Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2012, Az. 6 AZR 596/10

6. Senat | REWIS RS 2012, 7965

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Massenentlassungsanzeige


Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] - [X.] - vom 18. Mai 2010 - 14 [X.] - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2010 - 13 [X.]/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aufgrund eines Interessenausgleichs ohne Namensliste erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1975 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Durch Beschluss des [X.] - Insolvenzgericht - vom 1. Oktober 2009 (- 4 IN 353/09 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat noch am selben Tag über die geplante Entlassung der zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten 96 Arbeitnehmer. Am 8. Oktober 2009 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich ohne Namensliste ab. Dessen § 4 Abs. 3 hält fest:

        

„Die gemäß § 17 Abs. (2) [X.] erforderlichen Auskünfte wurden dem Betriebsrat am 01.10.2009 von dem Insolvenzverwalter erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das [X.] nach § 17 Abs. (2) [X.] ist somit abgeschlossen.“

3

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 erstattete der Beklagte gegenüber der zuständigen [X.]. Er wies sowohl in dieser Anzeige als auch im Anschreiben an die [X.] auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hin. Diesem Anschreiben fügte er ua. das Formular der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 [X.] bei. Nach Eingang der Anzeige bei der [X.] kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010.

4

Mit seiner am 21. Oktober 2009 beim [X.] eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung. Im Hinblick auf eine von der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin abgegebene [X.] hat er der Rechtsvorgängerin den Streit verkündet. Diese ist durch Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 dem Rechtsstreit aufseiten des [X.] beigetreten. Der Kläger strebt in einem weiteren, gegen die Streithelferin geführten Verfahren eine Wiedereinstellung durch diese an. Zwischenzeitlich hat das [X.] mit Urteilen vom 14. März 2012 (- 7 [X.] bis 149/11 -) in Parallelverfahren den dortigen Klägern einen Wiedereinstellungsanspruch zugebilligt.

5

Der Kläger hat bestritten, dass der Massenentlassungsanzeige vom 8. Oktober 2009 der Interessenausgleich vom selben Tag beigefügt gewesen sei. Er hat die Auffassung vertreten, die Übersendung einer Stellungnahme des Betriebsrats in einem Interessenausgleich ohne Namensliste an die [X.] genüge auch nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Beifügung einer Stellungnahme bei der Erstattung der Massenentlassungsanzeige. Ein Interessenausgleich sei ein zweiseitiger Vertrag, nicht aber eine einseitige Stellungnahme des Betriebsrats. Erforderlich sei vielmehr eine Stellungnahme, die sich erkennbar auf die konkret anzuzeigenden Entlassungen beziehe. Dafür reiche es nicht aus, wenn die Verlautbarungen des Betriebsrats aus anderen rechtlichen Zusammenhängen herrührten. Jedenfalls habe die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist zu laufen begonnen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der [X.] durch die mit Schreiben des Beklagten vom 12. Oktober 2009 - zugegangen am 14. Oktober 2009 - ausgesprochene Kündigung zum 31. Januar 2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nicht aufgelöst ist.

7

Der Beklagte hat zur Begründung seines Begehrens auf Klageabweisung die Auffassung vertreten, die Übersendung der in den Interessenausgleich integrierten Stellungnahme des Betriebsrats an die [X.] habe den gesetzlichen Anforderungen genügt. § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] schreibe für die Stellungnahme keine besondere Form vor. Einer gesonderten Stellungnahme habe es deshalb nicht bedurft.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten ist begründet. Seine Kündigung vom 12. Oktober 2009 hat das Arbeitsverhältnis der [X.]en mit dem 31. Januar 2010 beendet.

I. Der Umstand, dass der Kläger die Wiedereinstellung durch die Streitverkündete erstrebt, steht der Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage nicht entgegen. Das dafür erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich bereits daraus, dass der unter das [X.] fallende Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage nach § 4 Satz 1 [X.] erheben muss, um den Eintritt der [X.] des § 7 [X.] zu verhindern ([X.] 11. Februar 1981 - 7 [X.] - AP [X.] 1969 § 4 Nr. 8 = EzA [X.] § 4 nF Nr. 20).

II. § 17 [X.] steht der Kündigung nicht entgegen. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] angenommen.

1. Eine Verletzung der Konsultationspflicht gemäß § 17 Abs. 2 [X.] hat der Kläger nicht gerügt (vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 [X.] [X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 31).

2. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 [X.], die uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter gilt ([X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 29), als solche liegt nicht vor. Das [X.] hat bindend festgestellt, dass der Beklagte der örtlichen [X.] vom 8. Oktober 2009 die Massenentlassung angezeigt hat und dieses Schreiben dort spätestens am 12. Oktober 2009 vor Erklärung der streitbefangenen Kündigung eingegangen ist.

3. Der Beklagte hat der Anzeige auch - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Dafür genügte die Beifügung des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009, in dem der Betriebsrat unter § 4 Abs. 3 zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung genommen hatte.

a) Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 [X.] mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen [X.] beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gemäß § 125 Abs. 2 [X.] die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem solchen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Dies gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.

b) Ein Interessenausgleich ohne Namensliste, wie er im vorliegenden Fall vereinbart worden ist, kann zwar mangels gesetzlicher Anordnung die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht ersetzen. Die Stellungnahme des Betriebsrats wird nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 4 [X.] und des § 125 Abs. 2 [X.] durch die Betriebsratsbeteiligung in anderen Zusammenhängen ersetzt (APS/Moll 4. Aufl. § 17 [X.] Rn. 112). Mit Ausnahme dieser Fälle gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] durch die Ausübung anderer betriebsverfassungsrechtlicher oder sonstiger Rechte nicht ab. Davon ist auch das [X.] zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des [X.]s geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Ersetzung der Stellungnahme durch einen Interessenausgleich ohne Namensliste, sondern darum, ob eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] genügt oder ob dafür eine separate Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument erforderlich ist.

c) § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangt keine Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument.

aa) Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] ergibt sich allerdings nicht, welche Anforderungen an die beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats zu stellen sind. Dem Wort „Beifügung“ lässt sich nur entnehmen, dass es sich um eine verkörperte Erklärung handeln muss, nicht jedoch, ob diese in einem eigenständigen Dokument erfolgen muss.

bb) Aus Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] folgt, dass eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt.

(1) Welchem Zweck die gesetzliche Anordnung, der Massenentlassungsanzeige die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, dient, lässt sich nur in der Zusammenschau mit den Zwecken der Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 [X.] und zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 [X.] ermitteln.

(a) § 17 [X.] dient in Umsetzung der Richtlinie 98/59/[X.] vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen - [X.] - dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Hauptziel der [X.] ist im Hinblick auf die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen, solchen Entlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der zuständigen Behörde vorangehen zu lassen (vgl. [X.] 15. Februar 2007 - C-270/05 - [[X.]] Rn. 28, Slg. 2007, [X.]; 10. Dezember 2009 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 44, Slg. 2009, [X.]). Die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern erstreckt sich auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch [X.] Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern (vgl. [X.] 10. Dezember 2009 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 43, aaO; 3. März 2011 - [X.]/10 bis [X.]/10 - [[X.]] Rn. 56, [X.] 2011, 337). Die [X.] soll die Möglichkeit haben, rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen ([X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 45).

(b) Ausgehend von diesen Zielen soll die von § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige gegenüber der [X.] belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Sie soll zugleich belegen, dass [X.] Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind (vgl. [X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 45). Schließlich soll das [X.] verhindern, dass der Arbeitgeber eine für ihn ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der [X.] verschweigt, um eine für ihn günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 [X.] Rn. 111).

(2) Diesen Zwecken genügt eine in den Interessenausgleich integrierte abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, die erkennen lässt, dass sie sich auf die angezeigten Kündigungen bezieht (vgl. [X.] 12/2011 [X.]. 2; Grau/[X.] BB 2011, 1845, 1850; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 17 [X.] Rn. 32; jeweils mit Formulierungsvorschlag: Krieger/[X.] [X.] 2010, 919, 921; [X.] 2011, 238, 239 f.; [X.]/[X.] [X.] 2011, 1071, 1073). Das gilt umso mehr, als die Unterrichtungspflichten nach § 111 [X.] und § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] weitgehend übereinstimmen. Die Verfahrensregelungen der §§ 111 ff. [X.] gewährleisten eine umfangreiche Information des Betriebsrats und ernsthafte Beratungen über Alternativlösungen iSd. [X.] (vgl. [X.] 18. September 2003 - 2 [X.] - zu [X.] 1 b der Gründe, [X.]E 107, 318; 30. März 2004 - 1 [X.] - zu II 2 b aa der Gründe, [X.]E 110, 122; ausführlich [X.] Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 166 bis 169; vgl. auch Krieger/[X.] aaO; [X.] aaO; [X.]/Koehler [X.] 2010, 913, 915; [X.]/[X.] aaO). Mit seiner Unterschrift unter einen solchen Interessenausgleich dokumentiert der Betriebsrat seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend und bringt zum Ausdruck, dass er das [X.] als abgeschlossen ansieht. Verlangte man vom Arbeitgeber, sich für die Massenentlassungsanzeige vom Betriebsrat zusätzlich zu dessen bereits in den Interessenausgleich aufgenommener Stellungnahme diese in einem gesonderten Schreiben wiederholen zu lassen oder die Stellungnahme aus dem Interessenausgleich herauszukopieren und auf einem Extrablatt auszudrucken, wäre dies ein überflüssiger Formalismus. Ein größerer Erkenntniswert oder Informationsgewinn für die [X.] wäre damit nicht verbunden (in diesem Sinn auch Bissels aaO).

(3) Dem lässt sich, anders als der Kläger meint, nicht entgegenhalten, dass der Betriebsrat im Interessenausgleich, der einen zweiseitigen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darstelle, nicht die von § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangte einseitige Stellungnahme abgeben könne. Beim Interessenausgleich handelt es sich nicht um einen zweiseitigen Vertrag, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art, deren Rechtsqualität nicht abschließend geklärt ist (vgl. [X.] 3. Mai 2006 - 1 [X.] - Rn. 27, [X.]E 118, 131). In dieser Vereinbarung kann jede der Betriebsparteien einseitige Erklärungen abgeben, sei es der Arbeitgeber zu den Gründen der Betriebsänderung, sei es der Betriebsrat in Form der Stellungnahme zu der Anhörung nach § 102 [X.] (vgl. APS/[X.] 4. Aufl. § 102 [X.] Rn. 117a) oder zu der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 [X.].

cc) Das Argument des [X.]s, dass es nicht Sache der [X.] sei, vom Arbeitgeber der Anzeige beigefügte, beliebige Unterlagen mit Erklärungen der Betriebspartner wie etwa einen Interessenausgleich daraufhin zu untersuchen, ob sich hieraus im Wege der Auslegung eine Stellungnahme des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] ableiten lasse, überzeugt nicht.

(1) Zum einen berücksichtigt das [X.] nicht, dass der Beklagte sowohl in der Massenentlassungsanzeige als auch im Begleitschreiben an die [X.] ausdrücklich auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hingewiesen und den Inhalt von § 4 des Interessenausgleichs im Anschreiben wörtlich wiedergegeben hatte. Die [X.] musste deshalb keineswegs die eingereichten Unterlagen auf eine ggf. darin enthaltene Stellungnahme des Betriebsrats untersuchen und erst recht nicht die Stellungnahme im Wege der Auslegung aus den eingereichten Unterlagen ableiten. Sie musste lediglich § 4 des als Anlage 4 der Anzeige beigefügten Interessenausgleichs berücksichtigen. Hätte der Beklagte als Anlage 5 der Massenentlassungsanzeige eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Massenentlassung beigefügt, wäre der [X.] kein geringerer Aufwand entstanden (vgl. [X.] 12/2011 [X.]. 2).

(2) Zum anderen gilt für die Entscheidung der [X.] über die Massenentlassungsanzeige nicht, wie das [X.] anzunehmen scheint, der [X.]. Vielmehr unterliegt das dabei einzuhaltende Verfahren neben den Regelungen des § 20 [X.] den allgemeinen sozialverfahrens- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Bestimmungen des [X.] (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 20 [X.] Rn. 19). Gemäß § 20 [X.] ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Die [X.] hat also von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der Anzeige erfüllt sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Anzeige - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt ist. Bei Zweifeln muss die [X.] beim Arbeitgeber gemäß § 20 Abs. 3 [X.] rückfragen (vgl. [X.] 2011, 238, 240).

Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die [X.] selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stellungnahme (vgl. Nr. 17.33 der Durchführungsanweisungen der [X.] zum Dritten und Vierten Abschnitt des [X.]es Stand Juli 2005 zu § 17 Abs. 3).

d) Die in § 4 des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009 abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.].

aa) Der Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 war der an die [X.] übersandten Massenentlassungsanzeige beigefügt. Dies hat zwar das [X.] nicht bindend iSv. § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Diese Behauptung des Beklagten ist jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden und daher der Entscheidung zugrunde zu legen.

(1) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des [X.] hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete [X.] ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und [X.] bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem [X.] immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen [X.] ist ([X.] Februar 1999 - [X.] - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 1999, 1404).

(2) Der Kläger hat die Beifügung des Interessenausgleichs zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten. Im Hinblick auf das daraufhin vom Beklagten vorgelegte [X.] seines Schreibens an die [X.] wäre es Aufgabe des [X.] gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren. Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung des Interessenausgleichs an die [X.] unstreitig geworden.

bb) Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Erklärung in § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs, dass dem Betriebsrat die nach § 17 Abs. 2 [X.] erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien, dieser abschließend keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden, und das [X.] somit abgeschlossen sei, lassen sich drei Aussagen entnehmen. Erstens wird zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht. Zweitens enthält § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs eine eindeutige Meinungsäußerung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen (für eine Auslegung in diesem Sinn auch: [X.] 12/2011 [X.]. 2). Drittens wird ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Mehr ist von einer Stellungnahme iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht zu verlangen.

4. Die zu II 3 c bb dargestellten Grundsätze zum Verständnis der [X.] sind durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich war (vgl. [X.] 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [[X.]] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [[X.]] Rn. 33, Slg. 2005, [X.]). Der [X.] ist auch nicht gehalten, dem Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung auch in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integriert sein kann oder in einem separaten Dokument enthalten sein muss. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der [X.] am Maßstab des Unionsrechts. Die [X.] enthält selbst keine Regelung, in welcher Form die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beantwortende Frage betrifft damit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts (vgl. [X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 48; zur Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte bei der Auslegung von Unionsrecht vgl. [X.] 7. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 - Rn. 18 ff., [X.] 2011, 608; 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 - Rn. 25 ff.).

III. Weitere Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, hat der Kläger nicht mehr geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

IV. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende aus § 113 Satz 2 [X.] ist eingehalten. Die Kündigungsfrist hat entgegen der Auffassung des [X.] mit dem Zugang der Kündigungserklärung und nicht erst mit dem Ende der Sperrfrist zu laufen begonnen (vgl. [X.] 6. November 2008 - 2 [X.] - Rn. 27 ff., [X.]E 128, 256).

V. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Döpfert    

                 

Meta

6 AZR 596/10

21.03.2012

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mannheim, 13. Januar 2010, Az: 13 Ca 59/09, Urteil

§ 17 Abs 3 S 2 KSchG, § 17 Abs 2 KSchG, § 17 Abs 1 KSchG, § 20 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2012, Az. 6 AZR 596/10 (REWIS RS 2012, 7965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7965

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 AZR 601/10 (Bundesarbeitsgericht)


6 AZR 607/10 (Bundesarbeitsgericht)


6 AZR 780/10 (Bundesarbeitsgericht)

Massenentlassungsanzeige - keine Heilung von Fehlern - Vollständigkeit der Namensliste - Berechnung des Schwellenwerts


6 AZR 248/10 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsratsanhörung - Verhinderung des Vorsitzenden


2 AZR 371/11 (Bundesarbeitsgericht)

Unwirksamkeit einer Kündigung - fehlerhafte Massenentlassungsanzeige


Referenzen
Wird zitiert von

2 AZR 371/11

7 Ca 415/15

3 Sa 864/16

15 Sa 1892/12

7 Sa 405/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.