Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2004, Az. IX ZR 240/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 739

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 240/03
Verkündet am: 11. November 2004 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

BGB §§ 398, 675; [X.] § [X.] Abs. 4

Tritt ein Rechtsanwalt Honorarforderungen ohne Zustimmung des Auftraggebers an einen anderen Rechtsanwalt ab, der ihn zuvor außergerichtlich und im Kostenfest-setzungsverfahren (§ 19 [X.]) vertreten und die Angelegenheit umfassend ken-nengelernt hat, so ist die Zession nicht gemäß §§ 134 BGB, 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB unwirksam (Ergänzung zu [X.], 1841).

[X.], Urteil vom 11. November 2004 Œ [X.] ZR 240/03 Œ LG Düsseldorf
AG Düsseldorf - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004 durch [X.] [X.], die Rich-ter Dr. Ganter, [X.], [X.] und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 15. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.]. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um restliches Anwaltshonorar. Rechtsanwalt [X.](fortan: Zedent) vertrat den Beklagten anwaltlich vor dem Lan-desarbeitsgericht. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2001, an der auf [X.]eite der Beklagte und der Zedent als dessen Prozeßbevollmächtig-ter teilnahmen, schlossen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Ver-gleich. Dieser erstreckte sich neben dem streitgegenständlichen Anspruch auf weitere Punkte, auf die sich das Mandat des Zedenten nicht bezog. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Zedent an dem Abschluß des Vergleichs mit-gewirkt hat. Der Beklagte hat die Gebührenrechnung des Zedenten um die auf - 3 - den [X.] entfallenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen gekürzt.

Der Kläger ist ebenfalls Rechtsanwalt. Er unterhält mit dem Zedenten eine Bürogemeinschaft. Zu einem nicht näher aufgeklärten Zeitpunkt hat der Zedent seinen restlichen Honoraranspruch an den Kläger abgetreten.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vergleich sei ohne Mitwirkung des Zedenten geschlossen worden. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Klä-ger mit seiner zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

[X.]
Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe gegen den Beklagten ein Honoraranspruch aus abgetretenem Recht nicht zu, weil der Abtretungsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Kläger nach § 134 BGB nichtig sei. Jener habe die Honorarforderung entgegen der berufsrechtlichen (§ 43a Abs. 2 [X.]) und strafrechtlichen (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB) Schweigepflicht ohne Zustimmung des Beklagten an den Kläger abgetreten. Aus § [X.] Abs. 4 [X.] ergebe sich nicht, daß nur die Abtretung an einen nicht als Anwalt tätigen [X.] 4 - ten der Zustimmung des Mandanten bedürfe. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB schütze den Mandanten auch davor, daß der beauftragte Rechtsanwalt die als Ge-heimnis zu wertenden Tatsachen anderen Rechtsanwälten mitteile. Dies gelte auch für Rechtsanwälte, die eine Bürogemeinschaft unterhielten.

I[X.]
Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Im [X.] Fall sind - ausgehend von dem Vorbringen des [X.], das mangels anderweitiger Feststellungen zugrunde zu legen ist - die objektiven Vorausset-zungen des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfüllt; die Abtretung ist [X.] nicht gemäß § 134 BGB unwirksam, obwohl der Beklagte ihr nicht zuge-stimmt hat.

1. a) Im Anschluß an seine Rechtsprechung zur Abtretung ärztlicher Ho-norarforderungen ([X.] 115, 123, 130) und zur Weitergabe einer ärztlichen Patienten- und Berufskartei ([X.] 116, 268, 272 f) hat der [X.] entschieden, daß die Abtretung der Honorarforderung eines Rechtsanwalts (§§ 398, 675 BGB) ohne Zustimmung des Mandanten in der Regel den objekti-ven Tatbestand der - das Privatgeheimnis schützenden - Strafvorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, weil mit der Abtretung die umfassende Informa-tionspflicht des § 402 BGB gegenüber dem neuen Gläubiger verbunden ist. Deshalb waren - vor Einführung des § [X.] Abs. 4 [X.] - sowohl das schuld-rechtliche Grundgeschäft der Forderungsübertragung als auch die Abtretung als dingliches Erfüllungsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig. Dadurch sollte dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht des Mandanten auf informa-- 5 - tionelle Selbstbestimmung Rechnung getragen werden ([X.] 122, 115, 119; 148, 97, 101 f; [X.], Urt. v. 13. Mai 1993 - [X.] ZR 234/92, [X.], 1251, 1252; v. 8. Juli 1993 - [X.] ZR 12/93, [X.], 1849, 1850).

Nach der im Jahre 1994 in [X.] getretenen, im Streitfall deshalb anzu-wendenden Vorschrift des § [X.] Abs. 4 [X.] ist ein Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflich-tet wie der beauftragte Rechtsanwalt (§ [X.] Abs. 4 Satz 1 [X.]); die Abtre-tung von [X.] oder die Übertragung ihrer Einziehung an ei-nen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten ist unzulässig, es sei denn, die Forderung ist rechtskräftig festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen und der Rechtsanwalt hat die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten eingeholt (§ [X.] Abs. 4 Satz 2 [X.]). Der Zweck dieser neuen Regelung erschließt sich aus der Entstehungsgeschichte. § [X.] Abs. 4 Satz 1 [X.] ist auf Vorschlag des Rechtsausschusses des [X.] eingeführt worden (vgl. BT-Drucks. 12/7656 S. 11). In der [X.] (vgl. BT-Drucks. [X.]) wird auf die Urteile des [X.] vom 25. März 1993 ([X.] 122, 115) und vom 13. Mai 1993 ([X.]O) [X.], aus denen sich ergebe, daß eine Abtretung anwaltlicher Gebührenforde-rungen nur wirksam sei, wenn entweder der Rechtsanwalt die Zustimmung des Mandanten zur Weitergabe von Informationen aus dem Mandatsverhältnis [X.] oder Zessionar und Zedent denselben Schweigepflichten unterworfen [X.]; dem solle mit der Neuregelung klarstellend Rechnung getragen werden.

Hierbei wurde übersehen, daß die zitierte Rechtsprechung auf der Rechtsprechung des [X.] zur Abtretung einer ärztlichen Hono-rarforderung ([X.] 115, 123, 128 f) und zur Weitergabe einer ärztlichen [X.] 6 - enten- und Beratungskartei ([X.] 116, 268, 272) aufbaut. Für beide ver-gleichbaren Sachverhalte hat der [X.] ausdrücklich ausgespro-chen, die Nichtigkeit eines gegen § 203 Abs. 1 StGB verstoßenden [X.] gemäß § 134 BGB werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß der [X.] nach der Strafvorschrift ebenfalls einer Schweigepflicht unterliege.

b) In Rechtsprechung und Literatur ist deshalb weiterhin umstritten, ob durch die gesetzliche Regelung in § [X.] Abs. 4 [X.] nur die "Weitergabe" der Verschwiegenheitspflicht an den Zessionar oder darüber hinaus auch die Zulässigkeit der Abtretung an einen Rechtsanwalt ohne Zustimmung des [X.] geregelt worden ist. Nach der einen Auffassung wird durch die Neure-gelung nur die Verschwiegenheitspflicht an den Zessionar weitergegeben (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1583, 1584; [X.] DStRE 2000, 555, 556; [X.] MDR 2001, 1383, 1384; [X.], [X.] Aufl. § 134 Rn. 62; Berger NJW 1995, 1406, 1407; Prechtel NJW 1997, 1813, 1816). [X.] wiederum meinen, es werde auch die Zulässigkeit der Abtretung ohne Zustimmung des Mandanten geregelt (vgl. [X.] OLG Report 2001, 74, 76; [X.] NJW-RR 1998, 202, 203; [X.]/[X.], § 203 Rn. 68; [X.]/Weyland, [X.] 6. Aufl. § [X.] Rn. 47 f; [X.] in Henssler/Prütting, [X.] [X.]. § [X.] Rn. 37; Jessnit-zer/[X.], [X.] 9. Aufl. § [X.] Rn. 7; Ganter in [X.], [X.]. [X.] § 96 Rn. 138; [X.] NJW 2004, 21, 22).

2. a) Der [X.] war mit dieser Streitfrage bislang noch nicht befaßt. In der Entscheidung vom 17. Mai 1995 ([X.], [X.], 1016, 1018) wird nur der Wille des Gesetzgebers referiert, durch die - in dem zu ent-scheidenden Fall noch nicht anwendbare - Neuregelung die Abtretung von [X.] 7 - norarforderungen eines Rechtsanwalts an einen anderen zu erleichtern. Das Urteil vom 25. März 1999 ([X.] 141, 173, 176 f) betrifft die Pfändbarkeit von [X.]. Zum Abtretungsverbot nach § 64 Abs. 2 Satz 2 StBerG und § [X.] [X.] wird ausgeführt, daß § 851 Abs. 1 ZPO darauf abstelle, ob eine Forderung als solche nicht übertragbar sei. Hierfür genüge nicht ohne [X.], wenn eine Forderung ihrem Inhalt nach und ihrer Zweckbestimmung nach übertragbar sei und lediglich bestimmten Gläubigern die Abtretung verbo-ten oder diese nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werde. Auf die Streitfrage, ob auf die Zustimmung des Mandanten für die Wirksamkeit der Ab-tretung von [X.] allgemein verzichtet werden kann, kam es nicht an.

b) Sie bedarf auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung. Der Zedent hat nicht gegen den objektiven Tatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstoßen, weil der Zessionar die Angelegenheit des Mandanten zuvor umfassend kennengelernt hatte (vgl. [X.], Urt. v. 10. August 1995 - [X.] ZR 220/94, [X.], 1841).

[X.]) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, zu welchem Zeitpunkt dem Kläger die im vorliegenden Rechtsstreit geltend ge-machte Honorarforderung übertragen worden ist. Deshalb ist im [X.] zugunsten des [X.] davon auszugehen, daß der Abtretungsvertrag erst im Anschluß an das vor Klageeinreichung unstreitig durchgeführte Kosten-festsetzungsverfahren (§ 19 [X.]) geschlossen worden ist.

Der Beklagte hat als Anlage zur Klageerwiderung vom 7. November 2001 ein Schreiben des [X.] vom 28. Mai 2001 vorgelegt. Darin nimmt der - 8 - Kläger als anwaltlicher Berater des Zedenten unter Bezugnahme auf das ihm erteilte Mandat und ein in dieser Sache von dem Beklagten an den Zedenten gerichtetes Schreiben vom 23. Mai 2001 zu der streitgegenständlichen Ver-gleichsgebühr Stellung und kündigt einen Antrag auf Kostenfestsetzung an. Die ordnungsgemäße Vertretung des Zedenten in diesem Verfahren bedingte, daß der Kläger von dem Zedenten zuvor umfassend über alle Umstände informiert worden war, die für das Entstehen der geltend gemachten [X.] sowie der Differenzprozeßgebühr von Bedeutung sind.

[X.]) Für einen solchen Fall hat der [X.] die Nichtigkeit der Abtretung wiederholt verneint, obwohl der Gebührenschuldner ihr nicht zuge-stimmt hat (vgl. [X.], Urt. v. 13. Mai 1993 - [X.] ZR 234/92, [X.]O S. 1252; v. 10. August 1995 - [X.] ZR 220/94, [X.]O S. 1842 f). Dafür ist ausschlaggebend, daß der Zessionar die - hier zu unterstellende - umfassende Kenntnis der [X.] hat, ohne daß der Zedent ein ihm anvertrautes oder sonst bekannt gewordenes Geheimnis des Mandanten unbefugt offenbart hat (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB).

Ein Rechtsanwalt darf seine Honorarforderung gegen den Auftraggeber geltend machen (§ 19 [X.]), selbst wenn dies die Bekanntgabe von [X.]geheimnissen erfordert, weil der Anwalt sonst insoweit rechtlos stünde ([X.] 122, 115, 120). Die Wahrnehmung dieser Aufgabe durfte der Zedent nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch einer in seinem Büro beschäftig-ten Hilfsperson übertragen (vgl. [X.], Urt. v. 10. August 1995 [X.]O S. 1843); nichts anderes gilt für die Einschaltung des [X.], der als Rechtsanwalt mit ihm in Bürogemeinschaft tätig ist. Demjenigen, der rechtmäßig eine fremde An-gelegenheit umfassend kennengelernt hat, kann diese nicht mehr im Sinne des - 9 - § 203 Abs. 1 StGB unbefugt offenbart werden. Dabei kommt es auf den aktuel-len [X.] zum Zeitpunkt der Abtretung nicht an; unerheblich ist auch zu welchem Zeitpunkt der Zedent die Handakten übergeben hat ([X.] [X.]O S. 1844).
- 10 - II[X.]
Die Klage ist auf der Grundlage des für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sach- und Streitstandes auch nicht aus anderen Gründen ab-weisungsreif. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Mitwirkung des Zedenten beim Abschluß des Vergleichs in der Sitzung des [X.] vom 15. Januar 2001 getroffen. Es ist deshalb von der unter Zeugenbeweis gestellten Sachdarstellung des [X.] auszugehen, nach welcher der - unstreitig anwesende - Zedent dem Beklagten geraten hat, den Vergleichsvorschlag des Gerichts anzunehmen. Trifft dies zu, hat der Zedent die [X.] verdient (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.] 8. Aufl. § 23 Rn. 21 f; zum neuen Gebührenrecht vgl. [X.]/[X.], [X.] VV Einf. Rn. 23).

[X.]
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Gelangt es zu dem Ergebnis, daß die Gebührenforderung entstanden - 11 - und wirksam auf den Kläger übergegangen ist, wird es die im Revisionsverfah-ren aufrechterhaltene Hilfsaufrechnung des Beklagten zu prüfen haben.

[X.] Ganter [X.]

[X.] Lohmann

Meta

IX ZR 240/03

11.11.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2004, Az. IX ZR 240/03 (REWIS RS 2004, 739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 739

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