Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.06.2016, Az. II R 24/15

2. Senat | REWIS RS 2016, 9909

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Gegenstand

Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten als Nachlassverbindlichkeit - Kosten des Beigeladenen


Leitsatz

Eine Abfindungszahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2015  11 K 754/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die im Jahr 1921 geborene [X.]rblasserin ([X.]) setzte zunächst in einem notariellen und amtlich verwahrten Testament vom 13. Juni 2007 die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und deren [X.]hemann ([X.]M) als [X.]rben zu gleichen Teilen ein. Am 12. April 2010 verfasste und unterzeichnete [X.] eine handschriftliche Urkunde, welche ihren Finanzberater (Beigeladener) als ihren Alleinerben ausweist.

2

Nach dem Tod der [X.] im Jahr 2010 beantragte der Beigeladene beim zuständigen Nachlassgericht im Juli 2010 zu seinen Gunsten die [X.]rteilung eines [X.]rbscheins als Alleinerben. Im Oktober 2010 beantragten die Klägerin und [X.]M die [X.]rteilung eines gemeinschaftlichen [X.]rbscheins, der sie als (Mit-)[X.]rben zu gleichen Teilen ausweist.

3

Der anschließend vor dem Nachlassgericht zwischen den [X.]heleuten und dem Beigeladenen geführte Streit um die [X.]rbenstellung nach der [X.] endete in einem Vergleich. Der Beigeladene nahm seinen Antrag auf [X.]rteilung eines [X.]rbscheins zurück, verpflichtete sich, keine [X.]inwendungen gegen den [X.]rbscheinsantrag der [X.]heleute zu erheben und ggf. alles [X.]rforderliche zu tun, damit die [X.]heleute ihre alleinige (Mit-)[X.]rbenstellung nach [X.] erlangen. Die [X.]heleute verpflichteten sich, dafür an den Beigeladenen 160.000 € zu zahlen.

4

Am 13. Dezember 2011 wurde der Klägerin und [X.]M ein gemeinschaftlicher [X.]rbschein erteilt, der diese als (Mit-)[X.]rben zu gleichen Teilen ausweist.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 9. März 2012 [X.]rbschaftsteuer in Höhe von 86.550 € fest, ohne die anteilige Abfindungszahlung an den Beigeladenen in Höhe von 80.000 € bei der [X.]rmittlung des steuerpflichtigen [X.]rwerbs von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

6

Der nach erfolglosem [X.]inspruchsverfahren erhobenen Klage, mit der die Klägerin u.a. begehrte, die Abfindungszahlung an den Beigeladenen bei der [X.]rmittlung des steuerpflichtigen [X.]rwerbs anteilig zum Abzug zuzulassen, gab das Finanzgericht ([X.]) insgesamt u.a. mit der Begründung statt, die Klägerin habe die (ihr zur Hälfte zuzurechnende) Abfindungszahlung ausschließlich zur [X.]rlangung des [X.]rwerbs geleistet. [X.]in unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit der [X.]rlangung des [X.]rwerbs i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ([X.]rbStG) liege somit vor. Die [X.]ntscheidung ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte ([X.][X.]) 2015, 825 veröffentlicht.

7

Mit der Revision rügt das [X.] eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.]rbStG.

8

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als die Klägerin die Berücksichtigung der anteilig auf sie entfallenden Abfindungszahlung in Höhe von 80.000 € als Nachlassverbindlichkeit begehrt.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Abfindungszahlung, die der Erbe an den weichenden [X.]en zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] abzugsfähig ist.

1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.

a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sich der unmittelbare Zusammenhang von Kosten nicht nur auf die Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses, sondern auch auf die Erlangung des Erwerbs. Dies bedeutet, dass ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraussetzt.

b) Der Begriff der Erwerbskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] ist [X.] wie der Begriff der [X.] (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 19. Juni 2013 II R 20/12, [X.], 416, [X.], 738, Rz 11, m.w.[X.] grundsätzlich weit auszulegen. Für eine unterschiedliche Behandlung von [X.] und Erwerbserlangungskosten sind keine sachlichen Gründe erkennbar. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit dem Erwerb liegt vor, wenn sie --i.S. einer synallagmatischen Verknüpfung (vgl. auch [X.] in [X.]/Stenger, Bewertungsrecht, § 10 [X.] Rz 129; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 10 Rz 226)-- dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. In zeitlicher Hinsicht können die Kosten vor dem Erbfall entstanden sein, müssen es aber nicht. Ausreichend ist ein Entstehen nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt.

Der [X.] hat bereits entschieden, dass eine Abfindungszahlung des Vorerben an den Nacherben für den Verzicht auf die Geltendmachung des [X.] zu den Verbindlichkeiten gehört, die bei der Ermittlung des Vermögensanfalls aufgrund des Eintritts der [X.] abzuziehen sind ([X.]-Urteil vom 18. März 1981 II R 89/79, [X.]E 133, 79, [X.] 1981, 473). Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten gehören daher auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden [X.]en, die der Erbe entrichtet, damit seine (Allein-)Erbenstellung in einem anhängigen Verfahren nicht mehr bestritten wird (so im Ergebnis [X.], in [X.]/Jüptner/[X.]/[X.], [X.], 5. Auflage § 3 Rz 57; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Ab 1. Januar 2015, § 10 [X.], Rz 169 --Aktualisierung vom 12. Juli 2016--; [X.] in [X.]/[X.], § 10 [X.], Rz 118.2; [X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 48; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 10 Rz 169; [X.], [X.] --[X.]-- 2004, 1102; [X.], [X.] 2011, 865; [X.], Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --[X.]-- 2011, 438; a.[X.] in [X.][X.], § 10 [X.] Rz 80; kritisch [X.], Der Betrieb 2011, 2623).

c) Dem Abzug einer Abfindungszahlung an den weichenden [X.]en als Erwerbskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] steht nicht entgegen, dass der Erwerb durch Erbanfall i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kraft Gesetzes eintritt. Die Abfindung, die zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung geleistet wird, dient dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung endgültig und damit zugleich den Erwerb als Erbe zu erlangen.

Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Diese Regelung gilt sowohl für die gesetzliche als auch für die gewillkürte Erbfolge ([X.]/ Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 1922 Rz 1). Hat der Erblasser durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmt (§ 1937 BGB), wird der Erbe mit dem Ableben des Erblassers dessen Gesamtrechtsnachfolger. Ist unklar oder bestritten, wer Erbe ist, weil der Erblasser z.B. mehrere Testamente mit widersprechenden Erbeinsetzungen zugunsten verschiedener Personen errichtet hat, muss erst geklärt werden, welche Person Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger wird. Kosten, die dem letztendlich bestimmten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung entstehen, hängen deshalb regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammen. Denn ohne die Erbenstellung ist auch ein Erwerb nach § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

d) Aus der Entscheidung des [X.] vom 4. Mai 2011 II R 34/09 ([X.]E 233, 184, [X.] 2011, 725) folgt --entgegen der Ansicht des FA-- keine andere Beurteilung. Darin hat der [X.] in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Abfindungszahlung, die der weichende [X.] aufgrund eines Prozessvergleichs vom zuletzt eingesetzten Alleinerben dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i.S. des § 3 [X.] ist. Die Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, sind in § 3 [X.] abschließend aufgezählt. Für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen reicht es nicht aus, dass der Erwerb der Abfindungszahlung lediglich im Zusammenhang mit einem Erbfall steht. Eine analoge Anwendung des § 3 [X.] auf Abfindungen, die aufgrund eines Vergleichs für den Verzicht auf eine Geltendmachung eines streitigen erbrechtlichen Anspruchs gewährt werden, scheidet aus ([X.]-Urteil in [X.]E 233, 184, [X.] 2011, 725, Rz 12).

Aus dieser Entscheidung ergibt sich nicht, dass die Abfindungszahlung des Erben an den weichenden [X.]en nicht als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] berücksichtigt werden kann. Ein Grundsatz der korrespondierenden Steuerbarkeit findet sich in diesem Zusammenhang im Gesetz nicht (vgl. ebenso [X.]-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 21/11, [X.], 390, [X.], 922, Rz 12, in welchem der [X.] hinsichtlich des Abzugs einer Abfindung für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteils(ergänzungs)anspruch ein Korrespondenzprinzip zur Steuerbarkeit der Abfindung beim Empfänger ebenfalls verneinte; so [X.], in [X.]/ Jüptner/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 3 Rz 57; [X.] in [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 169; [X.] in [X.]/[X.], § 10 [X.], Rz 118.2; [X.], [X.] 2004, 1102; [X.], [X.] 2011, 438). Vielmehr ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm zu prüfen, ob die Leistung unter § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] fällt.

2. Nach diesen Grundsätzen ist die von der Klägerin an den Beigeladenen geleistete Abfindungszahlung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Die [X.] Beendigung des Rechtsstreits in dem Vergleich vereinbarte-- (anteilige) Abfindung wurde u.a. durch die Klägerin bezahlt, damit der Beigeladene alle Erklärungen abgibt und Handlungen vornimmt, die erforderlich sind, dass die Klägerin und [X.] ihre alleinige Miterbenstellung erhalten, und er die Rechtsstellung der Eheleute nicht mehr bestreitet. Erst hierdurch wurde die Erteilung des Erbscheins an die Klägerin und [X.], der die Eheleute als alleinige Miterben ausweist, möglich. Die Kosten wurden für den steuerpflichtigen Erwerb der Klägerin aufgewendet und mindern daher die Bereicherung.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 und § 139 Abs. 4 [X.]O. Dem Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da er keine Anträge gestellt hat (vgl. [X.]-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 39/07, unter [X.]). Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten. Dieser hat keine Sachanträge gestellt oder anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert. Zwar kann eine Förderung des Verfahrens in der Revisionsinstanz auch darin liegen, dass der Beigeladene auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dies gilt allerdings nur, wenn hierdurch eine Entscheidung des [X.] ohne mündliche Verhandlung ermöglicht wird (vgl. [X.]-Urteile vom 25. Juni 2009 III R 2/07, [X.]E 225, 438, [X.] 2009, 968, unter II.3.; vom 20. Juni 2001 VI R 169/97, [X.]/NV 2001, 1443, unter 3., und vom 23. November 1995 IV R 75/94, [X.]E 179, 307, [X.] 1996, 194, unter 2.; Schwarz in [X.]/[X.]/[X.], § 139 [X.]O Rz 574). Dies trifft im Streitfall nicht zu.

Meta

II R 24/15

15.06.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 24. Februar 2015, Az: 11 K 754/13, Urteil

§ 3 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 3 S 1 ErbStG 1997, § 139 Abs 4 FGO, § 1922 Abs 1 BGB, § 1937 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.06.2016, Az. II R 24/15 (REWIS RS 2016, 9909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9909

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