Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.2015, Az. X ZR 111/13

10. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 700

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsverfahren: Hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz; Anlass zur hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz; hilfsweise beschränkte Verteidigung durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents erstmals in der Berufungsinstanz als neues Verteidigungsmittel - Telekommunikationsverbindung


Leitsatz

Telekommunikationsverbindung

1. Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.

2. Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

3. Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.

Tenor

Die Berufung gegen das am 8. Mai 2013 verkündete Urteil des 5. Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind Inhaber des unter Inanspruchnahme der Priorität zweier [X.] Anmeldungen vom 31. August 2001 und vom 20. November 2001 am 30. August 2002 angemeldeten und mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 421 771 (nachfolgend: [X.]). Das [X.] betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

"1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, die sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein [X.] (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung (2) melden, die mit einem [X.] (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem [X.] (1) versehen ist, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein [X.] zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgibt, dadurch gekennzeichnet, dass der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz mindestens Zeitpunkt und durch ein Standortermittlungssystem ermittelter Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person sowie deren Rufnummer enthält, zu dem ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person im [X.] (1) ermittelt wird, wobei jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des [X.]s und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume auslöst, und dass das [X.] im [X.] (4) ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen erstellt."

2

Die Patentansprüche 2 bis 14 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des [X.]s sei nicht patentfähig. Die Beklagten haben das [X.] verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das [X.] für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils des Patentgerichts und die Abweisung der Klage beantragen. Außerdem verteidigen sie das [X.] zuletzt in der Fassung von drei Hilfsanträgen, die sie erstmals im Berufungsverfahren gestellt haben.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung der [X.]n bleibt in der Sache ohne Erfolg.

6

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei [X.]en.

7

1. Nach der Beschreibung waren derartige Verfahren im Stand der Technik bekannt (Abs. 2 f.). Sie setzen voraus, dass der kontaktsuchenden [X.] die Adresse einer kontaktbereiten [X.] über eine [X.] mitgeteilt wird, um die Verbindung herzustellen (Abs. 4).

8

In der internationalen Anmeldung 00/19344 sei zudem ein Verfahren zur Herstellung eine Telekommunikationsverbindung zwischen [X.]en offenbart worden, die sich bei einer [X.] jeweils mit einem Datensatz meldeten, wobei der Datensatz eine Adresse des Teilnehmers und eine Örtlichkeit enthalte, wie etwa ein Gebäude, eine Straße oder eine Stadt. Die [X.] verweist darauf, dass ein solches Verfahren für die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer sich in der Nähe befindlichen kontaktbereiten [X.] ungeeignet sei, wenn es von vornherein nur darum gehe, eine Telekommunikationsverbindung nur zwischen zwei [X.]en zu erstellen (Abs. 5) und schlägt mit Patentanspruch 1 vor diesem Hintergrund folgende Lehre für eine Telekommunikationsverbindung zwischen zwei [X.]en vor:

1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei [X.]en:

2. Die zwei [X.]en melden sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten [X.] (2).

3. Die [X.] (2) ist mit einem [X.] (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem [X.] (1) versehen.

4. Der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz der kontaktsuchenden [X.] enthält mindestens

a) den Zeitpunkt und

b) den durch ein Standortermittlungssystem ermittelten Aufenthaltsort und die Rufnummer der kontaktsuchenden [X.].

5. Im [X.] (1) wird zu dem Datensatz der kontaktsuchenden [X.] ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten [X.] ermittelt.

6. Der [X.] (1) gibt bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein [X.] zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden [X.]en.

7. Jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden [X.] löst das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der [X.] (2) für die Ermittlung des [X.]s und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus.

8. Das [X.] erzeugt im Telekommunikationssystem (4) ein Funksignal zu der kontaktbereiten [X.] zu deren Funktelefon und erstellt damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider [X.]en.

9

Dem Streitpatent kommt es der Beschreibung zufolge für den Ablauf des Verfahrens darauf an, dass die erste Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden [X.]en im Interesse der Wahrung ihrer Anonymität unter vollem Schutz der beiderseitigen Adressen durch die Datenverarbeitungsanlage hergestellt wird und keine der [X.]en aktiv die Adresse der anderen eingeben muss, um die Verbindung herzustellen (Abs. 9).

Aus Sicht des Fachmanns, der in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Patentgerichts ein Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet des Verbindungsaufbaus in Telekommunikationsnetzen und der Ähnlichkeitsanalyse von Datensätzen in Datenbanken ist, nennen die Merkmale 5 und 6 die [X.], die die jeweiligen Datensätze beinhalten müssen, um den Zweck zu erfüllen, dem das streitpatentgemäße Verfahren dient, nämlich am Ende eine Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer kontaktbereiten [X.] zu ermöglichen. Die Daten, die für die Verwirklichung des [X.] zumindest benötigt werden, betreffen neben der Rufnummer der kontaktsuchenden [X.] Ort und Zeit, damit im [X.] zu diesem Datensatz ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort (und Rufnummer) einer sich desgleichen meldenden, kontaktbereiten [X.] ermittelt werden kann. Dafür stellt das Streitpatent auf den Aufenthaltsort der [X.]en und den Zeitpunkt ab. Nach welchen Kriterien der Zeitpunkt zu bestimmen ist, überlässt das Streitpatent dem Fachmann, der ihn so definieren und festlegen wird, wie dies der Förderung des [X.] am besten entspricht.

Gemäß Merkmal 7 löst jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden [X.] in der [X.] das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des [X.]s und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. Bei dem "begrenzten Zeitraum" handelt es sich um den Zeitraum, der dem [X.] (etwa durch Steuerung der Datenverarbeitungsvorrichtung) vorgegeben ist, um zu ermitteln, ob mindestens zwei weitgehend übereinstimmende Datensätze vorliegen, so dass ein [X.] ausgelöst werden kann, das ein Rufsignal zu der kontaktbereiten [X.] erzeugt und damit eine Verbindung zwischen den beiden Funktelefonen beider [X.]en erstellt. Das setzt voraus, dass sich die von zwei [X.]en ausgelösten begrenzten Zeiträume überlappen, weil das [X.] nur in diesem Überlappungsbereich ein Rufsignal zum Funktelefon der kontaktbereiten [X.] erzeugen und eine Verbindung zwischen den beiden [X.]en herstellen kann (vgl. Abs. 15). Daraus folgt jedoch nicht, dass der begrenzte Zeitraum zum Zeitpunkt der Meldung des Datensatzes beginnen muss. Dafür lassen sich weder der Wortlaut des Merkmals 7 noch die Beschreibung des Streitpatents anführen, in der hervorgehoben wird, dass die Bemessung des Zeitraums zweckmäßigerweise so gestaltet wird, dass dieser von jeder der beiden [X.]en individuell für sich durch Ermittlung des Zeitbefehls an die [X.] festgelegt werden kann (Abs. 16). Entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts ist erfindungsgemäß auch nicht festgelegt, wann der begrenzte Zeitraum beginnt, ob er also unmittelbar nach Eingang des Datensatzes in der [X.] oder erst verzögert ausgelöst wird.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents beruhe gegenüber der internationalen Anmeldung 01/15480 ([X.]) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus der [X.] sei ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei [X.]en bekannt. Die [X.]en meldeten sich mit einem ihre Adresse ("[X.]") enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem ("[X.]" bzw. [X.]) bei einer zugeordneten [X.], die mit einem [X.] und einem [X.] ausgestattet sei, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein [X.] zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden [X.]en abgebe. Zudem sei offenbart, dass der Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden [X.] über das Funktelefon durch ein Standortermittlungssystem ermittelt werde und diese Information sowie die Rufnummer der [X.] an die [X.] übermittelt werde. Es werde ein passender Datensatz einer kontaktbereiten [X.] im [X.] ermittelt.

Aus der [X.] gehe nicht unmittelbar hervor, dass jeweils im Datensatz der kontaktbereiten und der kontaktsuchenden [X.] ein "Zeitpunkt" enthalten sei und jede Meldung des Datensatzes der kontaktsuchenden [X.] das Anlaufen eines Zeitraums für die Ermittlung des [X.]s auslöse. Der Fachmann entnehme der [X.] jedoch eine Zeitintervallangabe, die als Grundlage für die Bestimmung eines zeitlichen Überlappungsbereichs zwischen kontaktsuchender und kontaktbereiter [X.] diene und durch entsprechende Parameter beschrieben werde. Aufgrund dieser und weiterer Angaben werde mittels des Auswertealgorithmus im [X.] ein [X.] ermittelt und im Telekommunikationssystem ein Rufsignal zu der kontaktbereiten [X.] über deren Funktelefon erzeugt.

Die nicht offenbarten Teilmerkmale seien bei der Prüfung erfinderischer Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, weil sie die Lösung des technischen Problems nicht mit technischen Mitteln bestimmten oder zumindest beeinflussten, zumal der Zeitpunkt für das erfindungsgemäße Verfahren offensichtlich ohne Belang sei. Aber auch wenn diese Teilmerkmale zu berücksichtigen seien, sei kein erfinderischer Gehalt gegeben. Im [X.] werde, wie der Fachmann wisse, schon zu [X.] und Abrechnungszwecken etwa das Betreten oder Verlassen einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (Zeitpunkt) versehen. Bei einem Verfahren, das dem Aufbau einer Verbindung zwischen zwei [X.]en diene, werde der Fachmann zunächst diese bezüglich beider [X.]en ohnehin vorhandenen Zeitmarken zum Aktivieren eines verbindungsrelevanten Zeitraums nutzen, um den [X.] und -verarbeitungsaufwand gering zu halten. Daher sei ein Zeitpunkt als Auslöser für das Anlaufen eines hierfür vorgesehenen Zeitraums nahegelegt, wenn dieser nicht ohnehin bereits in der [X.] mitgelesen werde. Aber auch der einfache Nutzerwunsch, den [X.] nicht nur mittels des Endgerätes unter Nutzung getrennt festzulegender [X.] aktivieren oder deaktivieren zu können, führe den Fachmann dahin, für den Nutzer die Möglichkeit bereitzustellen, direkt mit seiner Meldung einen Zeitraum bestimmen zu lassen, während dessen das Matching durchgeführt werde.

III. Die Begründung des Patentgerichts hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung wird dem Fachmann durch die [X.] nahegelegt, so dass es an einer erfinderischen Tätigkeit fehlt.

Die [X.] befasst sich mit einem Verfahren zur Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei [X.]en, wobei die Verbindung nicht durch die Wahl einer Telefonnummer, sondern in Abhängigkeit vom Standort der [X.]en und der Ähnlichkeit eines Profils ("profile") mit Informationen hergestellt werden soll, das die [X.]en im Netzwerk gespeichert haben ([X.], [X.], [X.] 14 ff.; [X.], [X.] 1 ff.; "claim 1").

Nach dem Verfahren melden sich die [X.]en mit einem Profil ([X.], [X.], [X.] 5 ff.; [X.] 12 ff.: "profile"), also einem Datensatz, der auch ihre Adresse ([X.], [X.], [X.] 10 ff.; [X.], [X.] 5 ff.: "[X.]") enthält, über ein Telekommunikationssystem, bei dem es sich um das [X.] handeln kann ([X.], [X.], [X.] 8 ff.: [X.] "cellular phone network"), bei einem Server ([X.], [X.], [X.] 8 ff.; [X.], [X.] 20 ff.: "server"), also einer [X.]. In einem bevorzugten Ausführungsbeispiel wird das Profil einer [X.] von dem Server 106 empfangen und gespeichert, wenn das Funktelefon ("mobile station") [X.] im Dienstbereich ("service area 103") des Servers aktiv wird, und ist im Server solange erhältlich, wie das Funktelefon in dessen Dienstbereich ("service area") aktiv bleibt ([X.], [X.], [X.] 21 ff.; [X.], [X.] 12 ff.; vgl. auch Figur 1). Mithin wird das Profil bzw. der Datensatz der kontaktsuchenden [X.] von einem Funktelefon übermittelt und enthält auch den durch ein Standortermittlungssystem (etwa GPS, vgl. [X.], [X.], [X.] 1 ff.) ermittelten Aufenthaltsort. Handelt es sich bei dem Telekommunikationssystem um das [X.]werk, ist nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts für den Fachmann zudem implizit offenbart, dass die Rufnummer an den Server (die [X.]) übermittelt wird. Der übermittelte Datensatz enthält schließlich einen Zeitpunkt, wie sich aus der von der Berufung gleichfalls nicht beanstandeten Feststellung des Patentgericht ergibt, dass nach Kenntnis des Fachmanns im [X.]werk das Betreten einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (also einem Zeitpunkt) versehen wird. Die vom Patentgericht zudem angesprochene Frage, ob es sich bei dem in den Merkmalen 4, 5 und 7 genannten Zeitpunkt überhaupt um ein bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigendes technisches Merkmal handelt, bedarf danach keiner Entscheidung, weil die [X.] jedenfalls einen solchen Zeitpunkt offenbart.

Der Server ist mit einem [X.] ("matching engine") ausgestattet, der die Profile der [X.]en, die sich an einem bestimmten Ort (etwa im Bereich einer Basisstation, einer Zelle oder Zellgruppe oder eines Dienstbereichs) aufhalten, auf Übereinstimmungen hin überprüft ([X.], [X.], [X.] 18 ff.; [X.], [X.] 16 ff.; [X.], [X.] 14 ff.; [X.] [X.] 11 ff.). Im [X.] wird also zu dem Datensatz der kontaktsuchenden [X.] ein passender, den Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten [X.] ermittelt, wobei der Datensatz der kontaktbereiten [X.] zumindest im [X.]werk neben dem Aufenthaltsort auch mit einer Zeitmarke bzw. einem Zeitpunkt versehen ist.

Der [X.] gibt aufgrund eines Auswertealgorithmus ([X.], [X.], [X.] 16 ff.) bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Profile ein [X.], das im Telekommunikationssystem ein Funksignal zu der kontaktbereiten [X.] zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung herstellt ([X.], [X.], [X.] 5 ff.; Ansprüche 1 und 6; Abstract). Damit sind die Merkmale 1 bis 6 und 8 durch die [X.] offenbart.

In der [X.] wird zudem ausgeführt, dass [X.] vorgesehen werden können, die es den Benutzern erlauben, den Vergleich räumlich oder zeitlich einzuschränken. Die Parameter können die Größe des Standortbereichs angeben, die der Benutzer wünscht, oder den Zeitpunkt, zu dem ein Vergleich versucht werden soll ([X.], [X.], [X.] 5 ff.). Dem Fachmann ist damit - in teilweiser Vorwegnahme des Merkmals 7 - die Möglichkeit offenbart, für die Ermittlung des [X.]s einen begrenzten Zeitraum und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume bei mindestens zwei [X.]en vorzusehen. Hingegen ist zwar nicht beschrieben, dass jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden [X.] das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Übermittlung des [X.]s auslöst. Gleichwohl trifft es entgegen der Sichtweise der Berufung nicht zu, dass [X.] einen gänzlich anderen Ansatz als das Streitpatent verfolgte.

Nach der Lehre von [X.] sucht das Funktelefon grundsätzlich konstant und automatisch nach Vergleichsmöglichkeiten und meldet damit auch das Profil (den Datensatz) mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort beim Server (bei der [X.]), wann immer der kontaktsuchende Benutzer einen neuen Standortbereich betritt. Alternativ hat der kontaktsuchende Benutzer aber auch die Option, das Vergleichen durch einen einfachen Eingabevorgang unter Verwendung des Funktelefons zu aktivieren oder zu deaktivieren, wobei der Benutzer auch bei dieser Option sein Vergleichs- und Anforderungsprofil nur einmal eingeben muss ([X.], [X.], [X.] 2 ff.). In dieser Variante ist die Lehre von [X.] derjenigen des Streitpatents stark angenähert. Das (erneute) Aktivieren nach Eintritt des deaktivierten Zustands entspricht einer Meldung mit einem die Adresse enthaltenden Datensatz bei der [X.] im Sinne von Merkmal 2 des Streitpatents. Der Unterschied zu [X.] besteht insoweit lediglich darin, dass das Streitpatent dieses Aktivieren nicht als erneutes, sondern erstmaliges Melden bei der [X.] definiert. Entsprechend bietet es sich für den Fachmann an, das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des [X.]s entweder mit jeder Meldung des Profils (des Datensatzes) im Server (in der [X.]) auszulösen oder diesen alternativ durch Eingabe am Funktelefon zu aktivieren oder zu deaktivieren (vgl. [X.] 14 unten, Übergang 15 oben). Die erste der beiden Alternativen entspricht den Vorgaben des Merkmals 7, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung für den Fachmann naheliegend war.

2. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der zuletzt noch geltend gemachten Hilfsanträge 3A, 4 und 5 ist unzulässig. Weder hat die Klägerin der Verteidigung des Streitpatents in den geänderten Fassungen zugestimmt, noch können diese als sachdienlich angesehen werden, § 116 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 [X.] zulässig, wenn der [X.] mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des [X.] Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab ([X.], Urteil vom 28. Mai 2013 - [X.], [X.], 912 Rn. 57 - [X.]). Gleiches gilt für den Fall, dass das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 [X.] erteilten Hinweis nur einzelne [X.] des [X.] aufgreift und der [X.] daher in der Regel keinen Anlass hat, zusätzlich zu [X.], die dem erteilten Hinweis Rechnung tragen, vorsorglich weitere Hilfsanträge im Hinblick auf [X.] zu stellen, auf die das Patentgericht in seinem Hinweis nicht eingegangen ist oder die es als nicht aussichtsreich eingeschätzt hat ([X.], Urteil vom 27. Mai 2014 - [X.], [X.], 1026 Rn. 31 - [X.]). Demgegenüber hat das Patentgericht im vorliegenden Fall in dem nach § 83 Abs. 1 [X.] erteilten Hinweis bereits mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents im Hinblick auf die [X.] und das Fachwissen des Fachmanns nicht erfinderisch sein dürfte. Dies hätte der [X.]n in Anbetracht ihrer Prozessförderungspflicht Veranlassung geben müssen, das Streitpatent bereits im Verfahren vor dem auch mit technischen Richtern besetzten Patentgericht hilfsweise mit geänderten Anträgen zu verteidigen (vgl. [X.], Festschrift [X.], 2009, 273, 281; Benkard/Hall/[X.], [X.], 11. Aufl., 2015, § 116 Rn. 11), zumal nicht auszuschließen ist, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick auf einen oder mehrere der hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents als nicht entscheidungsreif erweist und die Sache nach § 119 Abs. 3 und 5 [X.] zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen oder [X.] vor dem Senat erhoben werden muss.

3. Der mit den [X.] 3A, 4 und 5 hilfsweise verteidigte Gegenstand des Streitpatents unterliegt auch nicht deshalb dem Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens nach § 117 [X.], weil darin Patentanspruch 1 jeweils mit den [X.]n 10, 8 und 9 sowie 5 des Streitpatents in der erteilten Fassung kombiniert wird. Es handelt sich insoweit um neue Verteidigungsmittel im Sinne des § 117 [X.] in Verbindung mit den entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO, deren Nichtgeltendmachung nach dem vom Patentgericht gemäß § 83 Abs. 1 [X.] erteilten Hinweis auf einer Nachlässigkeit der [X.]n beruht. Das Patentgericht hat zwar in seinem Urteil ausgeführt, dass ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der rückbezogenen [X.] des Streitpatents nicht ersichtlich sei. Damit ist die Frage, ob den [X.]n des Streitpatents eine eigenständige erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, jedoch nicht zu einen zulassungsfreien Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahren gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geworden.

Macht der [X.] in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den [X.] geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der [X.] in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit [X.]n des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der [X.] beruft. Die [X.]n haben sich vor dem Patentgericht auf die Geltendmachung eines erfinderischen Gehalts des Patentanspruchs 1 beschränkt, indem sie einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der rückbezogenen [X.] des Streitpatents nicht vorgetragen und auf Nachfrage des Vorsitzenden im Hinblick auf die Ankündigung, eine hilfsweise Verteidigung des Streitpatent durch die Aufnahme von Merkmalen aus den [X.]n zu beabsichtigen, in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben solle. Entsprechend war auch der Prüfungsumfang des Patentgerichts auf den insoweit von der [X.]n verteidigten [X.] beschränkt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juni 2007 - [X.], [X.]Z 173, 47, 22 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.], § 97 Abs. 1 ZPO.

Gröning                     Grabinski                             Hoffmann

                [X.]                       [X.]

Meta

X ZR 111/13

15.12.2015

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 8. Mai 2013, Az: 5 Ni 11/11 (EP), Urteil

§ 83 Abs 1 PatG, § 116 Abs 2 Nr 1 PatG, § 117 PatG, § 529 Abs 1 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.2015, Az. X ZR 111/13 (REWIS RS 2015, 700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 700


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 Ni 11/11 (EP)

Bundespatentgericht, 5 Ni 11/11 (EP), 08.05.2013.


Az. X ZR 111/13

Bundesgerichtshof, X ZR 111/13, 15.12.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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