Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2013, Az. 8 AZR 997/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 1125

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Gegenstand

Bewerber - Benachteiligung - Alter


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Juli 2012 - 4 Sa 596/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des [X.] auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und auf Unterlassung von Benachteiligungen von Stellenbewerbern wegen ihres Alters.

2

Die Beklagte schaltete im April 2009 eine Stellenanzeige für ein „S Graduate Program Traineeprogramm für Führungsnachwuchskräfte (m/w) im Bereich Human Resources“. In dieser heißt es ua.:

„Das S Graduate Program ([X.]) ist ein internationales Traineeprogramm für unseren Führungsnachwuchs und bereitet Sie auf spätere Managementaufgaben im In- und Ausland vor. Für die Zukunftsgestaltung unseres Unternehmens suchen wir ambitionierte und hochqualifizierte Hochschulabsolventen, für die [X.] Kompetenz und Verantwortungsbereitschaft selbstverständlich sind. Für unsere Sektoren und Corporate Units suchen wir Trainees für den Bereich Human Resources mit den Studienrichtungen Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik sowie anverwandte.

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3

Der am 11. Mai 1973 geborene Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 24. April 2009 für dieses Traineeprogramm. Im Jahre 1999 hatte er in [X.] die Erste Juristische Staatsprüfung mit 6,58 Punkten („befriedigend“) und im Jahre 2001 die Zweite Juristische Staatsprüfung mit 5,60 Punkten („ausreichend“) abgelegt. Von 2003 bis 2005 war der Kläger zunächst als selbständiger Rechtsanwalt und in den Jahren 2006 und 2007 als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft (zuletzt als Leiter einer fünfköpfigen Juristengruppe) tätig gewesen. Im Jahre 2008 hatte er in [X.] ([X.]) den Grad eines „Master of Laws“ erworben. Zur Zeit der Stellenausschreibung war der Kläger erneut als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Seiner Onlinebewerbung fügte der Kläger die Zeugnisse seiner beiden Staatsexamina nicht bei und teilte auch seine Examensnoten nicht mit.

4

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 29. April 2009 mittels E-Mail eine Absage. Hierauf forderte sie der Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 2009 auf, es künftig zu unterlassen, Bewerber bei der Stellenvergabe wegen ihres Alters zu benachteiligen. Weiter verlangte er materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG sowie eine immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 20.000,00 Euro. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2009 ab.

5

Mit seiner am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger einen Unterlassungs- und einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht.

6

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei wegen seines Alters diskriminiert worden. Die Beklagte habe sich mit ihrer Stellenausschreibung speziell an Berufseinsteiger gewandt, deren Hochschulabschluss maximal ein Jahr zurückliege. Deshalb sei eine zumindest mittelbare Benachteiligung wegen des Alters zu vermuten. Er habe sich im Übrigen mit der letztlich erfolgreichen Bewerberin in einer vergleichbaren Situation befunden und sei einer der am besten qualifizierten Bewerber gewesen. Seine Benachteiligung wegen des Alters sei auch nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus stehe ihm der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung nach den § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB, § 15 AGG zu. Dies ergebe sich auch aus dem unionsrechtlichen Grundsatz des „effet utile“ (Effektivitätsgrundsatz).

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Stellenbewerber im Auswahlverfahren für eine Stelle als Trainee wegen des Alters zu benachteiligen,

und

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 20.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 9. Juli 2009.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Sie bestreitet das Bestehen eines Entschädigungs- und Unterlassungsanspruchs. Mit den in ihrer Ausschreibung verwendeten Begriffen „Berufseinsteiger“ oder „Hochschulabsolvent“ sei keine unmittelbare oder mittelbare Altersdiskriminierung verbunden, weil alle Bewerber unabhängig von ihrem Alter angesprochen würden, die diese Kriterien erfüllten. Der Kläger sei auch nicht aufgrund seines Alters aus dem Kreis der Bewerber ausgeschieden, sondern allein wegen der nicht nachgewiesenen Qualifikationsanforderungen (Zeugnisse mit Examensnoten) und der Nichteinhaltung der geforderten Bewerbungsformalitäten. Dem Kläger fehle im Übrigen bereits die objektive Eignung für die Teilnahme an dem Traineeprogramm. Er habe sich nicht in einer vergleichbaren Situation mit der letztlich zum Zuge gekommenen Bewerberin befunden. Mit ihrem Traineeprogramm wolle sie besonders talentierte Hochschulabsolventen für spätere Aufgaben als Führungskräfte in ihrem Unternehmen vorbereiten. Das Programm sei als weitere Ausbildungsstation von Hochschulabsolventen unmittelbar im [X.] an ihre Universitätsgrundausbildung konzipiert. Sinn eines solchen [X.] sei das [X.] praktischer Fähigkeiten im unmittelbaren [X.] an die Hochschulausbildung. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass [X.] für einen künftigen Führungskräftebedarf ausgebildet und möglichst lange an das Unternehmen gebunden werde. Es liege bereits in der Natur eines solchen Programms, dass die Teilnehmer Berufseinsteiger ohne Berufserfahrung und ohne berufspraktische Vorprägung seien. Im Übrigen verschließe sie sich keineswegs Bewerbungen von berufserfahrenen Hochschulabsolventen. Schließlich bezweifelt die Beklagte die Ernsthaftigkeit der Bewerbung des [X.].

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Ihm stehen weder ein Unterlassungs- noch ein Entschädigungsanspruch zu.

A. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung des [X.] nicht ernsthaft gewesen sei, lägen nicht vor. Der Kläger habe ausreichende Indizien nach § 22 [X.] vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen. Die Angabe in der Ausschreibung, dass sich das Traineeprogramm speziell an Berufseinsteiger richte, und der Hochschulabschluss maximal ein Jahr zurückliegen solle, stelle eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 2 [X.] dar. Hierdurch würden typischerweise Bewerber mit einem höheren Lebensalter von der Bewerbung ausgeschlossen.

Jedoch habe die Beklagte ausreichende Anhaltspunkte für die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung der Bewerber nach § 3 Abs. 2, §§ 8 und 10 [X.] vorgetragen. Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 [X.] genannten Merkmals könne durch ein legitimes Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Zu den rechtmäßigen Zielen gehörten auch privatautonom bestimmte Ziele des Arbeitgebers, zB betriebliche Notwendigkeiten und Anforderungen an persönliche Fähigkeiten des Arbeitnehmers. Vorliegend sei es das Ziel der [X.], mit dem zweijährigen Traineeprogramm qualifiziertes Nachwuchspersonal für den Führungskräftebedarf im Bereich Human Resources zu gewinnen. Hoch qualifizierte [X.] erhielten durch die Teilnahme an dem Traineeprogramm eine Chance, sich für den Kreis der künftigen Führungskräfte zu qualifizieren. Ein solches Traineeprogramm gleiche damit mehr einem Berufspraktikum als einer Berufstätigkeit, es sei ein Programm zur beidseitigen Förderung beruflicher Perspektiven. Das Programm sei mithin auf Hochschulabsolventen zugeschnitten, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. So sollten Nachwuchskräfte unternehmensspezifisch ausgebildet und langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Zugleich weise das Programm einen [X.] Bezug auf, da es den Einstieg von Berufsanfängern in das Berufsleben erleichtere. Die Beklagte decke ihren Personalbedarf im Übrigen auch durch Bewerber mit mehrjähriger Berufserfahrung. Der Kläger werde damit als potentieller Bewerber für eine Anstellung bei der [X.] nicht gänzlich ausgeschlossen. Er habe nur nicht zu der Zielgruppe der Teilnehmer an ihrem Traineeprogramm gehört, da seine universitäre Ausbildung zehn Jahre zurückliege und er bereits über eine fünfjährige berufliche Tätigkeit verfüge. Unter Berücksichtigung der unternehmerischen Ziele erweise sich das Traineeprogramm daher als verhältnismäßig.

Aufgrund der damit anzunehmenden Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Bewerbern unterschiedlicher Altersgruppen stehe dem Kläger auch der von ihm geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Antrag einen vollstreckungsfähigen Inhalt habe und damit dem Bestimmtheitsgebot entspreche und ob der Kläger ausreichend aktivlegitimiert sei.

B. Die Entscheidung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.] räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des [X.] nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt ([X.] 13. Oktober 2011 - 8 [X.] - Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der für angemessen erachteten Entschädigung mit 20.000,00 Euro beziffert.

II. Die Klage ist in Bezug auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch unbegründet. Da der Kläger durch die Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren nicht in unzulässiger Weise wegen seines Alters benachteiligt worden ist, steht ihm kein Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 [X.] zu.

1. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 [X.] und fällt daher unter den persönlichen Anwendungsbereich des [X.]. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob er für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (vgl. [X.] 13. Oktober 2011 - 8 [X.] - Rn. 18). Die objektive Eignung eines Bewerbers ist vielmehr für die Frage bedeutsam, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegt (vgl. [X.] 7. April 2011 - 8 [X.] - Rn. 29). Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an, weil ihr Fehlen allenfalls den Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers begründen könnte (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 24).

2. Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 [X.] „beschäftigt“. Arbeitgeber ist mithin auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. [X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 18, [X.]E 142, 143).

3. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der Fristen der § 15 Abs. 4 [X.], § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

a) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 [X.] innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 [X.]), nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. [X.] 15. März 2012 - 8 [X.] - Rn. 55 ff., [X.]E 141, 48). Die Ablehnung der Bewerbung wurde dem Kläger mittels E-Mail vom 29. April 2009 mitgeteilt. Der Kläger machte mit Schreiben vom 24. Juni 2009 einen Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch sowie einen Unterlassungsanspruch außergerichtlich geltend. Mangels anderweitigen Sachvortrags der Parteien ist daher - unter Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeiten - davon auszugehen, dass die [X.] des § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] gewahrt ist.

b) Der Kläger hat seinen Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 23. September 2009 eingegangene Klage auch innerhalb der dreimonatigen Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

4. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.] setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 [X.] voraus. § 15 Abs. 2 [X.] enthält zwar nur eine Rechtsfolgenregelung; jedoch ist für die Voraussetzungen des Anspruchs auf § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] zurückzugreifen. Dies ergibt sich bereits aus dem systematischen Zusammenhang (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 30).

Die Beklagte hat den Kläger weder unmittelbar noch mittelbar in unzulässiger Weise (§§ 1, 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]) benachteiligt.

a) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes - zu denen auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die nachteilige Maßnahme muss dabei unmittelbar an das verbotene Merkmal anknüpfen bzw. mit diesem begründet werden (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; [X.] 22. Juni 2011 - 8 [X.] - Rn. 33, [X.]E 138, 166).

Im [X.] fehlt es bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung, weil sich der Kläger nicht in einer „vergleichbaren Situation“ mit den zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerbern bzw. der letztlich erfolgreichen Bewerberin befand.

aa) Zwar erfuhr der Kläger - bereits im Zeitpunkt der Absage - eine weniger günstige Behandlung als die später tatsächlich eingestellte Bewerberin. Darüber hinaus war auch die Behandlung des [X.] im Vergleich mit den zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen (letztlich gleichfalls erfolglosen) Bewerbern weniger günstig. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, liegt nämlich bereits dann vor, wenn der Bewerber nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer Chance (st. Rspr., vgl. [X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 22).

bb) Der Kläger befand sich jedoch mit den zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerbern und der letztlich erfolgreichen Bewerberin nicht „in einer vergleichbaren Situation“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

(1) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 35).

Für die Beurteilung der damit stets erforderlichen objektiven Eignung ist nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil, das der Arbeitgeber erstellt hat, zurückzugreifen und abzustellen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen durfte. Zwar darf der Arbeitgeber über den einer Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers grundsätzlich frei entscheiden. Durch überzogene Anforderungen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des [X.] de facto beseitigen (vgl. [X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 36).

Es ist grundsätzlich zulässig, in einem Stellenprofil eine bestimmte Mindestnote oder sonstige besondere Qualifikationen zu fordern (vgl. [X.] 24. Januar 2013 - 8 [X.] - Rn. 36). Hierzu ist ein Arbeitgeber vor allem dann berechtigt, wenn es um die Gewinnung von Führungsnachwuchs oder die Besetzung von [X.] geht. Hierin liegen mit Blick auf die besonderen Anforderungen in solchen Positionen keine überzogenen oder willkürlichen Auswahlkriterien.

(2) Die Beklagte hat in ihrer Stellenanzeige „ambitionierte und hochqualifizierte“ Hochschulabsolventen für den Bereich Human Resources mit den Studienrichtungen Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik „sowie anverwandte“ gesucht. Zudem hat sie unter der Rubrik „Ausbildung“ gefordert: „Sie haben Ihr Studium überdurchschnittlich gut mit der Studienrichtung Jura, BWL, Psychologie, Pädagogik abgeschlossen.“ Diese spezifische Anforderung ist mit Blick auf die - als „Mission“ bezeichnete - gewünschte Gewinnung (und Bindung) von Führungsnachwuchs für spätere Managementaufgaben im In- und Ausland gerechtfertigt und unbedenklich.

Der Kläger verfügt zwar über das - hier aufgrund der Fokussierung auf „Hochschulabsolventen“ maßgebliche - erste juristische Staatsexamen. Allerdings erfüllt seine dabei erzielte Abschlussnote nicht die hohe Anforderung eines „überdurchschnittlich gut(en)“ Examens. Auch wenn man die Besonderheiten des juristischen Examens, insbesondere in [X.], berücksichtigt, so handelt es sich bei einem Examen mit 6,58 Punkten um keinen solchen überdurchschnittlich guten Abschluss. Soweit der Kläger der Auffassung ist, es genüge bereits ein „überdurchschnittliches“ Examen, das er im statistischen Vergleich auch erzielt habe, geht dies fehl. Die Anforderung „überdurchschnittlich gut“ ist nämlich - aus der hier maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers, dh. des Lesers der Stellenanzeige - nicht so zu lesen: „überdurchschnittlich und damit gut“. Vielmehr muss es sich zunächst um ein „gutes“ und sodann sogar „überdurchschnittlich gutes“ Examen handeln, mithin nicht nur um ein bloß „überdurchschnittliches“, sondern herausragendes Zeugnis. Dabei hat die Beklagte nach ihrem Sachvortrag im Falle der auch angesprochenen Juristen ein „gut“ nicht gefordert, sondern ein „befriedigend im oberen Bereich“ ausreichen lassen. Dies belegt auch der systematische Zusammenhang der Stellenausschreibung. So werden ausdrücklich „hochqualifizierte Hochschulabsolventen“ als Führungsnachwuchs gesucht. Das lediglich „befriedigende“ „Prädikatsexamen“ (im unteren Notenbereich) des [X.] ist kein Ausweis einer Hochqualifizierung. Daher war ein bloß „überdurchschnittliches“ Examen nicht ausreichend. Juristen mit knapp „befriedigendem“ Staatsexamen hat die Beklagte erkennbar nicht ansprechen wollen.

Auf eine später gewonnene Qualifikation - wie das zweite juristische Staatsexamen - kam es der [X.] ersichtlich nicht an. Der Kläger vermag sich daher auf dieses nicht mit Erfolg zu berufen.

(3) Nach alledem entsprach der Kläger von vornherein nicht den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle. Sein Defizit war so erheblich, dass eine weitere Prüfung seiner Bewerbung nicht ernstlich in Betracht gekommen wäre. Es kam deshalb auch nicht darauf an, dass die Beklagte aufgrund der diesbezüglich lückenhaften Stellenbewerbung (keine Angabe der Examensnote) des [X.] von dessen Examensnote keine Kenntnis hatte, weil es diesem bereits an der maßgeblichen objektiven Eignung fehlte. Da das [X.] vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen und nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren will, steht einem objektiv ungeeigneten Bewerber kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.] zu (vgl. [X.] 24. Januar 2013 - 8 [X.] - Rn. 34). Deshalb kann bei objektiver Nichteignung des Bewerbers auch bei [X.] des Arbeitgebers von der Nichteignung kein Entschädigungsanspruch des abgelehnten Bewerbers entstehen.

(4) Im [X.] war die objektive Nichteignung des [X.] aufgrund der objektiv gegebenen Umstände offensichtlich. Deshalb spielte die Frage keine Rolle, wer für die objektive Eignung oder Nichteignung eines Bewerbers die Darlegungs- und Beweislast trägt.

b) Da der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet war, scheidet auch eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 [X.] wegen seines Alters aus. Auch ein Entschädigungsanspruch wegen mittelbarer Diskriminierung setzt eine konkrete Betroffenheit des Benachteiligten voraus (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 33; [X.]/Bertzbach/[X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 3 Rn. 51). Damit stellt sich das Verbot der mittelbaren Diskriminierung letztlich als Hilfsmittel zur Durchsetzung des eigentlichen Verbots unmittelbarer Diskriminierung dar (vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 246; [X.]/[X.]/Krieger [X.] 3. Aufl. § 3 Rn. 20; so auch: [X.]/[X.] [X.] 2. Aufl. § 3 Rn. 127, die das Verbot der mittelbaren Diskriminierung als Beweiserleichterung für das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung betrachten). [X.] eine konkrete Betroffenheit eines abgelehnten Bewerbers wegen dessen objektiver Ungeeignetheit für die ausgeschriebene Stelle aus, so scheitert daran auch ein Entschädigungsanspruch wegen einer möglicherweise vorliegenden mittelbaren Diskriminierung.

III. Die Unterlassungsklage ist unzulässig. Es fehlt für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch bereits an der erforderlichen, von Amts wegen zu prüfenden Prozessführungsbefugnis und damit an einer Prozessvoraussetzung.

Der Kläger macht - ohne konkrete Selbstbetroffenheit und gewissermaßen „stellvertretend“ für (andere) Bewerber bei künftigen Ausschreibungen der [X.] - einen „vorbeugenden Unterlassungsanspruch“ im Sinne einer „[X.]“ geltend.

So wie eine abstrakte Diskriminierung ohne konkrete eigene Benachteiligung einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.] nicht auszulösen vermag, begründet auch der Gesichtspunkt der „Generalprävention“ keinen Unterlassungsanspruch. Es fehlt an einer nationalen gesetzlichen Grundlage für einen solchen „generalpräventiven“ Unterlassungsanspruch. Auch Europarecht begründet einen derartigen Anspruch nicht.

1. Einen vom konkreten Bewerbungsverfahren losgelösten, einer „[X.]“ ähnelnden Anspruch auf Unterlassung - künftiger - diskriminierender Ausschreibungen bzw. auf - künftige - diskriminierungsfreie [X.] ist aus dem [X.] nicht herzuleiten. Im Übrigen haben selbst konkret betroffene Stellenbewerber, die einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geltend machen, während eines laufenden Auswahlverfahrens keinen Anspruch auf Unterlassung einer Ausschreibung und auf Neuausschreibung (vgl. BayVGH 4. Dezember 2012 - 7 [X.] - BayVBl. 2013, 308).

Lediglich für den Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene [X.] ist in § 17 Abs. 2 [X.] iVm. § 23 Abs. 3 BetrVG bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch vorgesehen und kommt dann auch bei diskriminierenden Stellenausschreibungen in Betracht. [X.] und Unterlassungsansprüche ergeben sich für Stellenbewerber auch nicht aus § 21 Abs. 1 [X.]. § 21 [X.] betrifft nicht den Schutz von Beschäftigten und Bewerbern vor Benachteiligungen, sondern ausschließlich den Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr im Sinne des § 19 [X.].

2. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

Die [X.] Richtlinien zur Durchsetzung der Gleichbehandlung, die durch das [X.] umgesetzt worden sind, verlangen, dass in den Mitgliedstaaten alle Personen, die sich durch Ungleichbehandlung aufgrund eines verpönten Merkmals für in ihren Rechten verletzt halten, den Gerichtsweg beschreiten können (Art. 7 Abs. 1 RL 2000/43/[X.] und Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/[X.]). Die Richtlinien fordern darüber hinaus, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die nach nationalem Recht für die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinien zu sorgen haben, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung am Gerichtsverfahren beteiligen können. Diese Mindestanforderungen (Art. 6 Abs. 1 RL 2000/43/[X.] und Art. 8 Abs. 1 RL 2000/78/[X.]) erfüllt das nationale Recht. Zwar ist für die durch Gesetz vorgeschriebenen Einrichtungen zur Unterstützung der Integration behinderter Menschen (Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, [X.], vgl. [X.]. 5 bis 7 SGB IX) ein allgemeines Klagerecht nicht vorgesehen, jedoch können Antidiskriminierungsverbände nach § 23 Abs. 2 [X.] im gerichtlichen Verfahren als Beistände Benachteiligter auftreten. Die [X.] einzelner Betroffener ist dem [X.] Recht dagegen grundsätzlich fremd ([X.] 19. August 2010 - 8 [X.]/09 - Rn. 33).

3. Der Einholung einer Vorabentscheidung des [X.]s der [X.] gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) bedurfte es nicht. Insoweit hat der [X.] der [X.] bereits in seinem Urteil vom 10. Juli 2008 (- [X.]/07 - [[X.]] Rn. 37 - 39, Slg. 2008, [X.]) ausgeführt, die Richtlinie 2000/43/[X.] verpflichte nicht zu bestimmten Sanktionen, sondern belasse den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des festgelegten Ziels geeignet sind. Auch wenn die Sanktionen neben anderen Maßnahmen darin bestehen könnten, dass dem Arbeitgeber nach den entsprechenden Vorschriften im nationalen Recht aufgegeben werde, die festgestellte diskriminierende Praxis zu unterlassen, ist eine solche Sanktion nicht zwingend, sondern steht unter dem Vorbehalt des nationalen Rechts. Diese Rechtsprechung - und damit die Freiheit der Mitgliedstaaten - hat der [X.] jüngst ausdrücklich bestätigt ([X.] 25. April 2013 - C-81/12 - [[X.]] Rn. 36 ff.).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Lüken    

        

    Soost    

                 

Meta

8 AZR 997/12

14.11.2013

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nürnberg, 30. August 2011, Az: 9 Ca 7222/09, Urteil

§ 22 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 8 AGG, § 10 AGG, § 1 AGG, § 15 Abs 2 S 1 AGG, § 6 Abs 1 S 2 Alt 1 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 6 Abs 2 S 1 AGG, § 15 Abs 4 S 1 AGG, § 7 AGG, Art 7 Abs 1 EGRL 43/2000, Art 6 Abs 1 EGRL 43/2000, Art 8 EGRL 78/2000, Art 9 EGRL 78/2000, § 17 AGG, § 19 AGG, § 21 AGG, § 23 AGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2013, Az. 8 AZR 997/12 (REWIS RS 2013, 1125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1125

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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