Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2013, Az. VI ZR 241/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9076

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

15. Januar 2013

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 183 Abs. 2 Satz 2, § 418 Abs. 1; HaagZustÜbk Art. 6
Die Zustellung einer Klageschrift im Ausland kann nach § 183 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörde mit der [X.] des § 418 Abs.
1 ZPO, die auch der entsprechenden Urkunde der [X.] Behörde zukommt, nachgewiesen werden.
[X.], Urteil vom 15. Januar 2013 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
15. Januar
2013
durch [X.], den
Richter Zoll,
die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18.
Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Köln
vom 12. April
2012
wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin
verlangt
Schadensersatz wegen des
Ankaufs von Aktien
ei-ner Tochtergesellschaft der
Beklagten.
Nach Eingang der Klage vom 17. November
2008
hat der Vorsitzende der mit der Sache befassten Zivilkammer des [X.]
in Zusammenhang mit der Zustellung nach §
183 ZPO durch Verfügung vom 28. Januar 2009 [X.], dass der Beklagten im Hinblick auf das angeordnete schriftliche Vor-verfahren eine Notfrist von zwei Wochen zur Anzeige der Verteidigungsbereit-schaft
gesetzt werde und dass sie innerhalb von zwei Wochen gemäß §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe. Auf die anderenfalls eintretenden rechtlichen Folgen der Zu-stellung von Schriftstücken durch Aufgabe zur Post unter der Anschrift der [X.] hat der Vorsitzende hingewiesen. Diese Verfügung und die Klageschrift 1
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sind der Beklagten am 7. Juni 2010
nach Maßgabe des [X.] über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil-
und Handelssachen vom 15.
November 1965 ([X.] 1977 II S.
1452, 1453; im Folgenden [X.]) zugestellt worden. Nach dem Ablauf der Frist zur Anzeige der [X.] hat das [X.] am 31. Mai
2011
die Beklagte im schriftlichen
Verfahren durch [X.] verurteilt. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils
ist nach dem Vermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit der Belehrung über die Möglichkeit eines Einspruchs innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung unter der Anschrift der Beklagten
am 3. Juni 2011
zur Post aufgegeben worden. Nach Festsetzung der Einspruchsfrist auf zwei Wochen durch Beschluss des [X.] vom 3. August 2011 ist auf Antrag der
Kläger das [X.] der Beklagten am 12. Oktober 2011 erneut, nunmehr
auf diplomatischem Weg,
zugestellt worden. Dagegen hat die Beklagte mit am 18. Oktober
2011
bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Mit Urteil vom 22.
November
2011 hat das [X.] den Einspruch als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, das Berufungsurteil und das Urteil des Landge-richts vom 22. November
2011 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Land-gericht zurückzuverweisen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das [X.] habe den [X.] gegen das Versäumnisurteil zu Recht gemäß §
341 Abs.
1 Satz
2 ZPO als unzulässig
verworfen, weil er nicht rechtzeitig eingelegt worden sei.
Die [X.]sfrist habe nicht erst mit der förmlichen Zustellung des Versäumnisurteils in der [X.] am 12. Oktober 2011, sondern bereits am 17. Juni 2011 aufgrund der Zustellung des Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post (§
184 Abs.
1 Satz
2 ZPO) zu laufen begonnen und sei dementsprechend am 2. Juli 2011 abgelaufen. Weder bestünden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der maßgebenden Bestimmung des § 184 ZPO noch verletze das vom [X.]
gewählte Verfahren das [X.] Übereinkommen. Aufgrund der der Beklagten mit der Klageschrift zugestellten Anordnung im Sinne des § 184 ZPO habe die Beklagte im weiteren Verfahren mit Zustellungen durch Aufgabe zur [X.] müssen. Sie hätte die Gelegenheit gehabt, eine rechtzeitige Kenntnis von [X.] Entscheidungen und [X.].
Sowohl die Klageschrift als auch die Anordnung des Vorsitzenden im Sinne des § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO vom 28. Januar 2009 seien wirksam zuge-stellt worden. Die
Anordnung
müsse nicht zwingend durch den gesamten Spruchkörper der zuständigen Zivilkammer erfolgen. Sie sei
durch den
Vorsit-zenden
jedenfalls wirksam. Das [X.] vom 25.
Juni 2001 ([X.]
I S.
1206), durch das §
184 ZPO an die Stelle des §
174 Abs.
1 ZPO a.F.
getreten ist, habe lediglich die in §
20 Nr.
7 RPflG vorgesehene Zuständig-keitsübertragung auf den Rechtspfleger aufgehoben.
Zwar scheine der Wortlaut der Vorschrift zunächst für die funktionelle Zuständigkeit
des Spruchkörpers zu 4
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sprechen. Doch falle die Anordnung der Zustellung richterlicher Entscheidungen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Vorsitzenden.
Auch wenn bei der Anord-nung Ermessen auszuüben sei, sei diese nicht schon deshalb unwirksam, weil die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte nicht daraus erkennbar seien. Aus der
Verfügung der Geschäftsstelle vom 3. Juni 2011
er-gebe sich, dass
eine Ausfertigung des Versäumnisurteils am selben Tag
zur Post aufgegeben worden sei.
Die erneute Zustellung des Versäumnisurteils nebst Beschluss gemäß §
339 Abs. 2 ZPO am 12. Oktober 2011 habe die bereits verstrichene [X.]sfrist nicht erneut in Lauf setzen können. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil bei der
Frage des Verschuldens an der Fristversäumnis zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte infolge der Zu-stellung der Klageschrift und der Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO von zukünftig bevorstehenden Zustellungen Kenntnis gehabt habe.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
1. Das [X.] hatte auf den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil gemäß §
341 Abs.
1 Satz
1 ZPO zunächst nur zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und in der gesetzlichen
Form und Frist eingelegt worden ist. Da die Beklagte die Einspruchsfrist nicht gewahrt hat, musste der Einspruch gemäß §
341 Abs.
1 Satz
2 ZPO ohne Sachprüfung und ohne Rück-sicht auf das ordnungsgemäße Zustandekommen des [X.] werden ([X.], Beschluss vom 5.
März 2007 -
II
ZB 4/06, NJW-RR 2007, 1363 Rn.
9
ff.; Hk-ZPO/Pukall, 4.
Aufl., §
341 Rn.
1).
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6

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2. Rechtlich ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zu-stellung des Versäumnisurteils im Inland durch Aufgabe zur Post für wirksam erachtet hat.
a) Zur Frage, auf deren Klärungsbedürftigkeit die Zulassung der Revision gestützt worden ist, ob -
wie im Streitfall
-
der Vorsitzende der zuständigen Kammer oder der Spruchkörper die Anordnung nach §
184 Abs.
1 ZPO zu tref-fen habe, hat sich der erkennende Senat zwischenzeitlich in mehreren Urteilen gegen die Beklagte umfassend geäußert (vgl.
Senat,
Urteile vom [X.] 2012 -
VI
ZR 230/11, juris
und -
VI
ZR 287/11, juris; vom 18. September 2012 -
VI
ZR 225/11, NJW-RR 2012, 1459 = [X.], 1306; vom 26. Juni 2012 -
VI
ZR 241/11, NJW 2012, 2588 = [X.], 1499; vom 3. Juli 2012
-
VI
ZR 227/11, juris
und -
VI
ZR 239/11, juris
sowie vom 17. Juli 2012 -
VI
ZR 222/11,
juris
-
VI
ZR 226/11, juris
und -
VI
ZR 288/11, juris). Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in den Urteilsgründen (so Senatsurteile vom 17.
Juli 2012 -
VI
ZR 226/11, juris Rn.
14 bis 27 und -
VI
ZR 288/11, juris Rn.
18 bis 27;
vom 18. September 2012 -
VI
ZR 223/11
n.v.) zur Vermeidung gleichlau-tender Wiederholungen Bezug genommen.
b) [X.] vom 31. Mai 2011
ist
auch nicht deshalb zweifelhaft, weil die Klageschrift und die Anord-nung,
einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen,
der Beklagten nicht förmlich zugestellt worden wären.
Die förmliche Zustellung der Klageschrift und der Anordnung nach §
184 Abs.
1 ZPO am 7. Juni
2010
ist
bewiesen durch
die von [X.] unter-schriebene Urkunde
vom 16. Juni
2010
(Art. 6 [X.]), die mit
dem Schreiben
des Generaldirektorats für Internationales Recht und Außenbeziehungen des [X.] an das [X.] Köln
nach Erle-9
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12
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7

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digung des [X.] übersandt worden ist
(vgl. Senat, Beschluss vom 13. November 2001 -
VI
ZB 9/01, [X.], 521).
Erfolglos macht die
Revision dagegen geltend, eine förmliche Zustellung an die Beklagte sei nicht nachgewiesen. Zwar ist grundsätzlich der Beweis der Unrichtigkeit gegen die inhaltliche Richtigkeit einer
Zustellungsurkunde zulässig (§
418 Abs.
2 ZPO). Doch ist ein solcher Beweis aufgrund des Vorbringens der Revision nicht er-bracht. Tatsächliche Umstände, die Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Zu-stellung durch Aushändigung der Schriftstücke an Rechtsanwalt P.
begründen könnten, werden
von der Revision nicht aufgezeigt.
Sie ergeben sich jedenfalls nicht schon daraus, dass den [X.] eine Vollmacht für Rechts-anwalt P.
nicht beigefügt worden ist.
c) Entgegen der Auffassung der Revision vermochte die Anregung der Klägerin, die Klageschrift sowie ein gegebenenfalls noch zu erlassendes [X.] gegen die Beklagte im Wege der Rechtshilfe förmlich zuzustellen (Nr.
6 der Klageanträge), nicht einen Ermessensfehler des nicht an eine solche Anregung der [X.] gebundenen Richters bei der Anordnung gemäß §
184 Abs.
1 ZPO zu begründen. Auch in [X.] steht den Pro-zessparteien ein prozessualer Anspruch auf eine bestimmte Form der Urteils-zustellung nicht zu. Es ist allein nach den Regelungen des autonomen deut-schen Prozessrechts zu bestimmen, in welchen Fällen die Zustellung im [X.] bewirkt werden muss. Da die förmliche Zustellung zu erheblichen [X.] im Prozessablauf führen kann, wodurch der Justizgewährungsanspruch der betroffenen [X.] maßgeblich beeinträchtigt würde, ist [X.] gehal-ten, vermeidbaren Verzögerungen mit den ihm gegebenen prozessrechtlichen Möglichkeiten entgegenzuwirken.
d) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass das [X.] gemäß §
184 Abs.
2 Satz
1 ZPO als am 17. Juni
2011 zugestellt 13
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gilt. Die für den Eintritt der [X.] erforderliche Aufgabe zur Post un-ter der Anschrift der [X.] am 3. Juni
2011 ist durch den Zustellungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bewiesen. Der Zustellungsvermerk nach §
184 Abs.
2 Satz
4 ZPO, in dem die Zeit und die Anschrift, unter der das Schriftstück zur Post gegeben wurde, zu vermerken sind, ersetzt die Zustel-lungsurkunde gemäß §
182 ZPO ([X.], Beschluss vom 13.
Juni 2001 -
V
ZB 20/01, [X.], 345). Erfolglos wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht aufgrund des Vermerks der Geschäftsstelle vom 3. Juni 2011 von
der Zustellung auch einer Urteilsausfertigung und nicht nur einer Urteilsab-schrift
ausgegangen ist.
In
der die Zustellung des Urteils an die [X.]en [X.] Verfügung vom 31.
Mai 2011
hat die zuständige Richterin
angeordnet, dass eine Ausfertigung und eine Abschrift des Urteils an die Beklagte zu über-senden sind. Dementsprechend wird in dem von der Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle beurkundeten Vermerk über die Zuleitung der Briefsendung an die Wachtmeisterei zur Aufgabe zur Post als deren Inhalt angegeben: "Ab.U. 31.05.11;
Ausf.U. 31.05.11".
3. Die nachträgliche förmliche Zustellung
des Teil-Versäumnisurteils am 12.
Oktober
2011
und die nachträgliche Festsetzung der Einspruchsfrist vermö-gen
die bereits eingetretene Rechtskraft nicht zu durchbrechen. Die Anordnung der erneuten Zustellung lässt die Wirkung der zuvor erfolgten Zustellung gemäß §
184 Abs.
2 ZPO unberührt; sie setzt eine bereits abgelaufene Frist trotz der beigefügten unrichtigen Rechtsmittelbelehrung nicht nochmals in Lauf (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20.
Oktober 2005 -
IX
ZB 147/01, NJW-RR 2006, 563, 564; vom 20.
November 2006 -
NotZ
35/06, juris Rn.
7; Versäumnisurteil vom 15.
Dezember 2010 -
XII
ZR 27/09, [X.], 522 Rn.
20; [X.], NJW-RR 2011, 1631, 1632; [X.], Urteile vom 10.
August 2011 -
I-8
U 3/11, juris Rn.
40 und -
8
U 31/11, NJW-RR 2012, 62, 64). Ein
ausreichender Schutz der Rechte
der Beklagten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das 15
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am 17. Juni 2011
als zugestellt
geltende
Urteil nicht mit einer Übersetzung der Entscheidung
verbunden war. Die Beklagte war über den Inhalt des [X.] hinreichend durch die förmliche Zustellung der Klageschrift mit der Über-setzung in die [X.] informiert. Trotz Kenntnis der gegen sie rechtshängigen Klage und der
ebenfalls ins [X.] übersetzten Hinweise des Gerichts auf die Folgen bei Nichtbenennung eines [X.] ist die Beklagte nach dem nicht zweifelhaften Zugang des [X.]s untätig geblieben.

[X.]
Zoll
[X.]

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.11.2011 -
22 O 589/08 -

O[X.], Entscheidung vom 12.04.2012 -
18 [X.] -

Meta

VI ZR 241/12

15.01.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2013, Az. VI ZR 241/12 (REWIS RS 2013, 9076)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9076

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VI ZR 241/12

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