Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 31.10.2018, Az. 9 U 87/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 2188

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Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäߠ § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, innerhalb von 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses  zu den Hinweisen Stellung zu nehmen.

Gründe

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage auf Feststellung und Zahlung zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes für die gerichtliche Interessenwahrnehmung in dem Arzthaftungsverfahren 25 O 284/17 Landgericht Köln und auf Zahlung von 15.888,37 € aus § 125 VVG i.V.m. §§ 1, 2 d), 4 Abs. 1 c), 5 Abs. 1 a) c) ARB 2000. Der streitgegenständliche Versicherungsfall ist mit Vornahme der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im April 2003 in der bei der Beklagten versicherten Zeit vom 02.05.2002 bis 31.12.2006 eingetreten. Die rechtskräftige Feststellung des Behandlungsfehlers dem Grunde nach durch das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 22.09.2010 – 5 U 211/08 – ändert hieran nichts. Der von der Beklagten erhobene Einwand der Nachvertraglichkeit greift nicht durch.

Zutreffend stellt das Landgericht für den Eintritt des Versicherungsfalls unter Berücksichtigung der Regelung in § 2 a) ARB 2000 maßgeblich auf § 4 Abs. 1 c) ARB 2000 ab. Danach besteht Anspruch auf Rechtsschutz von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein Anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Für die Festlegung des dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers vorgeworfenen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 c) ARB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer diesen Verstoß begründet (BGH, Urteil vom 04. Juli 2018 – IV ZR 200/16 –, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, VersR 2015, 485 m.w.N., juris; BGH, Urteil vom 24. April 2013 - IV ZR 23/12, juris; BGH, Hinweisbeschluss vom 17. Oktober 2007 - IV ZR 37/07, juris; BGH, Urteil vom 28. September 2005 - IV ZR 106/04, VersR 2005, 1684, juris). Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet (BGH a. a. O.). Dies ist vorliegend die den Anspruchsgegnern vorgeworfene fehlerhafte ärztliche Behandlung im April 2003.

In dem streitgegenständlichen Verfahren 25 O 284/17 LG Köln wirft die Klägerin den in Anspruch genommenen Ärzten vor, ihr durch die fehlerhafte ärztliche Behandlung einen weiteren materiellen Schaden zugefügt zu haben, der nach dem 08.08.2012 entstanden ist. Sie begründet ihren Anspruch auf weiteren Schadensersatz mit dem Verstoß der beklagten Ärzte gegen die ärztlichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag im Jahr 2003. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 c) ARB 2000 kommt es für den Eintritt des Versicherungsfalls auf den Rechtsverstoß und nicht auf den Zeitpunkt der Schadensentstehung an.

Der im Jahr 2003 eingetretene Rechtsschutzfall endete nicht dadurch, dass die Haftung der in Anspruch genommenen Ärzte dem Grunde nach durch das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 22.09.2010 – 5 U 211/08 – rechtskräftig festgestellt wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten bewirkt die rechtskräftige Feststellung keine Zäsur. Der den Anspruchsgegnern vorgeworfene Rechtsverstoß ändert sich nicht dadurch, dass dieser gerichtlich festgestellt wird. Durch das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 22.09.2010 wird keine Schadensersatzpflicht begründet, die von den im Jahr 2003 begangenen ärztlichen Behandlungsfehlern unabhängig ist und gegen die die Anspruchsgegner erstmals mit Ablehnung der weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schäden verstoßen haben könnten. Vielmehr stellt das Oberlandesgericht Köln in dem Urteil vom 22.09.2010 fest, dass die dortigen Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche künftigen immateriellen sowie alle materiellen Ansprüche zu ersetzen, die infolge der fehlerhaften Behandlung im April 2003 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden. Die rechtskräftig festgestellte Schadensersatzverpflichtung bezieht sich somit nur auf Ansprüche, die infolge der fehlerhaften Behandlung im April 2003 entstanden sind bzw. noch entstehen werden. Das bedeutet, dass trotz der rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung ein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Schäden und der Pflichtverletzung im April 2003 bestehen muss.

Schon wegen dieses weiterhin erforderlichen Kausalzusammenhangs ist der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.10.1982 – IVa ZR 48/81 – (juris) im sog. „Pachtfall“ unbehelflich. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im sog. „Pachtfall“ soll der in der Versicherungszeit begangene erste Verstoß für eine kostenverursachende Maßnahme nicht mehr ursächlich sein, wenn diese allein durch einen weiteren nach der Versicherungszeit liegenden anderen Verstoß ausgelöst wurde. In Fällen, in denen der Verstoß darin besteht, dass die Erfüllung einer behaupteten Verbindlichkeit verweigert wird, soll es darauf ankommen, auf welche Weise die Weigerung des Rechtsschutzversicherten begründet wird. Wird sie nur damit begründet, die Verpflichtung bestehe aus dem schon während der Versicherungszeit geltend gemachten Grunde nicht, so besteht Versicherungsschutz. Ist dagegen der Grund für die während der Versicherungszeit erfolgte Weigerung, die Verbindlichkeit zu erfüllen, für die kostenverursachende Maßnahme nicht mehr ursächlich, weil er z.B. durch eine gerichtliche Entscheidung, einen Vergleich usw. endgültig geklärt ist, und wird die Erfüllung aus einem anderen Grund, z.B. wegen Aufrechnung verweigert, so ist für die Beurteilung, ob der Verstoß noch innerhalb der Versicherungszeit liegt, nur die Erfüllungsverweigerung wegen dieses Grundes maßgeblich.

Um einen solchen Fall der zuletzt genannten Art handelt es sich hier jedoch nicht. Die Klägerin leitet in dem streitgegenständlichen Verfahren vor dem Landgericht 25 O 284/17 die geltend gemachten Schadensersatzansprüche daraus her, dass ihr durch die - inzwischen rechtskräftig festgestellte - fehlerhafte ärztliche Behandlung im April 2003 adäquat kausal weitere Schäden entstanden sind. Nach dem maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin liegt der Grund für die Ersatzpflicht der beklagten Ärzte in der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen der Pflichtverletzung im April 2003 und den geltend gemachten Schäden. Hingegen begründet sie die Ansprüche nicht mit weiteren, von dem Behandlungsfehler unabhängigen Pflichtverstößen der beklagten Ärzte. Es kann daher dahinstehen, ob und inwieweit die vorzitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1982 (Urteil vom 20. Oktober 1982 – IVa ZR 48/81 –, Rn. 16, juris) durch die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung überholt ist. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im sog. „Pachtfall“ stützt die Rechtsauffassung der Beklagten nicht.

Für den Eintritt des Rechtsschutzfalls im Jahr 2003 ist unerheblich, dass die Anspruchsgegner trotz der rechtskräftigen Feststellung ihrer Haftung dem Grunde nach einen Ausgleich der von der Klägerin geltend gemachten weiteren Schäden für den Zeitraum ab dem 08.08.2012 wiederholt verweigert haben. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05. November 2014 – IV ZR 22/13 – (juris) stellen Maßnahmen zur Vollstreckung eines gegen den Anspruchsgegner titulierten Primäranspruchs eine Fortsetzung des ihn betreffenden Rechtsschutzfalles dar und nicht einen neuen, eigenständigen Rechtsschutzfall. Danach liegt in der Weigerung eines Anspruchsgegners, Ansprüchen nachzukommen, die gegen ihn tituliert sind, kein neuer Rechtsschutzfall.

Die vorliegende Fallkonstellation ist nicht mit den sog. Widerrufsfällen vergleichbar. Dort ist der Rechtsschutzfall mit der erstmaligen Weigerung der Bank eingetreten, die Wirksamkeit des vom Versicherungsnehmer erklärten Widerrufs anzuerkennen (BGH, Urteil vom 04.07.2018 - IV ZR 200/16 -, juris). Diesen Rechtsverstoß wirft der Versicherungsnehmer der Bank als Anspruchsgegner vor. Vorliegend leitet die Klägerin keine eigenständigen Ansprüche aus der vorgerichtlichen Zahlungsverweigerung der beklagten Ärzte her, sondern aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Jahr 2003. Einem gerichtlichen Verfahren gehen regelmäßig vorgerichtliche Leistungsverweigerungen des Anspruchsgegners voraus. Diese begründen keine eigenständigen Versicherungsfälle.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 c) ARB 2000 ist der Versicherungsfall mit dem Verstoß gegen die ärztlichen Pflichten durch die Anspruchsgegner im April 2003 in versicherter Zeit eingetreten. In Anwendung der sog. Dreisäulentheorie des Bundesgerichtshofs hat der Senat keinen Zweifel, dass die Klägerin diesen Rechtsverstoß den in Anspruch genommenen Ärzten auch in dem streitgegenständlichen Verfahren vor dem Landgericht Köln zur Begründung ihrer geltend gemachten Schadensersatzansprüche vorwirft. Für ergänzende Ausführungen zu den Interessen des Versicherers an einer zeitlichen Begrenzung des versicherten Risikos einerseits und des Versicherungsnehmers an einer Vermeidung von Deckungslücken andererseits sowie zu etwaigen Wertungswidersprüchen sieht der Senat deshalb keine Veranlassung.

Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Für die Beklagte besteht Gelegenheit, binnen 3 Wochen zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen. Auf die gemäß Nr. 1222 KV zum GKG bestehende Möglichkeit zur Kostenersparnis im Fall einer Berufungsrücknahme wird vorsorglich hingewiesen.

Meta

9 U 87/18

31.10.2018

Oberlandesgericht Köln 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 31.10.2018, Az. 9 U 87/18 (REWIS RS 2018, 2188)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2188

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