Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2000, Az. IV ZR 180/99

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1746

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:5. Juli 2000SchickJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein_____________________BGB § 1944 Abs. 2 Sätze 1 und 3a) Die [X.] des § 1944 BGB beginnt erst, wenn der Erbe zuver-lässige Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und dem Grund seiner Berufung hat(Bestätigung von [X.], Urteil vom 19. Februar 1968 - [X.] - LM BGB§ 2306 Nr. 4).b) Daß die Frist abgelaufen und damit das Ausschlagungsrecht des Erbenweggefallen ist (§ 1943 BGB), hat der Gegner zu beweisen.c) Der ausschlagende Erbe trägt jedoch die Beweislast für seine Behauptung,er sei nicht geschäftsfähig und der Lauf der Frist deshalb gehemmt gewesen(§ 1944 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit § 206 BGB).[X.], Urteil vom 5. Juli 2000 - [X.] - [X.] [X.] -Der IV. Zivilsenat des [X.] hat durch den [X.], [X.], Dr. Schlichting,Terno und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom5. Juli 2000für Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14.Zivilsenats des [X.], [X.] in [X.], vom 17. Juni 1999 im [X.] insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerinerkannt worden ist, jedoch mit Ausnahme der durchNichtannahmebeschluß des Senats vom 3. Mai 2000erledigten Wertermittlungsansprüche.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur ander-weiten Verhandlung und Entscheidung, auch über [X.] des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage [X.] der am 18. August 1992 gestorbenen Erblasserin geltend. In einem- 3 -gemeinschaftlichen Ehegattentestament aus dem Jahre 1965 waren dieKlägerin und ihre vier Geschwister, darunter die beiden Beklagten, [X.] (ersatzweise für ihren vorverstorbenen Vater) zu je 1/5 ein-gesetzt worden. Der Erblasserin stand es als überlebender Ehefrau frei,das Testament abzuändern; insoweit besteht kein Streit mehr. Mit [X.] aus dem [X.] setzte sie die beiden [X.] je 1/3 und alle fünf Geschwister zu gleichen Teilen als Ersatzerbenfür das ihrem Vater zugedachte weitere Drittel ein. Außerdem [X.] dem Beklagten zu 1) ihre Beteiligung an einer Kommanditgesell-schaft und der Beklagten zu 2) ihr Haus; den restlichen Nachlaß ver-machte sie (ersatzweise bei Wegfall des Vaters der Parteien) allen fünfGeschwistern zu gleichen Teilen. Im Jahre 1990 schloß die Erblasserineinen Erbvertrag mit dem Beklagten zu 1). Darin wiederholte sie das ihmzugedachte Vermächtnis und widerrief das notarielle Testament aus dem[X.], soweit es zu einem anderen, das Vermächtnis zugunstendes Beklagten zu 1) beeinträchtigenden Ergebnis führe.Die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin wurden am6. Oktober 1992 eröffnet. Dabei gab der für die [X.] keine Erklärung zur Annahme der Erbschaft ab. Mit [X.] vom 3. Juni 1993 wurde für die Klägerin ein Erbscheinals [X.] zu 1/15 aufgrund des [X.] von 1989 beantragt. [X.] desselben Anwalts vom 8. Juni 1993 wurde ein [X.] für die Klägerin als [X.] zu 1/5 aufgrund des damalsnoch für bindend gehaltenen Ehegattentestaments von 1965 gestellt. [X.] Juni 1995 verurteilte das Berufungsgericht in einem anderen Verfah-ren die Klägerin und zwei weitere Geschwister, das Vermächtnis [X.] -sten des Beklagten zu 1) zu erfüllen. In diesem Urteil wird erwogen, daߧ 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Anspruch auf das [X.] könne. Denn nach dem Testament aus dem [X.]erhalte die Klägerin, deren Pflichtteil 1/10 betrage, nur einen Erbteil [X.]/15, der u.a. mit dem Vermächtnis zugunsten des Beklagten zu 1) [X.] sei. Der Beklagte zu 1) habe zwar vorgetragen, daß die [X.] Erbteil und Wert des der Klägerin zustehenden Vermächtnisses [X.] übersteige; dabei habe er den Wert der ihm zugedachten [X.] an der Kommanditgesellschaft aber nach Ansicht des Beru-fungsgerichts unrealistisch zu gering eingeschätzt. Das bedürfe [X.] Klärung, weil die Erblasserin mit dem Erbvertrag des Jahres 1990Vorsorge gerade für den Fall getroffen habe, daß § 2306 Abs. 1 Satz 1BGB eingreife. Dann nämlich sei die Erbeinsetzung im Testament [X.]989 widerrufen, so daß gesetzliche Erbfolge zu je 1/5 eintrete und [X.] § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen sei. Erst nach diesemUrteil hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. August 1995 ihren Erbteilaus allen möglichen Berufungsgründen ausgeschlagen und von den [X.] den Pflichtteil verlangt.Das [X.] hat der in der ersten Stufe erhobenen Klage [X.] und Wertermittlung stattgegeben. Die Berufung der [X.] das [X.] teilweise zurückgewiesen, weil der [X.] als [X.] Ansprüche auf Auskunft zustünden. Wegen ihrer [X.] Ansprüche, insbesondere auf Wertermittlung auf [X.] Nachlasses, hat es die Klage jedoch abgewiesen. Dagegen wendetsich die [X.] 5 -- 6 -Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-fungsgericht.1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der [X.] aus § 2314 BGB nicht zu, weil sie die sechswöchige [X.] des § 1944 Abs. 1 BGB habe verstreichen lassen; siehabe die Erbschaft daher nicht mehr wirksam ausschlagen können. [X.] habe bereits mit [X.]eröffnung am 6. Oktober 1992 begon-nen. Denn die Klägerin sei "im Grundsatz" davon ausgegangen, testa-mentarische Erbin zu sein, wie ihre Erbscheinsanträge zeigten. [X.] sie von Anfall und Grund ihrer Berufung als Erbin Kenntnis gehabt.Auf den weiteren Vortrag der Klägerin, sie sei von Februar 1992bis weit in [X.] 1995 hinein geschäftsunfähig gewesen, [X.] nicht an. Die Annahme der Erbschaft nach Ablauf der Ausschla-gungsfrist werde nämlich in § 1943 Halbs. 2 BGB fingiert.2. Dagegen wendet sich die Revision mit [X.]) Für den Beginn der [X.] ist gemäß § 1944 Abs. 2Satz 1 BGB Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung erforderlich.Die Berufung kraft Testamentes, von der das Berufungsgericht ausgeht,ist ein anderer Grund als die Berufung kraft Gesetzes, wie § 1948 Abs. 1BGB zeigt. Im vorliegenden Fall kommt nach dem Urteil des Berufungs-gerichts vom 30. Juni 1995 statt einer testamentarischen Berufung in- 7 -Betracht, daß die Klägerin wegen Widerrufs des [X.] von 1989kraft Gesetzes Erbin geworden ist. Das hängt davon ab, ob auf [X.] des [X.] von 1989 ein Fall des § 2306 Abs. 1 Satz 1BGB gegeben wäre und deshalb der Widerruf der testamentarischen Er-beinsetzung im Erbvertrag aus dem Jahre 1990 zum Zuge käme.In anderem Zusammenhang, nämlich bei der Frage, ob die Kläge-rin über den [X.] im Irrtum gewesen sei (§ 1949 BGB),kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, es stehe nach wie vornicht fest, ob die Klägerin aufgrund des [X.] von 1989 Erbin zu1/15 oder kraft Gesetzes Erbin zu 1/5 geworden sei. Bei dieser [X.] von einer die [X.] des § 1944 BGB in Lauf setzen-den Kenntnis aber nicht die Rede sein. Kenntnis setzt ein zuverlässigesErfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund dessen ein Han-deln erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich der Tatsachen kannKenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie eine irrige rechtlicheBeurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein von der Hand zuweisen sind ([X.], Urteil vom 19. Februar 1968 - [X.] - LM BGB§ 2306 Nr. 4).b) Das Berufungsgericht wird daher näher zu prüfen haben, ob [X.] wie lange der Klägerin die erforderliche Kenntnis des[X.]es gefehlt hat. Dabei wird zu berücksichtigen sein, [X.] Klägerin in ihrer Berufungsbegründung sowie in der ersten Ver-handlung vor dem Berufungsgericht behauptet hat, bis zu dem Urteil vom30. Juni 1995 habe sie die Vermächtnisse zugunsten der Beklagten [X.] von 1989 gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam- 8 -gehalten. Konkrete Zahlen zu den einzelnen Nachlaßwerten hat die Klä-gerin allerdings nicht beigebracht.Es ist jedoch nicht Sache der Klägerin, das Fehlen ihrer Kenntnisdes [X.]es zu beweisen. Sie stützt sich (für den Anspruchaus § 2314 BGB) zwar auf die Wirksamkeit ihrer Ausschlagung [X.] August 1995. Dafür muß sie deren Existenz, Zeitpunkt und Formwirk-samkeit beweisen. Daß das Ausschlagungsrecht aber bereits durchFristablauf weggefallen sei, hat der Gegner zu beweisen, hier also [X.] ([X.], [X.]. § 1944 [X.]. 26; [X.]/[X.], [X.]. § 1944 [X.]. 30; [X.]/[X.] Aufl. § 1944 [X.]. 27 f.; [X.]/[X.], Handbuch der Beweis-last im Privatrecht 2. Aufl. § 1944 [X.]. 2 f.; alle m.w.N.; a.[X.]/[X.], [X.]. § 1944 [X.]. 22). Die Vorschrift des § 1949Abs. 1 BGB steht nicht entgegen, weil sie nur bei einer positiv erklärtenAnnahme zu einer anderen Verteilung der Beweislast führen kann([X.], § 1949 [X.]. 4; [X.]/[X.], § 1949 [X.]. 2).c) Wenn feststeht, daß der Klägerin durch das Testament [X.]989 trotz ihrer geringen Erbquote dem Werte nach mehr als ihr Pflicht-teil hinterlassen worden ist, greift § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht undwird auch der Widerruf im Erbvertrag von 1990 nicht wirksam. Dann [X.] die Klägerin über die von ihr angenommene Berufung als testamenta-rische Erbin nicht im Irrtum gewesen. In diesem Falle käme es jedochentgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für den Ablauf der [X.] auf die Geschäftsfähigkeit der Klägerin an.- 9 -§ 1944 Abs. 2 Satz 3 i.V. mit § 206 BGB zeigt, daß die Frist [X.], solange der Erbe geschäftsunfähig ist. Er hat nach Wiedererlan-gung der Geschäftsfähigkeit sechs Wochen Zeit zur Ausschlagung. [X.], die § 1943 Halbs. 2 BGB als Fiktion verstehen, fordern für denBeginn der [X.] Geschäftsfähigkeit des Erben ([X.]/[X.], § 1943 [X.]. 13; § 1944 [X.]. 14; [X.], § 1943[X.]. 6; § 1944 [X.]. 14 und 21; a.A. wohl Soergel/[X.], § 1943[X.]. 8). Für die Hemmung des Fristablaufs ist der Erbe [X.]) [X.] der Klägerin der Nachweis ihrer Geschäftsunfähigkeit,wäre - vorausgesetzt, die Beklagten haben bewiesen, daß die Klägerinüber den [X.] nicht im Irrtum war, - von einer Annahme [X.] wegen Ablaufs der [X.] gemäß § 1943 Halbs. [X.] auszugehen. Trotzdem wäre noch eine Ausschlagung nach § 2306Abs. 1 Satz 2 BGB möglich, wenn die Klägerin die Beschwerungen durchVermächtnisse zugunsten der Beklagten irrig für unwirksam gehalten- 10 -hätte ([X.]/[X.], § 2306 [X.]. 55). Auch unter diesem Gesichts-punkt bliebe also der Vortrag der Klägerin zu prüfen, sie habe die [X.] zugunsten der Beklagten bis zum Urteil vom 30. Juni 1995für unwirksam gehalten. Die Beweislast dafür, daß die Klägerin [X.] dem 30. Juni 1995 die Wirksamkeit der Beschwerungen gekannt ha-be, tragen die Beklagten ([X.], Urteil vom 19. Februar 1968, aaO).Dr. [X.] Prof. [X.] Dr. Schlichting Terno [X.]

Meta

IV ZR 180/99

05.07.2000

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2000, Az. IV ZR 180/99 (REWIS RS 2000, 1746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1746

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