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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 64/09 Verkündet am: 16. März 2010 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: jaArzneimittelG § 84 a.F., ZPO § 286 A, C Zum Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen der Einnahme ei-nes Arzneimittels und dem Gesundheitsschaden des Patienten. BGH, Urteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09 - OLG Koblenz
LG Koblenz
- - 2Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Februar 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger leidet seit 1993 an Schmerzen, die mit verschiedenen ent-zündungshemmenden Schmerzmitteln wie "Voltaren" und "Ibuprofen" behandelt wurden. Ab Februar 2001 erhielt er das von der Beklagten in Deutschland ver-triebene Schmerzmittel "VIOXX". Am 13. Januar 2002 erlitt der damals 73 Jahre alte Kläger einen Herzinfarkt. Aus stationärer Behandlung wurde er unter Ver-ordnung von "VIOXX" 25 mg/d entlassen. Im Mai 2004 erfolgte eine erneute Aufnahme in die Kardiologie wegen einer instabilen Angina Pectoris, die seitens der behandelnden Ärzte auf rezidivierende Blutdruckentgleisungen zurückge-1 - - 3führt wurde. Die Beklagte nahm "VIOXX" nach dem Bekanntwerden möglicher erheblicher Gesundheitsrisiken im Jahr 2004 freiwillig vom Markt. 2 Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Er hat geltend gemacht, der Herzinfarkt sei auf das Medikament "VIOXX" zurück-zuführen, das er seit der Erstverordnung regelmäßig in einer Tagesdosis von mindestens 25 mg eingenommen habe. Die von der Beklagten gegebene Gebrauchsinformation sei mangelhaft gewesen. Aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse hätte die Beklagte das Medikament bereits im Jahr 2000 vom Markt nehmen müssen. Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegeh-ren weiter. 3 Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht führt aus, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme lasse sich nicht feststellen, dass der Herzinfarkt des Klägers auf die Einnahme von "VIOXX" zurückzuführen sei. Die Darlegungen des Sach-verständigen Prof. Dr. K. seien überzeugend und würden in ihren Kernaussa-gen von der Berufung nicht angegriffen. Dass das Herzinfarktrisiko durch "VIOXX" möglicherweise erhöht worden sei, bedeute nicht, dass es sich ursäch-lich ausgewirkt habe. Beweiserleichterungen kämen dem Kläger nicht zugute. Die in § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 AMG n.F. geregelte Kausalitätsvermutung finde gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB keine Anwendung, weil das schädigende Ereignis nicht nach dem 31. Juli 2002 eingetreten sei. Die Grundsätze des An-4 - - 4scheinsbeweises kämen dem Kläger nicht zugute, weil es an dem dafür erfor-derlichen typischen Geschehensablauf fehle. Angesichts der bei dem Kläger vorhandenen signifikanten Risikofaktoren liege kein Sachverhalt vor, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge oder die Ursache eines bestimmten Verhaltens geschlossen werden könne. Zudem bestehe nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. die ernsthaf-te Möglichkeit anderer Ursachen. Das Herzinfarktrisiko sei durch die Einnahme von "VIOXX" auch nicht mehr erhöht worden als durch die vom Kläger ebenfalls eingenommenen Präparate "Voltaren" und "Ibuprofen". Eine Beweislastumkehr komme dem Kläger nicht zugute, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt ei-nes etwaigen Verstoßes der Beklagten gegen die ihr obliegende Produktsiche-rungspflicht noch nach den von der Rechtsprechung für die Arzthaftung entwi-ckelten Grundsätzen bei einem groben Behandlungsfehler. II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 5 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Beru-fungsgerichts, dem Kläger komme die in § 84 Abs. 2 AMG geregelte Kausali-tätsvermutung nicht zugute. Abs. 2 dieser Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2674) in das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimit-teln - Arzneimittelgesetz (AMG) eingefügt worden. Die Vorschrift ist gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Weil § 84 AMG eine Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers anordnet, ist dabei nach allgemeinen Grundsätzen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsgutsverletzung abzustel-6 - - 5len, da erst diese die Haftung auslöst (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., Art. 229 § 8 EGBGB, Rn. 16 m.w.N.). 7 Die Revision stellt nicht in Abrede, dass § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG dem-gemäß auf den am 13. Januar 2002 - und somit vor dem in Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB genannten Stichtag - eingetretenen Herzinfarkt des Klägers keine An-wendung findet. Soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht hätte § 84 Abs. 2 AMG jedoch hinsichtlich der im Mai 2004 aufgetretenen Angina Pectoris anwenden müssen, kann sie keinen Erfolg haben. Ansprüche wegen dieser Gesundheitsschädigung waren in den Tatsacheninstanzen nicht Streitgegens-tand. Die Revision macht zwar geltend, dass der Kläger die im Jahr 2004 aufge-tretene Erkrankung ebenso wie den Herzinfarkt auf die Einnahme des Medika-ments "VIOXX" zurückführe, sie zeigt jedoch nicht auf, dass der Kläger insoweit im vorliegenden Rechtsstreit Ansprüche gegen die Beklagte erhoben hat. Nach dem Klagevorbringen sind die geltend gemachten Ansprüche aus-schließlich auf den im Januar 2002 erlittenen Herzinfarkt gestützt worden. Demgemäß hat das Landgericht den Beweisbeschluss allein auf diese Erkran-kung bezogen, ohne dass der Kläger dies beanstandet hätte. Auch das Gutach-ten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. K. bezog sich dem Beweisbe-schluss entsprechend allein auf den Herzinfarkt. Der Kläger hat dagegen keine Einwendungen erhoben und weder eine Ergänzung des Gutachtens im Hinblick auf die aufgetretene Angina Pectoris verlangt noch die Ladung des Sachver-ständigen zur Erläuterung seines Gutachtens beantragt. Das Landgericht hat die Klageabweisung allein damit begründet, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme von "VIOXX" und dem im Jahr 2002 eingetretenen Herzinfarkt nicht nachgewiesen sei. Dass das Landgericht Ansprüche im Hin-blick auf die im Jahr 2004 aufgetretene Angina Pectoris fehlerhaft nicht be-schieden habe, hat der Kläger mit der Berufung nicht gerügt. Bei dieser Sachla-8 - - 6ge war die in der Berufungsbegründung enthaltene pauschale und allgemeine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag des Klägers entgegen der Auf-fassung der Revision auch nicht geeignet, Ansprüche wegen der mehr als zwei Jahre nach dem Herzinfarkt aufgetretenen Angina Pectoris zum Streitgegens-tand des Berufungsverfahrens zu machen (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - VersR 2002, 999, 1000 f. m.w.N.). Sind die geltend gemachten Klageansprüche mithin ausschließlich auf der Grundlage des bis zum 31. Juli 2002 geltenden Schadensersatzrechts zu beurteilen (hier: §§ 84 ff. AMG a.F., § 253 BGB a.F.), kommt ein Anspruch des Klägers auf Ersatz immateriellen Schadens nicht in Betracht. 9 2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht dem auf Ersatz materiellen Schadens gerichteten Feststellungsbegehren des Klägers im Hinblick auf den am 13. Januar 2002 erlittenen Herzinfarkt nicht entsprochen hat. 10 a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nach dem Er-gebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht bewiesen, dass die Ein-nahme des Medikaments "VIOXX" für den Herzinfarkt ursächlich gewesen sei, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 11 aa) Die Vorinstanzen haben nicht verkannt, dass für den vom Geschä-digten zu erbringenden Kausalitätsnachweis der Nachweis der Mitursächlichkeit genügt, denn nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Um-ständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich (vgl. nur Senatsurteile vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. und vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03 - VersR 2005, 942, jeweils m.w.N.). 12 - - 7bb) Das Landgericht hat es auf der Grundlage des schriftlichen Gutach-tens des Sachverständigen Prof. Dr. K. als nicht erwiesen erachtet, dass die Einnahme des Medikaments "VIOXX" für den Herzinfarkt des Klägers allein ur-sächlich oder auch nur mitursächlich gewesen sei. Der Sachverständige hat die ihm gestellte Beweisfrage dahin beantwortet, es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass der Herzinfarkt allein durch die Einnahme des Medikaments "VIOXX" ver-ursacht worden sei. Vielmehr sei durchaus möglich, dass die vom Kläger er-wähnte ungewöhnliche körperliche Belastung vor dem Herzinfarkt (Schnee-schaufeln) einen wesentlichen Beitrag für das Auftreten des Myokardinfarktes geleistet habe. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständi-gen Prof. Dr. K. ist das Landgericht zur Überzeugung gelangt, dass nicht einmal von einer möglichen Mitursächlichkeit des Medikaments "VIOXX" ausgegangen werden könne. Dabei hat es zur Begründung auf das Ergebnis medizinischer Studien hingewiesen, mit denen sich auch der Sachverständige auseinander-gesetzt habe. Diese tatrichterliche Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 13 cc) Die hinsichtlich des fehlenden Ursachenzusammenhangs vom Land-gericht festgestellte Tatsachengrundlage hat das Berufungsgericht seiner Ent-scheidung verfahrensfehlerfrei zugrunde gelegt (§ 529 Abs. 1 ZPO). Es ist ebenso wie das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die im Falle einer Langzeitanwendung möglicherweise gegebene Erhöhung des Herzinfarkt-risikos jedenfalls unter den Umständen des Streitfalles nicht genügt, um die Al-leinursächlichkeit oder auch nur die Mitursächlichkeit der Einnahme des Medi-kaments "VIOXX" für den vom Kläger erlittenen Herzinfarkt zu beweisen. Diese Überzeugungsbildung wird entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Berufungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, es könne offen bleiben, ob das Herzinfarktrisiko erst nach mehr als 18-monatiger oder schon nach 9-monatiger kontinuierlicher täglicher Einnahme 14 - - 8ansteige und der Kläger das Medikament über den von ihm behaupteten Zeit-raum von knapp 11 Monaten regelmäßig in einer Tagesdosis von mindestens 25 mg eingenommen habe, denn diese Erwägungen beziehen sich ersichtlich allein auf die Verneinung der Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises. 15 b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für den Nachweis des Ur-sachenzusammenhangs mit Recht abgelehnt. aa) Die Frage, ob der Anscheinsbeweis eingreift, unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (BGHZ 100, 31, 33; Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 - VI ZR 98/82 - VersR 1984, 40, 41). Die Anwendung dieser Grundsätze ist bei der Kausalitätsfeststellung immer dann geboten, wenn das Schadenser-eignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverlet-zung darstellt (Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - VersR 1994, 324, 325 und vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09 - VersR 2010, 392). Ein solcher typischer Geschehensablauf kann bei einer Infektion eines Empfängers einer Blutspende z. B. anzunehmen sein, wenn die Kontaminierung des ver-wendeten Blutprodukts feststeht und keine weiteren Ursachen außerhalb des Verantwortungsbereichs der Behandlungsseite für die der Kontaminierung ent-sprechende Erkrankung ersichtlich sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 114, 290; vom 29. Juni 1982 - VI ZR 206/80 - VersR 1982, 972). Bei einer HIV-Infektion nach Bluttransfusion setzt das voraus, dass der Patient weder zu den HIV-gefährdeten Risikogruppen gehört noch durch die Art seiner Lebensführung einer gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt ist, aber HIV-kontaminiertes Blut oder kontaminierte Blutprodukte erhalten hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 114, 284, 290; 163, 209, 213; OLG Düsseldorf, NJW 1995, 3060; VersR 1996, 377, 378; 1996, 1240, 1241; 1998, 103, 104; OLG Hamm, VersR 1995, 709, 710; NJW-RR 1997, 217, 218; OLG Karlsruhe, OLGR 2002, 170, 172; s. a. im Zu-16 - - 9sammenhang mit einer Hepatitis-Infektion OLG Brandenburg, NJW 2000, 1500, 1502; OLG Celle, NJW-RR 1997, 1456, 1457; LG Nürnberg-Fürth, VersR 1998, 461, 462 ff. mit Anm. Bender; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823, Rn. 805; Hecker/Weimann, VersR 1997, 532, 534; a. A. OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 167, 168). 17 bb) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein An-scheinsbeweis dem Grundsatz nach auch in Betracht kommt, wenn ein Patient nach Einnahme eines ein spezifisches Risiko erhöhenden Arzneimittels eine diesem Risiko entsprechende Gesundheitsschädigung erlitten hat, kann offen bleiben. Der Kläger könnte den von ihm zu erbringenden Kausalitätsnachweis nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises jedenfalls nicht führen. Ein Be-weis des ersten Anscheins wird nämlich durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (vgl. Senats-urteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - aaO; vom 4. März 1997 - VI ZR 51/96 - VersR 1997, 835, 836 m.w.N.). Von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Es hat nämlich berücksichtigt, dass vorliegend signifikante Risi-kofaktoren gegeben waren, die für das Infarktgeschehen ursächlich gewesen sein können. So hatte der Kläger nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. schon aufgrund seines fortgeschrittenen Alters ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Hinzu kam eine ungewohnte körperliche Belas-tung. Nach den vom Landgericht im Urteilstatbestand (§ 314 ZPO) getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 ZPO insoweit verfahrensfehlerfrei zugrunde gelegt hat, trat der Herzinfarkt des Klägers nämlich beim Schneeschaufeln ein. Auch diesen Umstand hat der Sachverständige als risikoerhöhend bewertet. Bei dieser
- - 10Sachlage können die Grundsätze des Anscheinsbeweises der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. 18 c) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger für den behaupteten Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medi-kaments "VIOXX" und dem erlittenen Herzinfarkt beweispflichtig ist. Der Revisi-on kann nicht darin gefolgt werden, dass die im Arzthaftungsprozess anerkann-ten Beweiserleichterungen für den Kausalitätsbeweis bei Vorliegen eines gro-ben Behandlungsfehlers (vgl. z. B. Senatsurteil BGHZ 85, 212) auf Fälle der vorliegenden Art anzuwenden sind. In jenen Fällen liegt der Bejahung von Be-weiserleichterungen für den geschädigten Patienten die Erwägung zugrunde, dass das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Be-tracht kommenden Ursachen gerade wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers in besonderem Maße verbreitert bzw. verschoben worden ist. Es ent-spricht deshalb der Billigkeit, die durch den Fehler in das Geschehen hineinge-tragene Aufklärungserschwernis nicht dem Geschädigten anzulasten (Senatsur-teil BGHZ 85, 212, 216). Damit ist eine Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, nicht vergleichbar. Wie der erkennende Senat entschieden hat, sind die für den Arzt-haftungsprozess entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr im Produkt-haftungsprozess in Fällen der Verletzung von Warnpflichten durch den Herstel-ler nicht anwendbar (Senatsurteil BGHZ 116, 60, 76 f.). Für die Inanspruch-nahme des Arzneimittelherstellers wegen unzureichender Informationen über die einem Medikament möglicherweise anhaftenden Risiken kann nichts ande-res gelten. Das der Beklagten vom Kläger angelastete Versäumnis, das Medi-kament "VIOXX" nicht aufgrund im Jahr 2000 vorliegender Studienergebnisse vom Markt genommen zu haben, hat nicht den Stellenwert eines groben Be-handlungsfehlers, d. h. eines Fehlers, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint (vgl. Senatsurteile BGHZ 116, 60, 76 f. und vom 10. Mai 1983 - VI ZR 270/81 - VersR 1983, 729, 730). Der
- - 11Umstand, dass der Gesetzgeber mit der am 1. August 2002 in Kraft getretenen Neuregelung von § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 AMG zugunsten des Patienten Be-weiserleichterungen durch Einführung einer Kausalitätsvermutung geschaffen hat, erfordert entgegen der Auffassung der Revision keine andere Beurteilung. 19 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen
Pauge Vorinstanzen: LG Koblenz, Entscheidung vom 06.08.2008 - 10 O 134/07 - OLG Koblenz, Entscheidung vom 05.02.2009 - 5 U 1116/08 -
Meta
16.03.2010
Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2010, Az. VI ZR 64/09 (REWIS RS 2010, 8448)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 8448
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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