Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2001, Az. 2 StR 240/01

2. Strafsenat | REWIS RS 2001, 1264

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[X.] DES [X.]/01vom19. September 2001in der [X.] schweren Raubes- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom19. September 2001, an der teilgenommen haben:Vizepräsident des BundesgerichtshofesDr. [X.]als Vorsitzenderund die [X.] am [X.]. [X.],Prof. Dr. Tolksdorf,[X.],Prof. Dr. [X.], als beisitzende [X.],Oberstaatsanwältin beim [X.]als Ve[X.]reterin der [X.],Rechtsanwalt in der Verhandlung als Ve[X.]eidiger des Angeklagten [X.] ,Rechtsanwältin als Ve[X.]eidigerin des Angeklagten [X.] ,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das U[X.]eil [X.] [X.] vom 10. November 2000 mitden zugehörigen Feststellungen aufgehobena) im Schuldspruch in den [X.], 1-3 und 5, ausgenommendie Feststellungen zum ßeren [X.]) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wegen schweren Raubs infünf Fllen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monatenveru[X.]eilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. DieAngeklagten [X.] und [X.]wurden im [X.], 3 wegen Beihilfe zumschweren Raub zu [X.]eiheitsstrafen von zwei Jahren ([X.] ) sowie einemJahr und zwei Monaten ([X.]) veru[X.]eilt, bei [X.] mit Strafaussetzung. [X.] des Angeklagten [X.] in einer Entziehungsanstalt hat das Land-gericht abgelehnt.Die Staatsanwaltschaft [X.] mit ihrer Revision die Verletzung des sachli-chen Rechts. Das vom [X.] ve[X.]retene Rechtsmittel ist aufden Schuldspruch in den [X.], 1-3 und 5 sowie den gesamten [X.].Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Begr, mitder das [X.] in den [X.], 1-3 und 5 fr den Angeklagten [X.] dietateinheitliche Verwirklichung auch des erpresserischen Menschenraubs undbei den Angeklagten [X.] und [X.] auch der Beihilfe hierzu verneint hat,lt der rechtlichen Prfung nicht stand, weil das [X.] an die Bemchti-gungssituation im Sinne des § 239 a StGB rspannte Anforderungen gestellthat.[X.] Angeklagte [X.] hat zwischen Februar 1999 und Januar 2000 vierBanken und einen Supermarkt rfallen, im [X.], 4 allein, im rigen unterMitwirkung weiterer [X.], im [X.], 3 auch unter Mitwirkung der beiden [X.]. Die Überflle wurden unter Verwendung von Drohmitteln (§ 250Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB) durchgef[X.]: Im [X.], 1 mit einer Gaspistole,deren Ladezustand nicht festgestellt ist, sowie einem von dem Angeklagten[X.] mitgef[X.]en Taschenmesser, im rigen unter Verwendung von Spiel-zeugpistolen. In allen Fllen, mit Ausnahme des von der Staatsanwaltschaft [X.] nicht angefochtenen [X.], 4, wurden Bankkunden und im [X.], 5 ein Angesteller des Supermarkts mit der Gaspistole oder den [X.] -stolen bedroht und in Schach gehalten, um hierdurch die [X.]eiligen Kassiererzum Öffnen der [X.]en oder der Kasse zu veranlassen.[X.] der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen U[X.]eils hatsich der Angeklagte [X.] in den [X.], 1-3 und 5 - entgegen der We[X.]ungdes [X.]s - nicht nur wegen schweren Raubs (§ 250 Abs. 1 Nr. [X.]. b) StGB) strafbar gemacht, sondern tateinheitlich hierzu auch wegenerpresserischen Menschenraubs (§ 239 a StGB).1. In allen vier Fllen haben sich die [X.] der Überflle eines Men-schen bemchtigt. Ein Sichbemchtigen im Sinne des § 239 a StGB liegt vor,wenn der [X.] die physische Herrschaft r einen anderen erlangt, wobeiweder eine O[X.]sverrung erforderlich ist, noch der Tatbestand der [X.]ei-heitsberaubung erfllt sein muß. Dies ist auch in der Weise möglich, daß [X.] - selbst r eine größere Distanz - mit einer scheinbar echten Schuß-waffe bedroht und dera[X.] in Schach gehalten wird, daß es an einer freien Be-stimmr sich selbst gehinde[X.] ist (vgl. [X.], 646; NStZ 1999,509; 1986, 166; [X.]R StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemchtigen 1; U[X.]. vom 5.Mai 1999 - 2 StR 579/98 - [X.]. m.w.N.).Diese Voraussetzungen sind in allen vier Fllen gegeben: Im [X.], 1hielt der Mittter N. der vierjrigen Tochter einer [X.] die Gaspi-stole an den Kopf und drohte, das Kind zu erschießen. Dies veranlaßte dieKassiererin, die [X.] zu öffnen. Im [X.], 2 hielt der Angeklagte [X.] einer Kundin eine Spielzeugpistole an den Kopf und erzwang hierdurch von [X.] die Öffnung der [X.]. Im [X.], 3 hielt [X.] einer Bankkun-din die Spielzeugpistole gegen den Körper, d[X.]e sie zur [X.] und- 6 -forde[X.]e den Kassierer auf, die [X.] zffnen und sich auf den [X.]n zulegen. [X.] das Geld an sich nahm, bedrohte [X.] weiterhindie auf dem [X.]n liegende [X.]. Im [X.], 5 hielt [X.] einer Ange-stellten des [X.] die Spielzeugpistole an den Kopf und zwang sie,sich auf den [X.]n zu legen. Durch diese Drohung veranlaût, ffnete die [X.] die Kasse.2. Das [X.] hat im Ansatz zutreffend erkannt, [X.] § 239 a StGBeine eigenstige Bedeutung der [X.] und eine gewisseStabilisierung der Lage, die ausgenutzt werden soll, voraussetzt. Hierdurch sollvor allem bei [X.] der Anwendungsbereich dieser Vor-schriften von den klassischen Delikten mit Ntigungselementen abgegrenztwerden (vgl. [X.]St 40, 350 ff.). Erforderlich ist deshalb bei diesen unvollkom-men zweiaktigen Delikten ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem er-sten objektiv verwirklichten Teilakt des [X.] und dem zweiten, indie Vorstellung des [X.]s verlage[X.]en Teilakt, der angestrebten weitergehen-den Erpressung. Der [X.] muû beabsichtigen, die durch das [X.] das Opfer geschaffene Lage fr sein weiteres Vorgehen auszunutzen (vgl.[X.]St 40, 350, 355; [X.]R StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemchtigen 5; NStZ1999, 509 [X.]. m.w.N.).Diese Voraussetzungen sind in allen vier Fllen gegeben. Bei den fest-gestellten Dreipersonenverltnissen hat sich durchweg die von der Recht-sprechung geforde[X.]e "stabile Zwischenlage" ergeben. Die [X.]ssi-tuation [X.] - wie es bei [X.] derFall ist - eine eigenstige Bedeutung als Grundlage fr die [X.] hinaus-gehende Ntigung der Kassierer, die [X.]en bzw. die Kasse zffnen.Im rigen liegt es - auch ohne [X.] dies das [X.] in allen Fllen [X.] -drcklich festgestellt hat - auf der Hand, [X.] der Angeklagte und dirigenMitwirkenden fr dir die [X.] hinausgehende Ntigung oderErpressung die Sorge der Kassierer um das Wohl der bedrohten Tatopfer [X.] wollten und ausgenutzt haben.3. Keiren Feststellungen hat das [X.] bisher zu demzweiten, in die subjektive Vorstellung verlage[X.]en Teilakt der angestrebten [X.] getroffen. § 239 a StGB setzt voraus, [X.] der [X.] beabsichtigt, die[X.] zu einer Erpressung auszunutzen. Hier wollten die[X.] in der Bank das Geld aus der Kasse an sich bringen. Offen ist jedoch, obsie von vornherein beabsichtigten, das Geld - wie es [X.] geschehen ist -selbst wegzunehmen, ob sie die Herausgabe erzwingen wollten oder ob [X.] je nach der sich ergebenden Situation in ihre Tatabsichteneinbezogen hatten. Im ersten Fall tten sie - wie das [X.] wegen desweiteren Tatverlaufs zutreffend angenommen hat - einen schweren Raub be-absichtigt, im zweiten Fall eine schwere rrische Erpressung und im [X.] tten sie beide [X.] in ihre Tatplanung einbezogen. In allenFlltten die [X.] aber tatbestandlich auch eine Erpressung beabsichtigt.In der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]St 14, 386, 390m.w.N.) ist anerkannt, [X.] der Tatbestand der Erpressung den des [X.]. Der Raub ist insofern der besondere Tatbestr demallgemeineren des § 255 StGB. Der engere Tatbestand des Raubs schlieûtzwar die Anwendung des weiteren Tatbestands der rrischen Erpressunginsoweit aus, als seine Voraussetzungen vorliegen. Das [X.] aber [X.], [X.] neben dem speziellen Tatbestand des Raubs zugleich auch derallgemeinere Tatbestand der rrischen Erpressung erfllt ist. [X.] den vor-liegenden Fall bedeutet dies, [X.] es fr die Tatbestandsmûigkeit der [X.] Sinne des zweiten Teilakts des erpresserischen Menschenraubs nicht [X.] 8 -auf ankommt, wie die [X.] den Kassenbestand unter Ausnutzen der [X.] an sich bringen wollten, ob sie ihn wegnehmen oder [X.] erzwingen wollten. Da die [X.] den Kassenbestand auf die [X.] die andere Weise an sich bringen wollten, hatten sie die erforderliche Ab-sicht, die [X.] fr eine Erpressung auszunutzen.4. Neben § 239 a StGB ist § 239 b StGB im vorliegenden Fall nicht an-wendbar. Zwischen erpresserischem Menschenraub und [X.] ([X.]), wenn die Geiselnahme allein dem Zweckdient, durch Bedrohung des Opfers eine unrechtmûige Bereicherung zu er-langen (vgl. [X.]St 25, 386).II[X.] Schuldspruch gegen die Angeklagten [X.] und [X.] hatebenfalls keinen Bestand. Da diese Angeklagten in vollem Umfang an der [X.], 3 beteiligt waren, haben sie nicht nur an einem [X.], sondern als Gehilfen oder Mittter auch an einem erpresserischen [X.] mitgewirkt.[X.] Schuldsprucrung durch den Senat steht jedoch § 265 StPOentgegen. Den Vorwurf eines tateinheitlich verwirklichten Verbrechens nach§ 239 a StGB hat die Staatsanwaltschaft erstmals am Ende der [X.] erhoben. Ihrer Anregung, die Angeklagten [X.] § 265 StPO daraufhinzuweisen, [X.] auch eine Veru[X.]eilung nach dieser Vorschrift in [X.], ist das [X.] jedoch nicht gefolgt. Unter diesen [X.] nicht [X.], [X.] sich erzendes Ve[X.]eidigungsvorbringen zudem erweite[X.]en Tatvorwurf fr die [X.] ausgewirkt tte.- 9 -V.1. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den [X.], 1-3 und 5 hat dieAufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs fr alle drei Angeklagtenzur Folge. Auch die Einzelstrafe gegen den Angeklagten [X.] im [X.], 4 hatkeinen Bestand. Das [X.] hat hier - wie auch in den anderen vier Fl-len - rechtsfehlerhaft einen minder schweren Fall des schweren Raubs ange-nommen und dies mit einer erheblichen Verminderung der Schuldfigkeit [X.] zur Tatzeit beg[X.], die sie aus seiner Drigkeit unddem Kokainkonsum vor der Tat hergeleitet hat. Diese Begrlt derrechtlichen Prfung nicht stand. Nach der stigen Rechtsprechung des [X.] kommt eine erhebliche Verminderung der Schuldfigkeit [X.] [X.] nur ausnahmsweise dann in Betracht,wenn langjriger Betsmittelgenuû zu schwer[X.] Perslichkeitsver-rung gef[X.] hat, wenn der [X.] zur Tatzeit unter starken [X.] litt, wenn ein Driger aus Angst vor [X.] handelte, die er schon als ûerst unangenehm erlebt hatte und alsnahe [X.], ferner unter Umst, wenn er die Tat imZustand eines aktuellen Rauschs ve[X.] hat (vgl. [X.]R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 2, 6, 7, 8, 12 [X.]. m.w.N.). [X.], [X.] oder Angst des Angeklagten hiervor hat das [X.] nicht festgestellt. Der Kokainkonsum vor der Tat muû aus dem Gesichts-punkt der vorverlage[X.]en Schuld (actio libera in causa) auûer Betracht bleiben,soweit das Kokain erst nach dem [X.] konsumie[X.] wurde.Aus denselben Grist auch bei dem Angeklagten [X.] die An-nahme einer erheblichen Verminderung der [X.] 10 -Die Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs zieht auch die Aufhe-bung der Maûregelentscheidungen (§ 64 StGB) fr die Angeklagten [X.] und[X.] nach sich, so [X.] es auf die bedenklichen Erw, mit denen dieMaûregelanordnung fr den Angeklagten [X.] wegen seines vermeintlich ge-ringen Tatbeitrags abgelehnt wurde, nicht mehr ankommt.2. Die Feststellungen zum ûeren [X.], weil sie von dem dargelegten sachlich-rechtlichen Fehler nicht ber[X.]werden. Erzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen,sind mlich. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, zu den [X.] sowie zur Rechtsfolgenbemessung mssen neu getroffen wer-den.VI.[X.] die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes [X.] Das angefochtene U[X.]eil teilt nicht mit, ob die Geldstrafe, die [X.] am 4. Mai 1999, und somit nach den [X.], 1 und [X.] den Angeklagten [X.] ve[X.] hat, im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 1StGB erledigt ist. Sollte das nicht der Fall sein, bildet diese Veru[X.]eilung auchdann, wenn die Geldstrafe nicht in die Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird,eine Zsur (vgl. [X.]St 32, 190, 194; 43, 195, 212; 44, 179, 184). Dies ttezur Folge, [X.] zwei Gesamtfreiheitsstrafen zu bilden [X.] Auf der Grundlage des erweite[X.]en [X.] wird in we[X.]ender Be-trachtung (vgl. [X.]St 28, 346, 348 f.) erneut [X.] zu befinden sein, ob dieMitwirkung der Angeklagten [X.] und [X.] als [X.]schaft oder Beihilfezu we[X.]en ist. Dabei werden auch die im Revisionsverfahren angesprochenenGesichtspunkte mit zu bercksichtigen sein.- 11 -3. Im [X.], 1 wird zu prfen sein, ob sich erzende Feststellungen zuder zur Tatausfrung verwendeten Gaspistole treffen lassen. [X.] bei der Pi-stole - wie bei neueren Modellen allgemeilich - das Gas nach vorne ausund war die Pistole mit [X.] geladen, handelte es sich um eine [X.] Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ([X.]St 45, 92, 93 m.w.N.). War die Pi-stole dagegen mit Platzpatronen geladen, wurde sie durch die hier festgestelltegefrliche A[X.] der Verwendung zu einer Bedrohung unmittelbar am Kopf [X.] zu einem gefrlichen Werkzeug, so [X.] auch dann die [X.] § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfllt ist (vgl. [X.], [X.]. vom 15. Mai 2001 - 3StR 153/01; [X.]R StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; [X.] NStZ-RR 1999, 102f. [X.]. m.w.[X.] [X.] Tolksdorf Rothfuû [X.]

Meta

2 StR 240/01

19.09.2001

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2001, Az. 2 StR 240/01 (REWIS RS 2001, 1264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 1264

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