Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.05.2021, Az. 5 StR 337/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 5485

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Vollendung des unerlaubten Handeltreibens mit Anpflanzung erworbener und gelagerter Cannabis-Setzlinge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2020 – auch soweit es die Mitangeklagte     [X.].     betrifft – im Fall 1 der Urteilsgründe und in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten und die nicht revidierende Mitangeklagte [X.].     jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen waffenrechtlicher Straftaten verurteilt. Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, gegen die Mitangeklagte [X.].     eine solche von einem Jahr und neun Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts, die in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg hat, was teilweise zur Erstreckung auf die Mitangeklagte führt (§ 357 StPO). Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

a) Die angeklagten Eheleute begannen ab etwa April 2018 damit, in einem in ihrem Eigentum stehenden unbewohnten Haus eine Cannabis-Plantage einzurichten, um durch den Verkauf der erwarteten Ernte notwendige Mittel für eine Renovierung zu erwirtschaften. Die erforderlichen Arbeiten wurden überwiegend vom Angeklagten durchgeführt, die Mitangeklagte arbeitete teilweise mit oder besorgte benötigte Materialien.

4

Zum Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung am 27. November 2019 lagerten sie im Eingangsbereich des Hauses in zwei Tragetaschen 342 [X.] mit einer Höhe zwischen 10 und 15 cm, die in [X.] gepflanzt waren. Es handelte sich um 74,69 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 3,08 %, mithin 2,3 g Tetrahydrocannabinol (THC). Nur wenige Schritte entfernt war ein funktionsfähiger Raum für den Anbau der Cannabispflanzen mit Pflanzbänken und 65 Pflanzschalen hergerichtet worden. Darin sollten die Stecklinge nach der Vorstellung der Angeklagten heranwachsen und abgeerntet werden. Bei einem erwarteten Ertrag von etwa 6,84 kg Cannabisblüten (mit einem Wirkstoffgehalt von 10 %) und einem Kilopreis von mindestens 3.500 Euro hatten die Angeklagten mit einem Erlös von mindestens 23.940 Euro gerechnet ([X.]).

5

Das [X.] hat ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen. Die Setzlinge hätten bereits einen relevanten THC-Gehalt gehabt und seien durch die räumliche Nähe zu den Pflanzbänken „in die Plantage im weiteren Sinne eingebracht“ gewesen.

6

b) Am 27. November 2019 bewahrte der Angeklagte in der Familienwohnung ohne Erlaubnis verschiedene Waffen und Munition in einem Schrank auf. Zudem hatten beide Angeklagte ohne Erlaubnis in ihrer Wohnung eine Kurzwaffe deponiert und ihrem minderjährigen [X.] unerlaubt den Besitz einer Waffe überlassen, die sich samt Munition in dessen Zimmer befand (Fall 2).

7

2. Während Schuld- und Strafausspruch im Fall 2 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten aufweisen, hält der Schuldspruch im [X.] rechtlicher Prüfung nicht stand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

8

a) Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2005 – [X.], [X.]St 50, 252, 256). Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, „die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen“ ([X.], aaO, 265 f.). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen.

9

Die Aufzucht von Cannabispflanzen erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 [X.], NJW 2011, 1461; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 [X.], [X.]St 58, 99, 101 mwN). Allein der Erwerb von [X.] zum Zweck des anschließenden Anbaus stellt dabei aber noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit dar ([X.], Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, [X.], 514; vgl. MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 455; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 198; [X.], BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 598; [X.], [X.], 514, 515; [X.]/[X.], [X.], 384; offengelassen von [X.], Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 [X.], [X.], 459, 460, und vom 29. September 2016 – 2 [X.]). In derartigen Fällen entfaltet vielmehr der (verdrängte) Straftatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln insoweit eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des Handeltreibens, als er den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lässt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. August 2011 – 2 [X.], [X.], 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, [X.], 514), wobei sich die Abgrenzung zwischen [X.] und Versuch nach allgemeinen Kriterien anhand der Umstände des Einzelfalls richtet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 [X.] aaO; vom 3. August 2011 – 2 [X.], [X.], 43, und vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11, [X.], 514, 515). Eine Vollendung des Handeltreibens tritt regelmäßig erst mit dem Anbau in Verkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht, also mit Anpflanzung der Setzlinge ein (vgl. [X.], Beschluss vom 3. August 2011 – 2 [X.], aaO; [X.], Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 [X.], [X.]St 58, 99, 101), denn der (vollendete) Anbau erfordert das Einpflanzen der Setzlinge in die dazu bestimmten Gefäße (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 9. Aufl., BtMG § 29 Teil 2 Rn. 24; [X.], 5. Aufl., BtMG § 29 Rn. 54; MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., BtMG § 29 Rn. 23).

b) Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen eine Vollendung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Die Setzlinge befanden sich zwar bereits im Flur des Hauses, waren aber noch nicht zur Anpflanzung in die hierfür vorgesehenen Pflanzbänke bzw. Pflanzschalen gelangt. Ob die Schwelle zum Versuch bereits überschritten wurde oder – wie der [X.] meint – lediglich eine Verbrechensverabredung vorliegt, lässt sich den auf eine andere rechtliche Bewertung abzielenden Urteilsfeststellungen nicht hinreichend entnehmen.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht den Wegfall der für [X.] verhängten Einzel- und damit der Gesamtstrafe nach sich.

4. Die Feststellungen sind von dem bloßen Subsumtionsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

5. Weil die Verurteilung der nichtrevidierenden Mitangeklagten in gleicher Weise von dem aufgezeigten Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts betroffen ist, ist die Revisionsentscheidung in diesem Umfang auch auf sie zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO).

6. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bezüglich der Setzlinge auch eine Strafbarkeit wegen vollendeten Erwerbs oder Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, vgl. zu den Konkurrenzen auch [X.], Beschluss vom 31. Mai 2006 – 1 [X.]; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 10 Rn. 73 mwN) zu prüfen sein wird.

Cirener     

        

Ri[X.] Dr. Berger ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

        

[X.]

        
                 

Cirener

                          
        

Köhler     

        

     von Häfen     

                 

Meta

5 StR 337/20

27.05.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 23. April 2020, Az: 4 KLs 18/20

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a BtMG, § 22 StGB, § 23 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.05.2021, Az. 5 StR 337/20 (REWIS RS 2021, 5485)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5485

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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