Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2017, Az. V ZR 217/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2535

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Gegenstand

Zulässigkeit der Berufung: Bemessung der Beschwer des Klägers bei Abweisung eines von mehreren Klageanträgen durch Teilurteil und Erledigungserklärung des Klägers insoweit mit der Berufungseinlegung


Leitsatz

Wird einer von mehreren Klageanträgen durch Teilurteil abgewiesen und erklärt der Kläger mit der Berufungseinlegung insoweit die (Teil-)Erledigung, bemisst sich die Beschwer des Klägers nach seinem Kosteninteresse. Dieses ist nicht nach der Differenzrechnung, sondern dadurch zu ermitteln, dass der Streitwert des abgewiesenen Klageantrags ins Verhältnis zum Gesamtstreitwert gesetzt und die sich nach dieser Quote auf den abgewiesenen Antrag entfallende Kostenbelastung errechnet wird (Abgrenzung u.a. zu BGH, Beschluss vom 13. Juli 2005, XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728, 1729).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 26. Juli 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger hat die Beklagten vor dem [X.] auf Zustimmung zur Löschung von zwei Sicherungshypotheken im Nennbetrag von insgesamt 4.133,45 €, auf Zahlung von 12.657,30 € sowie auf Feststellung verklagt, dass sie verpflichtet sind, ihn von jedweden Ansprüchen des ehemaligen [X.] seines Grundstücks freizustellen.

2

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz den Antrag auf Zustimmung zur Löschung für erledigt erklärt. Das [X.] hat mit Teilurteil die Klage hinsichtlich des [X.] abgewiesen. Die Erledigungserklärung des [X.] hat es als verspätet angesehen. Das [X.] hat die Berufung des [X.], mit der er zugleich beantragt hat, die Erledigung der Klage hinsichtlich des [X.] festzustellen, als unzulässig verworfen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Erledigungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts erreicht die Beschwer des [X.] nicht den in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgegebenen Wert von mehr als 600 €. Die Beschwer bemesse sich nach den Kosten, die im ersten Rechtszug auf den für erledigt erklärten Teil entfielen. Diese seien nach der Differenzrechnung zu ermitteln. Danach sei maßgeblich, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten würden, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an über den Wert der nicht erledigten Hauptsache geführt hätte. Somit betrage der Wert des [X.] 391,83 €.

II.

4

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt die Beschwer des [X.] 600 €. Seine Berufung ist daher zulässig.

5

1. Zwar kann in der Revisionsinstanz die gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts liegende Bestimmung des Werts des [X.] im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2017 - [X.]/16, [X.], 358 Rn. 15; Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 509 Rn. 7).

6

2. Dieser Prüfung hält die angefochtene Entscheidung aber nicht stand. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerhaft an, der Wert der Beschwer des [X.] liege nicht über 600 €.

7

a) Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Kläger will die Abänderung des seine Klage auf Zustimmung zur Löschung von zwei Sicherungshypotheken abweisenden Urteils des [X.] erreichen. Grundsätzlich ist bei einem Streit um die Löschung einer Zwangssicherungshypothek für die Beschwer des [X.] der Nennbetrag des eingetragenen Rechts maßgebend (vgl. [X.], Urteil vom 19. Januar 2006 - [X.], [X.], 1286 Rn. 4, insoweit nicht abgedruckt in [X.]Z 166, 74). Hier hat der Kläger aber mit der Berufungseinlegung gegen das klageabweisende Teilurteil zugleich den Antrag gestellt festzustellen, dass die Klage hinsichtlich des [X.] erledigt ist. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nicht mehr um eine Verurteilung der Beklagten zur [X.] geht, sondern sich sein Interesse an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt, nicht mit den insoweit in der Vorinstanz angefallenen Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden.

8

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beschwer des [X.] in einem solchen Fall nicht nach der Differenzrechnung zu bestimmen.

9

Bei der Differenzrechnung wird ermittelt, um welchen Betrag diejenigen Kosten überschritten werden, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an über den Wert der nichterledigten Hauptsache geführt hätte. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass dem [X.] ein Wert nur insoweit beizumessen ist, als die Kosten nicht ohnehin angefallen sind ([X.], Beschluss vom 13. Juli 1988 - [X.], [X.] 1989, 58 f.; Beschluss vom 25. September 1991 - [X.], [X.], 2009, 2010; Beschluss vom 13. Juli 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1728, 1729; Beschluss vom 28. Januar 2010 - [X.], juris Rn. 5).

Zur Bemessung der Rechtsmittelbeschwer eignet sich die Differenzrechnung aber nur, wenn in dem angefochtenen Urteil über eine Teilerledigung entschieden worden ist. Im vorliegenden Fall hat das [X.] dagegen eine Sachentscheidung getroffen. Ließe der Kläger das Teilurteil rechtskräftig werden, hätte dies zur Folge, dass das [X.] in dem späteren Schlussurteil bei der Kostenentscheidung zugrunde zu legen hätte, dass der Kläger mit seinem Sachantrag auf [X.] unterlegen ist. Würde der Kläger - was zu seinen Gunsten zu unterstellen ist - mit seinen übrigen Anträgen obsiegen, müsste eine verhältnismäßige Verteilung der Kosten des Rechtsstreits gemäß § 92 Abs. 1 ZPO erfolgen, indem die Verlust- und Obsiegensquote ins Verhältnis zum Gesamtstreitwert gesetzt wird. Danach ergäbe sich eine Unterliegens- und dem Kläger aufzuerlegende Kostenquote von 23,04 %, was einem Kostenanteil von 1.328,50 € entspricht. Diese mögliche Kostenbelastung zu vermeiden, ist das Ziel der Berufung des [X.]. Sein [X.] und damit seine Beschwer durch das Teilurteil überschreitet daher den in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bezeichneten Wert.

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

[X.]     

      

Meta

V ZR 217/16

10.11.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 26. Juli 2016, Az: 12 U 38/16

§ 2 ZPO, § 3 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2017, Az. V ZR 217/16 (REWIS RS 2017, 2535)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 301 WM2018,291 REWIS RS 2017, 2535

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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