Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2006, Az. 4 StR 403/05

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 5264

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[X.] vom 31. Januar 2006 in der Strafsache gegen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 31. Januar 2006 gemäß § 44 ff. [X.] beschlossen: 1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag Wiedereinset-zung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisi-onsbegründungsfrist zur Ergänzung seiner zu Protokoll erklärten und zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen gewährt. 2. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. Gründe: 1. Das [X.] hat den Angeklagten am 29. April 2005 wegen [X.] in acht Fällen, wegen Diebstahls in vier Fällen und wegen versuchten Diebstahls unter Einbeziehung von Strafen aus einer frühe-ren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte, der gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Revision [X.] hat, hat beantragt, ihn in die [X.] zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen wiedereinzusetzen. 1 Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde: 2 Das in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Urteil wurde seinem Pflichtverteidiger am 8. Juni 2005 zugestellt. Gleichzeitig wurden dem inhaftier-ten Angeklagten eine Urteilsausfertigung und eine förmliche Mitteilung über [X.] Zustellung in die Haftanstalt übersandt. Sowohl der für das [X.] - 3 - ren beauftragte Wahlverteidiger des Angeklagten als auch sein Pflichtverteidi-ger haben am 28. Juni 2005 bzw. am 8. Juli 2005 die Revision mit der jeweils ausgeführten Sachrüge begründet. Der Pflichtverteidiger hat darüber hinaus Verfahrensrügen erhoben. Unabhängig davon hat der Angeklagte am 8. Juli 2005 in einer von der Rechtspflegerin des [X.] protokollierten Erklärung die Revision mit der Sachrüge und mit sieben weiteren [X.] begründet. Der Rechtspflegerin lagen bei der Protokollierung das [X.], das [X.] und die Revisionsbegründung des Wahlverteidigers vor. Gleichzeitig hat der Angeklagte beantragt, ihm [X.] in den vorigen Stand zur weiteren Revisionsbegründung zu ge-währen, da es ihm angesichts des drohenden Fristablaufs und der fehlenden Vorlage der Akten nicht möglich gewesen sei, sämtliche Verfahrensfehler zu rügen. Da die Zustellung des Urteils am 8. Juni 2005 vor Fertigstellung des [X.]s erfolgt war, wurde es am 7. September 2005 er-neut an den Wahlverteidiger zugestellt. Die Zulassung des Pflichtverteidigers zur Rechtsanwaltschaft war zuvor rechtskräftig widerrufen worden. Von dieser Zustellung des Urteils wurde der Angeklagte nicht unterrichtet. Ergänzendes [X.] erfolgte danach weder vom (Wahl-)Verteidiger noch vom Angeklagten. Seinen bislang nicht beschiedenen Wiedereinsetzungsantrag hat der Angeklagte in seinem an den Senat gerichteten Schreiben vom 2. Januar 2006 jedoch ausdrücklich aufrecht erhalten. 4 2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist begründet. 5 Zwar hat der Angeklagte keine Frist versäumt, sondern lediglich - nach zwei durch seine Verteidiger und eine durch ihn selbst form- und fristgerecht 6 - 4 - abgegebenen Revisionsbegründungen - weitere Verfahrensrügen innerhalb der Frist nicht formgerecht angebracht. Das berechtigt grundsätzlich nicht dazu, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verlangen (st. Rspr.; vgl. BGHR [X.] § 44 Verfahrensrüge 2, 4, 5). Die Rechtsprechung hat von diesem Grund-satz jedoch Ausnahmen zugelassen, wenn dies zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint, etwa wenn der [X.] durch Maßnahmen des Gerichts gehindert worden ist, [X.] innerhalb der [X.] anzubringen (vgl. [X.] [X.] vom 30. April 2003 - 2 BvR 283/03; BGHR [X.] § 44 Verfahrensrüge 8). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Angeklagte war auf Grund eines Verschuldens der Justizbehörden gehindert, seine Revision rechtzeitig mit weiteren Verfahrensrügen zu [X.]. Wird, wie hier, eine Entscheidung gemäß § 145 a Abs. 1 [X.] dem [X.] zugestellt, so ist der Beschuldigte bzw. der Angeklagte gemäß § 145 a Abs. 3 Satz 1 [X.] hiervon zu unterrichten. Ausweislich der Akten ist dies bei der zweiten Zustellung des Urteils nicht geschehen. Vielmehr wurde entspre-chend der Verfügung des Vorsitzenden vom 2. September 2005 ([X.], 1519 RS der Akten) das Urteil lediglich dem Verteidiger gegen [X.] zugestellt, ohne dies dem Angeklagten mitzuteilen. Der Angeklagte hat deshalb ohne Verschulden keine Kenntnis davon erlangt, dass die [X.] erst durch die (zweite) Zustellung des Urteils am 7. September 2005 an den Wahlverteidiger in Gang gesetzt wurde und deshalb nicht, wovon der Angeklagte ausging, am 8. Juli 2005, sondern erst am 7. Oktober 2005 endete. 7 Bei der in § 145 a Abs. 3 Satz 1 [X.] normierten Mitteilungspflicht an den Angeklagten handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, die der [X.] Fürsorgepflicht des Gerichts Rechnung trägt ([X.] NJW 2002, 1640; 8 - 5 - BGHR [X.] § 145 a Unterrichtung 1). Ein Verstoß gegen diese Pflicht begrün-det zwar nicht die Unwirksamkeit der Zustellung. Unterbleibt jedoch eine Be-nachrichtigung des Angeklagten, so kann dies aber jedenfalls dann die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, wenn die Fristversäumnis darauf beruht (vgl. [X.] in [X.], 5. Aufl. § 145 a Rdn. 6; [X.] [X.] 48. Aufl. § 44 Rdn. 17 und § 145 a Rdn. 14 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Auf Grund des Inhalts des Protokolls über die Aufnahme der Revisionsbegründung vom 8. Juli 2005 war erkennbar, dass der Angeklagte selbst weitere [X.] zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen beabsichtigte. Da er nach § 345 Abs. 2 [X.] berechtigt ist, gleichzeitig von beiden Formen der Revisi-onsbegründung - Einreichung einer vom Verteidiger oder Rechtsanwalt unter-zeichneten Schrift und Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle - Gebrauch zu machen (vgl. [X.] in [X.] § 345 Rdn. 21), durfte er bei dieser Sachlage auf die Mitteilung einer erneuten, die [X.] erst in Gang set-zenden Urteilszustellung vertrauen. Die Möglichkeit einer rechtzeitigen (ergän-zenden) Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist dem Angeklagten hier deshalb wegen des Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht nach § 145 a Abs. 3 Satz 1 [X.] verwehrt gewesen. Da der Angeklagte bislang ohne sein Verschulden keine Kenntnis vom Lauf der [X.] durch die zweite Urteilszustellung erlangt hat, ist von dem Grundsatz, dass die versäumte Handlung innerhalb der einwö-chigen Frist des § 45 Abs. 2 Satz 2 [X.] nachzuholen ist, eine Ausnahme zu machen (vgl. BGHSt 26, 335, 338 f.; [X.] NStZ 1991, 42 f.; [X.] aaO § 45 Rdn. 11). Deswegen kann er sein [X.] unter 9 - 6 - den hier gegebenen Umständen innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 [X.] ergänzen. Die Frist beginnt mit Zustellung dieses Beschlusses. [X.] [X.]

Meta

4 StR 403/05

31.01.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2006, Az. 4 StR 403/05 (REWIS RS 2006, 5264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5264

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