Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2005, Az. III ZR 271/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5166

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04
Verkündet am: 3. Februar 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 697; StPO § 98; Verwaltungsrecht/Allgemeines - Öffentlich-rechtliche Verwahrung

Die Rückgabe einer in einem Strafverfahren beschlagnahmten Sache hat an dem Ort zu erfolgen, an welchem diese aufzubewahren war; die zuständigen Justizbehörden sind nicht verpflichtet, die Sache dem Berechtigten an dessen Wohnsitz zu bringen.

[X.], Urteil vom 3. Februar 2005 - [X.]/04 - [X.] - 2 -

[X.] hat durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 31. Dezember 2004 eingereichten Schriftsätze
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.], Zivilkammer 3, vom 20. Februar 2004 wird [X.].

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

In der Kanzlei des [X.], eines seinerzeit in [X.] praktizierenden Rechtsanwalts, wurden im Zuge eines gegen ihn geführten steuerstrafrecht-lichen Ermittlungsverfahrens in den Jahren 1984 und 1989 durch die dortige Staatsanwaltschaft Unterlagen aus [X.] beschlagnahmt. Das Strafverfahren selbst wurde später vom [X.] [X.] gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße von 12.000 DM eingestellt; eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungs-maßnahmen ([X.]) wurde dem Kläger versagt. Die in mehreren Kartons [X.] 3 -

bewahrten beschlagnahmten Unterlagen wurden daraufhin von der Staatsan-waltschaft zur Abholung bereitgestellt.

Der Kläger, der zwischenzeitlich seinen Wohn- und Kanzleisitz nach [X.] verlegt hat, begehrt mit der vorliegenden Klage die Verurteilung der be-klagten Freien und Hansestadt [X.] (Justizbehörde - Justizamt), die [X.] Unterlagen an seinen neuen Wohnsitz zu übersenden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben; das [X.] (NJW 2004, 2455) hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Beide Vorinstanzen haben die Zulässigkeit der vorliegenden zivilgericht-lichen Klage mit Recht bejaht. Es geht hier um einen vermögensrechtlichen Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung, der gemäß § 40 Abs. 2 VwGO den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist. Die Parteien streiten nicht über die Aufhebung der Beschlagnahmeanordnung - die Beschlagnahme ist durch den rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens ohne weiteres erloschen (allge-meine Meinung; vgl. KK/[X.], StPO 5. Aufl. 2003 § 98 Rn. 33; [X.], StPO 47. Aufl. 2004 § 98 Rn. 29 m.w.N.) -, die den zuständigen Strafverfol-gungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Gericht) vorbehalten ist ([X.]/Knie-rim, [X.], 461, 463; KK/[X.] aaO Rn. 34; [X.] aaO Rn. 30), sondern ausschließlich über die Modalitäten der Rückgabe. Diese Frage kann - 4 -

von den Zivilgerichten nach allgemeinen materiell- und verfahrensrechtlichen Grundsätzen entschieden werden, ohne daß ein Kompetenzkonflikt mit der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht entsteht. Entgegen [X.]/[X.] (aaO), die insoweit "im Wege der Annexkompetenz" § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO für anwendbar und deshalb eine Zivilklage für unzulässig halten, hat auch das [X.] in seinem Urteil vom 25. April 1984 ([X.], 240) die dortige [X.] nicht etwa als unzulässig, sondern als un-begründet abgewiesen, weil den dort geltend gemachten Herausgabeansprü-chen nach § 985 BGB und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung mit der wirk-samen Beschlagnahme ein [X.] Hindernis entgegengestanden hatte.

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das [X.] hat vielmehr mit Recht auf das hier in Rede stehende öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhält-nis die Vorschrift des § 697 BGB entsprechend angewandt. Danach hat die Rückgabe der hinterlegten (hier: der durch Beschlagnahme in öffentlich-rechtli-che Verwahrung genommenen) Sache an dem Ort zu erfolgen, an welchem die Sache aufzubewahren war; der Verwahrer (die beklagte Justizbehörde) ist nicht verpflichtet, die Sache dem Hinterleger (hier dem Kläger an dessen Wohnort) zu bringen.

a) In diesem Sinne hat sich das Oberlandesgericht [X.] bereits in einer frühen Entscheidung (Urteil vom 13. Juli 1916 = [X.] [1917] Nr. 4 S. 7, 8 geäußert. Diese Entscheidung ist unverändert aktuell; ihr hat sich ein Großteil der Kommentarliteratur zum Bürgerlichen Gesetzbuch angeschlossen ([X.]/[X.], [X.]. 1995 § 697 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.]. 2004 § 697 Rn. 1; [X.], [X.]. 2005 § 697 Rn. 3 - 5 -

i.V.m. [X.]. 4). Auch in Teilen der strafprozessualen Literatur wird § 697 BGB für anwendbar gehalten ([X.], [X.], 136, 137).

b) Demgegenüber wird in der strafprozessualen Literatur wohl überwie-gend die Auffassung vertreten, § 697 BGB sei bei beschlagnahmten oder [X.] für Zwecke der Strafverfolgung sichergestellten Sachen nach Beendigung des hoheitlichen Zugriffs nicht analog anwendbar. Dies habe die Konsequenz, daß die beschlagnahmten Sachen dem Betroffenen dort zurückzugeben seien, wo sie von der Behörde beschlagnahmt oder wo sie dieser zur Abwendung der Beschlagnahme freiwillig übergeben worden waren ([X.], [X.], 408, 410). Noch weitergehend nehmen [X.] (in [X.][X.], [X.]. Stand: 1. Oktober 2003 § 98 Rn. 64) und [X.]/[X.] (aaO) an, die Gegenstände seien dem Berechtigten auf Verlangen zurückzubringen. Dies könnte die weitere Folge haben, daß die Behörde die beschlagnahmten Sa-chen auf eigene Kosten und Gefahr auch an einen etwaigen neuen, mögli-cherweise - wie hier - sogar im Ausland befindlichen Wohnsitz des [X.] zu verbringen hätte.

c) Das zentrale Argument für die Begründung einer derartigen weiterge-henden Verpflichtung, die beschlagnahmten Sachen zurückzubringen, besteht darin, daß sie - anders als beim normalen privatrechtlichen Verwahrungsver-trag - nicht aufgrund eines vertraglichen Einverständnisses des [X.], sondern - oftmals gegen dessen Willen - durch den hoheitlichen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden in die öffentlich-rechtliche Verwahrung überführt worden seien. Mit der Verpflichtung des Betroffenen, diese zwangsweise Ent-ziehung zu dulden, korrespondiere eine Rechtspflicht der [X.], die Sachen nach dem Wegfall der öffentlich-rechtlichen Verstrickung - 6 -

- gleichsam im Wege der "Wiedergutmachung" - zum Berechtigten zurückzu-schaffen.

d) Diese Betrachtungsweise vermag der erkennende Senat indessen nicht zu teilen. Vielmehr erhält - wie schon das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat - der hier zu beurteilende Sachverhalt sein Gepräge dadurch, daß die Beschlagnahme rechtmäßig gewesen war und ihre gesetzliche [X.] in § 94 StPO gefunden hatte. Diese Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Zugriffs begründet eine sachliche Rechtfertigung für das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis, die in ihrem Gewicht dem vertraglichen Konsens bei einem privatrechtlichen Verwahrungsvertrag mindestens gleichkommt. Dies rechtfertigt es, die gesetzlichen Regelungen für die Abwicklung eines beende-ten Verwahrungsverhältnisses auch auf die Beendigung einer Beschlagnahme anzuwenden, und zu diesen gehört auch die gesetzliche Wertung, die der Rückgaberegelung des § 697 BGB zugrunde liegt.

e) Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Folgenbeseiti-gung, den [X.]/[X.] (aaO) zur ausnahmsweisen Begründung einer Rückschaffungspflicht der Behörde anführt. Der [X.] betrifft Fälle, in denen durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert. Der ur-sprünglichen Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts steht es gleich, wenn ein von einer Behörde geschaffener Zustand nachträglich rechtswidrig wird ([X.]/ Bachof/[X.], Verwaltungsrecht [X.]. [2000] § 52 II Rn. 13 und 17 m.w.N.). An dieser entscheidenden Voraussetzung fehlt es hier. Weder war durch die rechtmäßige Beschlagnahme ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden, noch war der ursprünglich rechtmäßige Zustand nachträglich rechts-- 7 -

widrig geworden, nachdem die Beschlagnahme geendet und die Staatsanwalt-schaft die Gegenstände zur Abholung bereit gestellt hatte.

f) Wegen dieser Rechtmäßigkeit scheidet auch ein auf Ersatz der für den Rücktransport erforderlichen Aufwendungen gerichteter Amtshaftungsan-spruch des [X.] (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) von vornherein aus. Ob [X.] Aufwendungen gegebenenfalls zu den nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 [X.] ersatz-fähigen Schadensposition gehören könnten, ist hier nicht zu entscheiden.
[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 271/04

03.02.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2005, Az. III ZR 271/04 (REWIS RS 2005, 5166)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5166

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