Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2019, Az. 7 C 3/18

7. Senat | REWIS RS 2019, 3143

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Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen zwei der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt drei Windenergieanlagen ([X.] sowie [X.] und [X.]). Die Grundstücke, auf denen sich die Windenergieanlagen befinden, liegen im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung des beklagten [X.] zum Schutz von Landschaftsteilen vom 13. Dezember 1965 sowie innerhalb einer im Flächennutzungsplan ausgewiesenen [X.]. Das Grundstück der Klägerin ist zwischen 590 m und 860 m von den drei Windenergieanlagen entfernt.

2

Die Beigeladene beantragte bei dem Beklagten die Genehmigung zur Errichtung von insgesamt fünf Windenergieanlagen ([X.] bis [X.] sowie [X.] und [X.]). Dem Genehmigungsantrag waren eine Schallimmissionsprognose und eine Schattenwurfprognose, ein Gutachten zur Turbulenzbelastung sowie bezogen auf die drei Anlagen [X.] bis [X.] eine standortbezogene Vorprüfung beigefügt, die die [X.] verneint.

3

Der Beklagte erteilte der Beigeladenen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen mit Bescheiden vom 25. Juni 2013 ([X.] und [X.]), vom 12. August 2013 ([X.]) und vom 14. August 2013 ([X.] und [X.]). Die drei Bescheide enthalten zum Schutz des [X.] zeitliche Betriebs- und Überwachungsregelungen. In den Bescheiden vom 25. Juni 2013 und vom 14. August 2013 wird bestimmt, dass ein akustisches Fledermaus-Monitoring an den [X.] und [X.] durchzuführen sei. Im Genehmigungsbescheid vom 14. August 2013 wurden zudem Maßnahmen zugunsten der Rohrweihe angeordnet.

4

Die Klägerin hat am 13. September 2013 Klage gegen die Genehmigungsbescheide vom 12. und vom 14. August 2013 erhoben und u.a. vorgetragen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu Unrecht unterblieben sei; die Bescheide seien im Hinblick auf die Schallproblematik zu unbestimmt; die Anlagen überschritten die zulässigen [X.].

5

In einer (nachgeholten) allgemeinen Vorprüfung von Dezember 2014, die sich mit der Gesamtheit der fünf streitbefangenen Windenergieanlagen befasst, ist der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehe.

6

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des [X.] geändert und die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:

7

Die Klage sei zulässig, die Klägerin sei insbesondere klagebefugt. Sie könne geltend machen, in eigenen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein. Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG räume ihr als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit ein selbstständig durchsetzbares Verfahrensrecht ein. Unabhängig davon könne die Klägerin auch geltend machen, in eigenen materiellen Rechten verletzt zu sein. Da sie im Einwirkungsbereich der Anlage wohne, sei eine Verletzung der [X.] nicht von vornherein ausgeschlossen.

8

Die angefochtenen Genehmigungsbescheide seien rechtswidrig. Sie litten an einem absoluten Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG. Danach stehe eine fehlerhaft durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls einer nicht durchgeführten Vorprüfung gleich.

9

Das Vorhaben sei vorprüfungspflichtig, weil es sich um eine Windfarm handele. Eine Windfarm bestehe aus mindestens drei Windenergieanlagen, die einander räumlich so zugeordnet seien, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschnitten oder wenigstens berührten. In einer typisierenden Betrachtungsweise sei dies gegeben, wenn die Entfernung zwischen den Windenergieanlagen weniger als das Zehnfache des Rotordurchmessers betrage. Hier sei diese Entfernung zwar leicht überschritten. Die Einschätzung, es handele sich dennoch um eine Windfarm, sei gleichwohl gerechtfertigt, weil sich die Einwirkungsbereiche der Windenergieanlagen bezogen auf das Schutzgut "Tiere" mehrfach überschnitten, und zwar konkret bezogen auf die Vogelarten Weißstorch und Rohrweihe.

In der allein erforderlichen standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls seien auch artenschutzrechtliche Belange zu berücksichtigen. Sie gehörten zu den Schutzkriterien der Anlage 2 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Denn die festgestellten Vorkommen besonders oder streng geschützter Arten seien ökologisch gleichermaßen sensibel wie die ausdrücklich im Anhang zum Gesetz aufgeführten geschützten Gebiete. Der [X.] könne daher offenlassen, ob in der standortbezogenen Vorprüfung nur die dort genannten Schutzkriterien oder auch die Qualitätskriterien zu berücksichtigen seien.

Die nachgeholte Vorprüfung des Einzelfalls genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Ihr Ergebnis sei bezogen auf die Avifauna nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte begründet die vom [X.] zugelassene Revision wie folgt: Das Oberverwaltungsgericht habe gegen Bundesrecht verstoßen, indem es auch am Vorhabenstandort befindliche Habitate der durch die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote geschützten Arten bei der standortbezogenen Vorprüfung berücksichtigt habe. Dies könne allenfalls dann erfolgen, wenn das Vorhaben eine Gefährdung spezifischer ökologischer Schutzfunktionen des maßgeblichen Gebiets befürchten lasse. Die bloße Existenz eines Habitats genüge nicht. Die Beigeladene führt aus, dass die Klage bereits deswegen unbegründet sei, weil sie erst nach sieben Monaten begründet worden sei. Die durchgeführte Vorprüfung sei im Übrigen nicht zu beanstanden.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 18. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] Minden vom 11. März 2015 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts. Den Genehmigungen stehe das artenschutzrechtliche Tötungsverbot entgegen, weil das Tötungsrisiko hinsichtlich der Rohrweihe signifikant erhöht sei. Entsprechendes gelte für die Fledermäuse.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen sind begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da es zur abschließenden Entscheidung der Feststellung weiterer Tatsachen bedarf, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

A. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.

1. Die Klagebefugnis ergibt sich aus einer möglichen Verletzung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Der dort vorgesehene Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bei der Errichtung und dem Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen vermittelt den hiervon Betroffenen ein subjektives Recht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] befindet sich das Grundstück der Klägerin im Einwirkungsbereich der Windenergieanlagen. Die von ihr vorgebrachten Einwände gegen die Schallprognose genügen den Anforderungen an die Geltendmachung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.

2. Anders als vom Oberverwaltungsgericht angenommen, ergibt sich eine Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO allerdings nicht auch aus der Verletzung von § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 UmwRG (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - [X.] 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 19, vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 - [X.] 451.91 EuropUmwR Nr. 55 Rn. 21, vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 41 und vom 22. Dezember 2016 - 4 B 13.16 - [X.] 2017, 161 Rn. 19; in diesem Sinne auch [X.]. 16/2495 [X.] f.). Das [X.] hat seine abweichende Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2017 - 8 A 926/16 - NWVBl. 2018, 256 ebenda; Beschluss vom 30. Januar 2018 - 8 [X.]/17 - [X.] 2018, 356 ebenda).

B. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, soweit es die Einbeziehung artenschutzrechtlicher Belange nach § 44 BNatSchG in die standortbezogene Vorprüfung verlangt.

1. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die Klage allerdings nicht wegen des Versäumens der in § 6 UmwRG enthaltenen Frist zur Begründung der Klage unbegründet. Diese Frist stellt eine innerprozessuale, formelle Präklusionsregelung dar, was nicht zuletzt aus der teilweisen Parallelität mit § 87b VwGO folgt (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2018 - 1 KN 29/17 - NVwZ-RR 2019, 631 Rn. 22; [X.]/[X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, § 6 UmwRG, Stand Juni 2019, Rn. 1; [X.], NVwZ 2019, 1162 <1165>; [X.], DVBl. 2017, 69 <75>). Der gegenüber der Vorgängerregelung deutlich verschärfte § 6 UmwRG n.[X.] kann sich schon aus Gründen des prozessualen Vertrauensschutzes nicht auf Rechtsbehelfe erstrecken, die bei Inkrafttreten der Neufassung des [X.] vom 29. Mai 2017 ([X.] I S. 1298) bereits erhoben waren.

2. Das Oberverwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den fünf Windenergieanlagen der Beigeladenen um eine Windfarm handelt.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist eine Windfarm dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windenergieanlagen besteht, die einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - BVerwGE 121, 182 <187>). Die in der Verwaltungspraxis verbreitete Annahme, dass dies dann zu verneinen ist, wenn der Abstand zwischen zwei Windenergieanlagen mehr als das Zehnfache des Rotordurchmessers ausmacht, mag empirisch häufig zutreffen, kann aber nicht als verbindlicher Grenzwert anerkannt werden, weil es sich hierbei nicht um eine technische Wirkungsgröße handelt (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 [X.] 2007, 1698 <1698 a.E. f.>). Da im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblich auf Umweltauswirkungen abzustellen ist, muss für die Zusammenfassung mehrerer Anlagen zu einer größeren Einheit danach gefragt werden, ob sich ihre Umweltauswirkungen überlagern (vgl. [X.]. 14/4599 S. 94 f.). Dies ist nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] im Hinblick auf die Avifauna der Fall, obgleich der Abstand der Anlagen das Zehnfache des Rotordurchmessers übersteigt.

Unerheblich ist es insoweit, dass die Belange der Avifauna im konkreten Fall nicht in die standortbezogene Vorprüfung einzubeziehen sind (s. unten, Rn. 29 f.). Zur Feststellung der Überlagerung der Umweltauswirkungen mehrerer Windenergieanlagen sind alle Schutzgüter des § 2 Abs. 1 [X.] zu berücksichtigen (vgl. § 2 Abs. 2 und 5 [X.]). Hierzu gehören gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auch Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt.

Offenbleiben kann die Frage, ob die Legaldefinition der Windfarm, wie sie nunmehr in § 2 Abs. 5 [X.] enthalten ist, auch auf ältere Verfahren anzuwenden ist (so [X.], Beschluss vom 25. Januar 2018 - 10 S 1681/17 - [X.] 2018, 161 Rn. 15; [X.], Beschluss vom 11. März 2019 - 12 [X.]/18 - [X.] 2019, 148 <150 f.>). Mit dieser Vorschrift ist die der zitierten Rechtsprechung des 4. Senats des [X.] zu entnehmende Definition der Windfarm um das Merkmal des funktionalen Zusammenhangs ergänzt worden (vgl. [X.]. 18/11948 S. 2 und 20 f., jeweils zu Nr. 3). Hier ist von einem solchen funktionalen Zusammenhang auszugehen, weil sich die fünf Windenergieanlagen in einer - jedenfalls nachträglich festgesetzten - [X.] für Windenergieanlagen befinden und deshalb nach dem Regelbeispiel des § 2 Abs. 5 Satz 2 [X.] ein schon damals bestehender funktionaler Zusammenhang angenommen werden kann.

3. Im Hinblick auf die Einbeziehung artenschutzrechtlicher Belange in die standortbezogene Vorprüfung ist das Oberverwaltungsgericht der Ansicht, unter die Schutzkriterien der Nummer 2.3 der Anlage 2 [X.] a.[X.] fielen auch solche Lebensräume, die unter ökologischem Blickwinkel ähnlich sensibel sind wie die in den Nummern 2.3.1 bis 2.3.9 aufgeführten. Hierzu zählten auch am Vorhabenstandort befindliche Habitate der durch artenschutzrechtliche [X.] des § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten wild lebenden Tiere der besonders oder streng geschützten Arten. Das Vorhandensein solcher Habitate stelle eine ökologische Besonderheit des Vorhabenstandortes dar, aus der eine spezifische Empfindlichkeit gegenüber Eingriffen folge. Darüber hinaus spreche Einiges dafür, dass durch § 3c Abs. 1 Satz 2 [X.] a.[X.] zumindest auch die Qualitätsmerkmale der Nummer 2.2 der Anlage 2 [X.] a.[X.] in Bezug genommen werden. Dem ist nicht zu folgen.

a) § 3c Abs. 1 Satz 1 [X.] a.[X.] verweist für das Prüfprogramm der allgemeinen Vorprüfung ohne weitere Einschränkung auf (alle) "in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien" während Satz 2 die standortbezogene Vorprüfung ausdrücklich auf die Prüfung der "in der Anlage 2 Nummer 2 aufgeführten Schutzkriterien" beschränkt. Der Begriff der Schutzkriterien wiederum wird in der Nummer 2.3 der Anlage 2 in Abgrenzung zu den "[X.]" in Nummer 2.1 und den "Qualitätskriterien" in Nummer 2.2 definiert. Danach ist unter "Schutzkriterien" die Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung der in den Nummern 2.3.1 bis 2.3.11 aufgezählten Gebiete und von Art und Umfang des ihnen jeweils zugewiesenen Schutzes zu verstehen. Die "[X.]" erfassen die bestehenden Nutzungen der Flächen, die "Qualitätskriterien" beziehen sich auf Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit von Wasser, Boden, Natur und Landschaft. Angesichts dieser klaren Abgrenzung der verschiedenen Kriterien in Nummer 2 der Anlage 2 [X.] a.[X.], fehlt es an einem Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Bezugnahme in § 3c Satz 2 [X.] a.[X.] auf die "Schutzkriterien" nicht die gesetzlich definierten Kriterien meinte ([X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, § 3c [X.], Stand Juni 2019, Rn. 34).

Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die Neuformulierung des § 7 Abs. 2 Satz 3 [X.] mit Gesetz vom 20. Juli 2017 ([X.] [X.]). Diese Vorschrift verweist nunmehr ausdrücklich nur auf Nummer 2.3. Damit ist allerdings keine gegenüber der bisherigen Rechtslage einschränkende Neuregelung, sondern allein eine Klarstellung des bis dato schon geltenden Rechts verbunden (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juli 2018 - 10 S 2378/17 - [X.] 2018, 481 Rn. 9). Hätte der Gesetzgeber mit der Neufassung eine Einschränkung des [X.] der standortbezogenen Vorprüfung beabsichtigt, wäre zu erwarten gewesen, dass dies in der Gesetzesbegründung kenntlich gemacht worden wäre. Dort wird hingegen auf die nur klarstellende Bedeutung der Gesetzesänderung und auf die gesetzliche Abbildung der bisher schon üblichen Praxis Bezug genommen. Speziell mit Blick auf die standortbezogene Vorprüfung wird ausgeführt, dass § 7 Abs. 2 Satz 2 [X.] deren Prüfungsmodalitäten klarstellt und dass es keiner Vorprüfung und erst recht keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, wenn keine besonderen örtlichen Gegebenheiten, wie sie in Nummer 2.3 aufgeführt sind, vorliegen (vgl. [X.]. 18/11499, [X.]8).

b) Der Ansicht des [X.], in die Vorprüfung seien nach Nummer 2.3 der Anlage 2 [X.] a.[X.] auch die am Vorhabenstandort befindlichen Habitate der durch artenschutzrechtliche [X.] des § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten wild lebenden Tiere einzubeziehen, steht nicht nur der Wortlaut des § 3c [X.] a.[X.] und der Anlage 2 [X.] a.[X.] entgegen, sondern sie verfehlt auch den in Nummer 2.3 der Anlage 2 [X.] a.[X.] zum Ausdruck gebrachten Schutzgebietsbezug und damit die vom Gesetzgeber gewollte Differenzierung zwischen dem besonderen Artenschutz und dem Gebietsschutz, der an die durch eine entsprechende Ausweisung rechtlich anerkannte besondere Schutzbedürftigkeit und die darin niedergelegten Schutzziele anknüpft. Entgegen der Auffassung des [X.] stellen Habitate der den [X.]n des § 44 Abs. 1 BNatSchG unterliegenden Arten keine den Schutzgebieten vergleichbare sensible und schutzwürdige Lebensräume dar. Das Oberverwaltungsgericht blendet den grundlegenden Unterschied zwischen dem besonderen Artenschutz einerseits und dem Gebietsschutz andererseits, wie er nicht zuletzt in Art. 3 bis 11 und Art. 12 bis 16 [X.] (Richtlinie 92/43/[X.] des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, ABl. [X.], [X.]) seinen Ausdruck findet, aus. Der besondere Artenschutz ist individuenbezogen und schützt jedes einzelne Exemplar einer besonders oder streng geschützten Art und dessen Habitat. Allein das Vorkommen eines oder mehrerer Habitate einer von den Verboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfassten Art rechtfertigt jedoch nicht die Festlegung eines (besonderen) Schutzgebietes. Dazu müssen - soweit es um den Schutz durch die [X.] geht - vielmehr die Kriterien für die [X.] in Anlage III der Richtlinie erfüllt sein. [X.] gilt für die übrigen in Nummer 2.3 der Anlage 2 [X.] a.[X.] aufgezählten Gebiete. Es ist entgegen der Annahme des [X.] auch nicht erkennbar, wie sich eine Ausdehnung der Prüfungspflicht auf "enge Ausnahmefälle" beschränken ließe. Gerade im Zusammenhang mit der Genehmigung von Windenergieanlagen sind häufig Lebensräume von [X.] Vogelarten und Fledermausarten betroffen, die dem Schutz des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG und dem Schutz der weiteren [X.] in § 44 Abs. 1 BNatSchG unterliegen. Die Erweiterung der standortbezogenen Vorprüfung auf die artenschutzrechtlichen Belange des § 44 Abs. 1 BNatSchG dürfte daher bei einer Einbeziehung artenschutzrechtlicher Belange eher die Regel als die Ausnahme sein.

Dass das Prüfprogramm der standortbezogenen Vorprüfung nicht auch auf Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Habitaten der durch die artenschutzrechtlichen [X.] geschützten wild lebenden Arten auszuweiten ist, findet seine Bestätigung weiter darin, dass in Nummer 2.3 der Anlage 2 [X.] a.[X.] der Prüfungsumfang nicht nur auf die in den Nummern 2.3.1 bis 2.3.9 näher bezeichneten Gebiete beschränkt wird, sondern zudem auf erhebliche nachteilige Auswirkungen gerade auf die Schutzgüter, derentwegen die Ausweisung erfolgte. Der Umstand, dass ein Gebiet einem rechtlich anerkannten Schutzstatus unterliegt, führt nicht - quasi automatisch - zur [X.], sondern erforderlich ist eine Gefährdung der spezifischen ökologischen Schutzfunktion des Schutzgebietes (so ausdrücklich Begr. [X.], [X.]. 674/00 vom 10. November 2000, [X.]). Erfasst werden sollen nur solche Auswirkungen des Vorhabens, die die besondere Empfindlichkeit oder die Schutzziele des Gebiets betreffen (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2016 - 22 CS 16.1078 - juris; [X.], Beschluss vom 24. August 2016 - 9 [X.]/16 - juris Rn. 12; siehe auch [X.], in: [X.]/[X.]/Kment, Kommentar zum [X.], 5. Aufl. 2018, § 3c Rn. 16; [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht Band I, § 3c [X.] Rn. 33; [X.], DVBl. 2001, 1031 <1035 f.> und [X.], Hk-[X.] § 3c Rn. 9).

c) Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn - ohne formell unter Schutz gestellt zu sein - ein vergleichbar sensitiver Lebensraum von besonders oder streng geschützten Arten betroffen ist, der einem unter Schutz gestellten Gebiet in seiner ökologischen Sensibilität gleichzusetzen ist. Das kann aber nur auf enge Ausnahmefälle beschränkt sein, etwa bei einer bewusst sachwidrig unterlassenen oder sich förmlich aufdrängenden Unterschutzstellung; ansonsten droht der gesetzgeberisch gewollte Unterschied zwischen der allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung zu verwischen ([X.], Beschluss vom 24. August 2016 - 9 [X.]/16 - [X.] 2016, 424 Rn. 13 bis 16; OVG [X.], Beschluss vom 5. April 2017 - 2 B 726/16 - juris Rn. 10 bis 12; [X.], Beschluss vom 25. Januar 2018 - 10 S 1681/17 - [X.] 2018, 161 Rn. 20 f.; [X.], Beschluss vom 27. Juni 2018 - 3 M 286/15 - [X.] 2018, 454 Rn. 117; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 10. Dezember 2015 - 22 CS 15.2247 - juris Rn. 43 und vom 4. Juli 2016 - 22 CS 16.1078 - [X.] 2016, 419 Rn. 37). Soweit das Oberverwaltungsgericht die Gefahr einer Nivellierung der Unterschiede zwischen allgemeiner und standortbezogener Vorprüfung als nicht gegeben ansieht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Das Oberverwaltungsgericht übersieht, dass die Fokussierung der standortbezogenen Vorprüfung auf bestimmte Schutzgebiete und Lebensräume zu einer wesentlichen Abkürzung des [X.] führt. Ergibt die überschlägige Prüfung keine Anhaltspunkte für örtliche Gegebenheiten, an die die [X.] bei den einer standortbezogenen Vorprüfung zu unterziehenden Vorhaben anknüpft, kann die Vorprüfung bereits an dieser Stelle beendet werden ([X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, § 3c [X.] Rn. 34).

Die Anknüpfung an die förmliche Unterschutzstellung dient letztlich auch der Verwaltungsvereinfachung und der Rechtssicherheit, indem sie erkennbar macht, welche Belange bei der standortbezogenen Vorprüfung einzustellen sind; der gesetzgeberisch vorgegebene Katalog kann nur in den oben beschriebenen, sehr engen Grenzen erweitert werden (vgl. [X.], DVBl. 2001, 1031 <1036>; [X.], [X.], 388 <392>).

d) Das Unionsrecht erzwingt kein anderes Verständnis der gesetzlichen Regelungen. Art. 4 Abs. 2 der [X.]/[X.] erlaubt den Mitgliedstaaten bei Projekten des [X.] zu bestimmen, ob das Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Geschieht dies - wie hier - durch eine Einzelfalluntersuchung, sind dabei die relevanten Auswahlkriterien des [X.]I zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 3 [X.]). Dort sind [X.] und Projektstandorte sowie die Merkmale der potenziellen Auswirkungen aufgeführt. Der [X.] ist in dieser Form bereits mit der [X.] eingeführt worden. In deren zehnter Begründungserwägung heißt es im Hinblick auf von den Mitgliedstaaten gemäß der FFH- und Vogelschutzrichtlinie ausgewiesene besondere Schutzgebiete, dass Projekte in diesen Gebieten nicht notwendigerweise automatisch entsprechend der Richtlinie geprüft werden müssten, also einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber mit seiner Unterscheidung zwischen der allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung sowie der entsprechenden unterschiedlichen Anwendung der Kriterien des Anhangs 2 zum [X.] a.[X.] den ihm von der Richtlinie zugestandenen Umsetzungsspielraum überschritten hat.

Auch der Rechtsprechung des [X.]s der [X.] ist nicht zu entnehmen, dass die besonders oder streng geschützten Arten zwingend bei der Vorprüfung einzustellen sind (vgl. [X.], [X.], 388 <392>). Der [X.] hat insoweit festgestellt, dass eine Festlegung von Schwellenwerten allein nicht zur Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 85/337/[X.] (entspricht weitgehend Art. 4 Abs. 2 RL 2011/92/[X.]) genügt, um der Verpflichtung gerecht zu werden, diejenigen Projekte zu ermitteln, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Es müssten vielmehr neben der Größe auch die Art und der Standort des Projekts berücksichtigt werden. Die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie hänge dabei nicht von den Merkmalen eines einzelnen Projekts ab, sondern von einer Gesamtbeurteilung der Merkmale der in einem Gebiet in Betracht kommenden Projekte ([X.], Urteil vom 21. September 1999 - [X.]/96 [[X.]:[X.]:C:1999:431], Kommission/[X.] - Rn. 65, 74). Diese Vorgaben lassen nicht erkennen, dass die [X.] Regelung in dem hier zugrunde gelegten Verständnis gegen Unionsrecht verstößt. Vielmehr werden der [X.] und dem Vorhabenstandort durch den Anhang 2 zum [X.] a.[X.] eine gesteigerte Bedeutung bei der Bestimmung der [X.]igkeit eingeräumt.

4. In die standortbezogene Vorprüfung sind auch nicht die Belange der Nummer 2.2 der Anlage 2 [X.] a.[X.] mit einzubeziehen. Wie oben bereits unter Randnummer 27 im Einzelnen dargelegt, spricht schon der Wortlaut des § 3c Satz 2 [X.] a.[X.] gegen ein solches Verständnis. Hierauf wird verwiesen. Angesichts dieses Befundes lässt sich Anderes auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass im Einleitungssatz der Nummer 2 Nutzungs- und Schutzkriterien anders als Qualitätskriterien ausdrücklich erwähnt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 2018 - 10 S 1681/17 - [X.] 2018, 161 Rn. 18; [X.], Urteil vom 20. September 2018 - 8 A 11958/17 - [X.] 2018, 569 Rn. 93; [X.], [X.], 239 <241>).

C. Der Senat kann weder beurteilen, ob sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), noch kann er selbst in der Sache entscheiden. Der Rechtsstreit ist gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückzuverweisen.

Ob eine den gesetzlichen Maßstäben genügende standortbezogene Vorprüfung durchgeführt wurde und diese zu dem Ergebnis kommen durfte, dass es keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest. Auf das Fehlen einer [X.] kann sich die Klägerin gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG berufen. Nach den Feststellungen des [X.] liegen die Grundstücke, auf denen die Windenergieanlagen errichtet werden sollen, im räumlichen Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung. Die Lage in einem Landschaftsschutzgebiet im Sinne des § 26 BNatSchG ist nach Nummer 2.3.4 der Anlage 2 zum [X.] a.[X.] im Rahmen einer standortbezogenen Vorprüfung grundsätzlich relevant. Dass die Windenergieanlagen mit den Zielsetzungen dieses Gebietes vereinbar sind bzw. keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen nach § 12 [X.] a.[X.] haben können, vermag der Senat nicht ohne weitere Tatsachenprüfung festzustellen. Ausführungen hierzu enthält das Berufungsurteil nicht (vgl. zur Problematik von Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten: [X.], Beschluss vom 4. Oktober 2018 - 10 S 1637.19 - NVwZ-RR 2019, 179 Rn. 10).

Sollte das Berufungsgericht bei erneuter Prüfung unter Zugrundelegung der richtigen rechtlichen Maßstäbe zu dem Ergebnis kommen, dass keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden hat, wäre die rechtliche Prüfung noch nicht beendet.

Das Oberverwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob eine Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, insbesondere im Hinblick auf Lärm und Schattenwurf, zulasten der Klägerin gegeben ist.

Meta

7 C 3/18

26.09.2019

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 18. Mai 2017, Az: 8 A 973/15, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2019, Az. 7 C 3/18 (REWIS RS 2019, 3143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3143

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8 A 11958/17

3 M 286/15

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