Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2019, Az. IX ZB 41/19

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 165

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Gegenstand

Anlass zur Erhebung einer Widerspruchsklage durch Beteiligung an Verteilungsverfahren nach Grundstücksversteigerung


Leitsatz

Ein Beklagter gibt regelmäßig nicht schon dann Veranlassung zur Erhebung einer Widerspruchsklage, wenn er als Gläubiger im Verteilungstermin nicht erscheint und deshalb kraft Gesetzes vermutet wird, dass er einen seine in den Teilungsplan aufgenommenen Ansprüche betreffenden Widerspruch eines anderen Gläubigers nicht anerkennt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des [X.] mit Sitz in [X.] vom 27. Februar 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Wert des [X.] wird auf 7.513,46 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die [X.] war Eigentümerin eines Grundstücks. Die Klägerin betrieb aus einer im Grundbuch Abteilung III unter lfd. Nr. 34 eingetragenen Grundschuld über 150.000 € die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Zugunsten der [X.]n waren in Abteilung III unter lfd. Nr. 35 bis 40 weitere Grundschulden mit dem gleichen Rang wie die Grundschuld der Klägerin eingetragen. Die Grundschulden der [X.]n valutierten nicht mehr; die Ansprüche auf Rückübertragung gleichrangiger Grundschulden sowie Auszahlung eines Übererlöses im Verwertungsfall waren an die Klägerin abgetreten.

2

Aus der Zwangsversteigerung des Grundstücks stand eine Teilungsmasse von 92.456 € zur Verfügung. Das Vollstreckungsgericht fertigte einen Teilungsplan an, wonach auf die Grundschulden der [X.]n ein Betrag von 49.302,67 € zugeteilt wurde. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 7. Mai 2018 Widerspruch gegen den Teilungsplan ein. Im Termin zur Verteilung des [X.] vor dem Vollstreckungsgericht am 14. Mai 2018 erschien die [X.] nicht. Daraufhin erließ das Vollstreckungsgericht am 14. Mai 2018 einen Teilungsplan, wonach der Restbetrag von 49.302,67 € strittig blieb.

3

Die Klägerin hat am 11. Juni 2018 [X.] erhoben, welche der [X.]n am 6. Juli 2018 zugestellt worden ist. Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2018 hat die [X.] den Klageantrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das [X.] hat der Klage durch [X.] stattgegeben und die Kosten der [X.]n auferlegt. Die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der [X.]n hat das [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die [X.] eine Kostentragung der Klägerin.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es liege kein sofortiges Anerkenntnis der [X.]n im Sinne des § 93 ZPO vor. Es sei nicht erforderlich, einem bei dem Widerspruch beteiligten Gläubiger, der im Verteilungstermin nicht erscheine und von dem daher vermutet werde, dass er den Widerspruch nicht als begründet anerkenne, vor Erhebung einer [X.] nach § 878 ZPO aufzufordern, den Widerspruch nachträglich anzuerkennen. Aufgrund der gesetzlichen Säumnisfolge des § 877 Abs. 2 ZPO sei der widersprechende Gläubiger allein wegen der Vermutung gezwungen, eine [X.] zu erheben. Hierfür stehe ihm nur eine kurze Frist zur Verfügung. Das Gesetz sehe ausdrücklich einen Termin zur Verhandlung über den Teilungsplan vor. Daher gebe bereits die Säumnis der [X.]n hinreichenden Anlass zur Erhebung der [X.].

6

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO scheidet nicht schon deshalb aus, weil nach § 877 Abs. 2 ZPO unwiderlegbar vermutet wird, dass die [X.] den Widerspruch der Klägerin gegen den Teilungsplan nicht als begründet anerkenne.

7

a) Allerdings greift § 93 ZPO nur ein, wenn der [X.] nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Unter dieser Voraussetzung fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der [X.] den Anspruch sofort anerkennt. Anlass zur Klageerhebung hat der [X.] gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf sein Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen ([X.], ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 13; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 93 Rn. 3). Es kommt auf das Verhalten des [X.]n vor dem Prozess an ([X.], Urteil vom 27. Juni 1979 - [X.], N[X.] 1979, 2040, 2041 unter [X.]). Dieses muss vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigen ([X.], Beschluss vom 8. März 2005 - [X.], N[X.]-RR 2005, 1005, 1006). Dabei trifft den [X.]n die Beweislast, dass es an einer Veranlassung zur Klageerhebung fehlte (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2006 - [X.], [X.], 781, 782 unter b).

8

b) Nach diesen Maßstäben hat die [X.] auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] keinen Anlass zur Erhebung der [X.] gegeben.

9

aa) Ein [X.]r gibt regelmäßig nicht schon dann Veranlassung zur Erhebung einer [X.] nach § 878 ZPO, wenn er als Gläubiger im Verteilungstermin nicht erscheint und deshalb kraft Gesetzes vermutet wird, dass er einen seine in den Teilungsplan aufgenommenen Ansprüche betreffenden Widerspruch eines anderen Gläubigers nicht anerkenne. Die gesetzliche Vermutung des § 877 Abs. 2 ZPO genügt nicht, damit der Gläubiger annehmen musste, er werde ohne [X.] nicht zu seinem Recht kommen (vgl. KG, [X.] 1931, 2175, 2176; [X.], [X.] 35 (1917), 41 f; [X.], HRR 1932, Nr. 2197; [X.], Beschluss vom 13. Juli 2010 - 20 W 1527/10, juris Rn. 12; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 877 Rn. 2; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 877 Rn. 2; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 877 Rn. 8; [X.]/Kindl, ZPO, 8. Aufl., § 877 Rn. 3). Die Gegenmeinung (MünchKomm-ZPO/Dörndorfer, 5. Aufl., § 877 Rn. 4; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 16. Aufl., § 877 Rn. 2; Prütting/[X.]/Zempel, ZPO, 11. Aufl., § 877 Rn. 2; [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 877 ZPO Rn. 2; [X.] in Kindl/[X.]Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 877 Rn. 6) berücksichtigt nicht ausreichend, dass § 877 Abs. 2 ZPO dem Schutz des bei dem Widerspruch beteiligten Gläubigers dient.

bb) Die Bestimmungen über das [X.] nach einer Grundstücksversteigerung zeigen, dass ein [X.]r allein dadurch, dass er sich am Ablauf des [X.]s nicht beteiligt, keinen Anlass zur Erhebung einer [X.] gibt.

(1) § 105 [X.] sieht vor, dass das Gericht nach Erteilung des Zuschlags von Amts wegen einen Termin zur Verteilung des [X.] bestimmt. In dem Termin ist nach § 113 Abs. 1 [X.] der Teilungsplan aufzustellen. Ansprüche eines Gläubigers sind nach dem Inhalt des Grundbuchs oder nach seiner Anmeldung in den Teilungsplan aufzunehmen (§ 114 [X.]). Über den Teilungsplan ist gemäß § 115 [X.] sofort zu verhandeln. Dabei sind auf die Verhandlung, die Behandlung erhobener Widersprüche und die Ausführung des Planes die §§ 876 bis 882 ZPO entsprechend anzuwenden (§ 115 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Somit hat sich in diesem Termin jeder beteiligte Gläubiger über einen Widerspruch sofort zu erklären (§ 876 Satz 2 ZPO). Gemäß § 877 Abs. 2 ZPO wird angenommen, dass ein bei einem Widerspruch beteiligter, aber in dem Termin nicht erschienener Gläubiger den Widerspruch nicht als begründet anerkenne. Dies führt dazu, dass der widersprechende Gläubiger ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem [X.] beginnt, dem Gericht nachweisen muss, dass er gegen die beteiligten Gläubiger Klage erhoben habe (§ 878 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Andernfalls wird die Ausführung des Plans ohne Rücksicht auf den Widerspruch angeordnet (§ 878 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

(2) Im Hinblick auf diesen Verfahrensablauf zeigt ein Gläubiger, der sich nicht am [X.] beteiligt, kein Verhalten, das von einem widersprechenden Gläubiger so angesehen werden muss, als mache der andere Gläubiger ein Recht im [X.] geltend, auf das er nur bei einer Klage verzichten werde. Eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO scheidet hingegen aus, wenn ein dem [X.]n zuzurechnendes Verhalten hinzukommt, aufgrund dessen der widersprechende Gläubiger annehmen musste, er werde ohne [X.] nicht zu seinem Recht kommen. Dies ist der Fall, wenn der [X.] den Widerspruch kannte oder mit ihm rechnen musste.

Die gesetzliche Vermutung des § 877 Abs. 2 ZPO besteht zum Schutz des bei dem Widerspruch beteiligten Gläubigers. Der in den Teilungsplan aufgenommene Anspruch dieses Gläubigers soll bei der Ausführung des [X.] nicht bereits aufgrund eines Widerspruchs unberücksichtigt bleiben. Ob ein nicht zum Termin zur Verteilung des [X.] erscheinender Gläubiger Veranlassung zur Erhebung einer [X.] nach § 878 ZPO gegeben hat, hängt daher davon ab, warum dieser Gläubiger am Widerspruch beteiligt ist. Beruht diese Beteiligung - wie im Streitfall - darauf, dass Ansprüche des Gläubigers nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 [X.] allein nach dem Inhalt des Grundbuchs in den Teilungsplan aufgenommen worden sind, folgt daraus kein hinreichender Anlass zur Klageerhebung. Denn die Aufnahme von Ansprüchen nach dem Inhalt des Grundbuchs erfolgt von Amts wegen (vgl. [X.]/Nicht, [X.], 22. Aufl., § 114 Rn. 15); ihr lässt sich nicht entnehmen, dass der Gläubiger damit eine Teilhabe am [X.] begehrt.

Anders ist dies zu beurteilen, wenn die Ansprüche des Gläubigers aufgrund einer ausdrücklichen Anmeldung in den Teilungsplan aufgenommen werden (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, Satz 2 [X.]). Hiermit verfolgt ein Gläubiger einen eigenen Anspruch im Rahmen der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück und verlangt ausdrücklich, bei der Verteilung des [X.] im [X.] berücksichtigt zu werden. Ergreift ein Gläubiger im Rahmen der Zwangsversteigerung eines Grundstücks auf diese Weise aktiv Maßnahmen der Rechtsverfolgung und erscheint sodann nicht zum Termin zur Verteilung des [X.], gibt er im Falle eines Widerspruchs hinreichend Anlass zur Erhebung der [X.]. Denn ein solcher Gläubiger muss bereits vor dem Termin erwägen, ob seine Ansprüche tatsächlich bestehen oder Einwendungen anderer Gläubiger ausgesetzt sein können.

Fehlt es an einer eigenen Anmeldung von Ansprüchen des vom Widerspruch betroffenen Gläubigers, besteht regelmäßig nur dann Anlass zur Erhebung einer [X.], wenn der widersprechende Gläubiger den anderen Gläubiger erfolglos außergerichtlich aufgefordert hat, den Widerspruch für berechtigt anzuerkennen. Anders als das Beschwerdegericht meint, stellt weder die Klagefrist des § 878 Abs. 1 ZPO noch der Termin zur Verhandlung über den Teilungsplan einen Grund dar, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Da sich das entsprechende Recht des betroffenen Gläubigers in diesen Fällen bereits aus dem Grundbuch ergibt, kann der widersprechende Gläubiger den Grundbuchberechtigten im Regelfall bereits vor dem Verteilungstermin auffordern, auf sein Recht zu verzichten oder einer bestimmten Verteilung zuzustimmen, oder ihm einen Widerspruch ankündigen und so schon vor Beginn der Klagefrist klären, ob Veranlassung zur Erhebung einer [X.] besteht. Es ist unerheblich, dass sich im Termin zur Verhandlung über den Teilungsplan jeder beteiligte Gläubiger sofort über einen Widerspruch zu erklären hat (§ 876 Satz 2 ZPO). Dies allein genügt nicht, um beim säumigen Gläubiger eine Veranlassung zur Klageerhebung anzunehmen, weil auch der widersprechende Gläubiger nicht im Termin anwesend sein muss. Dies folgt aus § 877 Abs. 1 ZPO, wonach der Widerspruch - wie im Streitfall - auch vor dem Termin erhoben werden kann.

3. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 ZPO). Die [X.] hat unter Beweisantritt behauptet, dass sie die außergerichtliche Aufforderung der Klägerin, den Widerspruch anzuerkennen, nicht erhalten habe. Das Beschwerdegericht wird daher zu klären haben, ob die [X.] - wie sie behauptet - keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.

Kayser     

      

[X.]     

      

Lohmann

      

Schoppmeyer     

      

Röhl     

      

Meta

IX ZB 41/19

19.12.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 27. Februar 2019, Az: 24 W 60/18

§ 93 ZPO, § 877 Abs 2 ZPO, § 114 Abs 1 S 1 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2019, Az. IX ZB 41/19 (REWIS RS 2019, 165)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 243-244 WM2020,240 REWIS RS 2019, 165

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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