Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.04.2021, Az. B 12 KR 56/20 B

12. Senat | REWIS RS 2021, 6457

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - unstatthafte Berufung - Verwerfung durch Beschluss nach einem Gerichtsbescheid - keine Beantragung der mündlichen Verhandlung - zutreffende Rechtsmittelbelehrung - keine ermessensfehlerhafte Entscheidung des Gerichts


Leitsatz

Macht ein Beteiligter von der Möglichkeit, nach einem Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht zu beantragen, keinen Gebrauch, obwohl er darüber durch eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung in Kenntnis gesetzt worden ist, ist die Verwerfung der unstatthaften Berufung durch Beschluss nicht ermessensfehlerhaft.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 26. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Festsetzung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen im Zusammenhang mit offenen Beitragsrückständen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum [X.] freiwillig versichert. Mit Bescheid vom 17.5.2018 forderte die Beklagte Mahngebühren (5 Euro), eine Rücklastschriftgebühr (3 Euro) und einen Säumniszuschlag (1,50 Euro) iHv insgesamt 9,50 Euro, weil der Mitgliedsbeitrag des [X.] für April 2018 auf die eingereichte Lastschrift nicht gutgeschrieben worden war. Mit Zahlungserinnerungen vom 19.6. und [X.] teilte die Beklagte den jeweiligen [X.] für April bis Juni 2018 mit und setzte weitere Mahngebühren und Säumniszuschläge fest. Der Kläger wies auf die Einzugsermächtigung der Beklagten hin. Mit [X.] vom 11.9.2018 erließ die Beklagte die Säumniszuschläge und Mahngebühren für die [X.] bis 14.10.2018 wieder, weil sie dem Wunsch des [X.], die Beiträge abzubuchen, nicht nachgekommen sei. Zugleich forderte sie den Kläger - erfolglos - auf, die offenen Beitragsforderungen für April bis Juli 2018 zuzüglich der Rücklastschriftgebühr bis spätestens 15.10.2018 zu überweisen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5.11.2018 wies sie die Widersprüche gegen die Bescheide vom 17.5., 19.6. und [X.] zurück. Ein [X.] habe zu keiner [X.] bestanden. Mit der Zahlungserinnerung vom 17.10.2018 setzte sie erneut Säumniszuschläge iHv 6 Euro für die noch offenen Beiträge von April bis Juli 2018 (iHv 710,52 Euro) sowie eine Mahngebühr iHv 5 Euro fest; den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2018 zurück. An der mit Bescheid vom 27.12.2017 festgesetzten Höhe der Beitragsforderungen hätten sich keine Änderungen ergeben.

3

Das [X.] hat die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 5.11.2018 abgewiesen. Die Klage sei teilweise unzulässig und teilweise unbegründet. Im [X.] seien die zunächst erhobenen Säumniszuschläge und Mahngebühren erlassen worden, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die Bescheide vom 17.5., 19.6. und [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2018 fehle. Hinsichtlich der Rücklastschriftgebühr habe der Kläger keinen Widerspruch eingelegt. Über die Mitgliedsbeiträge habe die Beklagte in den streitigen Bescheiden keine Regelung getroffen; insoweit handele es sich lediglich um Zahlungserinnerungen. Die im Bescheid vom 17.10.2018 festgesetzten Säumniszuschläge und Mahngebühren seien rechtmäßig. Die Berufung werde nicht zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde der Kläger auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde sowie den Antrag auf mündliche Verhandlung hingewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.1.2020). Dagegen hat der Kläger Berufung, hilfsweise Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung (L 11 KR 861/20 [X.]) eingelegt. Das [X.] hat die Berufung nach § 158 Satz 1 und 2 [X.]G durch Beschluss als unzulässig verworfen. Auch wenn keine mündliche Verhandlung vor dem [X.] stattgefunden habe, dürfe durch Beschluss entschieden werden, weil der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Die Berufung sei ohne Zulassung unstatthaft, weil der Wert des [X.] 750 Euro nicht übersteige. Die angefochtenen Bescheide enthielten bezüglich der Beitragsrückstände keine Regelung; die Festsetzung weiterer Mahngebühren und Säumniszuschläge für spätere [X.]räume sei nicht von § 96 [X.]G umfasst (Beschluss vom 26.6.2020).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

5

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des [X.] ist unbegründet, soweit der Kläger wegen der Verwerfung der Berufung als unzulässig durch Beschluss Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung geltend macht (dazu 1.). Im Übrigen ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G), weil der Kläger die weiteren behaupteten Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G nicht hinreichend bezeichnet hat (dazu 2.).

6

1a) Der Kläger rügt zwar formgerecht (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G), das [X.] habe gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 und Art 103 Abs 1 GG verstoßen, weil es trotz erstinstanzlichem Gerichtsbescheid durch Beschluss nach § 158 Satz 2 [X.]G und damit ohne ehrenamtliche [X.] (§ 12 Abs 1 Satz 2 [X.]G) entschieden habe. Die Verletzung dieser Vorschriften führe zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 547 [X.] 1 ZPO (vgl B[X.] Beschluss vom 8.11.2005 - [X.] KR 76/05 B - [X.] 4-1500 § 158 [X.] 2 Rd[X.] 10). Indes liegt ein Ermessensfehlgebrauch des [X.] nicht vor.

7

Das in § 158 Satz 2 [X.]G dem Berufungsgericht eingeräumte Ermessen, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, kann von der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob das [X.] von dem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, dh sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde gelegt hat (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 30.10.2019 - [X.] [X.]/19 B - juris Rd[X.] 2; B[X.] Beschluss vom 8.11.2005 - [X.] KR 76/05 B - [X.] 4-1500 § 158 [X.] 2 Rd[X.] 7). Dabei ist die Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, grundsätzlich eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden. Das Gebot des fairen und effektiven Rechtsschutzes sowie das Recht auf eine mündliche Verhandlung gebieten es im Grundsatz, von einer Entscheidung durch Beschluss nach § 158 Satz 2 [X.]G abzusehen, wenn sich die Berufung gegen einen Gerichtsbescheid richtet. Bei der Auslegung ist Art 6 Abs 1 der [X.] ([X.]) zu berücksichtigen, wonach der Anspruch auf mindestens eine mündliche Verhandlung im Instanzenzug grundsätzlich sichergestellt sein muss. Die Verwerfung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid als unzulässig darf daher nicht ohne mündliche Verhandlung erfolgen, wenn etwa eine Auslegung der Prozesserklärung erforderlich ist; dies gebietet auch die Hinweispflicht (vgl B[X.] Beschluss vom 25.3.2021 - [X.] KR 51/20 B - juris Rd[X.] 11; B[X.] Beschluss vom 8.11.2005 - [X.] KR 76/05 B - [X.] 4-1500 § 158 [X.] 2 Rd[X.] 6 f, wonach infolge der ohne mündliche Verhandlung vorgenommenen Auslegung des [X.] sowohl die Berufung als auch der Antrag auf mündliche Verhandlung unzulässig waren). Steht aber mit der Anbringung des Antrags auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs 2 Satz 2 [X.]G durch den anderen Beteiligten fest, dass in der Sache noch eine mündliche Verhandlung vor dem [X.] stattfinden wird, sind die Rechte aus Art 6 Abs 1 [X.] vorrangig gewahrt und darf die Berufung ausnahmsweise durch Beschluss verworfen werden (vgl B[X.] Beschluss vom 12.7.2012 - [X.] [X.]/12 B - [X.] 4-1500 § 105 [X.] Rd[X.] 13). Gleiches gilt, wenn erstinstanzlich ein Gerichtsbescheid ergangen ist, der nur wegen der Kostenentscheidung angegriffen wird (B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 22/14 B - [X.] 4-1500 § 158 [X.] 7 Rd[X.] 6). Ob auch durch Beschluss entschieden werden kann, wenn ein Beteiligter von der ihm eingeräumten Möglichkeit, mündliche Verhandlung nach § 105 Abs 2 Satz 2 [X.]G zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat, ist - jedenfalls für den Fall einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung durch das [X.] - bislang offengelassen worden (B[X.] Beschluss vom 25.3.2021 - [X.] KR 51/20 B - juris Rd[X.] 10; B[X.] Beschluss vom 12.7.2012 - [X.] [X.]/12 B - [X.] 4-1500 § 105 [X.] Rd[X.] 13; B[X.] Beschluss vom 30.10.2019 - [X.] [X.]/19 B - juris Rd[X.]).

8

Das [X.] hat über diese Frage im vorliegenden Fall nicht ermessensfehlerhaft entschieden. Es durfte berücksichtigen, dass der Kläger die Gelegenheit zu einer mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hatte (so grundsätzlich auch BVerwG Beschluss vom [X.] - 9 B 303/95 - juris Rd[X.]; [X.] Berlin-Brandenburg Beschluss vom [X.] [X.]79/10 - juris Rd[X.] 14; [X.] Sachsen-Anhalt Beschluss vom 16.11.2010 - L 3 R 362/09 - juris Rd[X.] 20; [X.] Niedersachsen-Bremen Beschluss vom [X.] - L 11 AS 13/19 - juris Rd[X.] 15; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 158 Rd[X.] 6 f; [X.] in [X.], [X.]G, 6. Aufl 2021, § 158 Rd[X.] 8; Jungeblut in [X.], [X.]G, § 158 Rd[X.] 6, Stand 1.3.2021; [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 2012, § 158 Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.], Rd[X.] 77; [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 3. Aufl 2020, § 158 Rd[X.] 6; [X.] [X.]/[X.], [X.]G, § 158 Rd[X.] 20 [X.], Stand 1.10.2017; [X.] in [X.], [X.]G, § 158 Rd[X.] 10, Stand 1.1.2021). Nach § 105 Abs 2 Satz 2 [X.]G kann für den Fall, dass die Berufung - hier mangels erforderlicher Zulassung nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]G - nicht gegeben ist, mündliche Verhandlung beantragt werden. Der Kläger ist durch die zutreffende Rechtsmittelbelehrung des [X.] über diese Möglichkeit in Kenntnis gesetzt worden. Die darauf basierende Auslegung des [X.] steht nicht in Widerspruch zu Art 6 Abs 1 [X.], wonach ein Recht auf eine öffentliche Verhandlung zu gewähren ist. Denn dieser Anspruch wird hier durch § 105 Abs 2 Satz 2 [X.]G und eine entsprechende Belehrung sichergestellt.

9

Mit der Ausgestaltung der Rechtsbehelfe gegen einen Gerichtsbescheid nach § 84 Abs 2 VwGO bzw § 105 Abs 2 [X.]G sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Beteiligten Anspruch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in mindestens einer Instanz haben (vgl Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 27.4.1990, BT-Drucks 11/7030 [X.]; Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines [X.] und anderer Gesetze vom 6.3.1996, BT-Drucks 13/3993 [X.]; Begründung des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 27.9.1991, BT-Drucks 12/1217 [X.]). Die Gewährleistung dieses Anspruchs setzt nicht dessen Wahrnehmung voraus. Auch bei einem Verzicht auf mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 [X.]G oder bei der freiwilligen Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung kann über die Berufung durch Beschluss (nach § 153 Abs 4 [X.]G) entschieden werden, ohne dass es zu einem Konflikt mit der Gewährung fairen und effektiven Rechtsschutzes oder Art 6 Abs 1 [X.] kommt (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]3 R 233/18 B - juris Rd[X.] 11; B[X.] Beschluss vom 14.10.2005 - [X.]1a [X.] 45/05 B - juris Rd[X.] 7; jeweils zu § 153 Abs 4 [X.]G; BVerwG Beschluss vom 6.11.1987 - 9 [X.]/87 - juris Rd[X.]; BVerwG Urteil vom 22.1.1998 - 2 C 4/97 - juris Rd[X.] 14). Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall, in dem sich der Kläger wegen der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung nicht auf fehlende Rechtskenntnis berufen kann (zu diesem wesentlichen Aspekt [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, § 158 Rd[X.] 10). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Recht auf mündliche Verhandlung dem Beschleunigungsgebot untergeordnet werden darf (dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, § 158 Rd[X.] 10); vielmehr kann der Zweck der mündlichen Verhandlung bei fehlender Statthaftigkeit der Berufung nach § 144 Abs 1 [X.]G durch eine mündliche Verhandlung vor dem [X.] für den Kläger nicht mehr oder nur eingeschränkt erreicht werden. Denn dort wird der Berufungskläger im Fall der Unzulässigkeit der Berufung mit seinem Vorbringen zur Sache nicht mehr gehört (so zutreffend [X.] in [X.], [X.]G, 6. Aufl 2021, § 158 Rd[X.] 8). Einen Anspruch auf rechtliches Gehör in der Sache selbst, ob also der geltend gemachte Anspruch gegeben und damit die Berufung begründet ist, gewährt Art 103 Abs 1 GG nur dann, wenn die Berufung zulässig ist.

Ob eine Verletzung von Art 6 Abs 1 [X.] vorliegt, beurteilt auch der [X.] im Hinblick auf die Besonderheiten des Verfahrens. Er sieht es als notwendig an, das gesamte innerstaatliche Verfahren, wie es in der innerstaatlichen Rechtsordnung geregelt ist, und die Rolle des Berufungsgerichts in seiner Gesamtheit zu betrachten (vgl [X.] Urteil vom 29.10.1991 - 22/1990/213/275 - NJW 1992, 1813; vgl auch B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 22/14 B - [X.] 4-1500 § 158 [X.] 7 Rd[X.] 7; BVerwG Beschluss vom [X.] - 9 B 303/95 - juris Rd[X.]). Daher darf von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, soweit das [X.] - wie hier - nur über die prozessuale Rechtsfrage der Statthaftigkeit der Berufung nach § 144 Abs 1 [X.]G zu entscheiden hatte. Dies gilt jedenfalls für den - im Wege einer weiteren Verfahrensrüge grundsätzlich überprüfbaren - Fall, dass das [X.] zutreffend ein Prozessurteil getroffen hat (dazu im Folgenden unter b).

b) Wird ein Prozessurteil statt eines notwendigen [X.] erlassen, liegt ein Verfahrensmangel vor (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 24.2.2011 - [X.] [X.]/10 B - juris Rd[X.] 5 mwN). Dieser Fall ist nach den Feststellungen des [X.] aber nicht gegeben. Welche Auffassung die Beklagte in der [X.] hierzu vertreten hat, ist unerheblich.

Das [X.] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Berufung ohne Zulassung nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]G nicht statthaft war, weil der Wert des [X.] 750 Euro nicht überstieg. Dabei hat es zutreffend darauf abgestellt, dass die mit "Zahlungserinnerung" überschriebenen streitgegenständlichen Bescheide den [X.] bezüglich offener Beitragsforderungen nur mitteilen. Sie enthalten keine eigene (erneute) Festsetzung der bereits fälligen Beiträge, sondern nur die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren. Die Mitteilung über den Rückstand hat wie die Zahlungsaufforderung keinen selbstständig anfechtbaren Regelungscharakter im Sinne eines Beitragsbescheids (vgl B[X.] Beschluss vom 5.8.1997 - 11 [X.]/97 - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 264/98 B - juris Rd[X.] 7: unselbstständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung). Mit dem Hinweis auf die Folgen eines Zahlungsverzugs war auch keine Regelung zum [X.] verbunden.

Zutreffend hat das [X.] auch die Anwendbarkeit des § 96 [X.]G für die Festsetzung weiterer Mahngebühren und Säumniszuschläge für spätere [X.]räume verneint; die Erhebung von Säumniszuschlägen setzt ein erneutes Unterlassen der fälligen Beitragszahlung und eine erneute Entscheidung der Beklagten voraus. Eine Abänderung oder ein Ersetzen für frühere [X.]räume ist damit nicht verbunden. Es handelt sich auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen (vgl B[X.] Beschluss vom 28.1.1999 - [X.]2 KR 51/98 B - [X.] 3-1500 § 144 [X.] 16 = juris Rd[X.] 7). Im Übrigen würde auch zusammen mit den weiteren monatlichen Festsetzungen der Beklagten iHv jeweils 11 Euro der [X.] von 750 Euro nicht überschritten.

c) Soweit der Kläger zugleich als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) geltend macht,

        

"ob eine Berufung auch dann gem. § 158 S. 2 [X.]G durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen werden darf, wenn der Berufungskläger von der für ihn bestehenden Möglichkeit, mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat"

bedarf es hierzu im Hinblick auf die obigen Ausführungen (vgl 1a und b) keiner weiteren Klärung mehr. Maßgeblicher [X.]punkt für die Beurteilung der Klärungsbedürftigkeit einer als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfrage ist der [X.]punkt der Entscheidung des [X.] (vgl B[X.] Beschluss vom 16.5.2007 - [X.]1b [X.]/06 B - juris Rd[X.] 7 mwN).

2. Im Übrigen sind die Verfahrensmängel nicht entsprechend den [X.] bezeichnet worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten [X.] begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann. Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] Teilsatz 2 [X.]G) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 [X.]G nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] Teilsatz 3 [X.]G).

Das Vorbringen des [X.] wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

a) Er rügt, dass das [X.] sein Ablehnungsgesuch vom [X.] gegen die Mitglieder des 11. Senats des [X.] mit Beschluss vom [X.] im vereinfachten [X.] in nicht vorschriftsmäßiger Besetzung selbst als unzulässig verworfen habe. Er habe seine Ablehnung damit begründet, dass in der Eingangsverfügung ein Hinweis enthalten gewesen sei, wonach die bedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde prozessual unzulässig sein dürfte. Dieser Hinweis widerspreche der Rechtsprechung des [X.], wonach im Wege der Auslegung zu ermitteln sei, ob das Rechtsmittel unbedingt gestellt worden sei. Dieser Vortrag sei im Beschluss vom [X.] als völlig ungeeignet für die [X.]ablehnung behandelt worden, ohne dass auf sein Ablehnungsvorbringen eingegangen worden sei. Seine im Laufe des Berufungsverfahrens wiederholten Ablehnungsgesuche hätten sich im Wesentlichen darauf bezogen, dass die [X.] des 11. Senats des [X.] keine Beurteilung ihres eigenen Verhaltens für erforderlich hielten, obwohl er die Missachtung der Rechtsprechung des [X.] beanstandet habe.

Damit hat der Kläger keinen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG dargelegt.

Ein Verfahrensmangel scheidet noch nicht allein deshalb aus, weil sich der Kläger nicht allein auf den angefochtenen, sondern auch auf einen vorangegangen Beschluss vom [X.] bezieht. Der Beurteilung des B[X.] gemäß § 557 Abs 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 [X.]G unterliegen zwar keine unanfechtbaren Entscheidungen, die einem Endurteil vorausgegangen sind, wozu grundsätzlich auch Entscheidungen der Vorinstanz gehören, die ein Ablehnungsgesuch unter fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen haben (vgl §§ 60, 177 [X.]G; B[X.] Beschluss vom 2.11.2007 - [X.] KR 72/07 B - [X.] 4-1100 Art 101 [X.] Rd[X.] 5 mwN). Das Revisionsgericht ist aber ausnahmsweise wegen eines fortwirkenden Verstoßes gegen das Gebot des gesetzlichen [X.]s iS von Art 101 Abs 1 Satz 2 GG an die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen, die einem Endurteil des [X.] vorausgegangen sind, nicht gebunden, wenn die Zurückweisung des [X.] auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht oder die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl [X.] Beschluss vom 10.7.1990 - 1 BvR 984/87 und 1 BvR 985/87 - [X.]E 82, 286, 299; [X.] Beschluss vom 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rd[X.] 26).

Über einen Ablehnungsantrag ist grundsätzlich ohne die abgelehnten [X.] durch die nach der Geschäftsordnung berufenen Vertreter zu entscheiden. Art 101 Abs 1 Satz 2 GG lässt aber in dem Fall eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten [X.] ausnahmsweise eine Selbstentscheidung des abgelehnten [X.]s über das Gesuch zu (stRspr; vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 68/09 B - juris Rd[X.] 7, 10; vgl auch [X.] Beschluss vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - juris Rd[X.] 20 ff mwN). Eine solche Selbstentscheidung gerät mit der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten [X.]s voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (vgl [X.] Beschluss vom [X.] und 2 [X.] - [X.]K 5, 269, 281 f = juris Rd[X.] 54). In diesem Sinne unzulässig bzw rechtsmissbräuchlich sind etwa die pauschale Ablehnung des ganzen Spruchkörpers und die Ablehnung als taktisches Mittel zur Durchsetzung verfahrensfremder Zwecke (vgl [X.] Beschluss vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - juris Rd[X.] 19; B[X.] Beschluss vom 19.1.2010 - [X.]1 [X.] 13/09 C - [X.] 4-1500 § 60 [X.] 7 Rd[X.] 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 60 Rd[X.] 10b, 10c). Das [X.] dient nicht dazu, die Beteiligten gegen unrichtige - materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche - Rechtsauffassungen zu schützen; insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - juris Rd[X.] 5). Durch das Institut der [X.]ablehnung soll ausschließlich eine unparteiische Rechtspflege gesichert, nicht aber die Möglichkeit der Überprüfung einzelner Verfahrensfehler eröffnet werden (vgl B[X.] Beschluss vom 7.12.2017 - B 5 R 208/17 B - juris Rd[X.] 13; [X.] Beschluss vom [X.] - juris Rd[X.] 9; jeweils mwN). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn Gründe dargetan wären, die dafür sprächen, dass die behauptete Fehlerhaftigkeit gerade auf einer unsachlichen Einstellung der [X.] oder auf Willkür beruhen würde (vgl [X.] Beschluss vom [X.] und 2 [X.] - juris Rd[X.] 63; B[X.] Beschluss vom 19.1.2010 - [X.]1 [X.] 13/09 C - [X.] 4-1500 § 60 [X.] 7 Rd[X.] 13).

Mit dem klägerischen Vortrag in der Beschwerdebegründung, dass er alle [X.] des Senats wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Richtigkeit des verfahrensrechtlichen Hinweises in der Eingangsverfügung abgelehnt habe, sind danach von vorneherein keine geeigneten Umstände dargelegt, die ein Ablehnungsgesuch begründen können und damit eine Entscheidung durch die abgelehnten [X.] verbieten. Wenn in dem vom Kläger zitierten Beschluss vom [X.] auf den Gegenstand des Verfahrens nicht eingegangen worden ist, so spricht dies gerade nicht für eine Verkennung des Art 101 Abs 1 GG. Mit dem Vortrag, dass das [X.] später selbst auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung Bezug genommen haben soll, legt er erst recht keinen Anhaltspunkt dar, der Misstrauen gegen die Unparteilichkeit begründen könnte. Ist über ein Ablehnungsgesuch bereits unanfechtbar entschieden, so kann auch eine Wiederholung des Ablehnungsgrunds als rechtsmissbräuchlich angesehen werden (vgl [X.] Beschluss vom 17.3.2008 - II ZR 313/06 - juris). Der Kläger sieht die [X.]ablehnung offenbar als Mittel an, sich gegen die Rechtsauffassung der [X.] zu wehren. Gründe für eine unsachliche Einstellung der [X.] oder Willkür sind damit nicht dargetan.

b) Der Kläger rügt außerdem die Verletzung seiner Rechte aus Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G und aus Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG bzw Art 6 [X.], weil das [X.] seinen Antrag auf Fristverlängerung um zunächst drei Monate abgelehnt habe. Er hätte sich aufgrund der Anhörungsmitteilung des [X.] vom 28.5.2020 zu der Verfahrensweise, nach § 158 Satz 2 [X.]G ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen, in die für ihn schwierige Materie der Verfahrensvorschriften des [X.]G einarbeiten müssen. Dies sei ihm aufgrund der Verordnungen des [X.] zur Eindämmung von Übertragungen des Corona-Virus erschwert worden. Die [X.] [X.] sei seit dem 14.3.2020 für den Publikumsverkehr gesperrt gewesen. Zwischenzeitliche Lockerungen hätten nur Inhaber mit Bibliotheksausweis betroffen; über einen solchen habe er nicht verfügt. Er habe daher nicht die Möglichkeit gehabt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Außerdem sei sein Antrag vom 24.6.2020 auf "vollständige Einsicht in alle Akten" nach § 120 [X.]G als unzulässig abgelehnt worden, weil er angeblich der Verschleppung des Verfahrens gedient hätte.

Damit legt der Kläger schon nicht hinreichend dar, weshalb es ihm innerhalb der [X.] bis zum [X.] unzumutbar gewesen sein soll, einen Bibliotheksausweis zu beschaffen oder anderweitig Rechtsrat bei einem Rechtskundigen einzuholen. Darüber hinaus zeigt er nicht auf, welche entscheidungserheblichen Äußerungen ihm deshalb oder wegen der mangelnden Akteneinsicht abgeschnitten worden sein sollen. Soweit er auf seinen Vortrag zu § 158 Satz 2 [X.]G in der Beschwerdebegründung abzielen sollte, wäre dieser jedenfalls im Ergebnis nicht entscheidungserheblich gewesen (vgl oben 1a) und b).

Diese Voraussetzungen für die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs lassen sich auch nicht dadurch umgehen, dass der Kläger zugleich als Frage von grundsätzlicher Bedeutung geltend macht, "ob in Krisensituationen, wie aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie, [X.] bei ihrer Entscheidung über einen Fristverlängerungsantrag (§ 65 [X.]G) bzw. bei ihrer Interessenabwägung, ob ein erheblicher Grund für die beantragte Verlängerung einer Frist vorliegt, den Verfahrensbeteiligten gegenüber, die sich in Rechtsstreitigkeiten nicht anwaltlich vertreten lassen, zu einer gesteigerten Rücksichtnahme im Sinne eines fairen Verfahrens verpflichtet sind". Auch insoweit fehlt es jedenfalls an der Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 12 KR 56/20 B

27.04.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Karlsruhe, 8. Januar 2020, Az: S 3 KR 48/19

§ 158 S 1 SGG, § 158 S 2 SGG, § 12 Abs 1 S 2 SGG, § 105 Abs 2 S 2 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, § 84 Abs 2 VwGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 S 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.04.2021, Az. B 12 KR 56/20 B (REWIS RS 2021, 6457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6457

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1 BvR 2853/11

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