Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.03.2015, Az. VIII ZR 38/14

8. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13465

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Gegenstand

Rücktritt vom Neuwagenkaufvertrag: Käuferpflicht zur Herausgabe einer Kaskoentschädigung nach Brandzerstörung des Fahrzeugs


Leitsatz

Der Käufer eines Fahrzeugs, welches er kaskoversichert hat, ist nach Untergang der Sache zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB nur insoweit verpflichtet, als er etwas erlangt hat, was er herausgeben könnte. Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den Verkäufer nicht der Fall.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 17. Dezember 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 17. April 2013 hinsichtlich des Zug-um-Zug-Vorbehalts zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 17. April 2013 dahin abgeändert, dass der Zug-um-Zug-Vorbehalt entfällt.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits fallen 9/10 der [X.] und 1/10 dem Kläger zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen in Anspruch.

2

Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 11. September 2009 übergeben. In der Folgezeit versuchte die Beklagte mehrfach, verschiedene Mängel des Fahrzeugs zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen [X.] erklärte der Kläger mit Schreiben vom 22. August 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. August 2011 unter anderem auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - insgesamt einen Betrag von 43.727,50 € - Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.

3

Am 29. August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor beim Kläger befand, weitgehend aus. Der Kläger trat am 6. März 2013 sämtliche Ansprüche aus einem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen [X.] an die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abtretungserklärung an. Der Versicherer erklärte jedoch mit Schreiben vom 10. April 2013 unter Verweis auf einen - in den dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung enthaltenen - Genehmigungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.

4

Das [X.] hat der unter anderem auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gerichteten Klage teilweise in Höhe von 38.217,21 € stattgegeben, allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der näher bezeichneten Ansprüche des [X.] gegenüber seinem Versicherer. Die Berufung des [X.], mit der er im Wesentlichen eine vorbehaltlose Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises erstrebt hat, ist ohne Erfolg geblieben.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger nur noch die Aufhebung des Zug-um-Zug-Vorbehalts.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg.

I.

7

Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung von 38.217,21 € Zug um Zug gegen Abtretung der Versicherungsansprüche gegen den Kaskoversicherer zu.

9

Er sei wegen erheblicher Sachmängel, die von der [X.]eklagten nicht beseitigt worden seien, berechtigt gewesen, von dem Kaufvertrag zurückzutreten. Der Rücktritt sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Rückgabe des Pkw durch den Fahrzeugbrand nicht beziehungsweise nur in verschlechtertem Zustand möglich sei. Nachdem die [X.]eklagte nach erklärtem Rücktritt zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw aufgefordert worden sei, habe sie sich in Annahmeverzug befunden. Der Kläger habe damit bezüglich des Untergangs lediglich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wofür hier nichts vorgetragen oder ersichtlich sei.

Er habe jedoch das für die untergegangene Sache erlangte Surrogat, hier die Versicherungsleistung, an die [X.]eklagte abzutreten. Daher stehe der [X.]eklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu, und sei eine Verurteilung lediglich Zug um Zug gegen Abtretung entsprechender Ansprüche möglich. Zwar habe der Kläger bereits die Abtretung erklärt. Wie sich jedoch aus dem Schreiben des Kaskoversicherers ergebe, sei nach den Allgemeinen [X.]edingungen zur Kraftfahrtversicherung eine Abtretung des Anspruchs auf Entschädigung vor der endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Versicherer nicht möglich. Insoweit könne die Leistung bis zur Abtretung der entsprechenden Ansprüche an den Kläger verweigert werden.

Die bereits erklärte Abtretung sei nichtig. Der Umstand, dass der Versicherer sich formularmäßig einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt ausbedungen habe, sei nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoße eine solche Vereinbarung nicht gegen § 307 [X.]. Dementsprechend habe der Kläger das einredeweise auf §§ 285, 326 Abs. 3 [X.] gestützte Verlangen nicht erfüllt, weshalb gegen die Zug-um-Zug-Verurteilung nichts zu erinnern sei.

Der Anwendungsbereich des § 285 [X.] sei hier eröffnet. Dass noch keine Regulierung erfolgt sei, spiele keine Rolle. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger infolge der Leistungsstörung ein Surrogat - den Anspruch gegen seinen Kaskoversicherer - erlangt habe. [X.] sei, dass die [X.]eklagte nach der fristgebundenen Rücktrittserklärung des [X.] bereits in Annahmeverzug gelangt sei, als das Fahrzeug zerstört worden sei. Die beim gesetzlichen Rücktrittsrecht geltende Gefahrtragungsregelung des § 346 Satz 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] ändere nämlich nichts an der Verpflichtung des [X.], die ihm verbleibende [X.]ereicherung - mithin den Ersatzanspruch gegen seinen Kaskoversicherer - herausgeben zu müssen (vgl. § 346 Abs. 3 Satz 2 [X.]). Die [X.]eklagte befinde sich mit der Annahme des [X.] - der Versicherungsleistung - nicht in Annahmeverzug, da eine wirksame Abtretung bisher nicht erfolgt sei.

II.

Diese [X.]eurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Das [X.]erufungsgericht hat verkannt, dass der [X.]eklagten - jedenfalls derzeit - kein Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des [X.] gegen seine Kaskoversicherung zusteht und deshalb die Verurteilung der [X.]eklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises nicht durch einen entsprechenden Zug-um-Zug-Vorbehalt einzuschränken ist.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das [X.]erufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Kläger ursprünglich gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, § 346 Abs. 1 [X.] zur Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verpflichtet war und diese Verpflichtung durch den Untergang des Fahrzeugs entfallen ist. Einen Anspruch auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 [X.] wegen des Untergangs des Fahrzeugs hat die [X.]eklagte, wie die Revisionserwiderung selbst einräumt, in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. Einen Verfahrensfehler des [X.]erufungsgerichts zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.

Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 [X.], der eine Rechtsfolgenverweisung auf das in §§ 812 ff. [X.] geregelte [X.]ereicherungsrecht enthält (Senatsurteil vom 28. November 2007 - [X.], [X.], 290 Rn.16 mwN), hat der [X.], der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 [X.] keinen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 [X.] zu leisten hat, eine verbleibende [X.]ereicherung herauszugeben. Es kann dahinstehen, ob - was das [X.]erufungsgericht nicht geprüft hat - überhaupt ein Wertersatzanspruch entfallen ist. Denn jedenfalls fehlt es an einer herausgabefähigen [X.]ereicherung.

a) Das [X.]erufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der Versicherung des untergegangenen Gegenstandes nicht erst die ausgezahlte Versicherungsleistung auszukehren, sondern grundsätzlich bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung an den Gläubiger abzutreten ist (§ 398 [X.]).

Die Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung hat der Kläger jedoch bereits erklärt. Anders als das [X.]erufungsgericht meint, rechtfertigt der Umstand, dass nach den Versicherungsbedingungen eine Abtretung von der - hier ausdrücklich verweigerten - Genehmigung der Versicherung abhängt, aber nicht die Annahme, dass der [X.]eklagten gegenwärtig ein Anspruch auf nochmalige - wirksame - Abtretung dieser Ansprüche zustünde.

b) Denn das [X.]erufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger derzeit nichts erlangt hat, was er herausgeben könnte. Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist etwas erst dann, wenn es sich aufgrund des [X.]ereicherungsvorgangs im Vermögen des [X.] konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt ([X.], Urteil vom 7. Januar 1971, [X.], [X.]Z 55, 128, 131; [X.], [X.], 74. Aufl. § 812 Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger hat weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Ein etwaiger, noch im [X.] befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des [X.] auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige [X.]ereicherung im Sinn des § 346 Abs. 3 Satz 2 [X.] dar. Auf etwaige Ansprüche, die der [X.]eklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des [X.] den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten [X.]etrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 348 [X.] nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein [X.], der (wie der Kläger) die untergegangene [X.] nicht herausgeben kann, die Last der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2 [X.] erlegt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig vorhandenen [X.]ereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine - sodann herauszugebende - [X.]ereicherung erst herbeizuführen.

2. Auch aus § 346 Abs. 1, § 275 Abs. 1 [X.], § 285 [X.] oder § 346 Abs. 2, § 285 [X.] (so etwa MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl. § 346 Rn. 47 mwN) ergibt sich kein Anspruch der [X.]eklagten, den sie dem Kläger nach §§ 320, 348 [X.] entgegen halten könnte. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob § 285 [X.] überhaupt auf das Rückgewährverhältnis gemäß §§ 346 ff. [X.] nach dem neuen Schuldrecht Anwendung findet (dagegen mit beachtlichen Gründen [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2014, § 285 Rn. 13). Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte - ähnlich wie es der [X.] für die Anwendbarkeit der Vorgängervorschrift zu § 285 [X.], nämlich § 281 [X.] aF, angenommen hatte ([X.], Urteil vom 27. Oktober 1982 - [X.], NJW 1983, 929 unter [X.]) -, ergibt sich daraus kein Anspruch der [X.]eklagten.

Denn nach § 285 [X.] hätte der Kläger auch nur dasjenige herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch [X.]rand zerstörte Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber von der Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa dadurch, dass die Versicherung den Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird - etwas erlangen könnte, dessen Herausgabe die [X.]eklagte sodann verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, unerheblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden kann, die noch gar nicht entstanden sind.

III.

Nach alledem kann das [X.]erufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen [X.]estand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zum Wegfall des Zug-um-Zug-Vorbehalts.

Dr. Milger                              Dr. Hessel                               Dr. Achilles

                   Dr. Schneider                            Dr. [X.]ünger

Meta

VIII ZR 38/14

25.03.2015

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 17. Dezember 2013, Az: 19 U 83/13

§ 346 Abs 1 BGB, § 346 Abs 3 S 2 BGB, § 348 BGB, § 398 BGB, § 434 BGB, § 437 Nr 2 BGB, § 812 BGB, §§ 812ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.03.2015, Az. VIII ZR 38/14 (REWIS RS 2015, 13465)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1748 REWIS RS 2015, 13465

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 38/14

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