 Nr. 2 [X.] entgegensteht.

Das Oberverwaltungsgericht hat dieses hinreichend geklärte Normverständnis der § 8 Nr. 2 und § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.] dem Berufungsurteil zugrunde gelegt. Davon ausgehend hat es angenommen, dass der Waffenbestand des [X.] offensichtlich mehr als ausreichend ist, um ihm das sportliche Schießen umfassend zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

6 B 38/16

19.09.2016

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 18. April 2016, Az: 4 Bf 299/13, Urteil

§ 8 Nr 2 WaffG 2002, § 14 Abs 2 S 2 Nr 2 WaffG 2002, § 14 Abs 4 S 1 WaffG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.09.2016, Az. 6 B 38/16 (REWIS RS 2016, 5379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5379

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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