Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.09.2014, Az. 20 W (pat) 27/14

20. Senat | REWIS RS 2014, 2997

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren und Vorrichtung zum sicheren Schalten eines Automatisierungsbussystems“ - Zurückverweisung an das DPMA aufgrund des Vorliegens eines schwerwiegenden Verfahrensverstoßes – Verletzung des rechtlichen Gehörs im Einspruchsverfahren


Tenor

In dem Einspruchsbeschwerdeverfahren

betreffend das Patent 10 2004 035 442           

…… 

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 15. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Phys. Dr. [X.], der Richterin [X.] und [X.] und [X.]. Univ. Dr. [X.] beschlossen:

Der Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. Januar 2014 wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung an das [X.] zurückverwiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.    

1

Gegen das Patent 10 2004 035 442 mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zum sicheren Schalten eines Automatisierungsbussystems“, dessen Erteilung am 1. Juni 2006 veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende und Beschwerdegegnerin mit Telefax vom 31. August 2006 schriftlich mit Begründung unter Hinweis auf die Druckschriften [X.] bis E4 Einspruch eingelegt. Die Patentinhaberin hat mit Eingabe vom 9. Juni 2007, eingegangen beim [X.] per Telefax am 25. Juni 2007 beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen und vorab gesondert über die Zulässigkeit des Einspruchs zu entscheiden. Sie hat die Auffassung vertreten, die Druckschrift [X.] sei nicht vorveröffentlicht. Hilfsweise hat sie beantragt, den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen. Wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit des Einspruchs würden es verfahrensökonomische Erwägungen nahelegen, jegliche materiellrechtliche Prüfung zu unterlassen. Für den Fall, dass eine vollständige Verwerfung oder Zurückweisung des Einspruchs fraglich sei, hat sich die Beschwerdeführerin weiteren Sachvortrag zur materiellrechtlichen Begründetheit vorbehalten.

2

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin hat mit [X.] vom 15. Oktober 2007, eingegangen beim [X.] am 16. Oktober 2007, die Zulässigkeit des Einspruchs für gegeben erachtet und zur Stützung ihres Vorbringens eine weitere Druckschrift [X.] übermittelt. In Folge hat die Beschwerdegegnerin mit Eingaben vom 11. Oktober 2011, 9. Mai 2012, 15. Mai 2013 und 9. Januar 2014 Anfragen an die zuständige [X.] gerichtet, wann mit der weiteren Bearbeitung des Verfahrens zu rechnen sei.

3

Mit Beschluss vom 22. Januar 2014 hat die [X.] des [X.] am Ende der Sitzung, an der die Verfahrensbeteiligten nicht teilgenommen haben, den Einspruch für zulässig erachtet und das Patent in vollem Umfang widerrufen. Gegen diesen Beschluss, der der Beschwerdeführerin am 27. Januar 2014 zugegangen ist, hat sie mit [X.] vom 24. Februar 2014, der per Telefax am 25. Februar 2014 beim [X.] eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Sie hat folgende Anträge gestellt:

4

1. Rückerstattung der Beschwerdegebühr2. Zurückverweisung dieser Sache an die erste Instanz3. den in dieser Sache ergangenen Beschluss zudem Aktenzeichen 10 2004 035 442.1 aufzuheben und das mit dem Einspruch angegriffene Patent in vollem, ursprünglich erteilten Umfang aufrecht zu [X.] hilfsweise zu 3. das mit dem Einspruch angegriffene Patent basierend auf den Ansprüchen des [X.] aufrecht zu [X.] hilfsweise zu 4. das mit dem Einspruch angegriffene Patent basierend auf den Ansprüchen des [X.] aufrecht zu [X.] Anberaumung mündlicher Verhandlung.

        

5

Mit weiterem [X.] vom 20. Juni 2014, bei Gericht eingegangen am 25. Juni 2014, hat die Beschwerdeführerin die Anträge zu 2., 3., 4. und 5. nur noch hilfsweise aufrecht erhalten, falls die Zulässigkeit des Einspruchs angenommen werden sollte und den Antrag zu 6. nur noch hilfsweise aufrecht erhalten, falls die Zulässigkeit des Einspruchs nach Aktenlage bereits aus dem schriftlichen Verfahren angenommen werden sollte.

6

Zur Begründung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, die Entscheidung der [X.] verstoße gegen die Grundsätze der Gewährung rechtlichen Gehörs, da sie u. a. aufgrund des Telefonats mit dem [X.] vom 22. Juli 2013 davon habe ausgehen können, eine weitere Mitteilung der [X.] zu erhalten, bevor eine Entscheidung getroffen würde und sie somit genügend Zeit gehabt hätte, einen [X.] einzureichen. Das Vorgehen des [X.] sei nicht mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes in Bezug auf behördliche Mitteilungen vereinbar. Darüber hinaus bekräftigt die Beschwerdeführerin ihre Auffassung, wonach der Einspruch der Beschwerdegegnerin unzulässig sei, denn sie habe im Rahmen ihrer Substantiierungspflicht sämtliche Nachweise, demnach auch die [X.], bereits vor Ablauf der Einspruchsfrist vorlegen müssen. Den umfänglichen Vortrag zur mangelnden Zulässigkeit hat die Beschwerdeführerin auch für die Begründung mangelnder Neuheit herangezogen. Da eine Veröffentlichung des Dokuments [X.] nicht ausreichend nachgewiesen worden sei, könne dies folglich den Widerruf des Streitpatents nicht in zulässiger Weise begründen. Zudem sei sowohl von der Neuheit der Ansprüche des ersten und des zweiten [X.] als auch von deren ausreichender Erfindungshöhe auszugehen.

7

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin hat sich bisher im Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

9

1. Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses der [X.] des [X.] vom 22. Januar 2014 und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] aufgrund des Vorliegen eines schwerwiegenden Verfahrensverstoßes.

Soweit im vorliegenden Verfahren die Amtsakte des [X.] ausschließlich in elektronischer Form vorliegt und im Zuge dessen der Beschluss der [X.] gewisse formelle Mängel aufweist, sieht der Senat von einer Zurückverweisung bereits in diesem Zusammenhang ab (vgl. hierzu ausführlich Beschl. des Senats vom 12.05.2014 – 20 W (pat) 28/12).

Nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] kann eine Zurückverweisung, die im Ermessen des Gerichts liegt, ausgesprochen werden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall, da die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs.1 GG verletzt ist.

Die [X.] hat in der Sitzung am 22. Januar 2014 auf den Einspruch der Beschwerdegegnerin das Patent in vollem Umfang widerrufen, obwohl sich die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin in ihrem [X.] vom 9. Juni 2007 für den Fall, dass die [X.] den Einspruch nicht durch Vorabentscheidung als unzulässig verwerfen würde, Sachvortrag zur materiellrechtlichen Begründetheit des Einspruchs ausdrücklich vorbehalten hat (vgl. dort [X.]). Die [X.] hat diesen Vorbehalt sogar in ihrem Beschluss vom 22. Januar 2014 ausdrücklich erwähnt (vgl. dort [X.] und [X.]). Hinzu kommt, dass die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin mehrmalige Sachstandsanfragen an das [X.] gerichtet hat. Ob die [X.] den Erlass einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs in zutreffender Weise abgelehnt hat, kann dabei dahinstehen. Es kommt entscheidend darauf an, dass der Einspruch für zulässig und begründet erachtet wurde ohne der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin – entgegen ihrer ausdrücklichen Bitte - Gelegenheit zur Stellungnahme die Begründetheit des Einspruchs betreffend zu gewähren. Dies rechtfertigt bereits die Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] (vgl. hierzu B[X.]E 47, 21, 22 – Reversible Krawattenbefestigung; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 79 Rn. 24 m. w. N.) ohne dass es noch darauf ankommt, ob sich das [X.] in dem Telefonat vom 23. Juli 2013 nochmals ausdrücklich dahingehend geäußert hat, dass vor einer Entscheidung eine weitere Mitteilung an die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin erfolgen werde. Ein solcher Hinweis der [X.] an die Verfahrensbeteiligten, dass zu einem bestimmten Termin auch in der Sache selbst entschieden werde, wäre in jedem Fall angezeigt gewesen. Dass die Beschwerdeführerin von einem Antrag auf mündliche Verhandlung abgesehen hat, vermag angesichts ihrer ausdrücklich vorbehaltenen Stellungnahme zur Begründetheit den Vorwurf des mangelnden rechtlichen Gehörs ebenfalls nicht auszuräumen.

2. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf [X.] (§ 80 Abs. 3 [X.]), da – wie vorstehend ausgeführt - die Versagung des rechtlichen Gehörs vor Beschlussfassung durch die [X.] einen schwerwiegenden Verfahrensfehler darstellt.

Meta

20 W (pat) 27/14

15.09.2014

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.09.2014, Az. 20 W (pat) 27/14 (REWIS RS 2014, 2997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2997

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