Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2013, Az. I ZB 61/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6753

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]/12
vom

11. April 2013
in der Zwangsvollstreckungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 766, 885 Abs. 1
a)
Ein Vollstreckungstitel, durch den der Schuldner zur Räumung eines Hau-ses verurteilt worden ist, bei dem ein Raum aufgrund eines Durchbruchs ei-nen Teil des [X.] mitumfasst, ist nicht unbestimmt, wenn der Gerichtsvollzieher mit allgemein zugänglichen Hilfsmitteln (etwa Bauplänen) und unter Heranziehung von sachkundigen Hilfspersonen klären kann, was zu dem zu [X.] gehört.
b)
Der Schuldner kann im Verfahren der Vollstreckungserinnerung nach §
766 ZPO nicht den Einwand erheben, ein Titel zur Räumung eines Hauses sei eine Verurteilung zu einer nach Art.
13 GG unzulässigen Teilräumung der Wohnung.
[X.], Beschluss vom 11. April 2013 -
I [X.]/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 11. April 2013 durch [X.] [X.] und die Richter Pokrant, Prof. Dr.
Büscher, [X.] und Dr. Löffler

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Schuldner gegen den Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 16.
August 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Schuld-ner jeweils zur Hälfte.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 19.200

festgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Schuldner hatten das Hausgrundstück U.-Straße
6 in Bad
B. zu-sammen mit Räumlichkeiten im Erdgeschoss des [X.] U.-Straße
4 vom Gläubiger gemietet. Die Häuser sind im Erdgeschoss verbunden; im Wohnzimmer des Hauses U.-Straße
6 befindet sich ein Durchbruch zum Haus U.-Straße
4.

Die Schuldner sind rechtskräftig verurteilt, das Einfamilienhaus U.-Straße
6 in Bad
B. einschließlich Garage, [X.]raum und Garten zu räumen und an den Gläubiger herauszugeben.

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Aufgrund eines Zwangsvollstreckungsauftrags des Gläubigers hat die Gerichtsvollzieherin Termin zur Räumung des Hauses angesetzt. Dagegen ha-ben die Schuldner Erinnerung eingelegt, mit der sie geltend gemacht haben, die Räumung allein des Anwesens U.-Straße
6 liefe auf eine unzulässige [X.] hinaus. Zudem nutze ihr volljähriger [X.], der im Obergeschoss des Hauses U.-Straße
4 wohne, die Küche des Hauses U.-Straße
6 mit.

Das [X.] hat auf die Erinnerung der Schuldner die Zwangsräumung für unzulässig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde des [X.] hat das [X.] den Beschluss des [X.] aufgehoben und die Erinnerung der Schuldner zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechts-beschwerde der Schuldner.

I[X.] [X.] hat angenommen, dass die Zwangsräumung des Einfamilienhauses U.-Straße
6 in Bad
B. aufgrund des [X.] nach §
885 ZPO zulässig ist. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Auch wenn der Termin zur Zwangsräumung am 7.
Mai 2012 zwischen-zeitlich verstrichen sei, bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entschei-dung im Beschwerdeverfahren, weil die Räumung des Hauses noch nicht durchgeführt sei. Ein [X.] des volljährigen [X.]s der Schuldner an den Räumen des Hauses U.-Straße
6 sei nicht festgestellt. Der Vollstreckungstitel sei auch inhaltlich klar und unmissverständlich. Die Gerichtsvollzieherin könne ohne weiteres auch im Erdgeschoss der Häuser U.-Straße
4 und 6 die Räume feststellen, die vom Vollstreckungstitel erfasst seien.

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4
-

II[X.] Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte Rechtsbe-schwerde ist zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. [X.] der Schuldner ist nach §
766 ZPO zulässig. Den Schuldnern fehlt nicht das für die Erinnerung erforderliche Rechtsschutzbedürf-nis.
Der Umstand, dass der Termin zur Zwangsräumung vom 7.
Mai 2012 ver-strichen
ist, macht die Erinnerung nicht unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung nach §
766 ZPO gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers nach §
885 Abs.
1 ZPO besteht regelmäßig solange, bis die [X.] beendet ist (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Dezember 2004

IXa
ZB
324/03, [X.], 648; Beschluss vom 15.
Oktober 2009

VII
ZB
1/09, [X.] 2010, 785 Rn.
9 und 10). Im vorliegenden Fall ist die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet, weil die Schuldner das Hausgrund-stück U.-Straße
6 noch nicht geräumt haben und
je nach Ausgang des vorlie-genden
Verfahrens
mit der Anberaumung eines neuen [X.] durch die Gerichtsvollzieherin rechnen müssen.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt vorliegend auch nicht deshalb, weil die Schuldner ausschließlich Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend
ma-chen, die Rechte Dritter betreffen. Die Schuldner berufen sich auf eine Unbe-stimmtheit des [X.]. Damit stützen sie die Erinnerung auf einen Verstoß gegen das Vollstreckungsrecht, der sie selbst beschwert.

2. [X.] ist jedoch
unbegründet.

a) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Beschwerdegericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der volljährige [X.] der Schuldner habe kei-nen [X.] an den Räumen des Hauses U.-Straße
6. [X.] des Hauses U.-Straße
4, das der [X.] der Schuldner angemietet habe, verfüge 8
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-
5
-
weder über ein Wohnzimmer noch eine Küche. Da das Obergeschoss des Hauses nicht vom Erdgeschoss getrennt sei, hätten die Schuldner dem [X.] den [X.] auch an dem Wohnzimmer der Häuser U.-Straße
4 und 6 und den übrigen Räumen des Hauses U.-Straße
6 eingeräumt.

Mit der Erinnerung können die Schuldner nur Verstöße gegen das Voll-streckungsrecht geltend machen, die sie selbst beschweren. Daran fehlt es, wenn die Schuldner eine Beeinträchtigung durch die Herausgabevollstreckung aus dem Recht eines Dritten ableiten (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
August 2009
I
ZB
91/08, [X.]R 2010, 281 Rn.
9). Das ist der Fall, weil die Schuld-ner sich auf den [X.] eines an dem vorliegenden Verfahren nicht [X.] berufen.

b) [X.] hat zu Recht angenommen, der Vollstre-ckungstitel sei hinreichend bestimmt. Es gebe keine Zweifel, dass alle Räume innerhalb des Hauses U.-Straße
6 zu räumen seien. Diese Räume könne die Gerichtsvollzieherin ohne weiteres bestimmen. Daran sei sie auch nicht da-durch gehindert, dass im Erdgeschoss des Wohnzimmers des Hauses U.-Stra-ße
6 ein Durchbruch zu einem Raum des Hauses U.-Straße
4 bestehe.

Die Rechtsbeschwerde macht dagegen geltend, es bestehe nicht ledig-lich ein Durchbruch zwischen den Häusern U.-Straße
4 und 6. Vielmehr sei das Wohnzimmer des Hauses U.-Straße
6 von dem weiteren Raum im Erdgeschoss des Hauses U.-Straße
4 räumlich nicht getrennt. Die räumliche Trennung fehle auch bei dem Wintergarten und einer Terrasse im ersten Obergeschoss der Häuser. Die Stromversorgung der Häuser sei ebenfalls nicht getrennt. Diese Angriffe verhelfen der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.

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6
-

Allerdings kann mit der Erinnerung nach §
766 ZPO geltend gemacht werden, der Tenor eines [X.] sei derart unbestimmt, dass er keinen vollstreckbaren
Inhalt habe (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
Dezember 2008
I
ZB
120/05, [X.] 2009, 445 Rn.
9; [X.], [X.], 132, 134; [X.], Urteil vom 26.
März 2004
4
Sa
1393/03, juris Rn.
4; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., §
766 Rn.
43; [X.]/Stöber, ZPO, 29.
Aufl., §
766 Rn.
15). Ein Titel, dessen Inhalt auch durch Auslegung vom Vollstreckungsorgan nicht ermittelt werden kann, kann nicht Grundlage von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein (vgl. [X.], [X.] 1983, 849). In einem solchen Fall muss der Gläubiger die Reichweite des Titels durch eine Feststellungsklage klären (vgl. [X.], Urteil vom 25.
September 1972

VIII
ZR
81/71, NJW 1972, 2268).

Der vorliegende Vollstreckungstitel ist hinreichend bestimmt. Die Schuld-ner sind verurteilt worden, das Einfamilienhaus U.-Straße
6 in Bad
B. ein-schließlich Garage, [X.] und Garten zu räumen und an den Gläubiger heraus-zugeben. Soweit sich Unklarheiten ergeben, welche Teile der Räumlichkeiten und Bauteile zu dem zu räumenden Grundstück U.-Straße
6 gehören, muss der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan klären, welche Gebäudeteile dem Hausgrundstück zuzuordnen sind. Sollte dies anhand der Örtlichkeiten nicht ohne
weiteres möglich sein, muss der Gerichtsvollzieher sich mit allgemein zu-gänglichen Hilfsmitteln
etwa Bauplänen
vergewissern, welche Räumlichkei-ten und Flächen zum Gebäude U.-Straße
6 gehören. Kann der [X.] ohne sachkundige Unterstützung
die Frage nicht klären, muss er, wie sonst auch bei der Räumung selbst, Hilfspersonen hinzuziehen. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Vollstreckungsorgan danach nicht möglich ist, den Umfang des zu [X.]es genau zu bestimmen, bestehen nicht. Auch die nach dem Vortrag der Schuldner bestehende gemeinsame Stromversorgung der Häuser macht den Vollstreckungstitel nicht unbestimmt.
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7
-

c) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist mit der Einweisung des Gläubigers in den Besitz am Haus U.-Straße
6 auch keine unzulässige Einräu-mung von [X.] am Haus U.-Straße
4 verbunden. Die Einweisung in den Besitz des Hauses U.-Straße
6 ist auf die zu diesem Gebäude gehörenden Räume und Flächen beschränkt, deren genaue Zuordnung die [X.]in zu klären hat.
Dass eine derartige Beschränkung rechtlich und tatsächlich möglich ist, zeigt die Vorschrift des §
865 BGB über den Teilbesitz.

d) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, eine Zwangsräumung des [X.] sei mit Art.
13 GG unvereinbar. Durch dieses Grundrecht werde der angemietete Wohnraum als Privatsphäre vor dem Eingriff Dritter, auch des Eigentümers, geschützt. Der Schutz des Mieters an den Mieträumen als Ort seines Lebensmittelpunkts ginge ins Leere, wenn er einen räumlich nicht abgetrennten Teil weiter nutzen dürfe, den übrigen Teil aber herausgeben [X.].

Mit diesem Angriff ist die Rechtsbeschwerde im Verfahren der Erinne-rung nach §
766 ZPO ausgeschlossen. Mit der Erinnerung
können nur Anträge, Einwendungen und Erinnerungen geltend gemacht werden, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das bei ihr vom Gerichtsvollzieher zu be-obachtende Verfahren betreffen. Dagegen können mit der Erinnerung keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den durch den Vollstreckungstitel rechtskräftig zuerkannten Anspruch geltend gemacht werden (vgl. [X.], [X.] vom 7.
Mai 2009
V
ZB
180/08, [X.] 2009, 442 Rn.
8; [X.], [X.] 2010, 281 Rn.
13). Die [X.] sind wegen der Tren-nung von [X.] und Vollstreckungsverfahren nicht befugt, den Vollstre-ckungstitel einer materiell-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen (vgl. [X.], Urteil vom 18.
November 1993
IX
ZR
244/92, NJW 1994, 460, 461; vgl. auch 18
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[X.], Beschluss vom 16.
April 2009
VII
ZB
62/08, [X.], 1887 Rn.
14). Die Prüfung, ob dem Gläubiger als Vermieter ein Räumungsanspruch be-schränkt auf das Haus U.-Straße
6 zusteht oder der Räumungsanspruch nur einheitlich für den gesamten, auch das Erdgeschoss des Hauses U.-Straße
4 umfassenden Mietgegenstand geltend gemacht werden kann, setzt eine umfas-sende materiell-rechtliche Würdigung voraus, die nicht von den Vollstreckungs-organen vorzunehmen ist.

[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1, §
100 Abs.
1 ZPO.

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.05.2012 -
6 M 916/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.08.2012 -
2 T 377/12 -

21

Meta

I ZB 61/12

11.04.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2013, Az. I ZB 61/12 (REWIS RS 2013, 6753)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6753

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I ZB 61/12

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