Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.01.2014, Az. 8 C 26/12

8. Senat | REWIS RS 2014, 8526

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Gegenstand

Zum Zusammenhang zwischen dem glücksspielrechtlichen Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance und dem strafrechtlichen Begriff des Einsatzes; zum Erwerb einer Gewinnchance bei Entrichtung einer Teilnahmegebühr


Leitsatz

1. Das Tatbestandsmerkmal des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance in § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 (juris: GlüStVtrAG SN) deckt sich mit dem des Einsatzes im Sinne der Rechtsprechung zu § 284 StGB (wie Urteil vom 16. Oktober 2013 - BVerwG 8 C 21.12).

2. Werden mit der durch den Veranstalter eines Pokerturniers von den Teilnehmern geforderten Geldleistung ("Teilnahmegebühr") ausschließlich oder ganz überwiegend die Veranstaltungskosten gedeckt und von den Teilnehmern keine weiteren Zahlungen verlangt, aus denen sich eine Gewinnchance ergeben könnte, handelt es sich nicht um ein Entgelt oder einen Einsatz für ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die ordnungsrechtliche Verfügung der Beklagten vom 23. Juni 2010, mit der ihr unter Androhung von unmittelbarem Zwang und unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Durchführung eines für den 26. Juni 2010 in der Gaststätte "A." in der [X.] geplanten [X.] in der Spielvariante "[X.] Hold'em" mit der Begründung untersagt wurde, es handele sich hierbei um ein unerlaubtes Glücksspiel.

2

Die Klägerin ist nach ihren Angaben Lizenznehmerin des [X.], der die so genannte [X.] betreibt. Die Lizenz sieht vor, dass die Klägerin in den Bundesländern [X.], [X.], [X.] und [X.] Pokerturniere durchführen kann. An dem Pokerturnier in [X.] sollte jeder Interessierte teilnehmen können, wenn er vor Beginn der Veranstaltung einen Betrag von 15 € an den Veranstalter entrichtete, wofür ihm eine bestimmte Anzahl von Chips ausgehändigt wurde; möglich war auch, einen Spieler-Pass für 50 € zu erwerben, der zur Teilnahme an fünf Turnieren berechtigte. Nach den Angaben der Klägerin, denen die Beklagte nicht entgegen getreten ist, war folgender Ablauf in der Turnierform "[X.]" vorgesehen: Gespielt werden sollte nach den Regeln der Pokervariante des "[X.] Hold'em" an mindestens zwei Tischen mit jeweils bis zu zehn Spielern, die für ihre Wetteinsätze ausschließlich die ihnen ausgehändigten Chips verwenden durften. Jeder Spieler erhält vom jeweiligen Kartengeber zwei Spielkarten, die nur von ihm eingesehen werden können (verdeckte Karten). Fünf für alle Mitspieler sichtbare Karten (offene Karten) werden nach und nach bei den [X.] in der Mitte des Tisches angeordnet. Jeder Spieler stellt sein Blatt zusammen, indem er seine zwei eigenen (verdeckten) Karten mit den anderen Karten (virtuell) kombiniert. Die beste Kombination mit fünf Karten gewinnt. An jedem Spieltisch werden vier Wettrunden ausgespielt, bei denen es jeweils darum geht, hinsichtlich des Wetteinsatzes drei prinzipielle Entscheidungen zu treffen: mitgehen, erhöhen oder aussteigen. Die Sieger jedes Spieltisches sollten anschließend eine [X.] austragen. Die drei besten Teilnehmer des [X.] sollten jeweils einen Pokal im Wert von 13,30 € brutto erhalten; dem Turniersieger sollte außerdem ein "Turniersiegerhemd" im Wert von 25 € übergeben werden. Den fünf besten Spielern des Turniers wurden jeweils zwischen 5 000 und 10 000 Bonus-Chips ("Startstacks") zugesagt. Mit jeweils 5 000 dieser Bonus-Chips erwarben diese Spieler die Berechtigung zur unentgeltlichen Teilnahme an einem der von der Klägerin organisierten [X.] mit jeweils 100 bis 150 Spielern. Die Sieger dieser Turniere durften an der "[X.]" teilnehmen, wo ihnen Sachpreise winkten; ihnen wurden auch geldwerte Gutscheine für kostenfreie Reisen inklusive Übernachtungen in Aussicht gestellt, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen der Klägerin mit den jeweiligen Veranstaltern u.a. eine kostenfreie Teilnahme an internationalen Pokerturnieren in [X.] und/oder in [X.] ermöglichten, bei denen es erhebliche Geld- oder Sachpreise zu gewinnen gab.

3

Nachdem ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne Erfolg geblieben war, sagte die Klägerin das Pokerturnier in [X.] ab. Ihr gegen die Untersagungsverfügung erhobener Widerspruch wurde vom Landkreis [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2011 zurückgewiesen.

4

Zur Begründung ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, bei der Pokervariante "[X.] Hold'em" handele es sich um ein Geschicklichkeitsspiel und nicht um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 des [X.] (GlüStV 2008) und § 284 StGB. Die Teilnahmegebühr sei kein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance, sondern diene nur der Deckung der Kosten des [X.].

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2012 als unbegründet abgewiesen. Beim Pokerspiel handele es sich auch in der Variante "[X.] Hold'em" um ein Glücksspiel. Die Entscheidung über den Gewinn oder Verlust hänge ganz oder jedenfalls überwiegend vom Zufall ab. Es sei insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf einen professionellen, geübten Spieler, sondern auf das [X.] abzustellen. Die Teilnehmer zahlten für den Erwerb einer Gewinnchance 15 €, da ihnen damit der Weg zu erheblichen Preisen eröffnet werde, wenn auch über eine umfängliche Kette von Siegen.

6

Zur Begründung ihrer Sprungrevision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 verkannt. Zum einen habe es außer [X.] gelassen, dass das Startgeld der einzelnen Spieler in Höhe von 15 € ausschließlich zur Deckung der Veranstaltungskosten diene und damit eine reine Teilnahmegebühr darstelle. Es handele sich nicht um ein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance. Für die Spieler habe gar nicht die Möglichkeit bestanden, einen direkten vermögenswerten Vorteil zu erlangen. Die Turniersieger hätten lediglich an gesonderten Finalveranstaltungen unentgeltlich teilnehmen dürfen, bei denen dann ausschließlich von Sponsoren zur Verfügung gestellte Preise gewonnen werden könnten. Zum anderen habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass bei "[X.] Hold'em" der Spielgewinn gerade nicht ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Mehrere vorliegende Studien hätten gezeigt, dass der Ausgang des Pokerspiels nach den Regeln dieser Spielvariante ganz wesentlich von den Fähigkeiten, Kenntnissen und dem Grad der Aufmerksamkeit des Spielers abhänge. Das oberste Gericht der [X.], der [X.], habe in seinem Urteil vom 2. Juli 2010 (Aktenzeichen 09/867520/08) die Pokerspielvariante "[X.] Hold'em" als Geschicklichkeitsspiel eingeordnet. Er habe sich dabei auf eine von Professor [X.] ([X.]/[X.]), einem Experten auf dem Gebiet der Statistik und der Wahrscheinlichkeitsberechnung, in Zusammenarbeit mit dem Mathematikprofessor [X.] erstellte Untersuchung gestützt. Dem Geschicklichkeitsanteil eines Spiels werde in dieser Studie ein Wert ("[X.]") zwischen null (kein Geschicklichkeitsanteil) und eins (höchster Geschicklichkeitsanteil) zugeordnet. Nach dieser Formel sei der Anteil des [X.]s so hoch wie die Differenz im Ergebnis eines Spieles zwischen einem Anfänger und einem Experten. Poker in der Spielvariante "[X.] Hold'em" habe einen Skill-Anteil von 0,4 und liege nach der vorbezeichneten Studie nahe beim Schach oder Bridge, die allgemein als Skill-Games angesehen würden. Das Verwaltungsgericht habe zudem in [X.] Weise nicht über den im [X.] der Klägerin vom 10. Juni 2009 gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens der ... GmbH zur Einordnung der Pokerspielvariante "[X.] Hold'em" als Spiel mit überwiegenden Geschicklichkeitsanteilen entschieden. Das angegriffene Urteil verstoße außerdem gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Da die Voraussetzungen für eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2008 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 nicht vorlägen, sei der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ohne gesetzliche Grundlage erfolgt.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2012 zu ändern und festzustellen, dass die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 23. Juni 2010 und der Widerspruchsbescheid des Landkreises [X.] vom 21. April 2011 rechtswidrig waren.

8

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] verstößt hinsichtlich der Auslegung des Glücksspielbegriffs gegen Bundesrecht (1.) und stellt sich auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Mangels hinreichender tatsachengerichtlicher Feststellungen zur seinerzeit geplanten Verwendung des von allen Teilnehmern des [X.] geforderten Betrages von 15 € kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden, so dass das angefochtene Urteil gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (3.).

1. Das Verwaltungsgericht hat ohne hinreichende Prüfung angenommen, das von der Klägerin in dem für den 26. Juni 2010 geplanten Pokerturnier vorgesehene Pokerspiel der Variante "[X.] Hold'em" sei ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 des [X.] zum Glücksspielwesen in [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] vom 18. Dezember 2007 (GVBl LSA S. 412 - im Folgenden: GlüStV 2008). Darin liegt ein Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Das kann der Senat überprüfen, obwohl der Glücksspielstaatsvertrag als solcher Landesrecht und im hier maßgeblichen Zeitpunkt sowohl bei Ergehen der Untersagungsverfügung vom 23. Juni 2010 als auch bei ihrer Erledigung noch nicht [X.] war. Denn das Verwaltungsgericht hat sich ebenso wie die handelnden Behörden bei der Auslegung des Glücksspielbegriffs ersichtlich von den bundesrechtlichen Vorgaben in § 284 StGB leiten lassen. Das ist auch geboten, denn nur in diesem Umfang hat das bundesrechtlich geregelte Gewerberecht in § 33h Nr. 3 [X.] dem Landesgesetzgeber einen eigenen Regelungsbereich gelassen, weshalb Landesrecht den Glücksspielbegriff jedenfalls nicht weiter fassen darf als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2013 - BVerwG 8 C 21.12 - juris Rn. 16).

a) Das Verwaltungsgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 i.V.m. § 284 StGB vorliegt, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Es hat jedoch verkannt, dass sich das Tatbestandsmerkmal des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance mit dem des Einsatzes für ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB jedenfalls insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst. Hierfür genügt nicht jede vom Veranstalter geforderte Geldzahlung durch die Spielteilnehmer. Unter "Einsatz" fällt jede Leistung, die erbracht wird in der Hoffnung, im Falle des "Gewinnens" eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des "[X.]" dem Gegenspieler oder dem Veranstalter [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 29. September 1986 - 4 [X.] - [X.]St 34, 171 <176>). Die Gewinnchance - und nicht der Gewinn selbst - muss sich gerade aus der Entgeltzahlung des [X.] ergeben. Zwischen der Aufwendung des Vermögenswertes durch den Spieler und dessen Gewinn oder Verlust muss ein notwendiger Zusammenhang bestehen ([X.], Urteil vom 29. September 1986 a.a.[X.]). Daran fehlt es, wenn mit der Zahlung des Entgelts lediglich die Berechtigung zum Betreten des Veranstaltungsortes oder zur Teilnahme am Spiel erworben wird. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn mit dem Entgelt der Teilnehmer ausschließlich oder doch ganz überwiegend die Veranstaltungskosten gedeckt werden und von den Teilnehmern keine weiteren Zahlungen, aus denen sich eine Gewinnchance ergeben könnte, zu leisten sind. Dann handelt es sich nur um eine Teilnahmegebühr mit der Folge, dass kein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2008 i.V.m. § 284 StGB vorliegt (vgl. dazu Urteil vom 16. Oktober 2013 a.a.[X.] Rn. 21 ff.).

Das Verwaltungsgericht hat es für den notwendigen Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und dem Erwerb der Gewinnchance genügen lassen, dass mit der Entrichtung des Entgelts "der Weg zu erheblichen Gewinnen eröffnet" wird, und dies auch bei einer bloßen Teilnahmegebühr bejaht. Das ist revisionsrechtlich fehlerhaft.

Der festgestellte Verstoß gegen Bundesrecht ist auch entscheidungserheblich. Handelte es sich bei der von der Klägerin von den Teilnehmern des [X.] geforderten Entgeltzahlung um eine reine Teilnahmegebühr, mit der vollständig oder jedenfalls ganz überwiegend die Kosten der Veranstaltung gedeckt werden sollten, und fehlte es bereits aus diesem Grund an dem notwendigen Zusammenhang zwischen der Geldzahlung und dem Erwerb der Gewinnchance, wäre der Bescheid der [X.]n in der Gestalt des Widerspruchsbescheides schon deshalb rechtswidrig gewesen und die Klage hätte nicht abgewiesen werden dürfen.

b) Die Annahme des [X.], das Pokerspiel in der Variante "[X.] Hold'em" sei kein Geschicklichkeitsspiel, weil die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, verstößt dagegen nicht gegen Bundesrecht.

Keine Einwände sind zunächst dagegen zu erheben, dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Zufallsabhängigkeit nicht auf den professionellen geübten Spieler, sondern auf das [X.] und damit auf den durchschnittlichen Spieler abgestellt hat (vgl. dazu u.a. [X.], Urteil vom 28. September 2011 - [X.] - juris Rn. 81). Das entspricht in Bezug auf das untersagte Pokerturnier in [X.] dem gesetzlichen Schutzzweck. Denn die Teilnahme an diesem war nicht auf professionelle oder besonders geübte Spieler beschränkt, sondern publikumsoffen. Es sollte grundsätzlich jeder teilnehmen können, der das Entgelt von 15 € entrichtete. Dies bestimmte das erforderliche Schutzniveau.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, das Verwaltungsgericht habe dem von ihr mit Schriftsatz vom 10. Juni 2011 vorgebrachten Begehren auf Einholung eines Sachverständigengutachtens der ... GmbH zur Einordnung der Pokerspielvariante "[X.] Hold'em" als Spiel mit überwiegenden Geschicklichkeitsanteilen nicht entsprochen, ergibt sich daraus kein Verstoß gegen Verfahrensrecht. Denn es handelte sich insoweit nur um eine Beweisanregung, nicht aber um einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO förmlich hätte beschieden werden müssen. Dem Verwaltungsgericht musste sich insoweit auch nicht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung aufdrängen. Die Klägerin hatte zwar auf eine einer Entscheidung eines [X.] Obergerichts ("[X.]") zugrunde liegende mathematisch-statistische Untersuchung hingewiesen, wonach beim Poker der Spielvariante "[X.] Hold'em" der Geschicklichkeitsanteil ("[X.]") nahe beim Schach oder Bridge liege, die allgemein als Geschicklichkeitsspiele angesehen würden. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich jedoch, dass diese von ihr angeführte Studie für diese Pokervariante lediglich einen [X.] von 0,4 und damit einen Geschicklichkeitsanteil von weniger als 50 v.H. ermittelt hatte. Selbst unter [X.] dieses Parteivortrags war damit von einer überwiegenden Zufallsabhängigkeit der Entscheidung über den Gewinn auszugehen. Angesichts dessen hat für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung bestanden, das von der Klägerin angeregte Sachverständigengutachten einzuholen.

2. Das Urteil des [X.] stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insbesondere konnte die angefochtene und zwischenzeitlich erledigte Untersagungsverfügung der [X.]n nicht auf §§ 1 und 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des [X.] ([X.] LSA, GVBl LSA 2003 S. 214 i.V.m. § 33d Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützt werden. Das darf das [X.] überprüfen, obwohl auch Landesrecht betroffen ist; denn das Verwaltungsgericht ist - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - auf die damit verbundenen Fragen nicht eingegangen.

Allerdings hätte sich die Klägerin, selbst wenn das von ihr geplante Pokerturnier mangels Entgeltcharakters der den Teilnehmern abverlangten Zahlung nicht als Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 anzusehen sein sollte, rechtswidrig verhalten. In diesem Falle hätte sie nämlich für das Pokerturnier, das sie im Rechtssinne gewerbsmäßig veranstalten wollte, nach § 33d Abs. 1 Satz 1 [X.] der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedurft, die sie nicht eingeholt hatte. Das geplante Turnier war auch nicht ausnahmsweise nach § 33g Nr. 1 [X.] i.V.m. § 5a der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27. Januar 2006 ([X.]) - [X.] - erlaubnisfrei. Das hätte nach § 33g Nr. 1 [X.] vorausgesetzt, dass das Spiel überwiegend der Unterhaltung dient, was Ziffer 1a, 2 und 3 der Anlage zu § 5a [X.] dahin konkretisiert, dass es sich um ein Geschicklichkeitsspiel handeln muss. Wie gezeigt, hängt der Ausgang des Pokerspiels in der Variante "[X.] Hold'em" nach den insoweit fehlerfreien Feststellungen des [X.] jedoch überwiegend vom Zufall ab.

Auch wenn hiernach die [X.] das geplante Turnier wegen der fehlenden Erlaubnis grundsätzlich hätte untersagen dürfen, so könnte die angefochtene Untersagungsverfügung doch gleichwohl nicht aus diesem Grunde als rechtmäßig erachtet werden. Die Verfügung ist nämlich auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht gestützt worden; die Behörden haben sich vielmehr - namentlich bei der Ausübung ihres [X.]s - davon leiten lassen, ein nach § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 verbotenes Glücksspiel zu unterbinden. Das gilt jedenfalls für die Widerspruchsbehörde, die allein auf den Glücksspielstaatsvertrag abgestellt hat. Es gilt aber auch für die Ausgangsbehörde. Diese hat zwar als Ermächtigungsgrundlage nicht den Glücksspielstaatsvertrag, sondern § 33d [X.] angeführt und auch § 5a [X.] genannt. Sie hat jedoch in den Gründen ihrer Verfügung ausschließlich darauf abgehoben, dass die Klägerin ein nach § 284 StGB verbotenes Glücksspiel betreiben wolle, und sich mithin ebenfalls allein von dem strafrechtlichen Glücksspielbegriff leiten lassen, der - wie erwähnt - auch § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 zugrunde liegt. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die [X.] von ihrem [X.] einen anderen Gebrauch gemacht hätte, hätte sie erwogen, ob der Klägerin die durch § 33d [X.] geforderte Erlaubnis - welche deren Zuverlässigkeit sowie das Vorliegen einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des [X.] voraussetzt (§ 33d Abs. 2 und 3 [X.]) - nicht hätte erteilt werden können. Bei dieser Sachlage braucht der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, ob Gegenstand der Anfechtungs- oder der Fortsetzungsfeststellungsklage der Ausgangsbescheid auch dann in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), wenn der Widerspruchsbescheid nicht mehr hätte ergehen dürfen, weil sich das [X.] bereits zuvor erledigt hatte.

3. Das angegriffene Urteil ist gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zur seinerzeit geplanten Verwendung des von den Teilnehmern des [X.] geforderten Betrages von 15 € fehlt und der Senat auf der Grundlage des Akteninhalts und der Angaben der Beteiligten diese auch nicht selbst treffen kann.

Das Verwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht zwar festgestellt, dass die Teilnehmer des von der Klägerin beabsichtigten Spiels im Voraus einmal 15 € zu entrichten haben, und hat dies im Tatbestand des Urteils als Teilnahmegebühr bezeichnet. Ob die Zahlung dieses von der Klägerin geforderten Betrages, die zur Aushändigung der für die Einsätze beim Pokerspiel während des [X.] notwendigen Chips führt, ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend der Deckung der Kosten des Turniers dienen sollte, hat das Verwaltungsgericht dagegen nicht festgestellt. Die Klägerin hatte einen solchen Verwendungszweck sowohl im Verwaltungs- als auch im gerichtlichen Verfahren zwar behauptet. Das Oberverwaltungsgericht hatte dies im Rahmen des [X.] jedoch in Zweifel gezogen. Es hatte ausgeführt, bei dem von der Klägerin geplanten Pokerturnier sei "nicht sichergestellt, dass die zu entrichtenden Startgelder nicht (auch) im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV 2008 für den Erwerb einer Gewinnchance geleistet werden". Im Hauptsacheverfahren bedurfte diese Frage näherer Prüfung, die das Verwaltungsgericht jedoch unterlassen hat.

Meta

8 C 26/12

22.01.2014

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Halle (Saale), 11. Juni 2012, Az: 3 A 124/11 HAL, Urteil

§ 3 Abs 1 GlüStVtrAG SN, § 33h Nr 3 GewO, § 33d GewO, § 284 StGB, § 5a SpielV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.01.2014, Az. 8 C 26/12 (REWIS RS 2014, 8526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8526

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