Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2014, Az. XII ZB 353/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5083

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 353/13

vom

4. Juni 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 7 Abs. 2 Nr. 1; BGB §§ 1626, 1631 Abs. 1, 1632 Abs. 4; GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1
Der Elternteil, dem u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden ist, der aber noch über
Teilbereiche des Sorgerechts verfügt, ist in dem von den Pflegeeltern und dem Ergänzungspfleger geführten Verfahren auf Anordnung des Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie nach §
1632 Abs.
4 BGB
grund-sätzlich zu beteiligen.

[X.], Beschluss vom 4. Juni 2014 -
XII [X.] 353/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 4.
Juni 2014
durch den Vor-sitzenden Richter Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 5
wird der Beschluss des 26.
Zivilsenats
-
Familiensenat
-
des Oberlandes-gerichts [X.] vom 21.
Mai 2013 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der
weiteren Beteiligten zu 5 wird der Beschluss des [X.] vom 10.
April 2013 da-hin abgeändert, dass die weitere Beteiligte zu 5 zu dem Verfahren hinzuzuziehen ist.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kos-ten sind nicht zu erstatten.

[X.]: 3.000

Gründe:

I.
Die Beteiligte zu 5 (im Folgenden: Mutter)
erstrebt mit ihrer Rechtsbe-schwerde ihre Beteiligung in einem -
ihre minderjährige [X.] betreffenden
-
Kindschaftsverfahren.

1
-
3
-
Der Mutter, die für ihre im August 2006 geborene [X.] allein sorgebe-rechtigt war, wurde mit Beschluss vom 9.
Dezember 2011 das Recht zur [X.], zur Zuführung zu medizinischen Behandlungen, zur Bean-tragung von [X.] nach §
27 ff. [X.],
zur Ausbildungs-
und Berufswahl
und zur Regelung
der Passangelegenheiten entzogen. Zum Ergänzungspfleger wurde die Beteiligte zu 3 bestellt. Das Kind befindet sich bereits seit Januar 2011 bei Pflegeeltern. Der Ergänzungspfleger beabsichtigt, es
aus der Pflegefamilie herauszunehmen und in einem Kinderheim [X.], weil die Pflegeeltern mit der leiblichen Mutter konkurrierten und den Umgang des Kindes mit ihr ablehnten.
Die Pflegeeltern haben beim Amtsgericht beantragt, den Verbleib des Kindes bei ihnen anzuordnen.
Den Antrag der Mutter, sie an diesem Verfahren zu beteiligen, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10.
April 2013 zurückge-wiesen.
Mit Beschluss vom 7.
Mai 2013 hat es den Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern bis auf weiteres angeordnet; die (übrigen) Beteiligten haben auf Rechtsmittel verzichtet. Das [X.] hat die gegen den erstgenann-ten Beschluss gerichtete
Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Mutter
mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Dass das Amtsgericht die [X.] bereits erlassen hat und die übrigen Beteiligten auf ein Rechtsmittel hiergegen verzichtet haben, lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Mutter für die Rechtsbeschwerde nicht entfallen.
Denn ohne eine erforderliche Beteiligung der Mutter wäre die Ent-2
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4
-
scheidung des Amtsgerichts nicht in formelle Rechtskraft erwachsen. Durch eine
unterbliebene Beteiligung würde
die Entscheidung des Amtsgerichts
in der Hauptsache zwar nicht nichtig, aber anfechtbar (vgl. [X.]/[X.] FamFG
17.
Aufl. §
7 Rn.
20).
2. [X.] hätte entgegen der Auffassung der Instanzgerichte an dem Verfahren beteiligt werden müssen.
a) Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass es lediglich um die Frage gehe, ob das Kind in der jetzigen Pflegefamilie ver-bleiben oder
in eine andere Pflegestelle wechseln solle. Damit sei nur die Frage seines Aufenthalts verfahrensgegenständlich. Hiervon sei das Sorgerecht der Mutter nicht betroffen, weil ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht bereits entzo-gen worden sei und dieser Entzug von dem vorliegenden Verfahren unberührt bleibe. Eine Rückkehr in den mütterlichen Haushalt sei derzeit auch nach der Einschätzung der Mutter ausgeschlossen. Ein durch Abstammung begründetes Elternrecht werde bei der vorliegenden Fallkonstellation gerade nicht unmittel-bar beeinträchtigt.
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
aa)
Gemäß §
7 Abs.
2 Nr.
1 FamFG sind als sogenannte [X.] diejenigen hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betrof-fen wird. Mit dem Kriterium der Unmittelbarkeit stellt die Regelung klar, dass eine Beteiligung nur dann zu erfolgen hat, wenn subjektive Rechte des [X.] betroffen sind. Gemeint ist hiermit eine direkte Auswirkung auf eigene ma-terielle,
nach öffentlichem oder privatem Recht geschützte Positionen. Es [X.] nicht, dass lediglich ideelle, [X.] oder wirtschaftliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden. Nicht ausreichend sind des [X.] rein mittelbare Auswirkungen
einer Entscheidung oder die lediglich tat-
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sächlich "präjudizielle"
Wirkung auf andere, gleich gelagerte Fälle (BT-Drucks. 16/6308 S.
178).
bb) Die Voraussetzungen für eine Beteiligung sind hier erfüllt.

(1) [X.] ist nach wie vor Sorgerechtsinhaberin. Auch wenn ihr be-reits erhebliche Teile des Sorgerechts entzogen worden sind, wird sie durch die Entscheidung über die [X.] unmittelbar in dem ihr verbliebe-nen Sorgerecht aus §
1626 Abs.
1 BGB und damit in ihrem Elternrecht aus Art.
6 Abs.
2 Satz
1 GG
betroffen.
Dies unterscheidet den Fall von der vom [X.] angeführten Entscheidung des [X.]s Hamm (FamRZ 2011, 1666). Denn dort war der Mutter die elterliche Sorge insgesamt entzogen worden. Die Frage, ob das Elternrecht auch eine Beteiligung erfor-dert, wenn dem betroffenen Elternteil das gesamte Sorgerecht entzogen [X.] ist,
muss hier jedoch
nicht entschieden werden.
Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf
hin, dass der Mutter das Recht zur Erziehung ihres Kindes sowie etwa die [X.] verblieben sind.
Dabei ist das in §
1631 Abs.
1 BGB geregelte Recht auf Erziehung ein wesentlicher Bestandteil der Personensorge (NK-BGB/[X.] 3.
Aufl. §
1626 Rn.
11).
Zwar hat das Verfahren über die [X.] -
wie das Ober-landesgericht zu Recht ausführt
-
in erster
Linie den Aufenthalt des Kindes zum Gegenstand, dessen Bestimmung der
Mutter entzogen ist. Das ändert indes nichts daran, dass die Entscheidung darüber, wo das Kind verbleibt,
die Mutter unmittelbar
in der Ausübung des ihr verbliebenen
Sorgerechts
und damit in ih-rem Elternrecht betrifft. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es für die Erzie-hung des Kindes
und die Möglichkeit der Mutter, hierauf Einfluss nehmen zu können,
von erheblicher Bedeutung ist, ob es bei Pflegeltern oder etwa in ei-10
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-
6
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nem Heim aufwächst. Auch wenn das Recht zur Bestimmung des Kindesauf-enthalts eng mit der Wahrnehmung der Erziehung des Kindes verknüpft ist (vgl. [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1631 Rn.
15), führt
die Entziehung des [X.]srechts nicht dazu, dass damit zugleich das Recht auf Er-ziehung entzogen wäre. Dies ergibt sich bereits daraus, dass beide Teilberei-che in §
1631 Abs.
1 BGB selbständig nebeneinander stehen.
(2)
Hinzu kommt, worauf die Rechtsbeschwerde ebenfalls zu Recht hin-weist, dass es die -
der Einleitung des vorliegenden Kindschaftsverfahrens vo-rangegangene
-
Intention des [X.] war, durch die Herausnahme des Kindes aus der konkreten Pflegestelle den Umgang zwischen diesem und seiner Mutter dauerhaft zu gewährleisten. Damit sollte ersichtlich dem -
von Art.
6 Abs.
2 Satz
1 GG geschützten
-
Umgangsrecht der Mutter Rechnung ge-tragen werden.
Hieraus folgt, dass die Entscheidung über den Verbleib des Kindes auch unmittelbare Auswirkungen auf das grundrechtlich geschützte Umgangsrecht der Mutter hat.
14
-
7
-
3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuhe-ben. Der [X.] kann gemäß §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist.
Dose [X.] Klinkhammer

Schilling Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.04.2013 -
512 F 3727/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.05.2013 -
26 [X.] -

15

Meta

XII ZB 353/13

04.06.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2014, Az. XII ZB 353/13 (REWIS RS 2014, 5083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5083

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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