Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2021, Az. XII ZB 474/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 2250

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FAMILIENRECHT

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Gegenstand

Trennungsunterhalt: Ermittlung des eheangemessenen Unterhaltsbedarfs; konkreter Wohnbedarf; Quotenunterhalt als Obergrenze


Leitsatz

1. Der eheangemessene Unterhaltsbedarf beim Trennungsunterhalt ist im Falle einer konkreten Bedarfsbemessung nach den Kosten zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des in der Ehe erreichten Lebensstandards erforderlich sind (im Anschluss an Senatsurteil vom 1. April 1987 - IVb ZR 33/86, FamRZ 1987, 691).

2. Der konkrete Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Mieter (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. Januar 2012 - XII ZR 178/09, FamRZ 2012, 517).

3. Der Quotenunterhalt stellt unter Berücksichtigung eines objektiven Maßstabs im Hinblick auf die Halbteilung die Obergrenze auch bei der konkreten Bedarfsbemessung dar.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des [X.] vom 22. Oktober 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

A.

1

[X.]ie Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) begehrt vom Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) Trennungsunterhalt für die [X.] ab Juli 2017.

2

[X.]ie Beteiligten schlossen im September 1994 die Ehe und leben seit September 2016 getrennt. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen: [X.], geboren am 2. [X.]ezember 1998, [X.], geboren am 29. September 2000, [X.], geboren am 9. Juni 2002, [X.], geboren am 6. Juni 2004 und [X.], geboren am 10. August 2006. [X.]ie Kinder leben bis auf [X.], die zwischenzeitlich ausgezogen ist, im Haushalt der Ehefrau. Sie werden von ihr betreut und erzogen.

3

[X.]er Ehemann ist Rechtsanwalt und bezieht als solcher Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Einkünfte aus einer Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft, aus Vermietung und Verpachtung und [X.]italvermögen und hat teilweise Einkommensteuerrückerstattungen erhalten. Er leistet an die minderjährigen Kinder und an die inzwischen volljährige Tochter [X.] Unterhalt.

4

[X.]ie Ehefrau, die seit Mai 2015 in Teilzeit (80 %) als Richterin am [X.] tätig ist, setzte den Ehemann bezogen auf den Trennungsunterhalt ab 1. Juli 2017 in Verzug. [X.]er Ehemann zahlte an sie bis [X.]ezember 2017 monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.500 €. Im Januar 2018 zahlte der Ehemann neben dem Kindesunterhalt in Höhe von 2.488 € nochmals auf den Kindesunterhalt 2.316,50 €, dessen Verwendungszweck er nachträglich auf „Trennungsunterhalt/gezahlt unter dem Vorbehalt der Rückforderung und Verrechnung“ änderte.

5

[X.]er eheliche Lebensbedarf der Ehegatten und ihrer Kinder wurde gedeckt durch das Einkommen der Ehefrau, monatliche Aufwendungen des Ehemanns in Höhe von 6.000 € und im Bedarfsfall aus weiteren unregelmäßigen Zuzahlungen des Ehemanns von anderen Konten sowie – zumindest hinsichtlich des Bedarfs der Kinder – aus Mitteln einer Stiftung. [X.]ie Ehefrau hat ihren Unterhaltsbedarf im Wege der konkreten Bedarfsbemessung dargelegt.

6

Zuletzt hat sie beantragt, den Ehemann zu verpflichten, einen rückständigen Trennungsunterhalt für die [X.] ab Juli 2017 bis zum Februar 2019 von 29.712 € nebst Zinsen zu zahlen, wobei auf diesen Betrag die unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen des Ehemanns von 2.316,50 € und 9.310,36 € anzurechnen seien. Ferner hat sie beantragt, den Ehemann zu verpflichten, für die [X.] vom März bis [X.]ezember 2019 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 2.019 € und für die [X.] ab Januar 2020 von 1.885 € jeweils nebst Zinsen zu zahlen, wobei der ab März 2019 unter Vorbehalt gezahlte Unterhalt von 661 € auf die Unterhaltsforderung anzurechnen sei.

7

[X.]emgegenüber hat der Ehemann – zunächst in einem isoliert geführten Verfahren – die Feststellung begehrt, dass er nicht verpflichtet sei, der Ehefrau einen Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.900 € zu zahlen. [X.]as Amtsgericht hat beide Verfahren verbunden und den Ehemann verpflichtet, an die Ehefrau für die [X.] von Januar bis März 2018 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.012 € nebst Zinsen unter Anrechnung der im Januar 2018 an die Ehefrau geleisteten 2.316,50 € zu zahlen. Für die [X.] von April bis Juli 2018 hat es den Ehemann verpflichtet, einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.012 € nebst Zinsen zu zahlen. Für August 2018 hat es den Ehemann verpflichtet, einen Trennungsunterhalt in Höhe von 425 € nebst Zinsen zu zahlen. Für die [X.] ab September 2018 hat es den Ehemann schließlich verpflichtet, einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 661 € nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat das Amtsgericht festgestellt, dass das Feststellungsverfahren für Juli 2017 sowie bezogen auf die über den vom Amtsgericht zugesprochenen Unterhalt hinausgehenden Beträge, erledigt ist. [X.]en weitergehenden negativen Feststellungsantrag des Ehemanns hat das Amtsgericht abgewiesen. [X.]as [X.] hat die Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat es den amtsgerichtlichen Beschluss dahin abgeändert, dass der Antrag der Ehefrau insgesamt abgewiesen wird. Außerdem hat es festgestellt, dass sich der Feststellungsantrag des Ehemanns erledigt hat.

B.

8

[X.]ie Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

9

[X.]ie Rechtsbeschwerde ist uneingeschränkt zugelassen worden. Zwar hat das [X.] in den Gründen ausgeführt, die Frage, wie im Rahmen einer konkreten Bedarfsbemessung der Wohnbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten zu bemessen sei, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse davon geprägt gewesen seien, dass die Ehewohnung nicht nur von den Ehegatten, sondern auch von den gemeinschaftlichen Kindern bewohnt gewesen sei, sei höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Aus diesen vom [X.] für die Zulassung angeführten Motiven kann sich indes keine Beschränkung der Rechtsbeschwerde ergeben. [X.]ie Frage der Berücksichtigung eines konkreten [X.] erstreckt sich auf den gesamten im Streit stehenden Unterhaltszeitraum und gehört zum einheitlichen Anspruch auf Trennungsunterhalt; eine Teilbarkeit kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss [X.], 54 = [X.], 171 Rn. 13 mwN).

II.

[X.]ie Rechtsbeschwerde, die die konkrete Bedarfsbemessung der ehelichen Lebensverhältnisse angreift, hat in der Sache Erfolg.

1. [X.]as [X.] hat ausgeführt, der Unterhaltsberechtigte müsse in Fällen gehobenen Einkommens auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den [X.] verbraucht worden sei. [X.]ieser [X.]arlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf könne der Unterhaltsberechtigte jedenfalls auf die Weise genügen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen konkret vortrage. [X.]er Unterhaltsberechtigte könne bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen grundsätzlich allerdings wählen, ob er seinen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen konkret oder im Wege einer Quotenberechnung bestimme. Auf den entsprechenden Hinweis habe die Ehefrau erklärt, sie stütze ihren Unterhaltsanspruch auf den konkreten Bedarf und habe dies auch bislang schon getan. [X.]ie Quotenberechnung habe sie nur angestellt, weil auch bei konkreter Bedarfsermittlung der Halbteilungsgrundsatz gewahrt bleiben müsse.

Bei einer konkreten Unterhaltsbemessung seien alle zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards benötigten Lebenshaltungskosten konkret zu ermitteln. [X.]azu zählten unter anderem die Aufwendungen für das Wohnen mit Nebenkosten. Eine Schätzung der Ausgaben komme umso eher in Betracht, als die Bedarfsposition als existenziell notwendig anzusehen sei, wie das beispielsweise bei einem Aufwand für Wohnen der Fall sei. Ein schlüssiger Vortrag erfordere jedenfalls die exemplarische [X.]arstellung der Ausgaben über einen gewissen [X.]raum, die so genau sei, dass sie als Grundlage für eine Schätzung dienen könne. Unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vorbringens und unter Beachtung der die Ehefrau treffenden [X.]arlegungs- und Beweislast errechne sich ein konkreter Bedarf von höchstens 4.576 €.

[X.]er Wohnbedarf der Ehefrau übersteige jedenfalls den vom Amtsgericht angesetzten Betrag von 788 € nicht. [X.]as Amtsgericht sei von einem unstreitigen Gesamtbedarf bezüglich der Wohnkosten von 2.824 € ausgegangen. Nach einer Pressenotiz vom 29. Mai 2020 bleibe [X.]          beim Bauland „das teuerste Pflaster“ in [X.], was sich auch auf die Miethöhe auswirke. Immobilien seien in [X.]           mittlerweile teurer und gefragter als in der Landeshauptstadt [X.]. [X.]ie Ehefrau habe lediglich die auf die minderjährigen Kinder entfallenden Wohnkostenanteile herausgerechnet und dabei für jedes Kind 20 % des Tabellenbetrags angesetzt. [X.]amit habe sie nicht berücksichtigt, dass das Haus jedenfalls durch den Auszug des Ehemanns zu groß geworden sei. [X.] der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung weiterhin das eheliche Einfamilienhaus, gehe dies im Rahmen der konkreten Bedarfsermittlung regelmäßig über seinen Wohnbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen hinaus. [X.]ieser werde bereits durch eine dem ehelichen Standard entsprechende Wohnung für eine Person gedeckt.

[X.]ie Berechnung der Ehefrau berücksichtige auch den Wohnbedarf für die volljährige Tochter [X.] nicht. [X.]ie Wohnung sei aber auch in Bezug auf die von der Tochter [X.] genutzte Fläche für die Ehefrau zu groß geworden. [X.]ass die Ehefrau Wohnraum für alle fünf Kinder vorhalten möchte, könne unterhaltsrechtlich dem Ehemann, soweit es um den Wohnbedarf allein der Ehefrau gehe, nicht entgegengehalten werden. [X.]as Amtsgericht habe die maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es habe die auf die minderjährigen Kinder entfallenden Anteile aus dem Gesamtbedarf herausgerechnet und im [X.] eine Verteilung nach Kopfteilen zwischen den drei Erwachsenen, also der Ehefrau, dem Ehemann und der volljährigen Tochter [X.], vorgenommen. [X.]ies entspreche der herrschenden Meinung, der auch der Senat folge.

Eine Erhöhung des [X.] der Ehefrau könne auch nicht für die [X.] ab 1. Juni 2020 im Hinblick auf den Umzug der Ehefrau in [X.]           angenommen werden. [X.]och auch dies bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. [X.]enn selbst bei einem Ansatz des [X.] mit dem vom Amtsgericht angenommenen Betrag von 788 € ergebe sich kein Unterhaltsanspruch der Ehefrau. [X.]a das Amtsgericht diesen Betrag von unstreitigen Gesamtkosten in Höhe von 2.824 € abgeleitet habe, bedürfe es keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, in welchem Umfang hierin Betriebskosten enthalten seien. Allerdings seien die als [X.] bedeutsamen Betriebskosten vermeidbar, sofern sie auf einen Mieter umgelegt werden könnten. Als eigener Bedarf entstünden dem Unterhaltsberechtigten für eine kleinere Wohnung sodann nur entsprechend geringere Kosten. Hierzu bedürfe es im vorliegenden Fall keiner weiteren Feststellungen. [X.]ie übrigen Bedarfspositionen seien mit höchstens 3.788 € zu bemessen.

[X.]ie Ehefrau sei nicht unterhaltsbedürftig. Ihre Eigeneinkünfte deckten den konkreten Bedarf. Im vorliegenden Fall sei von einem bereinigten Einkommen der Ehefrau in zeitlich gestaffelt unterschiedlicher Höhe von mindestens 4.764,78 € auszugehen. [X.]ieser Betrag übersteige den zuvor ermittelten konkreten Bedarf von höchstens 4.576 €. Mithin sei der Bedarf der Ehefrau nach den ehelichen Lebensverhältnissen vollständig gedeckt. Ein Anspruch auf Trennungsunterhalt bestehe nicht.

2. [X.]iese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) [X.]as [X.] hat zutreffend erkannt, dass die Bemessung des [X.] auch beim Trennungsunterhalt wegen des sich aus § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden Maßstabs der ehelichen Lebensverhältnisse entsprechend den auch für den nachehelichen Unterhalt nach § 1578 Abs. 1 BGB geltenden Grundsätzen erfolgt (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2020 - [X.] 358/19 - [X.], 918 Rn. 15 mwN).

b) Außerdem ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei sehr guten Einkommensverhältnissen ein Wahlrecht hat, nach welcher Methode er seinen Unterhalt bemessen will.

Allerdings spricht nach der neueren Rechtsprechung des Senats bei einem für den Ehegattenunterhalt relevanten Gesamteinkommen bis zum [X.]oppelten des [X.] der gegenwärtigen [X.] Tabelle (zurzeit 11.000 €) eine Vermutung für den vollständigen Verbrauch dieser Einkünfte. [X.]er Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen kann deswegen durch den Unterhaltsberechtigten allein unter Hinweis auf die Höhe der Einkünfte vorgetragen werden ([X.]/[X.] NZFam 2021, 661, 663). [X.]as gilt bis zu dieser Höhe auch dann, wenn das relevante Familieneinkommen oberhalb dieser Grenze liegt (Senatsbeschluss BGHZ 223, 203 = [X.], 21 Rn. 29). Vorbehaltlich eines den vollständigen Verbrauch widersprechenden konkreten Vortrags des Ehemanns könnte sich daraus ein Unterhaltsbedarf von jedenfalls (11.000 € x 45 % =) 4.950 € ergeben.

[X.]ie Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. [X.]a der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den [X.] verbraucht worden ist. [X.]ieser [X.]arlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf kann der Unterhaltsberechtigte auf die Weise genügen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§§ 1361 Abs. 1 Satz 1, 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) konkret vorträgt. Gleichwohl bleibt das Einkommen auch dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die [X.]arlegung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (Senatsbeschluss [X.], 24 = FamRZ 2018, 260 Rn. 17 mwN).

Hier hat die Ehefrau auf Hinweis des [X.]s allerdings ausdrücklich erklärt, den Unterhalt nach ihrem konkreten Bedarf bemessen zu wollen. Auch die Rechtsbeschwerde bezieht sich auf diesen Vortrag in der Tatsacheninstanz.

c) Schließlich ist die Annahme des [X.]s zutreffend, dass der Quotenunterhalt unter Berücksichtigung eines objektiven Maßstabs im Hinblick auf die Halbteilung die Obergrenze auch bei der konkreten Bedarfsbemessung darstellt (vgl. [X.] FamRZ 2015, 1395, 1396; [X.]/[X.]/[X.] [X.]as Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 4 Rn. 763; [X.], 561, 564). Ebenso zutreffend ist, dass die Ehefrau im Rahmen der konkreten Bedarfsermittlung keine Erwerbstätigenquote von ihrem Einkommen abziehen darf (Senatsurteil vom 10. November 2010 - [X.]/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 26 ff.).

d) Jedoch hat das [X.] den zutreffenden Maßstab für den konkreten Wohnbedarf verkannt.

aa) Insoweit ist der Tatrichter nicht gehindert, den angemessenen Unterhaltsbedarf konkret durch die Feststellung der Kosten zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des in der Ehe erreichten Lebensstandards erforderlich sind (Senatsurteil vom 1. April 1987 - [X.] - FamRZ 1987, 691, 693). [X.]er Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Mieter (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte (Senatsurteil vom 18. Januar 2012 - [X.]/09 - FamRZ 2012, 517 Rn. 44 mwN; vgl. auch [X.] FamRZ 2015, 1395, 1396).

Eine Schätzung der Ausgaben kommt umso eher in Betracht, als die Bedarfsposition als existenziell notwendig anzusehen ist, wie das beispielsweise bei einem Aufwand für Wohnen der Fall ist. Hinsichtlich des [X.] kann daher für die Bemessung der Wohnungsgröße auf die Ehewohnung zurückgegriffen werden ([X.]/[X.]/[X.] [X.]as Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 4 Rn. 763 f.; s. [X.] in Handbuch Unterhaltsrecht 13. Aufl. [X.] Rn. 180). Zusätzlich muss der Unterhaltsberechtigte alle zur Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstandards benötigten Kosten wie Miete mit Nebenkosten darlegen ([X.]/v. [X.]/[X.]/[X.] Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 11. Aufl. [X.]. 6 Rn. 720).

bb) Gemessen hieran ist das [X.] von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen.

[X.]as [X.] hat verkannt, dass es bei der konkreten Unterhaltsbemessung um die Ermittlung aller zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards benötigten Lebenshaltungskosten geht. Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint ist nicht der frühere in der Ehe entstandene Bedarf festzuschreiben. Es geht vielmehr darum, was der Unterhaltsberechtigte benötigt, um die ehelichen Lebensverhältnisse aufrechtzuerhalten, also um eine Fortschreibung des Bedarfs unter Berücksichtigung des Auszuges des Ehemanns.

(1) Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass die Ehefrau im Einzelnen dargelegt hat, sie benötige auch für eine kleinere Wohnung in etwa dieselben Mittel, die sich bereits aus dem früheren Wohnbedarf ergäben. [X.]enn sie hatte vorgetragen, dass sie selbst unter Berücksichtigung der weggefallenen Mitbenutzung durch den Ehemann nunmehr keine niedrigeren Aufwendungen für ihren Wohnbedarf am fraglichen Standort habe. [X.]en Sachvortrag hat sie mit einem Beweisangebot zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verbunden. [X.]iesen Vortrag hat das [X.] in gehörsverletzender Weise unberücksichtigt gelassen.

(2) Mit Recht wendet die Rechtsbeschwerde ebenfalls ein, dass es nicht vertretbar ist, für die im [X.]punkt der Trennung noch minderjährige Tochter [X.] ein [X.]rittel der durch den Kindesunterhalt noch nicht gedeckten Miete zu veranschlagen. Sie dürfte bis zu ihrem Auszug, so wie die anderen Kinder auch, lediglich ein „Jugendzimmer“ bewohnt haben. Hinsichtlich des Abschlags für den Ehemann von ebenfalls einem [X.]rittel ist zu berücksichtigen, dass die Nutzung der zuvor gemeinsam bewohnten Räume wie Schlaf-, Wohnzimmer, Küche und Bad für die Ehefrau als eheprägend angemessen erscheint. Allenfalls ist insoweit ein geringerer Abschlag angemessen (vgl. [X.] Beschluss vom 6. Februar 2015 - 4 UF 38/14 - juris Rn. 26 f.).

(3) Im Übrigen hat das [X.] den Anteil der jeweiligen Kinder an der Miete unzutreffend ermittelt.

(a) [X.]er Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt es auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an (Senatsbeschluss [X.], 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 14), wobei nach der jüngsten Rechtsprechung des Senats bei gehobenem Einkommen eine Fortschreibung der [X.] Tabelle zu erwägen ist (vgl. Senatsbeschluss [X.], 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 19 ff.; [X.]/[X.] NZFam 2021, 661, 666 f.).

(b) [X.]anach hätte das [X.] den Wohnbedarf der Kinder mit 20 % des sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile ermittelten [X.] feststellen müssen. [X.]ass der Unterhalt des [X.] auf den Betrag begrenzt ist, den er aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommens zahlen müsste (Senatsbeschluss [X.], 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 14), hat auf den Wohnbedarf der Kinder nach ihrem gesamten [X.] keinen Einfluss.

Von den [X.] betreuenden Elternteils ist somit der [X.] der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten [X.] abzusetzen. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. [X.]ie andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 - [X.] 201/16 - FamRZ 2017, 711 Rn. 10 ff., 15 ff. mwN).

(c) Zudem ist ein erhöhter Bedarf für solche Positionen, die ihrer Art nach bereits in der Struktur der [X.] Tabelle enthalten sind, wie etwa ein erhöhter Wohnbedarf, möglich. [X.]ieser ist kein Mehrbedarf im eigentlichen Sinne, sondern stellt einen erhöhten Regelbedarf dar (Senatsbeschluss [X.], 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 24).

3. [X.]er angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen. [X.]as gilt ebenso für die Feststellung der Erledigung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung kommt eine eingeschränkte Aufhebung nicht in Betracht. Im Hinblick auf die noch zu treffenden Tatsachenfeststellungen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Ehefrau die von ihr in der zweiten Instanz beantragten Beträge zustehen könnten.

[X.]er Ehefrau bleibt es unbenommen, gegebenenfalls nach der Zurückverweisung ihre Bedarfsbemessung auf einen Quotenunterhalt umzustellen. In diesem Fall wird das [X.] das Einkommen des Ehemanns feststellen und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit einräumen müssen, dazu vorzutragen, welcher Teil seines Einkommens nicht für die Lebensführung zur Verfügung gestanden hat, sondern namentlich für Vermögensbildung zurückgelegt worden ist. Auf der anderen Seite wird es der Ehefrau Gelegenheit zu geben haben, dazu vorzutragen, wieviel den Eheleuten in der Ehezeit an Einkommen zum regelmäßigen Verbrauch zur Verfügung gestanden hat. Letztlich wird das [X.] zu bedenken haben, dass mit Eintritt der Kinder in die Volljährigkeit der Unterhalt von den Eltern anteilig zu zahlen sein wird. [X.]as kann auch zu einer Verschiebung hinsichtlich des [X.] führen.

Schließlich wird das [X.] noch festzustellen haben, seit wann das Scheidungsverfahren rechtshängig ist. [X.]enn bis zu diesem [X.]punkt wird es der Ehefrau ohnehin nicht zuzumuten gewesen sein, die Ehewohnung zu wechseln (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2008 - [X.] - [X.], 963 Rn. 15 mwN).

[X.]     

      

Schilling     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 474/20

29.09.2021

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 22. Oktober 2020, Az: 15 UF 93/19

§ 1361 Abs 1 S 1 BGB, § 1578 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2021, Az. XII ZB 474/20 (REWIS RS 2021, 2250)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 171-173 NJW 2022, 621 REWIS RS 2021, 2250

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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