Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2015, Az. XII ZB 123/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8167

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betreuervergütung: Stundensatzerhöhung für eine Kauffrau im Einzelhandel; Berücksichtigung der Ausbildungsinhalte


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 11. Februar 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Wert: 341 €

Gründe

1

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 (Staatskasse), mit der er eine Festsetzung der Betreuervergütung mit einem Stundensatz von 27 € statt eines erhöhten Stundensatzes von 33,50 € begehrt, führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

2

1. Die Beurteilung des [X.], wonach die Betreuerin durch ihre im Jahr 1995 abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel für die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] erworben habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig ermittelt und bei der Würdigung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.

3

a) Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Ausbildung fehlerhaft ermittelt, indem es die Verordnung über die Berufsausbildung im Einzelhandel in den Ausbildungsberufen Verkäufer/Verkäuferin und [X.] im Einzelhandel/Kauffrau im Einzelhandel vom 16. Juli 2004 ([X.] I S. 1806; im Folgenden: [X.] 2004) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Denn für die 1995 abgeschlossene Ausbildung der Betreuerin war die Verordnung über die Berufsausbildung zum [X.] im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel vom 14. Januar 1987 ([X.] I S. 153; im Folgenden: [X.] 1987) die maßgebliche Ausbildungsordnung. Da diese den Prüfungs- und Ausbildungsinhalt, insbesondere auch in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als für die Betreuung nutzbar bewerteten Inhalte, in nicht unerheblicher Weise anders regelt als die [X.] 2004, beruht die Tatsachenfeststellung auf diesem Fehler. Dies gilt auch in Anbetracht der erfolgten Anhörung der Betreuerin, deren Ergebnis keine hinreichende Grundlage für die Feststellung bietet, dass die Ausbildung einen anderen Inhalt hatte, als in der maßgeblichen Ausbildungsordnung festgelegt war.

4

b) Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass ein erhöhter Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat, sondern dass vielmehr erforderlich ist, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - [X.] 558/14 - juris Rn. 4 und vom 16. Januar 2014 - [X.] 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN).

5

Rechtlich zu beanstanden ist jedoch die Annahme, es sei ausreichend, dass die vermittelten, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse für den erlernten Beruf prägend seien. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - [X.] 558/14 - juris Rn. 4 und vom 16. Januar 2014 - [X.] 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN). Allein daraus, dass bestimmte Kenntnisse für die Berufsausübung von erheblicher Bedeutung sind, kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass diese auch einen erheblichen Teil der Ausbildung darstellen. Solches Wissen kann nämlich auch durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben werden, was nicht zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] führt (Senatsbeschluss vom 4. April 2012 - [X.] 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 22). Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 2013 - [X.] 252/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 5 und vom 23. Oktober 2013 - [X.] 429/13 - FamRZ 2014, 116 Rn. 19). Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt.

6

Hier hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zum Umfang und Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbaren Wissens an der Gesamtausbildung der Betreuerin getroffen. Die vorgenommene Schätzung im Rahmen der [X.] hat insoweit keine hinreichende Tatsachengrundlage. Ferner fehlt es an der Feststellung, ob bzw. inwieweit das angenommene für die Betreuung nutzbare Wissen über Grundwissen hinausgeht.

7

2. Die Entscheidung des [X.] ist daher aufzuheben. Da die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Die Sache ist zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 S. 2 FamFG).

8

Bei der erneuten Entscheidung wird das Beschwerdegericht nicht nur die [X.] 1987 und die Anhörung der Betreuerin zu würdigen, sondern - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht vorbringt - auch den Ausbildungsrahmenplan (Anlage 1 zu § 4 [X.] 1987), der die Ausbildungsinhalte und den Zeitpunkt, wann sie zu vermitteln sind, genauer beschreibt, zu berücksichtigen und sich mit den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hierzu auseinanderzusetzen haben.

Dose     

RiBGH Dr. Klinkhammer hat
Urlaub und ist deswegen an
einer Unterschrift gehindert

Günter

Dose

Botur     

     Guhling     

Meta

XII ZB 123/14

15.07.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Görlitz, 11. Februar 2014, Az: 4 T 89/13

§ 4 Abs 1 S 2 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2015, Az. XII ZB 123/14 (REWIS RS 2015, 8167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8167

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 158/20 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Berufsbetreuers: Erhöhung der Fallpauschale wegen einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann


XII ZB 123/14 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 530/19 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Berufsbetreuers: Erhöhte Vergütung bei Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement in einem Betreuungsbüro


XII ZB 118/20 (Bundesgerichtshof)

Berufsbetreuervergütung: Vermittlung besonderer, für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse durch ein abgeschlossenes Studium der Veterinärmedizin


XII ZB 43/16 (Bundesgerichtshof)

Betreuervergütung: Erhöhter Stundensatz wegen abgeschlossener Ausbildung der Betreuerin zur Krankengymnastin bzw. Physiotherapeutin


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.