Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.09.2013, Az. III ZR 407/12

3. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2647

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Gegenstand

Schadensersatz und Passivlegitimation bei menschenrechtswidriger nachträglicher Verlängerung der Sicherungsverwahrung


Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 29. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land immateriellen S[X.]hadensersatz wegen na[X.]hträgli[X.]h verlängerter Si[X.]herungsverwahrung.

2

Der Kläger wurde dur[X.]h Urteil des [X.] vom 9. Februar 1977 wegen versu[X.]hten Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung und sexuellem Missbrau[X.]h eines Kindes sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrau[X.]h eines (weiteren) Kindes zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt; zuglei[X.]h ordnete das Geri[X.]ht ans[X.]hließende Si[X.]herungsverwahrung an. Diese wurde na[X.]h Verbüßung der Strafhaft ab dem 17. Dezember 1991 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg vollzogen.

3

Na[X.]h § 67d Abs. 1, Abs. 3 StGB in der im Zeitpunkt der Verurteilung des Klägers geltenden Fassung des [X.] vom 4. Juli 1969 ([X.]) durfte die Dauer der erstmaligen Unterbringung in der Si[X.]herungsverwahrung zehn Jahre ni[X.]ht übersteigen; na[X.]h Ablauf dieser Hö[X.]hstfrist war der Untergebra[X.]hte zu entlassen. Dur[X.]h das [X.] von Sexualdelikten und anderen gefährli[X.]hen Straftaten vom 26. Januar 1998 ([X.] [X.]) wurde diese Regelung geändert. Die Hö[X.]hstfrist von 10 Jahren entfiel; § 67d Abs. 3 StGB bestimmte nunmehr, dass na[X.]h Ablauf von zehn Jahren das Geri[X.]ht die Si[X.]herungsverwahrung für erledigt erklärt, wenn ni[X.]ht die Gefahr besteht, dass der Untergebra[X.]hte infolge seines Hanges erhebli[X.]he Straftaten begehen wird, dur[X.]h wel[X.]he die Opfer seelis[X.]h oder körperli[X.]h s[X.]hwer ges[X.]hädigt werden. Zuglei[X.]h wurde in dem neu angefügten Absatz 3 des - mittlerweile (dur[X.]h [X.]. 4 Nr. 1 des [X.] und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010, [X.] I S. 2300) in Gänze aufgehobenen - [X.]. 1a [X.] festgelegt, dass § 67d StGB neuer Fassung uneinges[X.]hränkt Anwendung findet, also au[X.]h für Altfälle und damit für Straftäter gelten soll, die ihre Tat vor Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes begangen hatten und vor diesem Zeitpunkt verurteilt worden waren (siehe au[X.]h § 2 Abs. 6 StGB sowie BT-Dru[X.]ks. 13/9062 S. 12).

4

Aufgrund der Gesetzesänderung wurde der Kläger ni[X.]ht am 16. Dezember 2001 aus der Si[X.]herungsverwahrung entlassen. Vielmehr ordnete das [X.] (Strafvollstre[X.]kungskammer) - jeweils auf der Grundlage eingeholter Guta[X.]hten von Sa[X.]hverständigen - in Abständen von zwei Jahren, zuletzt mit Bes[X.]hluss vom 26. August 2010 an, dass die Si[X.]herungsverwahrung fortzudauern habe, da von dem Kläger weiterhin ein Risiko ausgehe.

5

Auf die sofortige Bes[X.]hwerde des Klägers hob das [X.] am 8. Oktober 2010 den Bes[X.]hluss des [X.] vom 26. August 2010 auf und stellte die Erledigung der Si[X.]herungsverwahrung fest. Der Kläger wurde no[X.]h am glei[X.]hen Tag aus der Si[X.]herungsverwahrung entlassen. Das [X.] stützte seine Ents[X.]heidung maßgebli[X.]h auf  das im Rahmen eines Individualbes[X.]hwerdeverfahrens eines anderen si[X.]herungsverwahrten Straftäters ergangene Urteil des [X.] ([X.]) - V. Sektion - vom 17. Dezember 2009 ([X.]. 19359/04), wona[X.]h die Änderung des § 67d Abs. 3 StGB mit [X.]. 5 Abs. 1 und [X.]. 7 Abs. 1 der [X.] ([X.]) ni[X.]ht vereinbar sei. Diese Ents[X.]heidung ist seit dem 10. Mai 2010 endgültig, na[X.]hdem ein Auss[X.]huss der [X.] den Antrag der Bundesregierung auf Verweisung an die [X.] na[X.]h [X.]. 43 Abs. 2 [X.] abgelehnt hat ([X.]. 44 Abs. 2 Bu[X.]hst. [X.] [X.]).

6

Mit Urteil vom 4. Mai 2011 ([X.] 128, 326) erklärte das Bundesverfassungsgeri[X.]ht die gesetzli[X.]hen Regelungen zur na[X.]hträgli[X.]hen Verlängerung der Si[X.]herungsverwahrung für verfassungswidrig.

7

Der Kläger hat das beklagte Land auf Zahlung einer Ents[X.]hädigung für die ab 17. Dezember 2001 weiter vollzogene Si[X.]herungsverwahrung in Anspru[X.]h genommen. Das Landgeri[X.]ht hat den Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 53.000 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung des beklagten [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen ri[X.]htet si[X.]h die vom Berufungsgeri[X.]ht zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

I.

8

Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem [X.] davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 5 Abs. 5 [X.] zusteht.

9

Die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage von § 67d Abs. 3 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 26. Januar 1998 und deren Vollzug im Zeitraum vom 17. Dezember 2001 bis zum 8. Oktober 2010 stellten eine - nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz und gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 [X.] - rechtswidrige Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 5 [X.] dar. Der hieraus resultierende Anspruch auf Schadensersatz richte sich auch gegen das beklagte Land. Zweifel an dessen Passivlegitimation seien nicht deshalb begründet, weil die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften erfolgt sei. Zwar hätten diese Normen den Freiheitsentzug nach Ablauf der früheren [X.] erst ermöglicht. Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des [X.] habe sich jedoch aus der gerichtlichen Anordnung der Verlängerung sowie dem Vollzug der Sicherungsverwahrung ergeben, die durch die Vollstreckungsbehörden des Beklagten erfolgt seien.

Die vom [X.] zugebilligte immaterielle Entschädigung in Höhe von 53.000 € und damit ca. 500 € pro Monat sei unter Heranziehung der Bemessungspraxis des [X.] in vergleichbaren Fällen sowie unter Berücksichtigung des Umstands nicht zu beanstanden, dass ein Verschulden der handelnden Organe nicht festgestellt werden könne. Dass der Kläger erst gegen den Beschluss des [X.]s Freiburg vom 26. August 2010 ein Rechtsmittel eingelegt habe, begründe kein Mitverschulden nach §§ 839 Abs. 3, § 254 Abs. 2 BGB. Ihm sei nicht vorzuwerfen, die Widerrechtlichkeit des [X.] nicht bereits zuvor gerügt zu haben, da ihm vormals nicht zeitnah ein erfolgversprechendes Rechtsmittel zur Verfügung gestanden habe.

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] mussten die Vorinstanzen davon ausgehen, dass dem Kläger ein Schadensersatz nach Art. 5 Abs. 5 [X.] zusteht.

1. Nach Art. 5 Abs. 5 [X.] hat jede Person einen Anspruch auf Schadensersatz, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme und Freiheitsentziehung betroffen ist. In den vorstehenden Absätzen werden die Voraussetzungen näher beschrieben, unter denen die Freiheit entzogen werden darf.

a) Art. 5 Abs. 5 [X.] gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur [X.], Urteile vom 10. Januar 1966 - [X.], [X.], 46, 49 ff und vom 4. Juli 2013 - [X.], juris Rn. 28, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur [X.], Urteile vom 31. Januar 1966 - [X.], [X.], 58, 65 ff und vom 4. Juli 2013 aaO) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur [X.], Urteile vom 29. April 1993 - [X.], [X.] 122, 268, 279 ff und vom 4. Juli 2013 aaO).

b) Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die nachträgliche Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des [X.] und deren Vollzug vom 17. Dezember 2001 bis zum 8. Oktober 2010 eine rechtswidrige Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 5 [X.] dargestellt haben. Diese auch von der Revision nicht beanstandete Annahme ist rechtsfehlerfrei.

Nach Art. 5 Abs. 1 [X.] hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den nachfolgend im Satz 2 Buchst. a bis f aufgeführten Fällen - von denen für den hier streitgegenständlichen Freiheitsentzug von vorneherein nur die Buchstaben a, c und e in Betracht kommen - und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

Art. 5 Abs. 1 [X.] zählt damit die Gründe, aus denen eine Freiheitsentziehung zulässig ist, erschöpfend auf ([X.], Urteil vom 17. Dezember 2009 - [X.]. 19359/04, NJW 2010, 2495 = [X.], 25 Rn. 86 mwN). Der Entzug der Freiheit muss darüber hinaus "rechtmäßig" sein, wobei sich die Rechtswidrigkeit nicht nur aus der Konvention selbst, sondern auch aus dem nationalen Recht ergeben kann ([X.] aaO Rn. 90 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 4. Juli 2013 aaO mwN).

Das Berufungsgericht ist insoweit in Übereinstimmung mit dem [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung des [X.] durch das [X.] Freiburg nicht mit Art. 5 Abs. 1 [X.] vereinbar war.

aa) Eine rechtmäßige Freiheitsentziehung "nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht" (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a [X.]) liegt nicht vor. Die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer stellen keine "Verurteilung" im Sinne der [X.] dar (vgl. [X.] aaO Rn. 87, 96). Zwischen der Verurteilung durch das [X.] Stuttgart vom 9. Februar 1977 und der Fortdauer der Sicherungsverwahrung fehlt es an dem notwendigen (spezifischen) Kausalzusammenhang, da die Verlängerung allein auf der Gesetzesänderung im [X.] beruht (vgl. [X.] aaO Rn. 88, 100). Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung ist in den so genannten [X.], in denen der Betroffene wegen seiner Anlasstat bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung verurteilt wurde, eine Rechtfertigung des [X.] nach dieser Bestimmung als generell ausgeschlossen anzusehen (vgl. [X.] 128, 326, 395).

bb) Der Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c [X.] ("wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie [= die betreffende Person] an der Begehung einer Straftat .. zu hindern") erlaubt kein präventives Vorgehen gegen einen Einzelnen oder eine Gruppe von Personen, die wegen ihres fortbestehenden Hangs zu Straftaten eine Gefahr darstellen. Er bietet den Vertragsstaaten - zudem nur "zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde" - lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat und eignet sich deshalb zur Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung nicht (vgl. [X.] aaO Rn. 89 und - insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt - Rn. 102; siehe auch [X.] aaO S. 396).

cc) Soweit es der [X.] (aaO Rn. 103, insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt) nicht ausgeschlossen hat, dass in Ausnahmefällen die Sicherungsverwahrung bestimmter Straftäter die Bedingungen einer rechtmäßigen Freiheitsentziehung "bei psychisch Kranken" (Art. 5 Abs. 1 Satz 2  Buchst. e [X.]) erfüllen kann, liegen die hierfür notwendigen Voraussetzungen (vgl. [X.] aaO S. 396 ff) nicht vor, wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

dd) Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um eine "rechtmäßige" Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 [X.]. Denn die nachträgliche Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung verstößt gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 [X.] ([X.] aaO Rn. 117 ff, 135, 137). Der Freiheitsentzug ist zudem nicht mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (auch i.V.m. Art. 20 Abs. 3), 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] vereinbar ([X.] aaO S. 372 ff und S. 388 ff).

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist das beklagte Land auch passivlegitimiert.

Zwar ist im Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 [X.] die [X.] als Vertragspartei Beschwerdegegner; dementsprechend trifft sie eine etwaige vom [X.] nach Art. 41 [X.] dem jeweiligen Beschwerdeführer zugesprochene Entschädigung.

Im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 [X.] ist jedoch, wie der [X.] bereits in seinem Urteil vom 31. Januar 1966 (aaO S. 74) angedeutet hat, die Frage der Person des Verpflichteten - wie bei der Amtshaftung - durch Anwendung des Art. 34 [X.] zu klären. Danach ist der Hoheitsträger (Bund, Land oder sonstige Gebietskörperschaft) verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde (vgl. in diesem Sinne auch [X.], [X.] 2003, 156, 157 = NVwZ Beilage [X.], 40; [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.], [X.] zum [X.] und [X.] Grundrechtsschutz, [X.]. 13, Rn. 106; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Art. 5 Rn. 136; [X.] in [X.], Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 26. Aufl., [X.], [X.]; [X.]; Art. 5 [X.], Art. 9, 10, 11 [X.] Rn. 379; [X.], Menschenrechte im Strafverfahren, [X.] und [X.], Art. 5 [X.], Art. 9, 11 [X.] Rn. 134; [X.], Die [X.] [1968], Art. 5 [X.]. 43; [X.]/[X.], [X.], 56. Aufl., [X.]. 4 [X.], Art. 5 Rn. 14; [X.] in SK-[X.], 4. Aufl., Art. 5 Rn. 71a; [X.] in [X.]/[X.], Internationaler Kommentar zur [X.], Art. 5 Rn. 322).

Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des [X.] ist - wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - hier durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des [X.]s Freiburg und deren anschließenden Vollzug in der [X.] erfolgt. Dass die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften beruhte und es im vorliegenden Fall auch nicht darum geht, dass den zuständigen Amtsträgern bei der Anwendung dieser Normen Fehler im Einzelfall unterlaufen sind, ändert im Verhältnis der Parteien zueinander nichts an der Passivlegitimation des Beklagten. Es geht entgegen der Auffassung der Revision nicht ausschließlich um legislatives Unrecht, für das der Beklagte nicht einzustehen habe. Vielmehr knüpft Art. 5 Abs. 5 [X.] an eine rechtswidrige (konventionswidrige) Freiheitsentziehung an. Diese ist hier aber durch ein Gericht des Beklagten (und in Umsetzung der Gerichtsentscheidungen durch die Vollzugsbehörden des Beklagten) erfolgt, wobei es im Verhältnis der Parteien zueinander nicht darauf ankommt, dass - so die Revision - das Gericht gar keine andere Wahl gehabt habe, als die erst später für [X.] erkannte Vorschrift des § 67d Abs. 3 StGB anzuwenden.

2. Ohne Erfolg bleiben auch die [X.] der Revision zur Höhe der zuerkannten Entschädigung.

a) Die Bemessung eines immateriellen Schadens ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters, der hier durch § 287 ZPO besonders freigestellt ist. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob die Festsetzung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Beeinträchtigungen bemüht hat (vgl. nur [X.], Urteile vom 12. Mai 1998 - [X.], [X.] 138, 388, 391 und vom 23. April 2012 - [X.], [X.] 193, 110 Rn. 68).

b) Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit lässt das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des beklagten [X.] erkennen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Instanzgerichte an der Bemessungspraxis des [X.] in vergleichbaren Fällen (Urteile vom 17. Dezember 2009 - [X.]. 19359/04, [X.], 25 Rn. 139, 141, insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt; vom 13. Januar 2011 - [X.]. 17792/07, [X.], 255 Rn. 88, [X.]. 20008/07, juris Rn. 71, [X.]. 27360/04 und 42225/07, juris Rn. 92; vom 24. November 2011 - [X.]. 48038/06, juris Rn. 115, 116 und vom 19. April 2012 - [X.]. 61272/09, juris Rn. 105) orientiert haben.

aa) Die Auffassung des beklagten [X.], es hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Kläger erst gegen den Beschluss des [X.]s Freiburg vom 26. August 2010 und nicht gegen die früheren Beschlüsse über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung Beschwerde eingelegt und somit durch sein "passives" Verhalten selbst zur Fortdauer der Sicherungsverwahrung beigetragen habe, geht fehl. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob § 839 Abs. 3 BGB oder § 254 BGB - der ebenfalls gebieten kann, einen belastenden hoheitlichen Akt durch geeignete Rechtsbehelfe abzuwehren (vgl. nur [X.], Urteil vom 26. Januar 1984 - [X.], [X.] 90, 17, 31 ff) - auf einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 [X.] anwendbar sind (offen gelassen auch in den [X.]surteilen vom 29. April 1993 - [X.], [X.] 122, 268, 278 f und vom 4. Juli 2013 - [X.], juris Rn. 33 mwN zum [X.]). Denn dem Kläger kann eine schuldhafte Versäumung von Rechtsbehelfen nicht angelastet werden, da auch das [X.] die Anwendung der streitgegenständlichen Regelungen mit Urteil vom 5. Februar 2004 ([X.] 109, 133) in Übereinstimmung mit der fachgerichtlichen Rechtsprechung zunächst als rechtmäßig beurteilt hat. Die von der Revision gerügte "Passivität" des [X.] kann deshalb nicht zu seinem Nachteil berücksichtigt werden.

bb) Fehl geht auch die Rüge des beklagten [X.], das Berufungsgericht habe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt, dass der Kläger eine ihm angebotene Möglichkeit, in naher Zukunft eine andere Gefahrenprognose zu erhalten, nicht genutzt, sondern eine Psychotherapie abgelehnt habe.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass der von der Revision in Bezug genommene erstinstanzliche Vortrag in einem ganz anderen Zusammenhang erfolgt ist. Der Kläger hatte insoweit - inzwischen nicht mehr streitgegenständlich - dem Beklagten als schuldhafte Amtspflichtverletzung unter anderem die Unterlassung therapeutischer Maßnahmen vorgehalten. Der mit der Revision zitierte Vortrag diente lediglich der Entgegnung auf diesen Vorwurf, nicht aber der Behauptung eines etwaigen im Rahmen des Schmerzensgeldes zu berücksichtigenden Mitverschuldens des [X.]. Im Übrigen ist für ein solches Mitverschulden und dessen Ursächlichkeit bei der Entstehung des Schadens der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (vgl. nur [X.], Urteile vom 22. Mai 1984 - [X.], [X.] 91, 243, 260 und vom 11. Januar 2007 - [X.], NJW 2007, 1063, 1064; [X.], Urteil vom 26. Mai 1994 - [X.], NJW 1994, 3102, 3105). Die Revision verweist insoweit aber auf keinen vom Berufungsgericht übergangenen Vortrag, wonach die vorbenannten Umstände kausal dafür gewesen sein sollen, dass der Kläger keine günstigere Gefahrenprognose erhalten hat beziehungsweise dass er anderenfalls früher aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden wäre. Deshalb kann dahinstehen, ob den Kläger überhaupt eine Obliegenheit zur Nutzung des behaupteten [X.] getroffen hat. Auch kann die Berechtigung des Einwands des [X.] offen bleiben, [X.] des [X.] sei, dass das beklagte Land ihn nach Ablauf von zehn Jahren völlig unabhängig von einer bestehenden positiven Gefahrenprognose aus der Sicherungsverwahrung hätte entlassen müssen, weshalb es ihm schon denklogisch nicht zum Nachteil gereichen könne, die Gefahrenprognose nicht entkräftet zu haben.

Schlick                          Herrmann                         Wöstmann

                            Seiters                            Reiter

Meta

III ZR 407/12

19.09.2013

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 29. November 2012, Az: 12 U 63/12

§ 67d StGB vom 26.01.1998, Art 5 Abs 1 MRK, Art 5 Abs 5 MRK, Art 7 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.09.2013, Az. III ZR 407/12 (REWIS RS 2013, 2647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2647

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