Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2012, Az. V ZR 230/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2958

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
230/11
Verkündet am:

21. September 2012

Mayer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 862 Abs. 1
Überlässt der Halter sein Fahrzeug einer anderen Person zur Benutzung im Stra-ßenverkehr, ist er [X.], wenn es unberechtigt auf einem fremden [X.] abgestellt wird. Auch nach Beendigung der Störung kann er Schuldner eines Unterlassungsanspruchs sein.

[X.], Urteil vom 21. September 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

AG Kirchheim unter Teck

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2012 durch die Richter
Dr.
[X.] und
Dr.
[X.],
die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland
und [X.] Kazele

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 8. September 2011 wird [X.].
Auf die [X.] des [X.] wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 28. März 2011 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Beklagte ist Halter eines Sportwagens. In den Abendstunden des 20. August 2010 war das Fahrzeug für etwa zwei Stunden auf dem durch ein
privates [X.] gekennzeichneten, von dem Kläger gemieteten [X.] unbefugt abgestellt. Nach Ermittlung des Fahrzeughalters 1
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wandte sich der Kläger an einen Rechtsanwalt. Auf dessen Aufforderung gab der Beklagte, der vorträgt, er selbst habe den Sportwagen dort nicht geparkt, eine Unterlassungserklärung ab, ohne jedoch die geforderte Strafbewehrung zu akzeptieren. Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, unter [X.] eines Ordnungsgeldes es zu unterlassen, den Sportwagen selbst oder durch eine dritte Person auf seinem Geschäftsgrundstück abzustellen, sowie die Erstattung der Kosten der Halterermittlung und der vorgerichtlichen [X.]. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat den Beklagten zur Unterlassung sowie zur Erstattung der Kosten für die Halter-ermittlung verurteilt
und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision möchte der Beklagte eine Wiederher-stellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger verfolgt mit der [X.] den Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten weiter. Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des anderen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch des [X.] gemäß §
862 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Der Beklagte sei mittelbarer Handlungsstörer oder [X.], da er als Halter des Sportwagens durch dessen Weiter-gabe an einen Dritten eine adäquate Ursache dafür gesetzt habe, dass sein Fahrzeug unberechtigt abgestellt werden könne. Aufgrund des gesamten Ver-haltens des Beklagten liege eine Wiederholungsgefahr vor. Der Kläger könne gemäß §§ 670, 677, 683 [X.] auch Ersatz der Kosten der [X.] verlangen. Ein Aufwendungsersatzanspruch für die vorgerichtlichen [X.]
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kosten bestehe dagegen nicht, da die sofortige Einschaltung eines Rechtsan-walts in der konkreten Situation nicht erforderlich gewesen sei.

II.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen den
Beklagten ein Unterlassungsanspruch und ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halterermittlung zu.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsan-spruch des [X.] gemäß § 862 Abs. 1 Satz 2 [X.] bejaht.
a) Das unbefugte Abstellen des Fahrzeugs auf dem von dem Kläger ge-mieteten Grundstück stellt eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 [X.] dar (Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 -
V [X.], [X.]Z 181, 233 Rn.
13). Ob es sich hierbei um eine Besitzstörung oder um eine teilweise Be-sitzentziehung handelt, ist für die weitere rechtliche Beurteilung ohne Belang, da § 862 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf den Fall der Besitzentziehung entsprechende Anwendung findet ([X.]/Bund, [X.] [2008], § 861 Rn. 3; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 861 Rn. 17).
b) Der Beklagte war
gegenüber dem Kläger als [X.] verant-wortlich.
aa) [X.] ist derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zu-stand aber aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der [X.] die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat. Darüber hinaus muss ihm die Beeinträchtigung zure-3
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chenbar sein. Hierzu genügt es nicht, dass er Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen
des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, Urteil vom 1.
Dezember 2006 -
V [X.], [X.], 432; Urteil vom 30. Mai 2003 -
V [X.], [X.]Z 155, 99, 105; Urteil vom 11. Juni 1999 -
V [X.], [X.]Z 142, 66, 69 f., jeweils mwN).
bb) Danach war
der Beklagte hinsichtlich der durch das parkende Fahr-zeug hervorgerufenen Beeinträchtigung des Besitzes des [X.] Zustandsstö-rer. Er beherrschte
die Quelle der Störung, da er -
bei entsprechender Informa-tion durch den beeinträchtigten Besitzer -
als Halter des Fahrzeugs in der Lage war, das Fahrzeug wegzufahren. Ihm war
die Beeinträchtigung auch zuzurech-nen. Indem er sein Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen hat, hat er das Risiko übernommen, dass sich der Nutzer nicht an die allgemeinen Verhaltensregeln hält und das Fahrzeug unbe-rechtigt auf fremdem Privatgrund abstellt. Da das Falschparken auf einem [X.] kein außergewöhnliches Verhalten eines Verkehrsteilnehmers darstellt, mit dem der Halter nicht zu rechnen hat, ist es sachgerecht, ihm als Halter die Verantwortung aufzuerlegen, wenn sich die mit der freiwilligen Fahr-zeugüberlassung geschaffene Gefahr des unberechtigten Parkens tatsächlich realisiert (vgl. [X.], NJW 2009, 1025, 1026; Schwarz/[X.], NJW 1997, 2550, 2551; [X.], [X.], 1023, 1026).
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c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die für einen Unterlas-sungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr bejaht.
Die von dem [X.] abgegebene Unterlassungserklärung hat die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen.
aa) Die Revision meint, als [X.] könne der Beklagte zwar auf Beseitigung einer bestehenden Störung, nicht aber auf künftige Unterlassung in Anspruch genommen werden, da dem Fahrzeug selbst nicht ein für das [X.] des [X.] gefahrenträchtiger Zustand innewohne. Dem ist nicht zuzustimmen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei dem [X.] um eine dem Fahrzeug "innewohnende [X.]"
handelt (so aber LG München
I, [X.], 591 und [X.], NJW-RR 2003, 19, 20). Denn die Verantwortlichkeit des Beklagten als [X.] ergibt sich nicht allein aus dessen Stellung als Halter des Fahrzeugs. Die Zurechnung der durch das Falschparken hervorgerufenen Besitzbeeinträchtigung beruht vielmehr da-rauf, dass diese mittelbar auf seinen Willen zurückging, indem er das Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung überlassen hat. Hieran ist auch bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr anzuknüpfen.
bb) Die tatrichterliche Würdigung, ob Wiederholungsgefahr besteht, ist im
Revisionsverfahren
nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (Senat, Urteil vom 14. Oktober 1994 -
V
ZR 76/93, NJW
1995, 132, 134). Solche liegen nicht vor.
Schon das einmalige unbefugte Abstellen des Fahrzeugs auf dem Be-triebsgrundstück des [X.] durch den Beklagten begründet die tatsächliche Vermutung dafür, dass sich die Beeinträchtigung wiederholt (Senat, Urteil vom 17.
Dezember 2010 -
V [X.], ZUM
2011, 333, 336; Urteil
vom 12. Dezem-ber 2003 -
V [X.], NJW
2004, 1035, 1036).
Durch die Unterzeichnung [X.] Unterlassungserklärung hat der Beklagte die Wiederholungsgefahr nicht 9
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ausgeräumt. Dies kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geschehen
([X.], Urteil vom 25. Juli 2012 -
IV ZR 201/10, [X.], 1673, 1682;
Urteil vom
3. Dezember 2009 -
III ZR 73/09, [X.], 173).
Rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht auch in dem [X.], dass der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen eine Ermahnung "an alle möglichen Nutzer"
ausgesprochen hat, das Fahrzeug künftig nicht auf dem Geschäftsgrundstück des [X.] abzustellen, keinen Umstand, der es rechtfertigen würde, einen Wegfall der Wiederholungsgefahr anzunehmen.
2. Zu Recht hat das
Berufungsgericht einen Anspruch des [X.] auf

Diese Aufwen-dungen waren zur Vorbereitung der an den Beklagten gerichteten Unterlas-sungsaufforderung erforderlich und sind daher gemäß §§
683, 677, 670 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Mai 2012

[X.], [X.], 759) ersatzfähig.

III.
Die [X.] des [X.]
hat Erfolg. Die Begründung des [X.], mit der es einen Anspruch des [X.] gemäß §§ 683, 677, 670 [X.] auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die Aufforderung an den [X.] zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehnt, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nach §
670 [X.] sind ersatzfähig solche Aufwendungen, die der [X.] den Umständen nach für erforderlich halten darf. Entscheidend ist, was er nach sorgfältiger Prüfung der ihm bekannten Umstände vernünf-tigerweise aufzuwenden hatte ([X.], 205, 207; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 670 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 670 Rn. 5). Dies 13
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kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern bemisst sich nach den konkre-ten Umständen des Einzelfalles, deren Würdigung der tatrichterlichen Beurtei-lung obliegt.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es handle sich
um einen [X.] gelagerten Unterlassungsanspruch, für dessen Durchsetzung anwaltliche Hilfe nicht benötigt werde, steht im Widerspruch dazu, dass es zur Klärung der -
in der Rechtsprechung kontrovers erörterten -
Frage, ob gegenüber dem Fahrzeughalter ein Unterlassungsanspruch besteht, die Revision zugelassen hat.
Soweit das Berufungsgericht zusätzlich darauf abstellt, dass der Kläger aus vorangegangenen Verfahren genau gewusst habe, was zu tun sei, vermag dies die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs ebenfalls nicht zu tra-gen. Zwar ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes dann nicht erforderlich, wenn der von der Störung Betroffene anlässlich vorangegangener [X.] Dritter diese in der Vergangenheit anwaltlich zur Abgabe einer strafbewehr-ten Unterlassungserklärung aufgefordert hat und er daher über die [X.] bei der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs informiert ist. Zu Recht macht die [X.] mit der in der mündlichen Verhandlung er-hobenen Verfahrensrüge aber geltend, dass das Berufungsurteil keine
Feststel-lungen enthält, die die Schlussfolgerung zuließen, der Kläger habe seine Rech-te und die gebotene Vorgehensweise gekannt. Der bloße Hinweis auf nicht nä-her konkretisierte "vorangegangene Verfahren"
vermag die erforderlichen kon-kreten Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht zu ersetzen.
Inso-weit ist das Urteil daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und
die Sache an das

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Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die Berechtigung des Anspruchs erneut prüfen kann.

[X.]
[X.]
[X.]

Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Kirchheim unter Teck, Entscheidung vom 28.03.2011 -
1 [X.] 713/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 08.09.2011 -
4 [X.]/11 -

Meta

V ZR 230/11

21.09.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2012, Az. V ZR 230/11 (REWIS RS 2012, 2958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2958

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