Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.11.2020, Az. IV ZR 217/19

4. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 856

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) HAFTUNG UNTERNEHMEN INSOLVENZ VERSICHERUNGSRECHT VERSICHERUNGEN MANAGER GESCHÄFTSFÜHRERHAFTUNG D&O

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Gegenstand

Vermögensschadenshaftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten: Deckungsschutz bei Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit


Leitsatz

Der in § 64 Satz 1 GmbHG geregelte Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auf Ersatz von nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleisteten Zahlungen ist ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 ULLA.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 7. August 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (im Folgenden: Schuldnerin), nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Versicherungsleistungen aus einer D&O-Versicherung in Anspruch.

2

Die Schuldnerin schloss mit der [X.] eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Versicherungssumme ist auf 1.500.000 € für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres begrenzt. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die [X.] und Leitenden Angestellten ([X.]) heißt es auszugsweise:

"1. Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit

Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen [X.]

1.3 Versicherte Schäden

Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten."

3

Im August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Im Dezember 2015 nahm der Kläger den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Im August 2016 focht die Beklagte ihre Vertragsannahme wegen arglistiger Täuschung an. Mit Vereinbarung vom 8./15. November 2016 trat der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Deckungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger ab.

4

Der Kläger macht geltend, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 8. September 2011 zahlungsunfähig gewesen. Deren Geschäftsführer hafte nach § 64 Satz 1 GmbHG wegen in den Versicherungsjahren 2011/2012 und 2012/2013 vorgenommener Zahlungen in Höhe von jeweils mindestens 1.500.000 €.

5

Die Beklagte meint, sie habe ihre Vertragserklärung wirksam angefochten. Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG seien im Übrigen nicht vom Versicherungsschutz erfasst; jedenfalls lägen aber wissentliche Pflichtverletzungen des Geschäftsführers vor.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des angefo[X.]htenen Bes[X.]hlusses und zur Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das Berufungsgeri[X.]ht.

8

I. Das Berufungsgeri[X.]ht hat dahinstehen lassen, ob der Versi[X.]herungsvertrag wirksam angefo[X.]hten, die S[X.]huldnerin zahlungsunfähig gewesen sei oder der Ges[X.]häftsführer der S[X.]huldnerin wissentli[X.]h gegen Pfli[X.]hten verstoßen habe. Denn der Anspru[X.]h der S[X.]huldnerin gegen ihren Ges[X.]häftsführer aus § 64 Satz 1 GmbHG sei s[X.]hon ni[X.]ht vom Versi[X.]herungss[X.]hutz gemäß Ziffer 1.1 [X.] umfasst. Zur Begründung stützt si[X.]h das Berufungsgeri[X.]ht auf das Urteil des [X.] vom 20. Juli 2018 (4 [X.], [X.], 1314), dessen Auffassung es si[X.]h ans[X.]hließt. Der Anspru[X.]h aus § 64 Satz 1 GmbHG stelle keinen gesetzli[X.]hen Haftpfli[X.]htanspru[X.]h auf S[X.]hadensersatz im Sinne der Versi[X.]herungsbedingungen dar, sondern sei ein "Ersatzanspru[X.]h eigener Art".

9

Der Anspru[X.]h sei - selbst unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Interessen der versi[X.]herten Person an einer mögli[X.]hst weitgehenden Absi[X.]herung - einem [X.] S[X.]hadensersatzanspru[X.]h au[X.]h ni[X.]ht glei[X.]hzusetzen.

II. Das hält re[X.]htli[X.]her Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts handelt es si[X.]h bei dem in § 64 Satz 1 GmbHG geregelten Anspru[X.]h um einen gesetzli[X.]hen Haftpfli[X.]htanspru[X.]h auf S[X.]hadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 [X.]. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.

1. Allgemeine Versi[X.]herungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]her, um Verständnis bemühter Versi[X.]herungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Dur[X.]hsi[X.]ht und unter Berü[X.]ksi[X.]htigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versi[X.]herungsnehmers ohne versi[X.]herungsre[X.]htli[X.]he Spezialkenntnisse und damit au[X.]h auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom [X.] auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zwe[X.]k und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzli[X.]h zu berü[X.]ksi[X.]htigen, soweit sie für den Versi[X.]herungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteile vom 8. Januar 2020 - [X.]/18, [X.], 283 Rn. 9; vom 20. Juli 2016 - [X.], [X.], 1184 Rn. 22; jeweils m.w.N.; st. Rspr.). Liegt - wie hier - eine Versi[X.]herung für fremde Re[X.]hnung vor (vgl. Senatsurteile vom 4. März 2020 - [X.]/19, [X.], 541 Rn. 10; vom 5. April 2017 - [X.], [X.], 314 Rn. 13; vom 13. April 2016 - [X.], [X.], 373 Rn. 20), kommt es daneben au[X.]h auf die [X.] dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]her Versi[X.]herter und ihre Interessen an (vgl. Senatsurteile vom 4. März 2020 - [X.]/19, [X.], 541 Rn. 12; vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 122 Rn. 16; vom 22. Januar 2014 - [X.], juris Rn. 13; vom 11. September 2013 - [X.], [X.], 1397 Rn. 13). Weiter ist zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass der typis[X.]he [X.] und Versi[X.]hertenkreis in der D&O-Versi[X.]herung ges[X.]häftserfahren und mit Allgemeinen Ges[X.]häftsbedingungen vertraut ist (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2011 - [X.], [X.], 918 Rn. 22 zur Transportversi[X.]herung; vom 21. April 2010 - [X.], [X.], 809 Rn. 12 zur Betriebsunterbre[X.]hungsversi[X.]herung; [X.] [X.], 406 [juris Rn. 48]).

2. Na[X.]h diesen Maßstäben ergibt die Auslegung von Ziffer 1.1 [X.] für den dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]hen, hier mithin ges[X.]häftserfahrenen und mit Allgemeinen Ges[X.]häftsbedingungen vertrauten Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herten einer D&O-Versi[X.]herung, dass der in § 64 Satz 1 GmbHG geregelte Anspru[X.]h ein bedingungsgemäßer gesetzli[X.]her Haftpfli[X.]htanspru[X.]h auf S[X.]hadensersatz ist.

a) Soweit Ziffer 1.1 [X.] für die Gewährung von Versi[X.]herungss[X.]hutz voraussetzt, dass die versi[X.]herte Person aufgrund gesetzli[X.]her Haftpfli[X.]htbestimmungen in Anspru[X.]h genommen wird, ist in der Senatsre[X.]htspre[X.]hung bereits geklärt, dass es si[X.]h dabei na[X.]h dem maßgebli[X.]hen Verständnis des dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]hen Versi[X.]herungsnehmers/Versi[X.]herten um sol[X.]he Bestimmungen handeln muss, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirkli[X.]hung eines unter die Klausel fallenden Ereignisses Re[X.]htsfolgen knüpfen (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - [X.], [X.], 182 unter II 1 [juris Rn. 14]; vom 8. Dezember 1999 - [X.], [X.], 311 unter II 3 a [juris Rn. 11] m.w.N.). Das trifft auf den in § 64 Satz 1 GmbHG geregelten Anspru[X.]h zu (zutreffend Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1856). Denn die Vors[X.]hrift knüpft an na[X.]h Insolvenzreife geleistete, zur Masses[X.]hmälerung führende Zahlungen unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien die re[X.]htli[X.]he Verpfli[X.]htung des Ges[X.]häftsführers, diese Zahlungen der Gesells[X.]haft zu ersetzen (vgl. [X.], Urteile vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.], 1619 Rn. 10 f.; vom 8. Januar 2001 - [X.], [X.]Z 146, 264 unter III 1 [juris Rn. 31]; siehe au[X.]h [X.], Urteil vom 26. März 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 984 Rn. 7; Bes[X.]hluss vom 5. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1490 Rn. 6 f.; jeweils zu § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB a.F.).

b) Ausgehend vom Wortlaut der Klausel und dem für ihn erkennbaren Zwe[X.]k der D&O-Versi[X.]herung wird der dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]he Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte entgegen der Auffassung des Berufungsgeri[X.]hts den Anspru[X.]h aus § 64 Satz 1 GmbHG au[X.]h als S[X.]hadensersatzanspru[X.]h im Sinne der Versi[X.]herungsbedingungen ansehen.

aa) Er wird dem Wortlaut der Klausel zunä[X.]hst entnehmen, dass die hier genommene [X.] ni[X.]ht sämtli[X.]he mit der Tätigkeit eines Ges[X.]häftsführers einhergehende Risiken abde[X.]kt, sondern Versi[X.]herungss[X.]hutz nur für eine Inanspru[X.]hnahme der versi[X.]herten Person wegen Vermögenss[X.]häden gewährt, also sol[X.]her S[X.]häden, die gemäß Ziffer 1.3 [X.] weder Personen- no[X.]h Sa[X.]hs[X.]häden sind. Er erkennt zudem, dass ledigli[X.]h auf S[X.]hadensersatz geri[X.]htete Ansprü[X.]he und somit keine Ansprü[X.]he wegen Eigens[X.]häden der versi[X.]herten Person oder Ansprü[X.]he auf Erfüllung vertragli[X.]her Leistungsverpfli[X.]htungen erfasst sind (vgl. [X.]/[X.], 2. Aufl. § 100 Rn. 98; [X.]/v. Rintelen, Haftpfli[X.]htversi[X.]herung 2. Aufl. Ziffer 1 [X.] Rn. 262; Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1858).

bb) Den in § 64 Satz 1 GmbHG geregelten Anspru[X.]h der Gesells[X.]haft auf Ersatz von na[X.]h Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleisteten Zahlungen wird der dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]he Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte als auf [X.] S[X.]hadensersatz geri[X.]htet ansehen.

Der in Ziffer 1.1 [X.] verwendete Ausdru[X.]k "S[X.]hadensersatz" verweist ihn ni[X.]ht auf den Berei[X.]h der Re[X.]htsspra[X.]he, weil es dort keinen in seinen Konturen eindeutig festgelegten S[X.]hadensersatzbegriff gibt.

In der Umgangsspra[X.]he ums[X.]hreibt der Ausdru[X.]k allgemein den Ausglei[X.]h eines erlittenen Na[X.]hteils (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - [X.], [X.], 182 unter II 3 b [juris Rn. 20]; vom 8. Dezember 1999 - [X.], [X.], 311 unter [X.] b bb [juris Rn. 18]; jeweils zu § 1 Nr. 1 [X.]; siehe au[X.]h Senatsbes[X.]hluss vom 25. Mai 2011 - [X.], [X.], 1179 Rn. 14 zu § 3 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] [X.] 94/2000). Dementspre[X.]hend wird der Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte unabhängig davon, wie die eins[X.]hlägige gesetzli[X.]he Haftpfli[X.]htbestimmung diese Re[X.]htsfolge bes[X.]hreibt, na[X.]h Ziffer 1.1 [X.] Versi[X.]herungss[X.]hutz jedenfalls dann erwarten, wenn der gegen den Versi[X.]herten erhobene Anspru[X.]h wie hier auf Ausglei[X.]h des eingetretenen S[X.]hadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem S[X.]hadenereignis geri[X.]htet ist (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 aaO; vom 8. Dezember 1999 aaO unter [X.] b [X.][X.] [juris Rn. 19]; siehe au[X.]h [X.], Urteil vom 11. Juni 1999 - [X.], [X.]Z 142, 66 unter II 2 [juris Rn. 16]; [X.]/v. Rintelen, Haftpfli[X.]htversi[X.]herung 2. Aufl. Ziff. 1 [X.] Rn. 262 ff.).

[X.][X.]) An[X.] wird der Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte die Klausel au[X.]h ni[X.]ht infolge der re[X.]htsdogmatis[X.]hen Einordnung des Anspru[X.]hs aus § 64 Satz 1 GmbHG verstehen.

(1) Das Berufungsgeri[X.]ht hat allerdings zur Begründung seiner an[X.]lautenden Auffassung darauf abgestellt, dass § 64 Satz 1 GmbHG mit der Ersatzpfli[X.]ht des Ges[X.]häftsführers bezwe[X.]kt, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Na[X.]hteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. [X.], Urteile vom 15. März 2016 - [X.], NJW 2016, 2660 Rn. 15; vom 15. März 2011 - [X.], NJW 2011, 2427 Rn. 20; vom 25. Januar 2010 - [X.]/08, NJW-RR 2010, 607 Rn. 10; vom 29. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 184 unter [X.]juris Rn. 9]). Die Vors[X.]hrift erfasst damit im Regelfall ni[X.]ht einen S[X.]haden der S[X.]huldnerin, da die verbotswidrigen Zahlungen in der Regel der Erfüllung ihrer Verbindli[X.]hkeiten dienen und deshalb bei ihr ni[X.]ht zu einem Vermögenss[X.]haden im Sinne der §§ 249 ff. [X.] führen. Verringert wird nur die Insolvenzmasse in dem na[X.]hfolgenden Insolvenzverfahren, was zu einem S[X.]haden allein der Insolvenzgläubiger führt ([X.], Urteile vom 15. März 2016 aaO Rn. 15; vom 18. März 1974 - [X.], NJW 1974, 1088, 1089 Rn. 7; siehe au[X.]h [X.], Urteile vom 20. September 2010 - [X.], [X.]Z 187, 60 Rn. 14 zu § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG; vom 18. November 2014 - [X.], [X.]Z 203, 218 Rn. 10; vom 26. März 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 984 Rn. 7; Bes[X.]hluss vom 5. Februar 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1490 Rn. 7; jeweils zu § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB bzw. § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB a.F.). Der Anspru[X.]h aus § 64 Satz 1 GmbHG wird daher von der Re[X.]htspre[X.]hung des Bundesgeri[X.]htshofs ni[X.]ht als Deliktstatbestand, sondern als eigenständige Anspru[X.]hsgrundlage bzw. als "Ersatzanspru[X.]h eigener Art" eingeordnet (vgl. [X.], Urteile vom 15. März 2011 aaO; vom 8. Januar 2001 - [X.], [X.]Z 146, 264 unter III 1 [juris Rn. 31]; vom 18. März 1974 aaO), der seiner Natur na[X.]h darauf geri[X.]htet ist, das Gesells[X.]haftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggere[X.]hten und glei[X.]hmäßigen Befriedigung aller Gesells[X.]haftsgläubiger zur Verfügung steht (vgl. [X.], Urteile vom 15. März 2016 aaO; vom 8. Januar 2001 aaO).

(2) Die Revisionserwiderung hat ergänzt, dass - re[X.]htsdogmatis[X.]h betra[X.]htet - der Anspru[X.]h aus § 64 Satz 1 GmbHG die Re[X.]htsfolgen eines Eingriffs in die mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der S[X.]huldnerin geänderte Forderungszuständigkeit festlege. Diese Forderungszuständigkeit gehe in der Weise vom einzelnen Gläubiger auf das Gläubigerkollektiv mit dem Ziel einer glei[X.]hmäßigen Verteilung der Masse über, dass dem Ges[X.]häftsführer ein Zahlungsverbot auferlegt werde und der Anspru[X.]h der S[X.]huldnerin aus § 64 Satz 1 GmbHG dem Umstand Re[X.]hnung trage, dass das eigentli[X.]h forderungszuständige Gläubigerkollektiv bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit no[X.]h keine eigene Re[X.]htspersönli[X.]hkeit habe.

Entgegen den Auffassungen des Berufungsgeri[X.]hts und der Revisionserwiderung kann jedo[X.]h selbst von einem ges[X.]häftserfahrenen und mit Allgemeinen Ges[X.]häftsbedingungen vertrauten, denno[X.]h ni[X.]ht juristis[X.]h oder versi[X.]herungsre[X.]htli[X.]h vorgebildeten Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herten einer D&O-Versi[X.]herung (siehe au[X.]h Senatsurteil vom 21. April 2010 - [X.], [X.], 809 [juris Rn. 12 f.] zur Betriebsunterbre[X.]hungsversi[X.]herung) weder diese komplexe re[X.]htsdogmatis[X.]he Einordnung des Anspru[X.]hs aus § 64 Satz 1 GmbHG no[X.]h ein darauf gestütztes Verständnis des in Ziffer 1.1 [X.] formulierten Leistungsverspre[X.]hens erwartet werden (zutreffend [X.] in Fests[X.]hrift für [X.], 2018 S. 93, 104 f.; Commandeur/Bro[X.]ker, [X.] 2018, 1295, 1297; Czaplinski/[X.], r+s 2018, 538, 539; [X.], GmbHR 2018, 975; Henne/[X.], [X.], 227, 229; Markgraf/Henri[X.]h, [X.] 2018, 1290, 1292 f.; [X.]/[X.], [X.] 2019, 127, 130; Mielke/Urlaub, BB 2018, 2634, 2638; [X.], [X.], 243, 245; [X.], [X.] 2018, 316, 318 f.; S[X.]hwen[X.]ke/[X.], [X.], 1937, 1939 f.; a.A. OLG Düsseldorf [X.], 1307, 1311 f. [juris Rn. 108, 114 f.]; [X.]/Hardung, EWiR 2018, 553, 554). Der dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]he Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte kann und muss mithin sol[X.]he re[X.]htsdogmatis[X.]hen Überlegungen beim Bemühen um das Verständnis von Ziffer 1.1 [X.] ni[X.]ht anstellen. Dies gilt au[X.]h für die von der [X.] in der mündli[X.]hen Verhandlung angespro[X.]hene Erwägung, eine bedingungsgemäße Ausübung der organs[X.]haftli[X.]hen Tätigkeit liege ni[X.]ht vor, weil den Versi[X.]herten die verletzte Pfli[X.]ht "qua Stellung" treffe.

(3) Vielmehr hängt der Versi[X.]herungss[X.]hutz für ihn ents[X.]heidend davon ab, dass der Versi[X.]herte - wie im Falle des § 64 Satz 1 GmbHG - den Zustand vor Vornahme seiner pfli[X.]htwidrigen Zahlungen wiederherzustellen hat, glei[X.]hviel, ob dies der Gesells[X.]haft oder den Gesells[X.]haftsgläubigern zugutekommt (vgl. Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1858 f.; [X.], [X.] 9/2018 [X.]. 1; Markgraf/Henri[X.]h, [X.] 2018, 1290, 1294; in diese Ri[X.]htung au[X.]h Bauer/[X.], [X.], 2149, 2152, 2154; Commandeur/Bro[X.]ker, [X.] 2018, 1295, 1297 f.; Primozi[X.]/Nöller, [X.], 2509, 2511).

Denn den Klauselwortlaut, der ni[X.]ht darauf abstellt, bei wem der zu ersetzende S[X.]haden eingetreten ist, versteht der dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]he Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte so, dass in der Außenhaftung au[X.]h und gerade Versi[X.]herungss[X.]hutz gegenüber [X.] gewährt wird, zu denen die Insolvenzgläubiger gehören (vgl. Bru[X.]k/[X.]/[X.], [X.]. Ziffer 1 [X.] Rn. 53; Mitterle[X.]hner/Wax/Wits[X.]h, D&O-Versi[X.]herung 2. Aufl. § 4 Rn. 10; Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1856; [X.] in Fests[X.]hrift für [X.], 2018 S. 93, 105; [X.], [X.], 1298, 1301 f.; Markgraf/Henri[X.]h, [X.] 2018, 1290, 1293; Mielke/Urlaub, BB 2018, 2634, 2637; [X.], r+s 2019, 624, 629 f.). Dass der Versi[X.]herungss[X.]hutz au[X.]h davon abhängen soll, bei wem ein Vermögenss[X.]haden eingetreten ist und dass es insoweit einen Unters[X.]hied ma[X.]he, ob die S[X.]huldnerin oder die Insolvenzgläubiger ges[X.]hädigt sind, kann der dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]he Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herte dem Leistungsverspre[X.]hen in Ziffer 1.1 [X.] ni[X.]ht entnehmen. Darin, dass der maßgebli[X.]he Vermögenss[X.]haden ni[X.]ht zwingend bei der S[X.]huldnerin eingetreten sein muss, wird er au[X.]h dur[X.]h den Klammerzusatz der Klausel bestärkt, der den Insolvenzverwalter zu den mögli[X.]hen Anspru[X.]hstellern zählt (vgl. Armbrüster/[X.] [X.], 1853, 1859; [X.]/[X.], [X.] 2019, 127, 130 f.; [X.]/Gundla[X.]h, [X.], 2030, 2034), denn typis[X.]herweise verfolgt der Insolvenzverwalter gerade au[X.]h die Interessen der Insolvenzgläubiger (vgl. [X.]/Gundla[X.]h, [X.], 2030, 2034).

(4) Au[X.]h soweit das Berufungsgeri[X.]ht einen [X.] S[X.]hadensersatzanspru[X.]h mit der Begründung verneint, die Verteidigungsmögli[X.]hkeiten gegen eine Inanspru[X.]hnahme aus § 64 Satz 1 GmbHG seien mögli[X.]herweise einges[X.]hränkt, ergibt si[X.]h dies für den dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]hen Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herten weder aus dem [X.] (vgl. [X.], [X.] 9/2018 [X.]. 1; [X.], r+s 2019, 624, 630; siehe au[X.]h [X.], [X.], 1298, 1301 f.) no[X.]h misst er dem bei der Auslegung der Klausel Bedeutung bei (zutreffend Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1859). Vielmehr erwartet er von einer Haftpfli[X.]htversi[X.]herung gerade au[X.]h dann Versi[X.]herungss[X.]hutz, wenn seine Mögli[X.]hkeiten, den gegen ihn erhobenen Anspru[X.]h im Haftpfli[X.]htprozess abzuwehren, begrenzt sind.

dd) Die Einbeziehung von Ansprü[X.]hen aus § 64 Satz 1 GmbHG in den Versi[X.]herungss[X.]hutz entspri[X.]ht au[X.]h dem für den Versi[X.]herungsnehmer/Versi[X.]herten erkennbaren Zwe[X.]k des Versi[X.]herungsvertrages.

Die bei der [X.] gehaltene D&O-Versi[X.]herung dient als Fremdversi[X.]herung der Absi[X.]herung der versi[X.]herten Personen, die im Berei[X.]h der Außen- und au[X.]h der Innenhaftung von S[X.]hadensersatzansprü[X.]hen befreit werden sollen (vgl. Senatsurteil vom 5. April 2017 - [X.], [X.], 314 Rn. 29). An[X.] als das Berufungsgeri[X.]ht meint, werden vom Versi[X.]herungss[X.]hutz daher ni[X.]ht primär die Vermögensinteressen der Versi[X.]herungsnehmerin, sondern die der versi[X.]herten Person ges[X.]hützt (vgl. [X.] VersR 2005, 540; Bru[X.]k/[X.]/[X.], [X.]. Allgemeine Einführung [X.] Rn. 13; Mitterle[X.]hner/Wax/Wits[X.]h, D&O-Versi[X.]herung 2. Aufl. § 2 Rn. 22; [X.]/Sieg, 4. Aufl. § 17 Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Der Versi[X.]herungsprozess 4. Aufl. § 21 Rn. 15; Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1855; [X.], [X.] 9/2018 [X.]. 1; [X.], r+s 2019, 624, 629). Der S[X.]hutz au[X.]h der Vermögensinteressen des Versi[X.]herungsnehmers ist ledigli[X.]h eine Reflexwirkung des versi[X.]herten Haftpfli[X.]htinteresses der versi[X.]herten Person (vgl. Bru[X.]k/[X.]/[X.] aaO; Mitterle[X.]hner/Wax/Wits[X.]h aaO; Armbrüster/[X.] aaO).

Der dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]he Versi[X.]herte erwartet, dass diese Versi[X.]herung als Passivenversi[X.]herung sein Interesse daran s[X.]hützt, keine Vermögenseinbußen infolge von gegen ihn geri[X.]hteten S[X.]hadenersatzforderungen zu erleiden (vgl. [X.] VersR 2005, 540 unter 1.1; [X.]/Rixe[X.]ker/[X.], [X.]. § 100 Rn. 8; [X.]/Sieg, 4. Aufl. § 17 Rn. 38; [X.]/v. Rintelen, Haftpfli[X.]htversi[X.]herung 2. Aufl. Ziffer 1 [X.] Rn. 253; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Der Versi[X.]herungsprozess 4. Aufl. § 21 Rn. 4; Armbrüster/[X.], [X.], 1853, 1859). Er wird deshalb ni[X.]ht annehmen, dass gerade das für ihn bedeutende und potentiell existenzverni[X.]htende Haftpfli[X.]htrisiko aus § 64 Satz 1 GmbHG von der De[X.]kung der D&O-Versi[X.]herung deshalb ausgenommen sein soll, weil ein Vermögenss[X.]haden ni[X.]ht bei der Versi[X.]herungsnehmerin, sondern bei deren Gläubigern eingetreten ist (vgl. dazu au[X.]h Baumba[X.]h/Hue[X.]k/[X.], GmbHG 22. Aufl. § 64 Rn. 44; Commandeur/Bro[X.]ker, [X.] 2018, 1295, 1296 f.; [X.]/[X.], [X.], 761, 762; Markgraf/Henri[X.]h, [X.] 2018, 1290, 1293; [X.], [X.] 2017, 1767, 1768; [X.], GmbHR 2017, [X.]; S[X.]hwen[X.]ke/[X.], [X.], 1937, 1940; a.A. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Der Versi[X.]herungsprozess 4. Aufl. § 21 Rn. 36; [X.]., D&O-Versi[X.]herung und [X.], 2014 § 8 Rn. 19).

III. Die Sa[X.]he ist ni[X.]ht zur Endents[X.]heidung reif. Das Berufungsgeri[X.]ht hat - von seinem Standpunkt aus folgeri[X.]htig - no[X.]h ni[X.]ht geprüft, ob die Beklagte ihre Vertragsannahme wirksam angefo[X.]hten oder der Versi[X.]herte gegebenenfalls seine Pfli[X.]hten wissentli[X.]h verletzt hat. Mögli[X.]herweise wird das Berufungsgeri[X.]ht au[X.]h Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspru[X.]hs na[X.]h § 64 Satz 1 GmbHG zu treffen haben.

[X.]     

      

Fels[X.]h     

      

Harsdorf-Gebhardt

      

Prof. Dr. Kar[X.]zewski     

      

Dr. Götz     

      

Meta

IV ZR 217/19

18.11.2020

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 7. August 2019, Az: 3 U 6/19

§ 64 S 1 GmbHG, Nr 1.1 VermSchAVB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.11.2020, Az. IV ZR 217/19 (REWIS RS 2020, 856)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 36 WM2020,2379 NJW 2021, 231 REWIS RS 2020, 856


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 217/19

Bundesgerichtshof, IV ZR 217/19, 18.11.2020.


Az. 3 U 6/19

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 U 6/19, 22.08.2019.


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